Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

"Wie unvernünftig boshaft meine
Schwester seyn kann! Du hast nichts von
meinen Anträgen zu besorgen. Jch wer-
de für niemand als einen Sternheim re-
den, und für diesen ist ein Gemüthscha-
rakter, wie der deinige, nicht edel genug,
wenn du auch eine Fürstin wärest."

Gnädige Mama; Sie hören zu, wie
ich wegen des elenden Kerls gemißhandelt
werde?

Du hast die Geduld deines Bruders
gemißbraucht. Kannst du deine Einwen-
dungen nicht ruhiger vorbringen?

Sie wollte eben reden; aber der Bru-
der fiel ihr ins Wort: Charlotte, rede
nicht mehr; der Ausdruck elender Kerl
hat dir deinen Bruder genommen! Die
Sachen meines Hauses gehen dich nichts
mehr an. Dein Herz entehrt die Ahnen,
auf deren Namen du stolz bist! O wie
klein würde die Anzahl des Adels werden,
wenn sich nur die dazu rechnen dürften,
die ihre Ansprüche durch die Tugenden der
edlen Seele des Stifters ihres Hauses
beweisen könnten!

Lieber

„Wie unvernuͤnftig boshaft meine
Schweſter ſeyn kann! Du haſt nichts von
meinen Antraͤgen zu beſorgen. Jch wer-
de fuͤr niemand als einen Sternheim re-
den, und fuͤr dieſen iſt ein Gemuͤthscha-
rakter, wie der deinige, nicht edel genug,
wenn du auch eine Fuͤrſtin waͤreſt.“

Gnaͤdige Mama; Sie hoͤren zu, wie
ich wegen des elenden Kerls gemißhandelt
werde?

Du haſt die Geduld deines Bruders
gemißbraucht. Kannſt du deine Einwen-
dungen nicht ruhiger vorbringen?

Sie wollte eben reden; aber der Bru-
der fiel ihr ins Wort: Charlotte, rede
nicht mehr; der Ausdruck elender Kerl
hat dir deinen Bruder genommen! Die
Sachen meines Hauſes gehen dich nichts
mehr an. Dein Herz entehrt die Ahnen,
auf deren Namen du ſtolz biſt! O wie
klein wuͤrde die Anzahl des Adels werden,
wenn ſich nur die dazu rechnen duͤrften,
die ihre Anſpruͤche durch die Tugenden der
edlen Seele des Stifters ihres Hauſes
beweiſen koͤnnten!

Lieber
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0058" n="32"/>
        <p>&#x201E;Wie unvernu&#x0364;nftig boshaft meine<lb/>
Schwe&#x017F;ter &#x017F;eyn kann! Du ha&#x017F;t nichts von<lb/>
meinen Antra&#x0364;gen zu be&#x017F;orgen. Jch wer-<lb/>
de fu&#x0364;r niemand als einen Sternheim re-<lb/>
den, und fu&#x0364;r die&#x017F;en i&#x017F;t ein Gemu&#x0364;thscha-<lb/>
rakter, wie der deinige, nicht edel genug,<lb/>
wenn du auch eine Fu&#x0364;r&#x017F;tin wa&#x0364;re&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Gna&#x0364;dige Mama; Sie ho&#x0364;ren zu, wie<lb/>
ich wegen des elenden Kerls gemißhandelt<lb/>
werde?</p><lb/>
        <p>Du ha&#x017F;t die Geduld deines Bruders<lb/>
gemißbraucht. Kann&#x017F;t du deine Einwen-<lb/>
dungen nicht ruhiger vorbringen?</p><lb/>
        <p>Sie wollte eben reden; aber der Bru-<lb/>
der fiel ihr ins Wort: Charlotte, rede<lb/>
nicht mehr; der Ausdruck <hi rendition="#fr">elender Kerl</hi><lb/>
hat dir deinen Bruder genommen! Die<lb/>
Sachen meines Hau&#x017F;es gehen dich nichts<lb/>
mehr an. Dein Herz entehrt die Ahnen,<lb/>
auf deren Namen du &#x017F;tolz bi&#x017F;t! O wie<lb/>
klein wu&#x0364;rde die Anzahl des Adels werden,<lb/>
wenn &#x017F;ich nur die dazu rechnen du&#x0364;rften,<lb/>
die ihre An&#x017F;pru&#x0364;che durch die Tugenden der<lb/>
edlen Seele des Stifters ihres Hau&#x017F;es<lb/>
bewei&#x017F;en ko&#x0364;nnten!</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Lieber</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0058] „Wie unvernuͤnftig boshaft meine Schweſter ſeyn kann! Du haſt nichts von meinen Antraͤgen zu beſorgen. Jch wer- de fuͤr niemand als einen Sternheim re- den, und fuͤr dieſen iſt ein Gemuͤthscha- rakter, wie der deinige, nicht edel genug, wenn du auch eine Fuͤrſtin waͤreſt.“ Gnaͤdige Mama; Sie hoͤren zu, wie ich wegen des elenden Kerls gemißhandelt werde? Du haſt die Geduld deines Bruders gemißbraucht. Kannſt du deine Einwen- dungen nicht ruhiger vorbringen? Sie wollte eben reden; aber der Bru- der fiel ihr ins Wort: Charlotte, rede nicht mehr; der Ausdruck elender Kerl hat dir deinen Bruder genommen! Die Sachen meines Hauſes gehen dich nichts mehr an. Dein Herz entehrt die Ahnen, auf deren Namen du ſtolz biſt! O wie klein wuͤrde die Anzahl des Adels werden, wenn ſich nur die dazu rechnen duͤrften, die ihre Anſpruͤche durch die Tugenden der edlen Seele des Stifters ihres Hauſes beweiſen koͤnnten! Lieber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/58
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/58>, abgerufen am 24.11.2024.