Meine Begierde, alles zu wissen, war nun so groß, als vorher meine Sorge darüber gewesen war.
Das Fräulein soll geglaubt haben, ihre Tante hätte ihren Schmuck neu fassen las- sen, und lehnte ihn ihr zum Ball; die Klei- der habe sie ihrem Kaufmann schuldig zu seyn geglaubt; ihr Singen wäre eine ge- zwungene Gefälligkeit gewesen, und sie hätte in einem Brief an den Fürsten eine weiße Maske gesegnet, die ihr alle Bos- heiten entdeckt habe, welche ihren Ruhm zernichtet hätten.
O Mylord, rief ich; diese weiße Maske war ich; ich habe mit ihr gesprochen, und ihr Vorwürfe gemacht; aber gleich nach dieser Unterhaltung eilt' ich fort. Er fuhr fort mir zu erzählen: das Fräulein hätte noch auf dem Ball dem Fürsten sei- nen Schmuck vor die Füße geworfen, und wäre in der äußersten Beängstigung nach Haus gefahren; sie wäre aber acht Tage sehr krank gelegen, und hätte keinen Men- schen vor sich gelassen. Bey ihrer Wie- derherstellung hätte sie auf ihre Güter zu
gehen
A 4
Meine Begierde, alles zu wiſſen, war nun ſo groß, als vorher meine Sorge daruͤber geweſen war.
Das Fraͤulein ſoll geglaubt haben, ihre Tante haͤtte ihren Schmuck neu faſſen laſ- ſen, und lehnte ihn ihr zum Ball; die Klei- der habe ſie ihrem Kaufmann ſchuldig zu ſeyn geglaubt; ihr Singen waͤre eine ge- zwungene Gefaͤlligkeit geweſen, und ſie haͤtte in einem Brief an den Fuͤrſten eine weiße Maske geſegnet, die ihr alle Bos- heiten entdeckt habe, welche ihren Ruhm zernichtet haͤtten.
O Mylord, rief ich; dieſe weiße Maske war ich; ich habe mit ihr geſprochen, und ihr Vorwuͤrfe gemacht; aber gleich nach dieſer Unterhaltung eilt’ ich fort. Er fuhr fort mir zu erzaͤhlen: das Fraͤulein haͤtte noch auf dem Ball dem Fuͤrſten ſei- nen Schmuck vor die Fuͤße geworfen, und waͤre in der aͤußerſten Beaͤngſtigung nach Haus gefahren; ſie waͤre aber acht Tage ſehr krank gelegen, und haͤtte keinen Men- ſchen vor ſich gelaſſen. Bey ihrer Wie- derherſtellung haͤtte ſie auf ihre Guͤter zu
gehen
A 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0013"n="7"/><fwplace="top"type="header"><lb/></fw><p>Meine Begierde, alles zu wiſſen, war<lb/>
nun ſo groß, als vorher meine Sorge<lb/>
daruͤber geweſen war.</p><lb/><p>Das Fraͤulein ſoll geglaubt haben, ihre<lb/>
Tante haͤtte ihren Schmuck neu faſſen laſ-<lb/>ſen, und lehnte ihn ihr zum Ball; die Klei-<lb/>
der habe ſie ihrem Kaufmann ſchuldig zu<lb/>ſeyn geglaubt; ihr Singen waͤre eine ge-<lb/>
zwungene Gefaͤlligkeit geweſen, und ſie<lb/>
haͤtte in einem Brief an den Fuͤrſten eine<lb/>
weiße Maske geſegnet, die ihr alle Bos-<lb/>
heiten entdeckt habe, welche ihren Ruhm<lb/>
zernichtet haͤtten.</p><lb/><p>O Mylord, rief ich; dieſe weiße Maske<lb/>
war ich; ich habe mit ihr geſprochen, und<lb/>
ihr Vorwuͤrfe gemacht; aber gleich nach<lb/>
dieſer Unterhaltung eilt’ ich fort. Er<lb/>
fuhr fort mir zu erzaͤhlen: das Fraͤulein<lb/>
haͤtte noch auf dem Ball dem Fuͤrſten ſei-<lb/>
nen Schmuck vor die Fuͤße geworfen, und<lb/>
waͤre in der aͤußerſten Beaͤngſtigung nach<lb/>
Haus gefahren; ſie waͤre aber acht Tage<lb/>ſehr krank gelegen, und haͤtte keinen Men-<lb/>ſchen vor ſich gelaſſen. Bey ihrer Wie-<lb/>
derherſtellung haͤtte ſie auf ihre Guͤter zu<lb/><fwplace="bottom"type="sig">A 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">gehen</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[7/0013]
Meine Begierde, alles zu wiſſen, war
nun ſo groß, als vorher meine Sorge
daruͤber geweſen war.
Das Fraͤulein ſoll geglaubt haben, ihre
Tante haͤtte ihren Schmuck neu faſſen laſ-
ſen, und lehnte ihn ihr zum Ball; die Klei-
der habe ſie ihrem Kaufmann ſchuldig zu
ſeyn geglaubt; ihr Singen waͤre eine ge-
zwungene Gefaͤlligkeit geweſen, und ſie
haͤtte in einem Brief an den Fuͤrſten eine
weiße Maske geſegnet, die ihr alle Bos-
heiten entdeckt habe, welche ihren Ruhm
zernichtet haͤtten.
O Mylord, rief ich; dieſe weiße Maske
war ich; ich habe mit ihr geſprochen, und
ihr Vorwuͤrfe gemacht; aber gleich nach
dieſer Unterhaltung eilt’ ich fort. Er
fuhr fort mir zu erzaͤhlen: das Fraͤulein
haͤtte noch auf dem Ball dem Fuͤrſten ſei-
nen Schmuck vor die Fuͤße geworfen, und
waͤre in der aͤußerſten Beaͤngſtigung nach
Haus gefahren; ſie waͤre aber acht Tage
ſehr krank gelegen, und haͤtte keinen Men-
ſchen vor ſich gelaſſen. Bey ihrer Wie-
derherſtellung haͤtte ſie auf ihre Guͤter zu
gehen
A 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/13>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.