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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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Fingerzeig zu geben; mir, die ich keine
Seele beleidigte, mich bemühte, meine
Gesinnungen zu verbergen, so bald sie
die ihrige zu tadeln, oder zu verdrießen
schienen! Wie bereit war ich, alles, was
mir Fehler däuchte, zu entschuldigen! Aber
sie dachten, es wäre nicht viel an einem
Mädchen, aus einer ungleichen Ehe, ver-
loren. Konnte ich bey diesem vollen
Uebermaaße von Beleidigungen, die über
meinen Charakter, meine Geburt und
meinen Ruhm ausgegossen wurden, den
Trost von mir werfen, den mir die Ach-
tung und Liebe des Mylord Derby anbot?
Die Entfernung des Grafen, und der
Gräfinn R., ihr Stillschweigen auf meine
letzten Briefe, die Unart, mit welcher mir
die Zuflucht auf meine Güter versagt wur-
de; und, meine Emilia, ich berge es Jh-
nen nicht, meine Liebe zu England, der an-
gesehene Stand, zu welchem mich Mylord
Derby durch seine Hand und seine Edelmü-
thigkeit erhob; auch diese zwo Vorstellun-
gen hatten große Reize für meine verlassene
und betäubte Seele. Jch war vorsichtig ge-

nug,
B 2


Fingerzeig zu geben; mir, die ich keine
Seele beleidigte, mich bemuͤhte, meine
Geſinnungen zu verbergen, ſo bald ſie
die ihrige zu tadeln, oder zu verdrießen
ſchienen! Wie bereit war ich, alles, was
mir Fehler daͤuchte, zu entſchuldigen! Aber
ſie dachten, es waͤre nicht viel an einem
Maͤdchen, aus einer ungleichen Ehe, ver-
loren. Konnte ich bey dieſem vollen
Uebermaaße von Beleidigungen, die uͤber
meinen Charakter, meine Geburt und
meinen Ruhm ausgegoſſen wurden, den
Troſt von mir werfen, den mir die Ach-
tung und Liebe des Mylord Derby anbot?
Die Entfernung des Grafen, und der
Graͤfinn R., ihr Stillſchweigen auf meine
letzten Briefe, die Unart, mit welcher mir
die Zuflucht auf meine Guͤter verſagt wur-
de; und, meine Emilia, ich berge es Jh-
nen nicht, meine Liebe zu England, der an-
geſehene Stand, zu welchem mich Mylord
Derby durch ſeine Hand und ſeine Edelmuͤ-
thigkeit erhob; auch dieſe zwo Vorſtellun-
gen hatten große Reize fuͤr meine verlaſſene
und betaͤubte Seele. Jch war vorſichtig ge-

nug,
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[19/0025] Fingerzeig zu geben; mir, die ich keine Seele beleidigte, mich bemuͤhte, meine Geſinnungen zu verbergen, ſo bald ſie die ihrige zu tadeln, oder zu verdrießen ſchienen! Wie bereit war ich, alles, was mir Fehler daͤuchte, zu entſchuldigen! Aber ſie dachten, es waͤre nicht viel an einem Maͤdchen, aus einer ungleichen Ehe, ver- loren. Konnte ich bey dieſem vollen Uebermaaße von Beleidigungen, die uͤber meinen Charakter, meine Geburt und meinen Ruhm ausgegoſſen wurden, den Troſt von mir werfen, den mir die Ach- tung und Liebe des Mylord Derby anbot? Die Entfernung des Grafen, und der Graͤfinn R., ihr Stillſchweigen auf meine letzten Briefe, die Unart, mit welcher mir die Zuflucht auf meine Guͤter verſagt wur- de; und, meine Emilia, ich berge es Jh- nen nicht, meine Liebe zu England, der an- geſehene Stand, zu welchem mich Mylord Derby durch ſeine Hand und ſeine Edelmuͤ- thigkeit erhob; auch dieſe zwo Vorſtellun- gen hatten große Reize fuͤr meine verlaſſene und betaͤubte Seele. Jch war vorſichtig ge- nug, B 2

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/25>, abgerufen am 21.11.2024.