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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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beyde ihre Ansprüche bey dir verlieh-
ren? --

"Bruder, rede deutlich; ich bin ent-
schlossen nach meinen geheimsten Empfin-
dungen zu antworten." --

Sophie, die Versicherung, daß dein
Herz ohne Bündniß sey, erlaubt mir,
dich zu fragen: was du thun würdest,
wenn ein Mann, voll Weisheit und Tu-
gend, dich liebte, um deine Hand bäte,
aber nicht von altem Adel wäre? --

Sie gerieth bey diesem letzten Wort
in Schrecken, sie zitterte, und wußte sich
nicht zu fassen. Der Baron wollte ihr
Herz nicht lange quälen, sondern fuhr
fort: wenn dieser Mann der Freund wäre,
dem dein Bruder die Güte und Glückse-
ligkeit seines Herzens zu danken hätte, --
Sophie; was würdest du thun?

Sie redete nicht, sondern ward nach-
denkend und wechselsweise roth und blaß.

Jch beunruhige dich, meine Schwe-
ster; der Oberste liebt dich. Diese Lei-
denschaft macht seine Schwermuth; denn
er zweifelt, ob er werde angenommen wer-

den.

beyde ihre Anſpruͤche bey dir verlieh-
ren? —

„Bruder, rede deutlich; ich bin ent-
ſchloſſen nach meinen geheimſten Empfin-
dungen zu antworten.“ —

Sophie, die Verſicherung, daß dein
Herz ohne Buͤndniß ſey, erlaubt mir,
dich zu fragen: was du thun wuͤrdeſt,
wenn ein Mann, voll Weisheit und Tu-
gend, dich liebte, um deine Hand baͤte,
aber nicht von altem Adel waͤre? —

Sie gerieth bey dieſem letzten Wort
in Schrecken, ſie zitterte, und wußte ſich
nicht zu faſſen. Der Baron wollte ihr
Herz nicht lange quaͤlen, ſondern fuhr
fort: wenn dieſer Mann der Freund waͤre,
dem dein Bruder die Guͤte und Gluͤckſe-
ligkeit ſeines Herzens zu danken haͤtte, —
Sophie; was wuͤrdeſt du thun?

Sie redete nicht, ſondern ward nach-
denkend und wechſelsweiſe roth und blaß.

Jch beunruhige dich, meine Schwe-
ſter; der Oberſte liebt dich. Dieſe Lei-
denſchaft macht ſeine Schwermuth; denn
er zweifelt, ob er werde angenommen wer-

den.
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[20/0046] beyde ihre Anſpruͤche bey dir verlieh- ren? — „Bruder, rede deutlich; ich bin ent- ſchloſſen nach meinen geheimſten Empfin- dungen zu antworten.“ — Sophie, die Verſicherung, daß dein Herz ohne Buͤndniß ſey, erlaubt mir, dich zu fragen: was du thun wuͤrdeſt, wenn ein Mann, voll Weisheit und Tu- gend, dich liebte, um deine Hand baͤte, aber nicht von altem Adel waͤre? — Sie gerieth bey dieſem letzten Wort in Schrecken, ſie zitterte, und wußte ſich nicht zu faſſen. Der Baron wollte ihr Herz nicht lange quaͤlen, ſondern fuhr fort: wenn dieſer Mann der Freund waͤre, dem dein Bruder die Guͤte und Gluͤckſe- ligkeit ſeines Herzens zu danken haͤtte, — Sophie; was wuͤrdeſt du thun? Sie redete nicht, ſondern ward nach- denkend und wechſelsweiſe roth und blaß. Jch beunruhige dich, meine Schwe- ſter; der Oberſte liebt dich. Dieſe Lei- denſchaft macht ſeine Schwermuth; denn er zweifelt, ob er werde angenommen wer- den.

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/46>, abgerufen am 19.03.2024.