Den zweeten Tag sagte Graf F. zu Mi- lord; er wünschte dem Löbau alles Böse auf den Hals, das Fräulein hieher ge- bracht zu haben. Sie ist ganz dazu ge- macht, um eine heftige Leidenschaft zu er- wecken; aber ein Mädchen, das keine Eitelkeit auf ihre Reize hat, bey einem Schauspiel nichts als die vereinigte Mü- he von vielerley Talenten betrachtet, an einer ausgesuchten Tafel nichts als eine Aepfel-Compotte ißt, Wasser dazu trinkt, an einem Hofe nach dem Hause eines Landpfarrers seufzet, und bey allem dem voll Geist und voll Empfindung ist, -- ein solches Mädchen ist schwer zu ge- winnen!
Gott wolle es, dacht' ich; lange kann ich den gewaltsamen Stand, in dem ich bin, nicht aushalten!
Schreiben Sie mir bald; sagen Sie mir, was Sie von mir denken, und was ich hätte thun sollen.
Das
Den zweeten Tag ſagte Graf F. zu Mi- lord; er wuͤnſchte dem Loͤbau alles Boͤſe auf den Hals, das Fraͤulein hieher ge- bracht zu haben. Sie iſt ganz dazu ge- macht, um eine heftige Leidenſchaft zu er- wecken; aber ein Maͤdchen, das keine Eitelkeit auf ihre Reize hat, bey einem Schauſpiel nichts als die vereinigte Muͤ- he von vielerley Talenten betrachtet, an einer ausgeſuchten Tafel nichts als eine Aepfel-Compotte ißt, Waſſer dazu trinkt, an einem Hofe nach dem Hauſe eines Landpfarrers ſeufzet, und bey allem dem voll Geiſt und voll Empfindung iſt, — ein ſolches Maͤdchen iſt ſchwer zu ge- winnen!
Gott wolle es, dacht’ ich; lange kann ich den gewaltſamen Stand, in dem ich bin, nicht aushalten!
Schreiben Sie mir bald; ſagen Sie mir, was Sie von mir denken, und was ich haͤtte thun ſollen.
Das
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Den zweeten Tag ſagte Graf F. zu Mi-
lord; er wuͤnſchte dem Loͤbau alles Boͤſe
auf den Hals, das Fraͤulein hieher ge-
bracht zu haben. Sie iſt ganz dazu ge-
macht, um eine heftige Leidenſchaft zu er-
wecken; aber ein Maͤdchen, das keine
Eitelkeit auf ihre Reize hat, bey einem
Schauſpiel nichts als die vereinigte Muͤ-
he von vielerley Talenten betrachtet, an
einer ausgeſuchten Tafel nichts als eine
Aepfel-Compotte ißt, Waſſer dazu trinkt,
an einem Hofe nach dem Hauſe eines
Landpfarrers ſeufzet, und bey allem dem
voll Geiſt und voll Empfindung iſt, —
ein ſolches Maͤdchen iſt ſchwer zu ge-
winnen!
Gott wolle es, dacht’ ich; lange kann
ich den gewaltſamen Stand, in dem ich
bin, nicht aushalten!
Schreiben Sie mir bald; ſagen Sie
mir, was Sie von mir denken, und was
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/181>, abgerufen am 28.01.2025.
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