Kopf zu gewinnen; das Herz, denken sie, haben sie schon; weil sie gerne Gutes thut, und ihr der Fürst alles bewilligen wird. Man hält in ihrer Gegenwart immer Un- terredungen von der Liebe und galanten Verbindungen, die man leicht, und was man in der Welt Philosophisch heißt, be- urtheilt. Alles dieses dient mir; denn jemehr sich die andern bemühen, ihre Be- griffe von Ehre und Tugend zu schwächen, und sie zum Vergessen derselben zu verleiten; je mehr wird sie gereizt mit allem weibli- chen Eigensinn ihre Grundsätze zu behaup- ten. Die trockne Höflichkeit des Milord G., die argwöhnische und kalte Miene des Seymour beleidigt die Ueberzeugung, die sie von dem Werthe ihrer Tugend hat. Jch beweise ihr Ehrerbietung; ich bewundere ihren seltnen Charakter, und achte mich nicht würdig ihr von Liebe zu reden, bis ich nach ihrem Beyspiel umgebildet seyn werde, und so werde ich sie, in dem Har- nisch ihrer Tugend und den Banden der Eigenliebe verwickelt zum Streit mit mir untüchtig sehen; wie man die Anmerkung
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Kopf zu gewinnen; das Herz, denken ſie, haben ſie ſchon; weil ſie gerne Gutes thut, und ihr der Fuͤrſt alles bewilligen wird. Man haͤlt in ihrer Gegenwart immer Un- terredungen von der Liebe und galanten Verbindungen, die man leicht, und was man in der Welt Philoſophiſch heißt, be- urtheilt. Alles dieſes dient mir; denn jemehr ſich die andern bemuͤhen, ihre Be- griffe von Ehre und Tugend zu ſchwaͤchen, und ſie zum Vergeſſen derſelben zu verleiten; je mehr wird ſie gereizt mit allem weibli- chen Eigenſinn ihre Grundſaͤtze zu behaup- ten. Die trockne Hoͤflichkeit des Milord G., die argwoͤhniſche und kalte Miene des Seymour beleidigt die Ueberzeugung, die ſie von dem Werthe ihrer Tugend hat. Jch beweiſe ihr Ehrerbietung; ich bewundere ihren ſeltnen Charakter, und achte mich nicht wuͤrdig ihr von Liebe zu reden, bis ich nach ihrem Beyſpiel umgebildet ſeyn werde, und ſo werde ich ſie, in dem Har- niſch ihrer Tugend und den Banden der Eigenliebe verwickelt zum Streit mit mir untuͤchtig ſehen; wie man die Anmerkung
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Kopf zu gewinnen; das Herz, denken ſie,
haben ſie ſchon; weil ſie gerne Gutes thut,
und ihr der Fuͤrſt alles bewilligen wird.
Man haͤlt in ihrer Gegenwart immer Un-
terredungen von der Liebe und galanten
Verbindungen, die man leicht, und was
man in der Welt Philoſophiſch heißt, be-
urtheilt. Alles dieſes dient mir; denn
jemehr ſich die andern bemuͤhen, ihre Be-
griffe von Ehre und Tugend zu ſchwaͤchen,
und ſie zum Vergeſſen derſelben zu verleiten;
je mehr wird ſie gereizt mit allem weibli-
chen Eigenſinn ihre Grundſaͤtze zu behaup-
ten. Die trockne Hoͤflichkeit des Milord
G., die argwoͤhniſche und kalte Miene des
Seymour beleidigt die Ueberzeugung, die ſie
von dem Werthe ihrer Tugend hat. Jch
beweiſe ihr Ehrerbietung; ich bewundere
ihren ſeltnen Charakter, und achte mich
nicht wuͤrdig ihr von Liebe zu reden, bis
ich nach ihrem Beyſpiel umgebildet ſeyn
werde, und ſo werde ich ſie, in dem Har-
niſch ihrer Tugend und den Banden der
Eigenliebe verwickelt zum Streit mit mir
untuͤchtig ſehen; wie man die Anmerkung
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/342>, abgerufen am 22.11.2024.
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