Hand faßte, und auf englisch sagte. "Gott! wenn die Liebe einmal diese Brust "bewegt, und diesen Ausdruck von zärtli- "cher Empfindung in diese Gesichtszüge "legt, wie groß wird das Glück des Man- "nes seyn, der -- --
Meine Verwirrung, die Art von Furcht, die er mir gab, war eben so sichtbar, als meine vorige Bewegungen; sogleich hielt er in seiner Rede inne, zog seine Hand ehrerbietig zurück, und suchte in allem sei- nem Bezeugen den Eindruck, von Heftig- keit seines Charakters, zu mildern, den er mir gegeben hatte.
Wir giengen in die Hauptgasse des schönen Dorfs; da wir in der Hälfte wa- ren, mußten wir einem Karrn auswei- chen, der hinter uns gefahren kam. Er war mit einer dichten Korbflechte bedeckt, doch sah man eine Frau mit drey ganz jungen Kindern darinn. Die rührende Traurigkeit, die ich auf dem Gesichte der Mutter erblickte, das blasse, hagere Aus- sehen der Kinder, die reinliche, aber sehr schlechte Kleidung von allen, zeugte von
Armuth
Hand faßte, und auf engliſch ſagte. „Gott! wenn die Liebe einmal dieſe Bruſt „bewegt, und dieſen Ausdruck von zaͤrtli- „cher Empfindung in dieſe Geſichtszuͤge „legt, wie groß wird das Gluͤck des Man- „nes ſeyn, der — —
Meine Verwirrung, die Art von Furcht, die er mir gab, war eben ſo ſichtbar, als meine vorige Bewegungen; ſogleich hielt er in ſeiner Rede inne, zog ſeine Hand ehrerbietig zuruͤck, und ſuchte in allem ſei- nem Bezeugen den Eindruck, von Heftig- keit ſeines Charakters, zu mildern, den er mir gegeben hatte.
Wir giengen in die Hauptgaſſe des ſchoͤnen Dorfs; da wir in der Haͤlfte wa- ren, mußten wir einem Karrn auswei- chen, der hinter uns gefahren kam. Er war mit einer dichten Korbflechte bedeckt, doch ſah man eine Frau mit drey ganz jungen Kindern darinn. Die ruͤhrende Traurigkeit, die ich auf dem Geſichte der Mutter erblickte, das blaſſe, hagere Aus- ſehen der Kinder, die reinliche, aber ſehr ſchlechte Kleidung von allen, zeugte von
Armuth
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0222"n="196"/>
Hand faßte, und auf engliſch ſagte.<lb/>„Gott! wenn die Liebe einmal dieſe Bruſt<lb/>„bewegt, und dieſen Ausdruck von zaͤrtli-<lb/>„cher Empfindung in dieſe Geſichtszuͤge<lb/>„legt, wie groß wird das Gluͤck des Man-<lb/>„nes ſeyn, der ——</p><lb/><p>Meine Verwirrung, die Art von Furcht,<lb/>
die er mir gab, war eben ſo ſichtbar, als<lb/>
meine vorige Bewegungen; ſogleich hielt<lb/>
er in ſeiner Rede inne, zog ſeine Hand<lb/>
ehrerbietig zuruͤck, und ſuchte in allem ſei-<lb/>
nem Bezeugen den Eindruck, von Heftig-<lb/>
keit ſeines Charakters, zu mildern, den er<lb/>
mir gegeben hatte.</p><lb/><p>Wir giengen in die Hauptgaſſe des<lb/>ſchoͤnen Dorfs; da wir in der Haͤlfte wa-<lb/>
ren, mußten wir einem Karrn auswei-<lb/>
chen, der hinter uns gefahren kam. Er<lb/>
war mit einer dichten Korbflechte bedeckt,<lb/>
doch ſah man eine Frau mit drey ganz<lb/>
jungen Kindern darinn. Die ruͤhrende<lb/>
Traurigkeit, die ich auf dem Geſichte der<lb/>
Mutter erblickte, das blaſſe, hagere Aus-<lb/>ſehen der Kinder, die reinliche, aber ſehr<lb/>ſchlechte Kleidung von allen, zeugte von<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Armuth</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[196/0222]
Hand faßte, und auf engliſch ſagte.
„Gott! wenn die Liebe einmal dieſe Bruſt
„bewegt, und dieſen Ausdruck von zaͤrtli-
„cher Empfindung in dieſe Geſichtszuͤge
„legt, wie groß wird das Gluͤck des Man-
„nes ſeyn, der — —
Meine Verwirrung, die Art von Furcht,
die er mir gab, war eben ſo ſichtbar, als
meine vorige Bewegungen; ſogleich hielt
er in ſeiner Rede inne, zog ſeine Hand
ehrerbietig zuruͤck, und ſuchte in allem ſei-
nem Bezeugen den Eindruck, von Heftig-
keit ſeines Charakters, zu mildern, den er
mir gegeben hatte.
Wir giengen in die Hauptgaſſe des
ſchoͤnen Dorfs; da wir in der Haͤlfte wa-
ren, mußten wir einem Karrn auswei-
chen, der hinter uns gefahren kam. Er
war mit einer dichten Korbflechte bedeckt,
doch ſah man eine Frau mit drey ganz
jungen Kindern darinn. Die ruͤhrende
Traurigkeit, die ich auf dem Geſichte der
Mutter erblickte, das blaſſe, hagere Aus-
ſehen der Kinder, die reinliche, aber ſehr
ſchlechte Kleidung von allen, zeugte von
Armuth
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/222>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.