Hinderniß alle Tugenden, alle edeln und nützlichen Talente üben; in den Tagen Jhrer Gesundheit, in den Jahren Jhrer Kräfte alles Gute thun, was die meisten in der großen Welt in ihren letzten Stun- den wünschen gethan zu haben!
Jndessen genießen dennoch Religion und Tugend ganz schätzbare Ehrenbezeu- gungen. Die Hofkirchen sind prächtig geziert, die besten Redner sind zu Predi- gern darinnen angestellt, die Gottesdienste werden ordentlich und ehrerbietig besucht; der Wohlstand im Reden, im Bezeugen wird genau und ängstlich beobachtet; kein Laster darf ohne Maske erscheinen; ja selbst die Tugend der Nächstenliebe erhält eine Art von Verehrung, in den ausge- suchten und feinen Schmeicheleyen, die immer eines der Eigenliebe des andern macht. Alles dieses ist eine Quelle zu moralischen Betrachtungen für mich wor- den, aus welcher ich den Nutzen schöpfe, in den Grundsätzen meiner Erziehung im- mer mehr und mehr bestärkt zu werden. Oft beschäfftigt sich meine Phantasie mit
dem
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Hinderniß alle Tugenden, alle edeln und nuͤtzlichen Talente uͤben; in den Tagen Jhrer Geſundheit, in den Jahren Jhrer Kraͤfte alles Gute thun, was die meiſten in der großen Welt in ihren letzten Stun- den wuͤnſchen gethan zu haben!
Jndeſſen genießen dennoch Religion und Tugend ganz ſchaͤtzbare Ehrenbezeu- gungen. Die Hofkirchen ſind praͤchtig geziert, die beſten Redner ſind zu Predi- gern darinnen angeſtellt, die Gottesdienſte werden ordentlich und ehrerbietig beſucht; der Wohlſtand im Reden, im Bezeugen wird genau und aͤngſtlich beobachtet; kein Laſter darf ohne Maske erſcheinen; ja ſelbſt die Tugend der Naͤchſtenliebe erhaͤlt eine Art von Verehrung, in den ausge- ſuchten und feinen Schmeicheleyen, die immer eines der Eigenliebe des andern macht. Alles dieſes iſt eine Quelle zu moraliſchen Betrachtungen fuͤr mich wor- den, aus welcher ich den Nutzen ſchoͤpfe, in den Grundſaͤtzen meiner Erziehung im- mer mehr und mehr beſtaͤrkt zu werden. Oft beſchaͤfftigt ſich meine Phantaſie mit
dem
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Hinderniß alle Tugenden, alle edeln und
nuͤtzlichen Talente uͤben; in den Tagen
Jhrer Geſundheit, in den Jahren Jhrer
Kraͤfte alles Gute thun, was die meiſten
in der großen Welt in ihren letzten Stun-
den wuͤnſchen gethan zu haben!
Jndeſſen genießen dennoch Religion
und Tugend ganz ſchaͤtzbare Ehrenbezeu-
gungen. Die Hofkirchen ſind praͤchtig
geziert, die beſten Redner ſind zu Predi-
gern darinnen angeſtellt, die Gottesdienſte
werden ordentlich und ehrerbietig beſucht;
der Wohlſtand im Reden, im Bezeugen
wird genau und aͤngſtlich beobachtet; kein
Laſter darf ohne Maske erſcheinen; ja
ſelbſt die Tugend der Naͤchſtenliebe erhaͤlt
eine Art von Verehrung, in den ausge-
ſuchten und feinen Schmeicheleyen, die
immer eines der Eigenliebe des andern
macht. Alles dieſes iſt eine Quelle zu
moraliſchen Betrachtungen fuͤr mich wor-
den, aus welcher ich den Nutzen ſchoͤpfe,
in den Grundſaͤtzen meiner Erziehung im-
mer mehr und mehr beſtaͤrkt zu werden.
Oft beſchaͤfftigt ſich meine Phantaſie mit
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/211>, abgerufen am 04.05.2024.
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