Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916.

Bild:
<< vorherige Seite

durch ihre Mitarbeit im staatlichen Leben eine Hebung
der Moral und Kultur herbeizuführen!

Mit ganz besonderem Eifer pflegen sich die Recht-
lerinnen der Temperenzbewegung anzunehmen, sowie
umgekehrt die Alkoholgegner teilweise die Frauenbewegung
ihren Zwecken dienstbar zu machen suchen. - Zwar ist
es richtig, daß der Alkohol einer der größten Feinde des
Menschengeschlechts und seine Bekämpfung eine der
wichtigsten Kulturaufgaben ist. Aber diese Aufgabe ist
nur durch den Mann selbstzu lösen, und es ist
falsch, in diesem Kampfe auf den Feminismus zu
rechnen. Jn dem Stimmrechtslande Neuseeland ist seit
der Einführung des Frauenstimmrechts in den Jahren
1893 bis 1910, die Zahl der Bestrafungen wegen
Trunkenheit
um 53 Prozent gewachsen; in Eng-
land hat sie in derselben Zeit um 19 Prozent ab-
genommen
. Jn den Stimmrechtsstaaten Amerikas ist
der Alkoholismus nicht ausgerottet worden; es gibt keinen
einzigen Frauenstaat, in dem der Alkohol durch Staats-
grundgesetz verboten ist, wohl aber mehrere "trockene"
Männerstaaten. Jn Washington fallen sogar seit Ein-
führung des Frauenstimmrechts die örtlichen Abstimmungen
zugunsten der Alkoholinteressenten aus.

Die politischen Verhältnisse sind in den Frauen-
stimmrechtsstaaten ebenso verrottet bezw. schlechter als
anderswo, und die Frauen tun nichts dazu, die Dinge zu
bessern, im Gegenteil, sie vergrößern die Korruption,
indem sie sich daran bewußt beteiligen. Jn Wyoming
haben die Rechtlerinnen z. B. den Versuch gemacht, die
antistimmrechtlerische Frauenzeitung "Ladies Home Journal"

durch ihre Mitarbeit im staatlichen Leben eine Hebung
der Moral und Kultur herbeizuführen!

Mit ganz besonderem Eifer pflegen sich die Recht-
lerinnen der Temperenzbewegung anzunehmen, sowie
umgekehrt die Alkoholgegner teilweise die Frauenbewegung
ihren Zwecken dienstbar zu machen suchen. – Zwar ist
es richtig, daß der Alkohol einer der größten Feinde des
Menschengeschlechts und seine Bekämpfung eine der
wichtigsten Kulturaufgaben ist. Aber diese Aufgabe ist
nur durch den Mann selbstzu lösen, und es ist
falsch, in diesem Kampfe auf den Feminismus zu
rechnen. Jn dem Stimmrechtslande Neuseeland ist seit
der Einführung des Frauenstimmrechts in den Jahren
1893 bis 1910, die Zahl der Bestrafungen wegen
Trunkenheit
um 53 Prozent gewachsen; in Eng-
land hat sie in derselben Zeit um 19 Prozent ab-
genommen
. Jn den Stimmrechtsstaaten Amerikas ist
der Alkoholismus nicht ausgerottet worden; es gibt keinen
einzigen Frauenstaat, in dem der Alkohol durch Staats-
grundgesetz verboten ist, wohl aber mehrere „trockene“
Männerstaaten. Jn Washington fallen sogar seit Ein-
führung des Frauenstimmrechts die örtlichen Abstimmungen
zugunsten der Alkoholinteressenten aus.

Die politischen Verhältnisse sind in den Frauen-
stimmrechtsstaaten ebenso verrottet bezw. schlechter als
anderswo, und die Frauen tun nichts dazu, die Dinge zu
bessern, im Gegenteil, sie vergrößern die Korruption,
indem sie sich daran bewußt beteiligen. Jn Wyoming
haben die Rechtlerinnen z. B. den Versuch gemacht, die
antistimmrechtlerische Frauenzeitung „Ladies Home Journal“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0077" n="75"/>
durch ihre Mitarbeit im staatlichen Leben eine Hebung<lb/>
der Moral und Kultur herbeizuführen!</p><lb/>
            <p>Mit ganz besonderem Eifer pflegen sich die Recht-<lb/>
lerinnen der Temperenzbewegung anzunehmen, sowie<lb/>
umgekehrt die Alkoholgegner teilweise die Frauenbewegung<lb/>
ihren Zwecken dienstbar zu machen suchen. &#x2013; Zwar ist<lb/>
es richtig, daß der Alkohol einer der größten Feinde des<lb/>
Menschengeschlechts und seine Bekämpfung eine der<lb/>
wichtigsten Kulturaufgaben ist. Aber diese Aufgabe ist<lb/>
nur durch <hi rendition="#g">den Mann selbst</hi>zu lösen, und es ist<lb/>
falsch, in diesem Kampfe auf den Feminismus zu<lb/>
rechnen. Jn dem Stimmrechtslande Neuseeland ist seit<lb/>
der Einführung des Frauenstimmrechts in den Jahren<lb/>
1893 bis 1910, die Zahl der <hi rendition="#g">Bestrafungen wegen<lb/>
Trunkenheit</hi> um 53 <hi rendition="#g">Prozent</hi> gewachsen; in <hi rendition="#g">Eng</hi>-<lb/>
land hat sie in derselben Zeit um 19 <hi rendition="#g">Prozent ab-<lb/>
genommen</hi>. Jn den Stimmrechtsstaaten Amerikas ist<lb/>
der Alkoholismus nicht ausgerottet worden; es gibt keinen<lb/>
einzigen Frauenstaat, in dem der Alkohol durch Staats-<lb/>
grundgesetz verboten ist, wohl aber mehrere &#x201E;trockene&#x201C;<lb/>
Männerstaaten. Jn Washington fallen sogar seit Ein-<lb/>
führung des Frauenstimmrechts die örtlichen Abstimmungen<lb/>
zugunsten der Alkoholinteressenten aus.</p><lb/>
            <p>Die politischen Verhältnisse sind in den Frauen-<lb/>
stimmrechtsstaaten ebenso verrottet bezw. schlechter als<lb/>
anderswo, und die Frauen tun nichts dazu, die Dinge zu<lb/>
bessern, im Gegenteil, sie vergrößern die Korruption,<lb/>
indem sie sich daran bewußt beteiligen. Jn Wyoming<lb/>
haben die Rechtlerinnen z. B. den Versuch gemacht, die<lb/>
antistimmrechtlerische Frauenzeitung &#x201E;Ladies Home Journal&#x201C;<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0077] durch ihre Mitarbeit im staatlichen Leben eine Hebung der Moral und Kultur herbeizuführen! Mit ganz besonderem Eifer pflegen sich die Recht- lerinnen der Temperenzbewegung anzunehmen, sowie umgekehrt die Alkoholgegner teilweise die Frauenbewegung ihren Zwecken dienstbar zu machen suchen. – Zwar ist es richtig, daß der Alkohol einer der größten Feinde des Menschengeschlechts und seine Bekämpfung eine der wichtigsten Kulturaufgaben ist. Aber diese Aufgabe ist nur durch den Mann selbstzu lösen, und es ist falsch, in diesem Kampfe auf den Feminismus zu rechnen. Jn dem Stimmrechtslande Neuseeland ist seit der Einführung des Frauenstimmrechts in den Jahren 1893 bis 1910, die Zahl der Bestrafungen wegen Trunkenheit um 53 Prozent gewachsen; in Eng- land hat sie in derselben Zeit um 19 Prozent ab- genommen. Jn den Stimmrechtsstaaten Amerikas ist der Alkoholismus nicht ausgerottet worden; es gibt keinen einzigen Frauenstaat, in dem der Alkohol durch Staats- grundgesetz verboten ist, wohl aber mehrere „trockene“ Männerstaaten. Jn Washington fallen sogar seit Ein- führung des Frauenstimmrechts die örtlichen Abstimmungen zugunsten der Alkoholinteressenten aus. Die politischen Verhältnisse sind in den Frauen- stimmrechtsstaaten ebenso verrottet bezw. schlechter als anderswo, und die Frauen tun nichts dazu, die Dinge zu bessern, im Gegenteil, sie vergrößern die Korruption, indem sie sich daran bewußt beteiligen. Jn Wyoming haben die Rechtlerinnen z. B. den Versuch gemacht, die antistimmrechtlerische Frauenzeitung „Ladies Home Journal“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-13T13:51:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-13T13:51:38Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/77
Zitationshilfe: Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/77>, abgerufen am 28.04.2024.