Speisen und Wasser nehmen muß, um seine Gesundheit wieder herzustellen, war- um sollten wir uns beklagen, weil wir durch unser Verhängniß gezwungen sind in gesunden Tagen den einfachen Foderun- gen der Natur gemäß zu leben? Kleider, haben wir zur Bedeckung und zum Schutz gegen die Anfälle der Witterung nöthig; diesen Dienst erhalten wir, von den ge- ringen und wohlfeilen Zeugen, wie von den kostbaren. Die meinem Gesichte an- ständige Farbe und die Schönheit der Form muß bey dem ersten wie bey dem letzten gesucht werden; habe ich diese, so habe ich die erste Zierde des Kleides. Ein edler Gang, eine gute Stellung, die Bildung, so mir die Natur gab, können meinem netten einfachen Putz ein Ansehen geben, das der Reiche bey alle seinem Aufwand nicht allezeit erhält; und bey Vernünftigen wird mir meine Mäßigung eben so viel Ehre machen, als der Reiche in dem Wechsel seiner Pracht immer fin- den kann.
Müssen
Speiſen und Waſſer nehmen muß, um ſeine Geſundheit wieder herzuſtellen, war- um ſollten wir uns beklagen, weil wir durch unſer Verhaͤngniß gezwungen ſind in geſunden Tagen den einfachen Foderun- gen der Natur gemaͤß zu leben? Kleider, haben wir zur Bedeckung und zum Schutz gegen die Anfaͤlle der Witterung noͤthig; dieſen Dienſt erhalten wir, von den ge- ringen und wohlfeilen Zeugen, wie von den koſtbaren. Die meinem Geſichte an- ſtaͤndige Farbe und die Schoͤnheit der Form muß bey dem erſten wie bey dem letzten geſucht werden; habe ich dieſe, ſo habe ich die erſte Zierde des Kleides. Ein edler Gang, eine gute Stellung, die Bildung, ſo mir die Natur gab, koͤnnen meinem netten einfachen Putz ein Anſehen geben, das der Reiche bey alle ſeinem Aufwand nicht allezeit erhaͤlt; und bey Vernuͤnftigen wird mir meine Maͤßigung eben ſo viel Ehre machen, als der Reiche in dem Wechſel ſeiner Pracht immer fin- den kann.
Muͤſſen
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Speiſen und Waſſer nehmen muß, um
ſeine Geſundheit wieder herzuſtellen, war-
um ſollten wir uns beklagen, weil wir
durch unſer Verhaͤngniß gezwungen ſind
in geſunden Tagen den einfachen Foderun-
gen der Natur gemaͤß zu leben? Kleider,
haben wir zur Bedeckung und zum Schutz
gegen die Anfaͤlle der Witterung noͤthig;
dieſen Dienſt erhalten wir, von den ge-
ringen und wohlfeilen Zeugen, wie von
den koſtbaren. Die meinem Geſichte an-
ſtaͤndige Farbe und die Schoͤnheit der
Form muß bey dem erſten wie bey dem
letzten geſucht werden; habe ich dieſe, ſo
habe ich die erſte Zierde des Kleides.
Ein edler Gang, eine gute Stellung, die
Bildung, ſo mir die Natur gab, koͤnnen
meinem netten einfachen Putz ein Anſehen
geben, das der Reiche bey alle ſeinem
Aufwand nicht allezeit erhaͤlt; und bey
Vernuͤnftigen wird mir meine Maͤßigung
eben ſo viel Ehre machen, als der Reiche
in dem Wechſel ſeiner Pracht immer fin-
den kann.
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/324>, abgerufen am 25.11.2024.
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