ein; ein Zweifel, der sich darüber bey mir erhob, machte mich meinen Will rufen. Jch versprach ihm hundert Gui- neen, um die Wahrheit dessen zu erfahren, was im Pfarrhause zwischen dem Fürsten und der Sternheim vorgegangen. Jn einer Stunde, wovon mir jede Minute ein Jahr dünkte, kam er mit der Nach- richt, daß die Fräulein dem Fürsten nicht gesehen, sondern allein mit dem Pfarrer ge- sprochen, und ihm zehn Carolinen für die Armen des Dorfs gegeben habe, mit der inständigsten Bitte, ja niemand nichts davon zu sagen. Der Fürst wäre nach ihr gekommen, und hätte dem Adel von weitem zusehen wollen, wie sie sich belu- stigten, ehe er komme, um sie desto unge- störter fortfahren zu machen.
Da stund ich und fluchte über die Schwärmerinn die uns zu Narren machte. Und dennoch war das Mädchen würklich edler als wir alle, die wir nun an unser Vergnügen dachten; während sie ihr Herz für die armen Einwohner des Dorfs er- öffnete, um einen der Freude gewiedmeten
Tag
ein; ein Zweifel, der ſich daruͤber bey mir erhob, machte mich meinen Will rufen. Jch verſprach ihm hundert Gui- neen, um die Wahrheit deſſen zu erfahren, was im Pfarrhauſe zwiſchen dem Fuͤrſten und der Sternheim vorgegangen. Jn einer Stunde, wovon mir jede Minute ein Jahr duͤnkte, kam er mit der Nach- richt, daß die Fraͤulein dem Fuͤrſten nicht geſehen, ſondern allein mit dem Pfarrer ge- ſprochen, und ihm zehn Carolinen fuͤr die Armen des Dorfs gegeben habe, mit der inſtaͤndigſten Bitte, ja niemand nichts davon zu ſagen. Der Fuͤrſt waͤre nach ihr gekommen, und haͤtte dem Adel von weitem zuſehen wollen, wie ſie ſich belu- ſtigten, ehe er komme, um ſie deſto unge- ſtoͤrter fortfahren zu machen.
Da ſtund ich und fluchte uͤber die Schwaͤrmerinn die uns zu Narren machte. Und dennoch war das Maͤdchen wuͤrklich edler als wir alle, die wir nun an unſer Vergnuͤgen dachten; waͤhrend ſie ihr Herz fuͤr die armen Einwohner des Dorfs er- oͤffnete, um einen der Freude gewiedmeten
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ein; ein Zweifel, der ſich daruͤber bey
mir erhob, machte mich meinen Will
rufen. Jch verſprach ihm hundert Gui-
neen, um die Wahrheit deſſen zu erfahren,
was im Pfarrhauſe zwiſchen dem Fuͤrſten
und der Sternheim vorgegangen. Jn
einer Stunde, wovon mir jede Minute
ein Jahr duͤnkte, kam er mit der Nach-
richt, daß die Fraͤulein dem Fuͤrſten nicht
geſehen, ſondern allein mit dem Pfarrer ge-
ſprochen, und ihm zehn Carolinen fuͤr die
Armen des Dorfs gegeben habe, mit der
inſtaͤndigſten Bitte, ja niemand nichts
davon zu ſagen. Der Fuͤrſt waͤre nach
ihr gekommen, und haͤtte dem Adel von
weitem zuſehen wollen, wie ſie ſich belu-
ſtigten, ehe er komme, um ſie deſto unge-
ſtoͤrter fortfahren zu machen.
Da ſtund ich und fluchte uͤber die
Schwaͤrmerinn die uns zu Narren machte.
Und dennoch war das Maͤdchen wuͤrklich
edler als wir alle, die wir nun an unſer
Vergnuͤgen dachten; waͤhrend ſie ihr Herz
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/266>, abgerufen am 22.11.2024.
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