Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

bis zu den Füssen mit Adel und rüh-
render Grazie bewaffnet. Sie zagte
einen Augenblick an der Thüre, ich
lief gegen ihr, sie machte einen Schritt,
und ich kniete bey ihr mit einer wah-
ren
Bewegung von Zärtlichkeit. Sie
gab mir ihre Hände, konnte aber nicht
reden; Thränen fielen aus ihren Au-
gen, die sich zu lächeln bemühten; ich
konnte ihre Bestürzung genau nachah-
men, denn ich fühlte mich ein wenig
beklemmt, und John sagte mir nach-
her, daß es Zeit gewesen wäre, ihm
das Zeichen zu geben, sonst würde er
nichts mehr geantwortet haben, in-
dem ihn seine Entschlossenheit beynahe
verlassen habe.

Doch das waren leere Aufstoßungen
unserer noch nicht genug verdauten ju-
gendlichen Vorurtheile.

Jch drückte die rechte Hand meines
Mädchens an meine Brust.

Jst sie mein, diese segensvolle Hand?
Wollen sie mich glücklich machen? --
sagte ich mit dem zärtlichsten Tone.

Sie

bis zu den Fuͤſſen mit Adel und ruͤh-
render Grazie bewaffnet. Sie zagte
einen Augenblick an der Thuͤre, ich
lief gegen ihr, ſie machte einen Schritt,
und ich kniete bey ihr mit einer wah-
ren
Bewegung von Zaͤrtlichkeit. Sie
gab mir ihre Haͤnde, konnte aber nicht
reden; Thraͤnen fielen aus ihren Au-
gen, die ſich zu laͤcheln bemuͤhten; ich
konnte ihre Beſtuͤrzung genau nachah-
men, denn ich fuͤhlte mich ein wenig
beklemmt, und John ſagte mir nach-
her, daß es Zeit geweſen waͤre, ihm
das Zeichen zu geben, ſonſt wuͤrde er
nichts mehr geantwortet haben, in-
dem ihn ſeine Entſchloſſenheit beynahe
verlaſſen habe.

Doch das waren leere Aufſtoßungen
unſerer noch nicht genug verdauten ju-
gendlichen Vorurtheile.

Jch druͤckte die rechte Hand meines
Maͤdchens an meine Bruſt.

Jſt ſie mein, dieſe ſegensvolle Hand?
Wollen ſie mich gluͤcklich machen? —
ſagte ich mit dem zaͤrtlichſten Tone.

Sie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0389" n="363"/>
bis zu den Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en mit Adel und ru&#x0364;h-<lb/>
render Grazie bewaffnet. Sie zagte<lb/>
einen Augenblick an der Thu&#x0364;re, ich<lb/>
lief gegen ihr, &#x017F;ie machte einen Schritt,<lb/>
und ich kniete bey ihr mit einer <hi rendition="#fr">wah-<lb/>
ren</hi> Bewegung von Za&#x0364;rtlichkeit. Sie<lb/>
gab mir ihre Ha&#x0364;nde, konnte aber nicht<lb/>
reden; Thra&#x0364;nen fielen aus ihren Au-<lb/>
gen, die &#x017F;ich zu la&#x0364;cheln bemu&#x0364;hten; ich<lb/>
konnte ihre Be&#x017F;tu&#x0364;rzung genau nachah-<lb/>
men, denn ich fu&#x0364;hlte mich ein wenig<lb/>
beklemmt, und John &#x017F;agte mir nach-<lb/>
her, daß es Zeit gewe&#x017F;en wa&#x0364;re, ihm<lb/>
das Zeichen zu geben, &#x017F;on&#x017F;t wu&#x0364;rde er<lb/>
nichts mehr geantwortet haben, in-<lb/>
dem ihn &#x017F;eine Ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit beynahe<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en habe.</p><lb/>
          <p>Doch das waren leere Auf&#x017F;toßungen<lb/>
un&#x017F;erer noch nicht genug verdauten ju-<lb/>
gendlichen Vorurtheile.</p><lb/>
          <p>Jch dru&#x0364;ckte die rechte Hand meines<lb/>
Ma&#x0364;dchens an meine Bru&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>J&#x017F;t &#x017F;ie mein, die&#x017F;e &#x017F;egensvolle Hand?<lb/>
Wollen &#x017F;ie mich glu&#x0364;cklich machen? &#x2014;<lb/>
&#x017F;agte ich mit dem za&#x0364;rtlich&#x017F;ten Tone.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[363/0389] bis zu den Fuͤſſen mit Adel und ruͤh- render Grazie bewaffnet. Sie zagte einen Augenblick an der Thuͤre, ich lief gegen ihr, ſie machte einen Schritt, und ich kniete bey ihr mit einer wah- ren Bewegung von Zaͤrtlichkeit. Sie gab mir ihre Haͤnde, konnte aber nicht reden; Thraͤnen fielen aus ihren Au- gen, die ſich zu laͤcheln bemuͤhten; ich konnte ihre Beſtuͤrzung genau nachah- men, denn ich fuͤhlte mich ein wenig beklemmt, und John ſagte mir nach- her, daß es Zeit geweſen waͤre, ihm das Zeichen zu geben, ſonſt wuͤrde er nichts mehr geantwortet haben, in- dem ihn ſeine Entſchloſſenheit beynahe verlaſſen habe. Doch das waren leere Aufſtoßungen unſerer noch nicht genug verdauten ju- gendlichen Vorurtheile. Jch druͤckte die rechte Hand meines Maͤdchens an meine Bruſt. Jſt ſie mein, dieſe ſegensvolle Hand? Wollen ſie mich gluͤcklich machen? — ſagte ich mit dem zaͤrtlichſten Tone. Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/389
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/389>, abgerufen am 06.05.2024.