schauern, und widerwillig entriß ich ihr meine Hand. Derbys Tochter war mir verhaßt. Das arme Mädchen gieng mit Weinen an den Fuß meines Lagers und wehklagte. Jch fühlte mein Unrecht, die unglückliche Unschuld leiden zu machen; ich gelobte mir, meinen Widerwillen zu un- terdrücken, und dem Kinde meines Mör- ders Liebe zu erweisen. Wie froh war ich, da ich mich aufrichtete und sie rief. Auf ihre kleine Brust gelehnt legte ich das Gelübde ab, ihr Güte zu erweisen. Jch werde es nicht brechen, ich hab' es zu theuer erkauft!
O Derby! wie voll, wie voll machst du das Maaß deiner Härte gegen mich! heute kommt ein Boote, und bringt einen großen Pack Vorrath zur Tapezerey; nie- derträchtig spottet er: "da mir bey Hofe "die Zeit ohne Tapetenarbeit zu lang ge- "wesen, so möchte es hier auch so seyn; er "schickte mir also Winterarbeit; im Früh- "jahre würde er es holen lassen." Es
ist
ſchauern, und widerwillig entriß ich ihr meine Hand. Derbys Tochter war mir verhaßt. Das arme Maͤdchen gieng mit Weinen an den Fuß meines Lagers und wehklagte. Jch fuͤhlte mein Unrecht, die ungluͤckliche Unſchuld leiden zu machen; ich gelobte mir, meinen Widerwillen zu un- terdruͤcken, und dem Kinde meines Moͤr- ders Liebe zu erweiſen. Wie froh war ich, da ich mich aufrichtete und ſie rief. Auf ihre kleine Bruſt gelehnt legte ich das Geluͤbde ab, ihr Guͤte zu erweiſen. Jch werde es nicht brechen, ich hab’ es zu theuer erkauft!
O Derby! wie voll, wie voll machſt du das Maaß deiner Haͤrte gegen mich! heute kommt ein Boote, und bringt einen großen Pack Vorrath zur Tapezerey; nie- dertraͤchtig ſpottet er: „da mir bey Hofe „die Zeit ohne Tapetenarbeit zu lang ge- „weſen, ſo moͤchte es hier auch ſo ſeyn; er „ſchickte mir alſo Winterarbeit; im Fruͤh- „jahre wuͤrde er es holen laſſen.“ Es
iſt
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ſchauern, und widerwillig entriß ich ihr
meine Hand. Derbys Tochter war mir
verhaßt. Das arme Maͤdchen gieng mit
Weinen an den Fuß meines Lagers und
wehklagte. Jch fuͤhlte mein Unrecht, die
ungluͤckliche Unſchuld leiden zu machen;
ich gelobte mir, meinen Widerwillen zu un-
terdruͤcken, und dem Kinde meines Moͤr-
ders Liebe zu erweiſen. Wie froh war
ich, da ich mich aufrichtete und ſie rief.
Auf ihre kleine Bruſt gelehnt legte ich das
Geluͤbde ab, ihr Guͤte zu erweiſen. Jch
werde es nicht brechen, ich hab’ es zu
theuer erkauft!
O Derby! wie voll, wie voll machſt
du das Maaß deiner Haͤrte gegen mich!
heute kommt ein Boote, und bringt einen
großen Pack Vorrath zur Tapezerey; nie-
dertraͤchtig ſpottet er: „da mir bey Hofe
„die Zeit ohne Tapetenarbeit zu lang ge-
„weſen, ſo moͤchte es hier auch ſo ſeyn; er
„ſchickte mir alſo Winterarbeit; im Fruͤh-
„jahre wuͤrde er es holen laſſen.“ Es
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/230>, abgerufen am 27.04.2024.
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