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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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Meine Begierde, alles zu wissen, war
nun so groß, als vorher meine Sorge
darüber gewesen war.

Das Fräulein soll geglaubt haben, ihre
Tante hätte ihren Schmuck neu fassen las-
sen, und lehnte ihn ihr zum Ball; die Klei-
der habe sie ihrem Kaufmann schuldig zu
seyn geglaubt; ihr Singen wäre eine ge-
zwungene Gefälligkeit gewesen, und sie
hätte in einem Brief an den Fürsten eine
weiße Maske gesegnet, die ihr alle Bos-
heiten entdeckt habe, welche ihren Ruhm
zernichtet hätten.

O Mylord, rief ich; diese weiße Maske
war ich; ich habe mit ihr gesprochen, und
ihr Vorwürfe gemacht; aber gleich nach
dieser Unterhaltung eilt' ich fort. Er
fuhr fort mir zu erzählen: das Fräulein
hätte noch auf dem Ball dem Fürsten sei-
nen Schmuck vor die Füße geworfen, und
wäre in der äußersten Beängstigung nach
Haus gefahren; sie wäre aber acht Tage
sehr krank gelegen, und hätte keinen Men-
schen vor sich gelassen. Bey ihrer Wie-
derherstellung hätte sie auf ihre Güter zu

gehen
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Meine Begierde, alles zu wiſſen, war
nun ſo groß, als vorher meine Sorge
daruͤber geweſen war.

Das Fraͤulein ſoll geglaubt haben, ihre
Tante haͤtte ihren Schmuck neu faſſen laſ-
ſen, und lehnte ihn ihr zum Ball; die Klei-
der habe ſie ihrem Kaufmann ſchuldig zu
ſeyn geglaubt; ihr Singen waͤre eine ge-
zwungene Gefaͤlligkeit geweſen, und ſie
haͤtte in einem Brief an den Fuͤrſten eine
weiße Maske geſegnet, die ihr alle Bos-
heiten entdeckt habe, welche ihren Ruhm
zernichtet haͤtten.

O Mylord, rief ich; dieſe weiße Maske
war ich; ich habe mit ihr geſprochen, und
ihr Vorwuͤrfe gemacht; aber gleich nach
dieſer Unterhaltung eilt’ ich fort. Er
fuhr fort mir zu erzaͤhlen: das Fraͤulein
haͤtte noch auf dem Ball dem Fuͤrſten ſei-
nen Schmuck vor die Fuͤße geworfen, und
waͤre in der aͤußerſten Beaͤngſtigung nach
Haus gefahren; ſie waͤre aber acht Tage
ſehr krank gelegen, und haͤtte keinen Men-
ſchen vor ſich gelaſſen. Bey ihrer Wie-
derherſtellung haͤtte ſie auf ihre Guͤter zu

gehen
A 4
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[7/0013] Meine Begierde, alles zu wiſſen, war nun ſo groß, als vorher meine Sorge daruͤber geweſen war. Das Fraͤulein ſoll geglaubt haben, ihre Tante haͤtte ihren Schmuck neu faſſen laſ- ſen, und lehnte ihn ihr zum Ball; die Klei- der habe ſie ihrem Kaufmann ſchuldig zu ſeyn geglaubt; ihr Singen waͤre eine ge- zwungene Gefaͤlligkeit geweſen, und ſie haͤtte in einem Brief an den Fuͤrſten eine weiße Maske geſegnet, die ihr alle Bos- heiten entdeckt habe, welche ihren Ruhm zernichtet haͤtten. O Mylord, rief ich; dieſe weiße Maske war ich; ich habe mit ihr geſprochen, und ihr Vorwuͤrfe gemacht; aber gleich nach dieſer Unterhaltung eilt’ ich fort. Er fuhr fort mir zu erzaͤhlen: das Fraͤulein haͤtte noch auf dem Ball dem Fuͤrſten ſei- nen Schmuck vor die Fuͤße geworfen, und waͤre in der aͤußerſten Beaͤngſtigung nach Haus gefahren; ſie waͤre aber acht Tage ſehr krank gelegen, und haͤtte keinen Men- ſchen vor ſich gelaſſen. Bey ihrer Wie- derherſtellung haͤtte ſie auf ihre Guͤter zu gehen A 4

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/13>, abgerufen am 29.03.2024.