sonen ihres Standes; daß dieses Ei- gene und Sonderbare ihres Chara- cters, und vornehmlich der individuelle Schwung ihrer Einbildungskraft na- türlicher weise auch in die Art ihrer Ge- danken einzukleiden oder ihre Empfin- dungen auszudrücken einen starken Einfluß haben müsse; und daß es eben daher komme, daß sie für einen Ge- danken, den sie selbst gefunden hat, auch selbst auf der Stelle einen eigenen Ausdruck erfindet, dessen Stärke der Lebhaftigkeit und Wahrheit der an- schauenden Begriffe angemessen ist, aus welchen sie ihre Gedanken entwi- ckelt: -- und sollten die Kenner nicht geneigt seyn mit mir zu finden, daß eben diese völlige Jndividualisirung des Charakters unsrer Heldin einen der seltensten Vorzüge dieses Werkes aus- macht, gerade denjenigen, welchen die Kunst am wenigsten, und gewiß nie so glücklich erreichen würde, als es hier, wo die Natur gearbeitet hat,
geschehen
ſonen ihres Standes; daß dieſes Ei- gene und Sonderbare ihres Chara- cters, und vornehmlich der individuelle Schwung ihrer Einbildungskraft na- tuͤrlicher weiſe auch in die Art ihrer Ge- danken einzukleiden oder ihre Empfin- dungen auszudruͤcken einen ſtarken Einfluß haben muͤſſe; und daß es eben daher komme, daß ſie fuͤr einen Ge- danken, den ſie ſelbſt gefunden hat, auch ſelbſt auf der Stelle einen eigenen Ausdruck erfindet, deſſen Staͤrke der Lebhaftigkeit und Wahrheit der an- ſchauenden Begriffe angemeſſen iſt, aus welchen ſie ihre Gedanken entwi- ckelt: — und ſollten die Kenner nicht geneigt ſeyn mit mir zu finden, daß eben dieſe voͤllige Jndividualiſirung des Charakters unſrer Heldin einen der ſeltenſten Vorzuͤge dieſes Werkes aus- macht, gerade denjenigen, welchen die Kunſt am wenigſten, und gewiß nie ſo gluͤcklich erreichen wuͤrde, als es hier, wo die Natur gearbeitet hat,
geſchehen
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[XVIII/0022]
ſonen ihres Standes; daß dieſes Ei-
gene und Sonderbare ihres Chara-
cters, und vornehmlich der individuelle
Schwung ihrer Einbildungskraft na-
tuͤrlicher weiſe auch in die Art ihrer Ge-
danken einzukleiden oder ihre Empfin-
dungen auszudruͤcken einen ſtarken
Einfluß haben muͤſſe; und daß es eben
daher komme, daß ſie fuͤr einen Ge-
danken, den ſie ſelbſt gefunden hat,
auch ſelbſt auf der Stelle einen eigenen
Ausdruck erfindet, deſſen Staͤrke der
Lebhaftigkeit und Wahrheit der an-
ſchauenden Begriffe angemeſſen iſt,
aus welchen ſie ihre Gedanken entwi-
ckelt: — und ſollten die Kenner nicht
geneigt ſeyn mit mir zu finden, daß
eben dieſe voͤllige Jndividualiſirung
des Charakters unſrer Heldin einen der
ſeltenſten Vorzuͤge dieſes Werkes aus-
macht, gerade denjenigen, welchen
die Kunſt am wenigſten, und gewiß
nie ſo gluͤcklich erreichen wuͤrde, als
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. XVIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/22>, abgerufen am 21.11.2024.
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