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Langemann, Ludwig: Das Frauenstimmrecht und seine Bekämpfung. Berlin, [1913] (= Schriften des Deutschen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation, Bd. 4).

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Die Frauenrechtlerinnen haben seit Jahr und Tag in Ver-
sammlungen und Kongressen die hochtönendsten Reden gehalten
über die gewaltige Mission der Frauenbewegung auf den Gebieten
der Volkswohlfahrtspflege. Es soll nicht geleugnet werden, daß
die alte gesunde Frauenbewegung sich durch selbstlose treue Hilfs-
arbeit auf diesem Felde große Verdienste erworben hat. Aber auf
einigen Gebieten tritt neuerdings der alte politische Pferdefuß um
so stärker hervor. Jch erinnere beispielsweise an die Frage der
weiblichen Schöffen, an den Eifer der radikalen Frauenbewegung,
sich der weiblichen Jugendpflege und damit der Jugend zu be-
mächtigen, und schließlich die Stellung zur Antialkoholbewegung.
Diese letztere versucht man ganz besonders im frauenrechtlerischen
Sinne auszunützen. Und leider Gottes sind viele Temperenzler,
besonders die vom "Vortrupp", schon der Meinung, daß wir ohne
Frauenstimmrecht in Deutschland des Alkohols nicht Herr werden
würden. Das wäre allerdings das traurigste Zeugnis, das die
deutschen Männer sich selbst ausstellen könnten, wenn sie, um den
einen Herrn loszuwerden, sich dafür einen schlimmeren ein-
tauschen und sich unter die Fuchtel der Frauen begeben müßten,
wenn die Alkoholherrschaft nur durch die Weiberherrschaft be-
seitigt werden könnte. - Jene alkoholfeindlichen, frauenfreund-
lichen Herren mögen sich überlegen, daß nur der Mann selbst diesen
Kampf durchführen kann und in Deutschland schon führt. Sie
mögen vor allem bedenken, daß das Frauenstimmrecht, wie die
Stimmrechtsländer Australien, Neuseeland und die amerikanischen
Staaten beweisen, überhaupt keinerlei Erfolge im Kampfe gegen
den Alkohol aufzuweisen hat. Jn Neuseeland z. B. stieg seit der
Zeit des Frauenstimmrechts von 1893-1910 die Zahl der Be-
strafungen wegen Trunkenheit um 53 pCt., während sie in der-
selben Zeit in Großbritannien um 19 pCt. abnahm. - Jnsbe-
sondere ist bei uns in Deutschland dahin zu wirken, daß der Ver-
ein gegen den Mißbrauch der geistigen Getränke, dem Tausende
von Männern angehören, sich nicht zum Vorspann für die politi-
schen Frauenbestrebungen mißbrauchen läßt, und daß er die Ver-
bindung mit dem Bunde deutscher Frauenvereine, der das Frauen-
stimmrecht erstrebt, aufhebt. Den Mitgliedern des Bundes gegen
die Frauenemanzipation ist jedenfalls heute die Mitgliedschaft in
jenem Verein unmöglich gemacht, und sie täten wohl daran, einen
Männerverein dieser Art zu begründen.

Man hat dem Bunde zur Bekämpfung der Frauenemanzi-
pation in letzterer Zeit häufig den Vorwurf gemacht, es fehle ihm
an positiven Zielen, er betone der Frauenbewegung gegenüber zu
sehr die Negation, den Kampf. Dabei enthält unser Programm

Die Frauenrechtlerinnen haben seit Jahr und Tag in Ver-
sammlungen und Kongressen die hochtönendsten Reden gehalten
über die gewaltige Mission der Frauenbewegung auf den Gebieten
der Volkswohlfahrtspflege. Es soll nicht geleugnet werden, daß
die alte gesunde Frauenbewegung sich durch selbstlose treue Hilfs-
arbeit auf diesem Felde große Verdienste erworben hat. Aber auf
einigen Gebieten tritt neuerdings der alte politische Pferdefuß um
so stärker hervor. Jch erinnere beispielsweise an die Frage der
weiblichen Schöffen, an den Eifer der radikalen Frauenbewegung,
sich der weiblichen Jugendpflege und damit der Jugend zu be-
mächtigen, und schließlich die Stellung zur Antialkoholbewegung.
Diese letztere versucht man ganz besonders im frauenrechtlerischen
Sinne auszunützen. Und leider Gottes sind viele Temperenzler,
besonders die vom „Vortrupp“, schon der Meinung, daß wir ohne
Frauenstimmrecht in Deutschland des Alkohols nicht Herr werden
würden. Das wäre allerdings das traurigste Zeugnis, das die
deutschen Männer sich selbst ausstellen könnten, wenn sie, um den
einen Herrn loszuwerden, sich dafür einen schlimmeren ein-
tauschen und sich unter die Fuchtel der Frauen begeben müßten,
wenn die Alkoholherrschaft nur durch die Weiberherrschaft be-
seitigt werden könnte. – Jene alkoholfeindlichen, frauenfreund-
lichen Herren mögen sich überlegen, daß nur der Mann selbst diesen
Kampf durchführen kann und in Deutschland schon führt. Sie
mögen vor allem bedenken, daß das Frauenstimmrecht, wie die
Stimmrechtsländer Australien, Neuseeland und die amerikanischen
Staaten beweisen, überhaupt keinerlei Erfolge im Kampfe gegen
den Alkohol aufzuweisen hat. Jn Neuseeland z. B. stieg seit der
Zeit des Frauenstimmrechts von 1893-1910 die Zahl der Be-
strafungen wegen Trunkenheit um 53 pCt., während sie in der-
selben Zeit in Großbritannien um 19 pCt. abnahm. – Jnsbe-
sondere ist bei uns in Deutschland dahin zu wirken, daß der Ver-
ein gegen den Mißbrauch der geistigen Getränke, dem Tausende
von Männern angehören, sich nicht zum Vorspann für die politi-
schen Frauenbestrebungen mißbrauchen läßt, und daß er die Ver-
bindung mit dem Bunde deutscher Frauenvereine, der das Frauen-
stimmrecht erstrebt, aufhebt. Den Mitgliedern des Bundes gegen
die Frauenemanzipation ist jedenfalls heute die Mitgliedschaft in
jenem Verein unmöglich gemacht, und sie täten wohl daran, einen
Männerverein dieser Art zu begründen.

Man hat dem Bunde zur Bekämpfung der Frauenemanzi-
pation in letzterer Zeit häufig den Vorwurf gemacht, es fehle ihm
an positiven Zielen, er betone der Frauenbewegung gegenüber zu
sehr die Negation, den Kampf. Dabei enthält unser Programm

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[26/0026] Die Frauenrechtlerinnen haben seit Jahr und Tag in Ver- sammlungen und Kongressen die hochtönendsten Reden gehalten über die gewaltige Mission der Frauenbewegung auf den Gebieten der Volkswohlfahrtspflege. Es soll nicht geleugnet werden, daß die alte gesunde Frauenbewegung sich durch selbstlose treue Hilfs- arbeit auf diesem Felde große Verdienste erworben hat. Aber auf einigen Gebieten tritt neuerdings der alte politische Pferdefuß um so stärker hervor. Jch erinnere beispielsweise an die Frage der weiblichen Schöffen, an den Eifer der radikalen Frauenbewegung, sich der weiblichen Jugendpflege und damit der Jugend zu be- mächtigen, und schließlich die Stellung zur Antialkoholbewegung. Diese letztere versucht man ganz besonders im frauenrechtlerischen Sinne auszunützen. Und leider Gottes sind viele Temperenzler, besonders die vom „Vortrupp“, schon der Meinung, daß wir ohne Frauenstimmrecht in Deutschland des Alkohols nicht Herr werden würden. Das wäre allerdings das traurigste Zeugnis, das die deutschen Männer sich selbst ausstellen könnten, wenn sie, um den einen Herrn loszuwerden, sich dafür einen schlimmeren ein- tauschen und sich unter die Fuchtel der Frauen begeben müßten, wenn die Alkoholherrschaft nur durch die Weiberherrschaft be- seitigt werden könnte. – Jene alkoholfeindlichen, frauenfreund- lichen Herren mögen sich überlegen, daß nur der Mann selbst diesen Kampf durchführen kann und in Deutschland schon führt. Sie mögen vor allem bedenken, daß das Frauenstimmrecht, wie die Stimmrechtsländer Australien, Neuseeland und die amerikanischen Staaten beweisen, überhaupt keinerlei Erfolge im Kampfe gegen den Alkohol aufzuweisen hat. Jn Neuseeland z. B. stieg seit der Zeit des Frauenstimmrechts von 1893-1910 die Zahl der Be- strafungen wegen Trunkenheit um 53 pCt., während sie in der- selben Zeit in Großbritannien um 19 pCt. abnahm. – Jnsbe- sondere ist bei uns in Deutschland dahin zu wirken, daß der Ver- ein gegen den Mißbrauch der geistigen Getränke, dem Tausende von Männern angehören, sich nicht zum Vorspann für die politi- schen Frauenbestrebungen mißbrauchen läßt, und daß er die Ver- bindung mit dem Bunde deutscher Frauenvereine, der das Frauen- stimmrecht erstrebt, aufhebt. Den Mitgliedern des Bundes gegen die Frauenemanzipation ist jedenfalls heute die Mitgliedschaft in jenem Verein unmöglich gemacht, und sie täten wohl daran, einen Männerverein dieser Art zu begründen. Man hat dem Bunde zur Bekämpfung der Frauenemanzi- pation in letzterer Zeit häufig den Vorwurf gemacht, es fehle ihm an positiven Zielen, er betone der Frauenbewegung gegenüber zu sehr die Negation, den Kampf. Dabei enthält unser Programm  

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Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Langemann, Ludwig: Das Frauenstimmrecht und seine Bekämpfung. Berlin, [1913] (= Schriften des Deutschen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation, Bd. 4), S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1913/26>, abgerufen am 25.04.2024.