Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887.10 Turn- und Handarbeitsstunden geben und im übrigen Zugegeben übrigens, es giebt tausende von unfähigen Aber wir wissen wohl, man behauptet, diesem Taug- 10 Turn- und Handarbeitsstunden geben und im übrigen Zugegeben übrigens, es giebt tausende von unfähigen Aber wir wissen wohl, man behauptet, diesem Taug- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0049" n="48"/> 10 Turn- und Handarbeitsstunden geben und im übrigen<lb/> nur auf der unteren Stufe verwendet werden, schließlich<lb/> für höhere Leistungen auch gar nicht mehr verwendbar<lb/> sind; das würde dem Lehrer gerade so gehen; auch er<lb/> lernt erst durch Lehren und oft genug zum schweren Schaden<lb/> der Kinder. Solche Lehrerinnen, die schließlich alles In-<lb/> teresse an ihrer eigenen weiteren Ausbildung und jede<lb/> höhere Auffassung ihres Berufs verlieren, dienen den Her-<lb/> ren Dirigenten und Lehrern dann wieder als Beweis-<lb/> material gegen die Befähigung der Lehrerinnen. Die<lb/> Herren würden so etwas bei anderen ja wohl einen<lb/><hi rendition="#aq">circulus vitiosus</hi> nennen. —</p><lb/> <p>Zugegeben übrigens, es giebt tausende von unfähigen<lb/> Lehrerinnen, zugegeben, die meisten haben noch keinen<lb/> richtigen Begriff von dem hohen Ernst und den bedeuten-<lb/> den Anforderungen ihres Berufs, so wenig wie von seiner<lb/> Schönheit und der tiefen Befriedigung, die er gewährt<lb/> (haben es denn übrigens alle <hi rendition="#g">Lehrer</hi>?), so bleibt doch der<lb/> Fundamentalsatz stehen: <hi rendition="#g">Nicht Männer, sondern<lb/> Frauen sind in erster Stelle zur Bildung und<lb/> Erziehung von Mädchen berufen; taugen die<lb/> Frauen dazu noch nicht, so mache man sie taug-<lb/> lich</hi>; das muß unser <hi rendition="#aq">ceterum censeo</hi> sein, so lange bis<lb/> man uns endlich hört!</p><lb/> <p>Aber wir wissen wohl, man behauptet, diesem Taug-<lb/> lichmachen stehe ein Naturhindernis im Wege; die ganze<lb/> geistige Organisation der Frau sei derart, daß ein enger<lb/> geistiger Horizont, eine kleinliche Art der Lebensanschauung,<lb/> Mangel an Logik ꝛc., wodurch eben ein unabhängiges,<lb/> selbständiges Studium unmöglich gemacht werde, als ihr<lb/> angeboren gelten müssen. Da verwechselt man einfach die<lb/> Ursache mit der Folge. Nicht weil Kleinlichkeit und Eng-<lb/> herzigkeit der Frau angeboren ist, beschäftigt sie sich nur<lb/> mit kleinen Dingen, sondern weil seit unzähligen Gene-<lb/> rationen der Mann mit dem Recht des physisch Stärkeren<lb/> die großen Interessen und die Geistesarbeit an sich genom-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [48/0049]
10 Turn- und Handarbeitsstunden geben und im übrigen
nur auf der unteren Stufe verwendet werden, schließlich
für höhere Leistungen auch gar nicht mehr verwendbar
sind; das würde dem Lehrer gerade so gehen; auch er
lernt erst durch Lehren und oft genug zum schweren Schaden
der Kinder. Solche Lehrerinnen, die schließlich alles In-
teresse an ihrer eigenen weiteren Ausbildung und jede
höhere Auffassung ihres Berufs verlieren, dienen den Her-
ren Dirigenten und Lehrern dann wieder als Beweis-
material gegen die Befähigung der Lehrerinnen. Die
Herren würden so etwas bei anderen ja wohl einen
circulus vitiosus nennen. —
Zugegeben übrigens, es giebt tausende von unfähigen
Lehrerinnen, zugegeben, die meisten haben noch keinen
richtigen Begriff von dem hohen Ernst und den bedeuten-
den Anforderungen ihres Berufs, so wenig wie von seiner
Schönheit und der tiefen Befriedigung, die er gewährt
(haben es denn übrigens alle Lehrer?), so bleibt doch der
Fundamentalsatz stehen: Nicht Männer, sondern
Frauen sind in erster Stelle zur Bildung und
Erziehung von Mädchen berufen; taugen die
Frauen dazu noch nicht, so mache man sie taug-
lich; das muß unser ceterum censeo sein, so lange bis
man uns endlich hört!
Aber wir wissen wohl, man behauptet, diesem Taug-
lichmachen stehe ein Naturhindernis im Wege; die ganze
geistige Organisation der Frau sei derart, daß ein enger
geistiger Horizont, eine kleinliche Art der Lebensanschauung,
Mangel an Logik ꝛc., wodurch eben ein unabhängiges,
selbständiges Studium unmöglich gemacht werde, als ihr
angeboren gelten müssen. Da verwechselt man einfach die
Ursache mit der Folge. Nicht weil Kleinlichkeit und Eng-
herzigkeit der Frau angeboren ist, beschäftigt sie sich nur
mit kleinen Dingen, sondern weil seit unzähligen Gene-
rationen der Mann mit dem Recht des physisch Stärkeren
die großen Interessen und die Geistesarbeit an sich genom-
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