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Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916.

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Abhilfe für diese bedauerlichen Zustände, die da
sicher bei uns herrschen, sehen die Frauenrechtlerinnen
nun nicht in einer gründlichen Ausbildung der Mädchen
im Kochen und Wirtschaften, sondern in der Einrichtung
großer Genossenschaftshäuser, die ja dann nebenbei die
Frau für einen anderen Beruf frei machen würden. Mit
Vorliebe weist man auf Amerika hin, wo eben die Auf-
lösung der Familie schon weiter vorgeschritten ist als bei
uns. Glücklicherweise steckt in der deutschen Hausfrau
noch soviel gesunder Sinn, daß sie solche Vorschläge
einfach als indiskutabel beiseite legt. Sie will Haus-
frau sein. Ein auffallendes Beispiel hierfür war das
glänzende Fiasko, das die Einküchenhäuser in Groß-Berlin
gemacht haben.

Ähnlich liegt es mit der Kinderpflege: Man jammert
über die große Säuglingssterblichkeit und läßt Millionen
deutscher Frauen Mütter werden, ohne daß man ihnen
vorher auch nur die Grundbegriffe der Säuglingspflege
beigebracht hat; man klagt, wie schlecht viele Mütter ihre
Kinder erziehen, wie sie entweder ihre Kinder wie Sklaven
behandeln, jede freie Entwicklung ihrer Kindesseele stören,
oder aber ihnen allen Willen lassen. Was fordert man
als Gegenmittel? Nicht etwa eine jahrelange, gewissen-
hafte Vorbildung aller Mädchen unseres Volkes für den
edelsten aller Frauenberufe, sondern man ist für die Ein-
richtung von Krippen, Kindergärten und Kinderhorten in
viel größerem Umfange als bisher. 89% aller deutschen
Mädchen bekamen vor dem Kriege einen Mann, und
allzutief wird diese Zahl auch nachher nicht sinken. Der
größte Teil von ihnen in allen Schichten des Volkes ist

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Abhilfe für diese bedauerlichen Zustände, die da
sicher bei uns herrschen, sehen die Frauenrechtlerinnen
nun nicht in einer gründlichen Ausbildung der Mädchen
im Kochen und Wirtschaften, sondern in der Einrichtung
großer Genossenschaftshäuser, die ja dann nebenbei die
Frau für einen anderen Beruf frei machen würden. Mit
Vorliebe weist man auf Amerika hin, wo eben die Auf-
lösung der Familie schon weiter vorgeschritten ist als bei
uns. Glücklicherweise steckt in der deutschen Hausfrau
noch soviel gesunder Sinn, daß sie solche Vorschläge
einfach als indiskutabel beiseite legt. Sie will Haus-
frau sein. Ein auffallendes Beispiel hierfür war das
glänzende Fiasko, das die Einküchenhäuser in Groß-Berlin
gemacht haben.

Ähnlich liegt es mit der Kinderpflege: Man jammert
über die große Säuglingssterblichkeit und läßt Millionen
deutscher Frauen Mütter werden, ohne daß man ihnen
vorher auch nur die Grundbegriffe der Säuglingspflege
beigebracht hat; man klagt, wie schlecht viele Mütter ihre
Kinder erziehen, wie sie entweder ihre Kinder wie Sklaven
behandeln, jede freie Entwicklung ihrer Kindesseele stören,
oder aber ihnen allen Willen lassen. Was fordert man
als Gegenmittel? Nicht etwa eine jahrelange, gewissen-
hafte Vorbildung aller Mädchen unseres Volkes für den
edelsten aller Frauenberufe, sondern man ist für die Ein-
richtung von Krippen, Kindergärten und Kinderhorten in
viel größerem Umfange als bisher. 89% aller deutschen
Mädchen bekamen vor dem Kriege einen Mann, und
allzutief wird diese Zahl auch nachher nicht sinken. Der
größte Teil von ihnen in allen Schichten des Volkes ist

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[117/0119] Abhilfe für diese bedauerlichen Zustände, die da sicher bei uns herrschen, sehen die Frauenrechtlerinnen nun nicht in einer gründlichen Ausbildung der Mädchen im Kochen und Wirtschaften, sondern in der Einrichtung großer Genossenschaftshäuser, die ja dann nebenbei die Frau für einen anderen Beruf frei machen würden. Mit Vorliebe weist man auf Amerika hin, wo eben die Auf- lösung der Familie schon weiter vorgeschritten ist als bei uns. Glücklicherweise steckt in der deutschen Hausfrau noch soviel gesunder Sinn, daß sie solche Vorschläge einfach als indiskutabel beiseite legt. Sie will Haus- frau sein. Ein auffallendes Beispiel hierfür war das glänzende Fiasko, das die Einküchenhäuser in Groß-Berlin gemacht haben. Ähnlich liegt es mit der Kinderpflege: Man jammert über die große Säuglingssterblichkeit und läßt Millionen deutscher Frauen Mütter werden, ohne daß man ihnen vorher auch nur die Grundbegriffe der Säuglingspflege beigebracht hat; man klagt, wie schlecht viele Mütter ihre Kinder erziehen, wie sie entweder ihre Kinder wie Sklaven behandeln, jede freie Entwicklung ihrer Kindesseele stören, oder aber ihnen allen Willen lassen. Was fordert man als Gegenmittel? Nicht etwa eine jahrelange, gewissen- hafte Vorbildung aller Mädchen unseres Volkes für den edelsten aller Frauenberufe, sondern man ist für die Ein- richtung von Krippen, Kindergärten und Kinderhorten in viel größerem Umfange als bisher. 89% aller deutschen Mädchen bekamen vor dem Kriege einen Mann, und allzutief wird diese Zahl auch nachher nicht sinken. Der größte Teil von ihnen in allen Schichten des Volkes ist 8

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Zitationshilfe: Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/119>, abgerufen am 11.05.2024.