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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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geschehen ist? Kurz, ich habe eine so
gute Meynung von der seinen Empfin-
dung der Kunstrichter, daß ich ihnen
zutraue, sie werden die Mängel, wo-
von die Rede ist, mit so vielen, und
so vorzüglichen Schönheiten verwebt
finden, daß sie es mir verdenken wür-
den, wenn ich das Privilegium der
Damen, welche keine Schriftstellerin-
nen von Profession sind, zum Vor-
theil meiner Freundin geltend machen
wollte. Und sollten wir uns etwan
vor dem feinen und verwöhnten Ge-
schmacke der Weltleute mehr zu fürch-
ten haben als vor den Kunstrichtern?
Jn der That, die Singularität unsrer
Heldin, ihr Enthusiasmus für das
sittliche Schöne, ihre besondern Jdeen
und Launen, ihre eine wenig eigensinni-
ge Prädilection für die Milords und
alles was ihnen gleich sieht und aus
ihrem Lande kommt, und, was noch
ärger ist als dies alles, der bestän-
dige Contrast, den ihre Art zu em-

pfinden,
b 2

geſchehen iſt? Kurz, ich habe eine ſo
gute Meynung von der ſeinen Empfin-
dung der Kunſtrichter, daß ich ihnen
zutraue, ſie werden die Maͤngel, wo-
von die Rede iſt, mit ſo vielen, und
ſo vorzuͤglichen Schoͤnheiten verwebt
finden, daß ſie es mir verdenken wuͤr-
den, wenn ich das Privilegium der
Damen, welche keine Schriftſtellerin-
nen von Profeſſion ſind, zum Vor-
theil meiner Freundin geltend machen
wollte. Und ſollten wir uns etwan
vor dem feinen und verwoͤhnten Ge-
ſchmacke der Weltleute mehr zu fuͤrch-
ten haben als vor den Kunſtrichtern?
Jn der That, die Singularitaͤt unſrer
Heldin, ihr Enthuſiasmus fuͤr das
ſittliche Schoͤne, ihre beſondern Jdeen
und Launen, ihre eine wenig eigenſinni-
ge Praͤdilection fuͤr die Milords und
alles was ihnen gleich ſieht und aus
ihrem Lande kommt, und, was noch
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[XIX/0023] geſchehen iſt? Kurz, ich habe eine ſo gute Meynung von der ſeinen Empfin- dung der Kunſtrichter, daß ich ihnen zutraue, ſie werden die Maͤngel, wo- von die Rede iſt, mit ſo vielen, und ſo vorzuͤglichen Schoͤnheiten verwebt finden, daß ſie es mir verdenken wuͤr- den, wenn ich das Privilegium der Damen, welche keine Schriftſtellerin- nen von Profeſſion ſind, zum Vor- theil meiner Freundin geltend machen wollte. Und ſollten wir uns etwan vor dem feinen und verwoͤhnten Ge- ſchmacke der Weltleute mehr zu fuͤrch- ten haben als vor den Kunſtrichtern? Jn der That, die Singularitaͤt unſrer Heldin, ihr Enthuſiasmus fuͤr das ſittliche Schoͤne, ihre beſondern Jdeen und Launen, ihre eine wenig eigenſinni- ge Praͤdilection fuͤr die Milords und alles was ihnen gleich ſieht und aus ihrem Lande kommt, und, was noch aͤrger iſt als dies alles, der beſtaͤn- dige Contraſt, den ihre Art zu em- pfinden, b 2

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. XIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/23>, abgerufen am 19.03.2024.