die Bewegung mit der er aufstund, ihr entgegen gieng, und bald ihr Gesichte bald ihre Leibesgestalt mit verzehrenden Blicken ansah, und nachdem er den Sor- bet getrunken hatte, ihr den Teller weg- nahm, und den jungen F* gab, sie aber neben ihn auf die Bank sitzen machte; die Freude des Alten von F*, der Stolz ihres Onkels und ihrer Tante, der sich schon recht sichtbar zeigte, -- alles be- stärkte unsre Muthmaßungen. Wuth nahm mich ein, und im ersten Anfall nahm ich Seymourn, der außer sich war, beym Arm und redete mit ihm von dieser Scene. Die heftigste äußerste Ver- achtung belebte seine Anmerkungen über ihre vorgespiegelte Tugend, und die elen- de Aufopferung derselben; über die Frech- heit sich vor dem ganzen Adel zum Schau- spiel zu machen, und die vergnügteste Miene dabey zu haben. Dieser letzte Zug seines Tadels brachte mich zur Vernunft. Jch überlegte, der Schritt wäre in Wahr- heit zu frech und dabey zu dumm; die Scene des Wirthshauses in F* fiel mir
ein;
die Bewegung mit der er aufſtund, ihr entgegen gieng, und bald ihr Geſichte bald ihre Leibesgeſtalt mit verzehrenden Blicken anſah, und nachdem er den Sor- bet getrunken hatte, ihr den Teller weg- nahm, und den jungen F* gab, ſie aber neben ihn auf die Bank ſitzen machte; die Freude des Alten von F*, der Stolz ihres Onkels und ihrer Tante, der ſich ſchon recht ſichtbar zeigte, — alles be- ſtaͤrkte unſre Muthmaßungen. Wuth nahm mich ein, und im erſten Anfall nahm ich Seymourn, der außer ſich war, beym Arm und redete mit ihm von dieſer Scene. Die heftigſte aͤußerſte Ver- achtung belebte ſeine Anmerkungen uͤber ihre vorgeſpiegelte Tugend, und die elen- de Aufopferung derſelben; uͤber die Frech- heit ſich vor dem ganzen Adel zum Schau- ſpiel zu machen, und die vergnuͤgteſte Miene dabey zu haben. Dieſer letzte Zug ſeines Tadels brachte mich zur Vernunft. Jch uͤberlegte, der Schritt waͤre in Wahr- heit zu frech und dabey zu dumm; die Scene des Wirthshauſes in F* fiel mir
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die Bewegung mit der er aufſtund, ihr
entgegen gieng, und bald ihr Geſichte
bald ihre Leibesgeſtalt mit verzehrenden
Blicken anſah, und nachdem er den Sor-
bet getrunken hatte, ihr den Teller weg-
nahm, und den jungen F* gab, ſie aber
neben ihn auf die Bank ſitzen machte;
die Freude des Alten von F*, der Stolz
ihres Onkels und ihrer Tante, der ſich
ſchon recht ſichtbar zeigte, — alles be-
ſtaͤrkte unſre Muthmaßungen. Wuth
nahm mich ein, und im erſten Anfall
nahm ich Seymourn, der außer ſich
war, beym Arm und redete mit ihm von
dieſer Scene. Die heftigſte aͤußerſte Ver-
achtung belebte ſeine Anmerkungen uͤber
ihre vorgeſpiegelte Tugend, und die elen-
de Aufopferung derſelben; uͤber die Frech-
heit ſich vor dem ganzen Adel zum Schau-
ſpiel zu machen, und die vergnuͤgteſte
Miene dabey zu haben. Dieſer letzte Zug
ſeines Tadels brachte mich zur Vernunft.
Jch uͤberlegte, der Schritt waͤre in Wahr-
heit zu frech und dabey zu dumm; die
Scene des Wirthshauſes in F* fiel mir
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/265>, abgerufen am 22.11.2024.
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