Hier in einem einsamen Dorfe, allen die mich sehen, unbekannt, denen, die mich kannten, verborgen, hier fand' ich mich wieder, nachdem ich durch meine Eigen- liebe und Empfindlichkeit so weit von mir selbst geführt worden, daß ich mit hasti- gen Schelten einen Weg betrat, vor welchem ich in gelassenen denkenden Ta- gen mit Schauer und Eifer geflohen wäre; O wenn ich mir nicht sagen könnte, wenn meine Rosine, wenn Mylord Derby selbst nicht zeugen müßten, daß alle Kräfte meiner Seele durch Unmuth und Krank- heit geschwächt und unterdrückt waren; wo, meine Emilia, wo nähme ich einen Augenblick Ruhe und Zufriedenheit bey dem Gedanken, daß ich heimliche Veran- staltungen getroffen -- ein heimliches Bündniß gemacht, und aus dem Hause entflohen bin, in welches ich selbst durch meinen Vater gegeben wurde.
Es
IITheil. B
Fraͤulein von Sternheim an Emilia.
Hier in einem einſamen Dorfe, allen die mich ſehen, unbekannt, denen, die mich kannten, verborgen, hier fand’ ich mich wieder, nachdem ich durch meine Eigen- liebe und Empfindlichkeit ſo weit von mir ſelbſt gefuͤhrt worden, daß ich mit haſti- gen Schelten einen Weg betrat, vor welchem ich in gelaſſenen denkenden Ta- gen mit Schauer und Eifer geflohen waͤre; O wenn ich mir nicht ſagen koͤnnte, wenn meine Roſine, wenn Mylord Derby ſelbſt nicht zeugen muͤßten, daß alle Kraͤfte meiner Seele durch Unmuth und Krank- heit geſchwaͤcht und unterdruͤckt waren; wo, meine Emilia, wo naͤhme ich einen Augenblick Ruhe und Zufriedenheit bey dem Gedanken, daß ich heimliche Veran- ſtaltungen getroffen — ein heimliches Buͤndniß gemacht, und aus dem Hauſe entflohen bin, in welches ich ſelbſt durch meinen Vater gegeben wurde.
Es
IITheil. B
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[17/0023]
Fraͤulein von Sternheim
an
Emilia.
Hier in einem einſamen Dorfe, allen die
mich ſehen, unbekannt, denen, die mich
kannten, verborgen, hier fand’ ich mich
wieder, nachdem ich durch meine Eigen-
liebe und Empfindlichkeit ſo weit von mir
ſelbſt gefuͤhrt worden, daß ich mit haſti-
gen Schelten einen Weg betrat, vor
welchem ich in gelaſſenen denkenden Ta-
gen mit Schauer und Eifer geflohen waͤre;
O wenn ich mir nicht ſagen koͤnnte, wenn
meine Roſine, wenn Mylord Derby ſelbſt
nicht zeugen muͤßten, daß alle Kraͤfte
meiner Seele durch Unmuth und Krank-
heit geſchwaͤcht und unterdruͤckt waren;
wo, meine Emilia, wo naͤhme ich einen
Augenblick Ruhe und Zufriedenheit bey
dem Gedanken, daß ich heimliche Veran-
ſtaltungen getroffen — ein heimliches
Buͤndniß gemacht, und aus dem Hauſe
entflohen bin, in welches ich ſelbſt durch
meinen Vater gegeben wurde.
Es
II Theil. B
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/23>, abgerufen am 24.11.2024.
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