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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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dem Entwurf einer Vereinigung der Pflich-
ten einer Hofdame, zu denen sie von ih-
rem Schicksal angewiesen worden, mit
den Pflichten der vollkommenen Tugend,
welche zu dem Grundbau unserer ewigen
Glückseligkeit erfodert wird. Es läßt
sich eine Verbindung denken; allein es ist
so schwer sie immer in einer gleichen Stär-
ke zu erhalten, daß mich nicht wundert,
so wenig Personen zu sehen, die darum
bekümmert sind. -- Wie oft denke ich;
wenn ein Mann, wie mein Vater war,
den Platz des ersten Ministers hätte, die-
ser Mann wäre der verehrungswürdigste
und glücklichste der Menschen.

Es ist wahr, viele Mühseligkeit würde
seine Tage begleiten; doch die Betrach-
tung des großen Kreises, in welchem er
seine Talente und sein Herz zum Besten
vieler tausend Lebenden und Nachkommen-
den verwenden könnte; diese Aussicht, die
schönste für eine wahrhafterhabne und
gütige Seele, müßte ihm alles leicht und
angenehm machen. Die Kenntniß des
menschlichen Herzens würde seinem feinem

Geiste

dem Entwurf einer Vereinigung der Pflich-
ten einer Hofdame, zu denen ſie von ih-
rem Schickſal angewieſen worden, mit
den Pflichten der vollkommenen Tugend,
welche zu dem Grundbau unſerer ewigen
Gluͤckſeligkeit erfodert wird. Es laͤßt
ſich eine Verbindung denken; allein es iſt
ſo ſchwer ſie immer in einer gleichen Staͤr-
ke zu erhalten, daß mich nicht wundert,
ſo wenig Perſonen zu ſehen, die darum
bekuͤmmert ſind. — Wie oft denke ich;
wenn ein Mann, wie mein Vater war,
den Platz des erſten Miniſters haͤtte, die-
ſer Mann waͤre der verehrungswuͤrdigſte
und gluͤcklichſte der Menſchen.

Es iſt wahr, viele Muͤhſeligkeit wuͤrde
ſeine Tage begleiten; doch die Betrach-
tung des großen Kreiſes, in welchem er
ſeine Talente und ſein Herz zum Beſten
vieler tauſend Lebenden und Nachkommen-
den verwenden koͤnnte; dieſe Ausſicht, die
ſchoͤnſte fuͤr eine wahrhafterhabne und
guͤtige Seele, muͤßte ihm alles leicht und
angenehm machen. Die Kenntniß des
menſchlichen Herzens wuͤrde ſeinem feinem

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[186/0212] dem Entwurf einer Vereinigung der Pflich- ten einer Hofdame, zu denen ſie von ih- rem Schickſal angewieſen worden, mit den Pflichten der vollkommenen Tugend, welche zu dem Grundbau unſerer ewigen Gluͤckſeligkeit erfodert wird. Es laͤßt ſich eine Verbindung denken; allein es iſt ſo ſchwer ſie immer in einer gleichen Staͤr- ke zu erhalten, daß mich nicht wundert, ſo wenig Perſonen zu ſehen, die darum bekuͤmmert ſind. — Wie oft denke ich; wenn ein Mann, wie mein Vater war, den Platz des erſten Miniſters haͤtte, die- ſer Mann waͤre der verehrungswuͤrdigſte und gluͤcklichſte der Menſchen. Es iſt wahr, viele Muͤhſeligkeit wuͤrde ſeine Tage begleiten; doch die Betrach- tung des großen Kreiſes, in welchem er ſeine Talente und ſein Herz zum Beſten vieler tauſend Lebenden und Nachkommen- den verwenden koͤnnte; dieſe Ausſicht, die ſchoͤnſte fuͤr eine wahrhafterhabne und guͤtige Seele, muͤßte ihm alles leicht und angenehm machen. Die Kenntniß des menſchlichen Herzens wuͤrde ſeinem feinem Geiſte

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/212>, abgerufen am 04.05.2024.