Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lange, Max: Lehrbuch des Schachspiels. Halle (Saale), 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

rannensänftigungssage finden wir übrigens in Indien wieder;
doch wechselt vielfach der Name des Erfinders. Die Einen
nennen ihn Ledschladsch, andere Nassir, die meisten aber
Ziza oder Sissa ben Dahir.

§. 152. Für die Abstammung des Spieles aus Indien
spricht auch der ursprüngliche Name Schathrandsch, welcher
noch bis auf den heutigen Tag in jenen Gegenden gebräuch-
lich ist, in den literarischen Werken Indiens jedoch Scha-
turangka geschrieben wird und die 4 angka oder Glieder
eines Heeres bedeutet, nämlich hasty (Elephant oder Läufer),
aswa (Pferd oder Springer), ratha (Wagen oder Thurm)
und padatam (Fussvolk, Bauern). Die Zeit der Erfindung
muss spätestens um das 4. Jahrhundert nach Christi fest-
gesetzt werden. Da soll ein junger König, Schachram,
nach anderen Balhib Indien beherrscht haben. Durch
Schmeichler verleitet sei er hochmüthig und grausam ge-
worden, und es habe der Bramine Sissa das Schachspiel
ersonnen zur Belehrung, dass der König ohne Hülfe seiner
sich opfernden Unterthanen verloren erscheine, sich wenig-
stens nicht allein zu vertheidigen möge. Er habe gezeigt,
wie der geringste Bauer oft das Spiel entscheide, dem
Könige seinen Thron retten, sich selbst aber zum Feldherrn
aufschwingen könne. Spielend hörte der junge König die
Lehre an, spielend ging sie ihm zu Herzen. Er sagte dem
weisen Erfinder jegliche Belohnung zu, und dieser bat nur
um so viel Waizen, als die Summe betrüge, wenn er auf
das erste der 64 Felder seines Schachbrettes ein Korn, auf
das zweite 2, auf das dritte 4 und sofort auf jedes nächste
nur das Doppelte des vorigen legte. Der König bewilligte,
erstaunt ob der bescheidenen Forderung, das Sonderbare.
Bald aber kamen die Kornkämmerer und Schatzmeister mit
der Klage, der Reichthum des ganzen Indiens, ja der gan-
zen Welt, würde nicht hinreichen, den Braminen zu be-
friedigen.

Anmerkung: Wirklich macht diese geforderte Belohnung eine
Menge von 18446744073709551615 Waizenkörnern, d. h.
einen Haufen Waizen, zu dessen jährlicher Hervorbringung
das feste Land der Erde, ganz ohne Wälder, Wüsten,
Wege, Seen und Flüsse und durchaus zu dem besten
7*

rannensänftigungssage finden wir übrigens in Indien wieder;
doch wechselt vielfach der Name des Erfinders. Die Einen
nennen ihn Ledschladsch, andere Nassir, die meisten aber
Ziza oder Sissa ben Dahir.

§. 152. Für die Abstammung des Spieles aus Indien
spricht auch der ursprüngliche Name Schathrandsch, welcher
noch bis auf den heutigen Tag in jenen Gegenden gebräuch-
lich ist, in den literarischen Werken Indiens jedoch Scha-
turangka geschrieben wird und die 4 angka oder Glieder
eines Heeres bedeutet, nämlich hasty (Elephant oder Läufer),
aswa (Pferd oder Springer), ratha (Wagen oder Thurm)
und padatam (Fussvolk, Bauern). Die Zeit der Erfindung
muss spätestens um das 4. Jahrhundert nach Christi fest-
gesetzt werden. Da soll ein junger König, Schachram,
nach anderen Balhib Indien beherrscht haben. Durch
Schmeichler verleitet sei er hochmüthig und grausam ge-
worden, und es habe der Bramine Sissa das Schachspiel
ersonnen zur Belehrung, dass der König ohne Hülfe seiner
sich opfernden Unterthanen verloren erscheine, sich wenig-
stens nicht allein zu vertheidigen möge. Er habe gezeigt,
wie der geringste Bauer oft das Spiel entscheide, dem
Könige seinen Thron retten, sich selbst aber zum Feldherrn
aufschwingen könne. Spielend hörte der junge König die
Lehre an, spielend ging sie ihm zu Herzen. Er sagte dem
weisen Erfinder jegliche Belohnung zu, und dieser bat nur
um so viel Waizen, als die Summe betrüge, wenn er auf
das erste der 64 Felder seines Schachbrettes ein Korn, auf
das zweite 2, auf das dritte 4 und sofort auf jedes nächste
nur das Doppelte des vorigen legte. Der König bewilligte,
erstaunt ob der bescheidenen Forderung, das Sonderbare.
Bald aber kamen die Kornkämmerer und Schatzmeister mit
der Klage, der Reichthum des ganzen Indiens, ja der gan-
zen Welt, würde nicht hinreichen, den Braminen zu be-
friedigen.

Anmerkung: Wirklich macht diese geforderte Belohnung eine
Menge von 18446744073709551615 Waizenkörnern, d. h.
einen Haufen Waizen, zu dessen jährlicher Hervorbringung
das feste Land der Erde, ganz ohne Wälder, Wüsten,
Wege, Seen und Flüsse und durchaus zu dem besten
7*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0111" n="99"/>
rannensänftigungssage finden wir übrigens in Indien wieder;<lb/>
doch wechselt vielfach der Name des Erfinders. Die Einen<lb/>
nennen ihn Ledschladsch, andere Nassir, die meisten aber<lb/>
Ziza oder <hi rendition="#g">Sissa ben Dahir</hi>.</p><lb/>
                <p>§. 152. Für die Abstammung des Spieles aus Indien<lb/>
spricht auch der ursprüngliche Name Schathrandsch, welcher<lb/>
noch bis auf den heutigen Tag in jenen Gegenden gebräuch-<lb/>
lich ist, in den literarischen Werken Indiens jedoch Scha-<lb/>
turangka geschrieben wird und die 4 angka oder Glieder<lb/>
eines Heeres bedeutet, nämlich hasty (Elephant oder Läufer),<lb/>
aswa (Pferd oder Springer), ratha (Wagen oder Thurm)<lb/>
und padatam (Fussvolk, Bauern). Die Zeit der Erfindung<lb/>
muss spätestens um das 4. Jahrhundert nach Christi fest-<lb/>
gesetzt werden. Da soll ein junger König, Schachram,<lb/>
nach anderen Balhib Indien beherrscht haben. Durch<lb/>
Schmeichler verleitet sei er hochmüthig und grausam ge-<lb/>
worden, und es habe der Bramine Sissa das Schachspiel<lb/>
ersonnen zur Belehrung, dass der König ohne Hülfe seiner<lb/>
sich opfernden Unterthanen verloren erscheine, sich wenig-<lb/>
stens nicht allein zu vertheidigen möge. Er habe gezeigt,<lb/>
wie der geringste Bauer oft das Spiel entscheide, dem<lb/>
Könige seinen Thron retten, sich selbst aber zum Feldherrn<lb/>
aufschwingen könne. Spielend hörte der junge König die<lb/>
Lehre an, spielend ging sie ihm zu Herzen. Er sagte dem<lb/>
weisen Erfinder jegliche Belohnung zu, und dieser bat nur<lb/>
um so viel Waizen, als die Summe betrüge, wenn er auf<lb/>
das erste der 64 Felder seines Schachbrettes ein Korn, auf<lb/>
das zweite 2, auf das dritte 4 und sofort auf jedes nächste<lb/>
nur das Doppelte des vorigen legte. Der König bewilligte,<lb/>
erstaunt ob der bescheidenen Forderung, das Sonderbare.<lb/>
Bald aber kamen die Kornkämmerer und Schatzmeister mit<lb/>
der Klage, der Reichthum des ganzen Indiens, ja der gan-<lb/>
zen Welt, würde nicht hinreichen, den Braminen zu be-<lb/>
friedigen.</p><lb/>
                <list>
                  <item>Anmerkung: Wirklich macht diese geforderte Belohnung eine<lb/>
Menge von 18446744073709551615 Waizenkörnern, d. h.<lb/>
einen Haufen Waizen, zu dessen jährlicher Hervorbringung<lb/>
das feste Land der Erde, ganz ohne Wälder, Wüsten,<lb/>
Wege, Seen und Flüsse und durchaus zu dem besten<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">7*</fw><lb/></item>
                </list>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0111] rannensänftigungssage finden wir übrigens in Indien wieder; doch wechselt vielfach der Name des Erfinders. Die Einen nennen ihn Ledschladsch, andere Nassir, die meisten aber Ziza oder Sissa ben Dahir. §. 152. Für die Abstammung des Spieles aus Indien spricht auch der ursprüngliche Name Schathrandsch, welcher noch bis auf den heutigen Tag in jenen Gegenden gebräuch- lich ist, in den literarischen Werken Indiens jedoch Scha- turangka geschrieben wird und die 4 angka oder Glieder eines Heeres bedeutet, nämlich hasty (Elephant oder Läufer), aswa (Pferd oder Springer), ratha (Wagen oder Thurm) und padatam (Fussvolk, Bauern). Die Zeit der Erfindung muss spätestens um das 4. Jahrhundert nach Christi fest- gesetzt werden. Da soll ein junger König, Schachram, nach anderen Balhib Indien beherrscht haben. Durch Schmeichler verleitet sei er hochmüthig und grausam ge- worden, und es habe der Bramine Sissa das Schachspiel ersonnen zur Belehrung, dass der König ohne Hülfe seiner sich opfernden Unterthanen verloren erscheine, sich wenig- stens nicht allein zu vertheidigen möge. Er habe gezeigt, wie der geringste Bauer oft das Spiel entscheide, dem Könige seinen Thron retten, sich selbst aber zum Feldherrn aufschwingen könne. Spielend hörte der junge König die Lehre an, spielend ging sie ihm zu Herzen. Er sagte dem weisen Erfinder jegliche Belohnung zu, und dieser bat nur um so viel Waizen, als die Summe betrüge, wenn er auf das erste der 64 Felder seines Schachbrettes ein Korn, auf das zweite 2, auf das dritte 4 und sofort auf jedes nächste nur das Doppelte des vorigen legte. Der König bewilligte, erstaunt ob der bescheidenen Forderung, das Sonderbare. Bald aber kamen die Kornkämmerer und Schatzmeister mit der Klage, der Reichthum des ganzen Indiens, ja der gan- zen Welt, würde nicht hinreichen, den Braminen zu be- friedigen. Anmerkung: Wirklich macht diese geforderte Belohnung eine Menge von 18446744073709551615 Waizenkörnern, d. h. einen Haufen Waizen, zu dessen jährlicher Hervorbringung das feste Land der Erde, ganz ohne Wälder, Wüsten, Wege, Seen und Flüsse und durchaus zu dem besten 7*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_schachspiel_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_schachspiel_1856/111
Zitationshilfe: Lange, Max: Lehrbuch des Schachspiels. Halle (Saale), 1856, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_schachspiel_1856/111>, abgerufen am 02.05.2024.