"echte, rechte Weiberschicksal mit Kinderangst und Kinder- lachen" kann der Frau nur zuteil werden in dem Ge- borgensein einer guten Ehe. Der Verband fortschrittlicher Frauenvereine, der dem Bunde deutscher Frauenvereine angeschlossen ist, tritt in seinem Programm für die freie Liebe ein. Sollte uns Frauen das bei einer Ära der Frauenherrschaft beschieden sein? "Die Monogamie", sagt Treitschcke mit vielen anderen, "ist die Form der Ehe, über die hinaus es nichts mehr gibt." Selbst eine Ehe, die von vornherein unter der Bedingung der even- tuellen Lösung geschlossen wird, ist eigentlich nur ein Konkubinat. Es mag manch eine Härte in einer schweren Lösbarkeit der Ehe liegen, aber es ist immer noch besser, einige leiden, als daß die Sittlichkeit eines Volkes herab- geht. Die Frauen vor allen Dingen sollten eine freie Form der Ehe nicht fordern, denn sie werden stets die größte Achtung unter der Herrschaft der Einehe genießen. Daß einige Kreise der Frauenbewegung die Meinung vertreten, daß die Mutter Herr ist über das Leben des ungeborenen Kindes, die in einer Tat, auf die das von Männern gemachte Recht Zuchthausstrafe setzt, kein Ver- brechen sehen, - das sollte uns an der Aufrichtigkeit des Kampfes der Rechtlerinnen für größere Sittlichkeit irre machen! Schließlich muß uns Frauen der Bestand unserer deutschen, festgefügten Ehe doch ebenso wichtig sein wie der Kampf um die Reglementierung oder Nichtreglemen- tierung der Prostitution, um den es sich im Grunde ge- nommen immer nur dreht. Am wirksamsten werden die Frauen diesem Krebsgeschwür zu Leibe gehen, wenn sie durch ihre Erziehung soviel pädagogisches Geschick und
„echte, rechte Weiberschicksal mit Kinderangst und Kinder- lachen“ kann der Frau nur zuteil werden in dem Ge- borgensein einer guten Ehe. Der Verband fortschrittlicher Frauenvereine, der dem Bunde deutscher Frauenvereine angeschlossen ist, tritt in seinem Programm für die freie Liebe ein. Sollte uns Frauen das bei einer Ära der Frauenherrschaft beschieden sein? „Die Monogamie“, sagt Treitschcke mit vielen anderen, „ist die Form der Ehe, über die hinaus es nichts mehr gibt.“ Selbst eine Ehe, die von vornherein unter der Bedingung der even- tuellen Lösung geschlossen wird, ist eigentlich nur ein Konkubinat. Es mag manch eine Härte in einer schweren Lösbarkeit der Ehe liegen, aber es ist immer noch besser, einige leiden, als daß die Sittlichkeit eines Volkes herab- geht. Die Frauen vor allen Dingen sollten eine freie Form der Ehe nicht fordern, denn sie werden stets die größte Achtung unter der Herrschaft der Einehe genießen. Daß einige Kreise der Frauenbewegung die Meinung vertreten, daß die Mutter Herr ist über das Leben des ungeborenen Kindes, die in einer Tat, auf die das von Männern gemachte Recht Zuchthausstrafe setzt, kein Ver- brechen sehen, – das sollte uns an der Aufrichtigkeit des Kampfes der Rechtlerinnen für größere Sittlichkeit irre machen! Schließlich muß uns Frauen der Bestand unserer deutschen, festgefügten Ehe doch ebenso wichtig sein wie der Kampf um die Reglementierung oder Nichtreglemen- tierung der Prostitution, um den es sich im Grunde ge- nommen immer nur dreht. Am wirksamsten werden die Frauen diesem Krebsgeschwür zu Leibe gehen, wenn sie durch ihre Erziehung soviel pädagogisches Geschick und
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„echte, rechte Weiberschicksal mit Kinderangst und Kinder-
lachen“ kann der Frau nur zuteil werden in dem Ge-
borgensein einer guten Ehe. Der Verband fortschrittlicher
Frauenvereine, der dem Bunde deutscher Frauenvereine
angeschlossen ist, tritt in seinem Programm für die freie
Liebe ein. Sollte uns Frauen das bei einer Ära der
Frauenherrschaft beschieden sein? „Die Monogamie“,
sagt Treitschcke mit vielen anderen, „ist die Form der
Ehe, über die hinaus es nichts mehr gibt.“ Selbst eine
Ehe, die von vornherein unter der Bedingung der even-
tuellen Lösung geschlossen wird, ist eigentlich nur ein
Konkubinat. Es mag manch eine Härte in einer schweren
Lösbarkeit der Ehe liegen, aber es ist immer noch besser,
einige leiden, als daß die Sittlichkeit eines Volkes herab-
geht. Die Frauen vor allen Dingen sollten eine freie
Form der Ehe nicht fordern, denn sie werden stets die
größte Achtung unter der Herrschaft der Einehe genießen.
Daß einige Kreise der Frauenbewegung die Meinung
vertreten, daß die Mutter Herr ist über das Leben des
ungeborenen Kindes, die in einer Tat, auf die das von
Männern gemachte Recht Zuchthausstrafe setzt, kein Ver-
brechen sehen, – das sollte uns an der Aufrichtigkeit des
Kampfes der Rechtlerinnen für größere Sittlichkeit irre
machen! Schließlich muß uns Frauen der Bestand unserer
deutschen, festgefügten Ehe doch ebenso wichtig sein wie
der Kampf um die Reglementierung oder Nichtreglemen-
tierung der Prostitution, um den es sich im Grunde ge-
nommen immer nur dreht. Am wirksamsten werden die
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Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/156>, abgerufen am 16.02.2025.
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