des unglücklichen Raths T. Wenn Sie mich ihrer Tante, der Gräfin L. nennen, so verliehre ich vielleicht Jhr Mitleiden; aber verdammen Sie mich nicht unge- hört! -- Dieß sagte sie mit gefalteten Händen. Jch versprach es ihr gerne, umarmte sie und die Kinder, und nahm Abschied mit dem Verbot, daß sie nichts von mir reden, und die Wirthin glauben lassen sollte, daß wir einander kenneten. Jm Weggehen befahl ich der Wirthin, der Mutter und den Kindern gute Betten, Essen, und den folgenden Morgen eine gute Kut- sche zu geben, ich wollte für die Bezahlung sorgen. Milord und das Fräulein R. waren in den Garten des Wirthshauses, wo ich sie antraf und ihnen für die Ge- fälligkeit dankte, daß sie auf mich gewar- tet hätten. Mein Gesicht hatte den Aus- druck des Vergnügens etwas Gutes gethan zu haben; aber meine Augen waren noch roth von Weinen. Der Lord sah mich oft und ernsthaft an, und redete den ganzen übrigen Spaziergang sehr wenig mit mir, sondern unterhielt das Fräulein R.; dieß
war
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des ungluͤcklichen Raths T. Wenn Sie mich ihrer Tante, der Graͤfin L. nennen, ſo verliehre ich vielleicht Jhr Mitleiden; aber verdammen Sie mich nicht unge- hoͤrt! — Dieß ſagte ſie mit gefalteten Haͤnden. Jch verſprach es ihr gerne, umarmte ſie und die Kinder, und nahm Abſchied mit dem Verbot, daß ſie nichts von mir reden, und die Wirthin glauben laſſen ſollte, daß wir einander kenneten. Jm Weggehen befahl ich der Wirthin, der Mutter und den Kindern gute Betten, Eſſen, und den folgenden Morgen eine gute Kut- ſche zu geben, ich wollte fuͤr die Bezahlung ſorgen. Milord und das Fraͤulein R. waren in den Garten des Wirthshauſes, wo ich ſie antraf und ihnen fuͤr die Ge- faͤlligkeit dankte, daß ſie auf mich gewar- tet haͤtten. Mein Geſicht hatte den Aus- druck des Vergnuͤgens etwas Gutes gethan zu haben; aber meine Augen waren noch roth von Weinen. Der Lord ſah mich oft und ernſthaft an, und redete den ganzen uͤbrigen Spaziergang ſehr wenig mit mir, ſondern unterhielt das Fraͤulein R.; dieß
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des ungluͤcklichen Raths T. Wenn Sie
mich ihrer Tante, der Graͤfin L. nennen,
ſo verliehre ich vielleicht Jhr Mitleiden;
aber verdammen Sie mich nicht unge-
hoͤrt! — Dieß ſagte ſie mit gefalteten
Haͤnden. Jch verſprach es ihr gerne,
umarmte ſie und die Kinder, und nahm
Abſchied mit dem Verbot, daß ſie nichts
von mir reden, und die Wirthin glauben
laſſen ſollte, daß wir einander kenneten.
Jm Weggehen befahl ich der Wirthin, der
Mutter und den Kindern gute Betten, Eſſen,
und den folgenden Morgen eine gute Kut-
ſche zu geben, ich wollte fuͤr die Bezahlung
ſorgen. Milord und das Fraͤulein R.
waren in den Garten des Wirthshauſes,
wo ich ſie antraf und ihnen fuͤr die Ge-
faͤlligkeit dankte, daß ſie auf mich gewar-
tet haͤtten. Mein Geſicht hatte den Aus-
druck des Vergnuͤgens etwas Gutes gethan
zu haben; aber meine Augen waren noch
roth von Weinen. Der Lord ſah mich oft
und ernſthaft an, und redete den ganzen
uͤbrigen Spaziergang ſehr wenig mit mir,
ſondern unterhielt das Fraͤulein R.; dieß
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/227>, abgerufen am 22.11.2024.
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