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Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916.

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wendung gebracht haben, um die ohnehin stark bedrängte
Regierung völlig in die Kniee zu zwingen. Es ist eine
durchaus naive Auffassung, wenn man bei uns in Deutsch-
land diese Weiber als hysterisch oder sonst krankhaft ver-
anlagt zu entschuldigen und als unverantwortlich hin-
zustellen sucht. Diese willenszähen Frauen gebrauchen
einfach gleich den Männern die in England gebräuchlichen
Gewaltmittel, mit denen man dort politische Rechte er-
zwingt. Verschiedene Minister waren leichtsinnig genug,
die Rechtlerinnen geradezu zu Gewalttaten herauszufordern.
So erklärte noch im Jahre 1912 der Minister Hobhouse,
die Frauenstimmrechtsbewegung sei nicht recht ernst zu
nehmen, denn sie habe noch keine große Gewalttat ge-
zeitigt. Ein heftiges Auflodern der Suffragettenwut war
die Folge dieses frivolen Wortes.

Man erinnert sich, welche traurige Rolle die
Regierung des Mr. Asquith in dem letzten Suffragetten-
kriege gespielt hat, und wie es ihm die streitbaren
Damen durch den Hungerstreik unmöglich machten, die
Autorität der Staatsgewalt zu retten. Jn einer Beziehung
aber wurde ihm die Suffragettentaktik einstweilen zur
Retterin: Die Untaten der Militanten gaben sehr vielen
Parlamentariern beider Parteien die erwünschte Gelegen-
heit, sich von der Frauenstimmrechtssache, die ihnen
unheimlich wurde, leise zurückzuziehen. So kam es, daß
die sogenannte Conciliation-Bill im Mai 1912 mit
Hilfe der Jren mit 257 gegen 242 Stimmen durchfiel.
Asquith hatte, wie es scheint, den Jren klargemacht, daß
er die Homerule-Bill nur unter der Bedingung würde
durchbringen können, wenn die Jren das Frauen-

wendung gebracht haben, um die ohnehin stark bedrängte
Regierung völlig in die Kniee zu zwingen. Es ist eine
durchaus naive Auffassung, wenn man bei uns in Deutsch-
land diese Weiber als hysterisch oder sonst krankhaft ver-
anlagt zu entschuldigen und als unverantwortlich hin-
zustellen sucht. Diese willenszähen Frauen gebrauchen
einfach gleich den Männern die in England gebräuchlichen
Gewaltmittel, mit denen man dort politische Rechte er-
zwingt. Verschiedene Minister waren leichtsinnig genug,
die Rechtlerinnen geradezu zu Gewalttaten herauszufordern.
So erklärte noch im Jahre 1912 der Minister Hobhouse,
die Frauenstimmrechtsbewegung sei nicht recht ernst zu
nehmen, denn sie habe noch keine große Gewalttat ge-
zeitigt. Ein heftiges Auflodern der Suffragettenwut war
die Folge dieses frivolen Wortes.

Man erinnert sich, welche traurige Rolle die
Regierung des Mr. Asquith in dem letzten Suffragetten-
kriege gespielt hat, und wie es ihm die streitbaren
Damen durch den Hungerstreik unmöglich machten, die
Autorität der Staatsgewalt zu retten. Jn einer Beziehung
aber wurde ihm die Suffragettentaktik einstweilen zur
Retterin: Die Untaten der Militanten gaben sehr vielen
Parlamentariern beider Parteien die erwünschte Gelegen-
heit, sich von der Frauenstimmrechtssache, die ihnen
unheimlich wurde, leise zurückzuziehen. So kam es, daß
die sogenannte Conciliation-Bill im Mai 1912 mit
Hilfe der Jren mit 257 gegen 242 Stimmen durchfiel.
Asquith hatte, wie es scheint, den Jren klargemacht, daß
er die Homerule-Bill nur unter der Bedingung würde
durchbringen können, wenn die Jren das Frauen-

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[62/0064] wendung gebracht haben, um die ohnehin stark bedrängte Regierung völlig in die Kniee zu zwingen. Es ist eine durchaus naive Auffassung, wenn man bei uns in Deutsch- land diese Weiber als hysterisch oder sonst krankhaft ver- anlagt zu entschuldigen und als unverantwortlich hin- zustellen sucht. Diese willenszähen Frauen gebrauchen einfach gleich den Männern die in England gebräuchlichen Gewaltmittel, mit denen man dort politische Rechte er- zwingt. Verschiedene Minister waren leichtsinnig genug, die Rechtlerinnen geradezu zu Gewalttaten herauszufordern. So erklärte noch im Jahre 1912 der Minister Hobhouse, die Frauenstimmrechtsbewegung sei nicht recht ernst zu nehmen, denn sie habe noch keine große Gewalttat ge- zeitigt. Ein heftiges Auflodern der Suffragettenwut war die Folge dieses frivolen Wortes. Man erinnert sich, welche traurige Rolle die Regierung des Mr. Asquith in dem letzten Suffragetten- kriege gespielt hat, und wie es ihm die streitbaren Damen durch den Hungerstreik unmöglich machten, die Autorität der Staatsgewalt zu retten. Jn einer Beziehung aber wurde ihm die Suffragettentaktik einstweilen zur Retterin: Die Untaten der Militanten gaben sehr vielen Parlamentariern beider Parteien die erwünschte Gelegen- heit, sich von der Frauenstimmrechtssache, die ihnen unheimlich wurde, leise zurückzuziehen. So kam es, daß die sogenannte Conciliation-Bill im Mai 1912 mit Hilfe der Jren mit 257 gegen 242 Stimmen durchfiel. Asquith hatte, wie es scheint, den Jren klargemacht, daß er die Homerule-Bill nur unter der Bedingung würde durchbringen können, wenn die Jren das Frauen-

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Zitationshilfe: Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/64>, abgerufen am 27.04.2024.