unbillig; aber ich werde mich wegen der Unruhe, die Sie mir dadurch gemacht, nicht anders rächen, als Jhnen, wenn ich einmal eine lange Reise mache, auf halbem Wege zu schreiben; denn da ich weiß, wie Sie mich lieben, so könnte ich den Gedanken nicht ertragen, Jhrem zärtlichen Herzen den Kummer für mich zu geben, den das meinige in dieser Ge- legenheit für Sie gelitten. Aber Jhre glückliche Ankunft in W. und Jhr Ver- gnügen über Jhre Aussicht in die Zu- kunft hat mich dafür belohnt. Auch oh- ne dieß, wie sehr, meine Emilia, bin ich erfreut, daß mir mein Schicksal zu glei- cher Zeit einen vergnügten Gegenstand zu etlichen Briefen, an Sie gegeben hat! Denn hätte ich fortfahren müssen, über verdrießliche Begegnisse zu klagen, so wäre Jhre Zufriedenheit durch mich gestört wor- den, da Jhr liebreiches Herz einen so leb- haften Antheil an allem nimmt, was mich und die seltene Empfindsamkeit meiner Seele betrifft. Jch habe in dieser für mich so dürren moralischen Gegend, die
ich
unbillig; aber ich werde mich wegen der Unruhe, die Sie mir dadurch gemacht, nicht anders raͤchen, als Jhnen, wenn ich einmal eine lange Reiſe mache, auf halbem Wege zu ſchreiben; denn da ich weiß, wie Sie mich lieben, ſo koͤnnte ich den Gedanken nicht ertragen, Jhrem zaͤrtlichen Herzen den Kummer fuͤr mich zu geben, den das meinige in dieſer Ge- legenheit fuͤr Sie gelitten. Aber Jhre gluͤckliche Ankunft in W. und Jhr Ver- gnuͤgen uͤber Jhre Ausſicht in die Zu- kunft hat mich dafuͤr belohnt. Auch oh- ne dieß, wie ſehr, meine Emilia, bin ich erfreut, daß mir mein Schickſal zu glei- cher Zeit einen vergnuͤgten Gegenſtand zu etlichen Briefen, an Sie gegeben hat! Denn haͤtte ich fortfahren muͤſſen, uͤber verdrießliche Begegniſſe zu klagen, ſo waͤre Jhre Zufriedenheit durch mich geſtoͤrt wor- den, da Jhr liebreiches Herz einen ſo leb- haften Antheil an allem nimmt, was mich und die ſeltene Empfindſamkeit meiner Seele betrifft. Jch habe in dieſer fuͤr mich ſo duͤrren moraliſchen Gegend, die
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unbillig; aber ich werde mich wegen der
Unruhe, die Sie mir dadurch gemacht,
nicht anders raͤchen, als Jhnen, wenn
ich einmal eine lange Reiſe mache, auf
halbem Wege zu ſchreiben; denn da ich
weiß, wie Sie mich lieben, ſo koͤnnte ich
den Gedanken nicht ertragen, Jhrem
zaͤrtlichen Herzen den Kummer fuͤr mich
zu geben, den das meinige in dieſer Ge-
legenheit fuͤr Sie gelitten. Aber Jhre
gluͤckliche Ankunft in W. und Jhr Ver-
gnuͤgen uͤber Jhre Ausſicht in die Zu-
kunft hat mich dafuͤr belohnt. Auch oh-
ne dieß, wie ſehr, meine Emilia, bin ich
erfreut, daß mir mein Schickſal zu glei-
cher Zeit einen vergnuͤgten Gegenſtand
zu etlichen Briefen, an Sie gegeben hat!
Denn haͤtte ich fortfahren muͤſſen, uͤber
verdrießliche Begegniſſe zu klagen, ſo waͤre
Jhre Zufriedenheit durch mich geſtoͤrt wor-
den, da Jhr liebreiches Herz einen ſo leb-
haften Antheil an allem nimmt, was mich
und die ſeltene Empfindſamkeit meiner
Seele betrifft. Jch habe in dieſer fuͤr
mich ſo duͤrren moraliſchen Gegend, die
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/204>, abgerufen am 27.11.2024.
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