[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771."schlich sich in eine Nebenkammer, um "auf den Brief zu horchen; da sah sie un- "sre liebe schöne Dame auf der Erde knien "und weinen, und ihrem Cammermädchen "erzählen: in dem Briefe stünde: ihre "Heurath wäre falsch gewesen: der Bo- "the, der ihn gebracht, wäre in einen "Geistlichen verkleidet gewesen, und hätte "sie eingesegnet; sie könne hin wo sie wol- "le; da ist sie auch zwey Tage darauf "fort; aber sie muß unterweges gestorben "seyn, so krank und betrübt war sie; da "will nun meine Mutter keinen Engländer "mehr ins Haus aufnehmen. Mylord sah mich gerührt an; Carl, was sagt dein Herz zu dieser Er- O Mylord, es ist mein Fräulein Stern- Junger Freund, sagte Mylord dem ter: H 5
„ſchlich ſich in eine Nebenkammer, um „auf den Brief zu horchen; da ſah ſie un- „ſre liebe ſchoͤne Dame auf der Erde knien „und weinen, und ihrem Cammermaͤdchen „erzaͤhlen: in dem Briefe ſtuͤnde: ihre „Heurath waͤre falſch geweſen: der Bo- „the, der ihn gebracht, waͤre in einen „Geiſtlichen verkleidet geweſen, und haͤtte „ſie eingeſegnet; ſie koͤnne hin wo ſie wol- „le; da iſt ſie auch zwey Tage darauf „fort; aber ſie muß unterweges geſtorben „ſeyn, ſo krank und betruͤbt war ſie; da „will nun meine Mutter keinen Englaͤnder „mehr ins Haus aufnehmen. Mylord ſah mich geruͤhrt an; Carl, was ſagt dein Herz zu dieſer Er- O Mylord, es iſt mein Fraͤulein Stern- Junger Freund, ſagte Mylord dem ter: H 5
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„Mutter ahndete nichts gutes, und ſie
„ſchlich ſich in eine Nebenkammer, um
„auf den Brief zu horchen; da ſah ſie un-
„ſre liebe ſchoͤne Dame auf der Erde knien
„und weinen, und ihrem Cammermaͤdchen
„erzaͤhlen: in dem Briefe ſtuͤnde: ihre
„Heurath waͤre falſch geweſen: der Bo-
„the, der ihn gebracht, waͤre in einen
„Geiſtlichen verkleidet geweſen, und haͤtte
„ſie eingeſegnet; ſie koͤnne hin wo ſie wol-
„le; da iſt ſie auch zwey Tage darauf
„fort; aber ſie muß unterweges geſtorben
„ſeyn, ſo krank und betruͤbt war ſie; da
„will nun meine Mutter keinen Englaͤnder
„mehr ins Haus aufnehmen.
Mylord ſah mich geruͤhrt an;
Carl, was ſagt dein Herz zu dieſer Er-
zaͤhlung?
O Mylord, es iſt mein Fraͤulein Stern-
heim, — ſchrie ich — aber der Boͤſe-
wicht ſoll es bezahlen! Aufſuchen will ich
ihn; es iſt Derby; kein andrer iſt dieſer
Grauſamkeit faͤhig.
Junger Freund, ſagte Mylord dem
Sohne der Wirthin; ſag’ er ſeiner Mut-
ter:
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Zitationshilfe: | [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/127>, abgerufen am 16.02.2025. |