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Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887.

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hat ohne Zweifel ihren Grund in den Bedenken, die
man allgemein -- d. h. in Deutschland -- gegen eine
vertiefte Bildung der Frauen geltend macht. Wir
wollen die wichtigsten dieser Bedenken auf ihren Gehalt
prüfen.

Gründe, die gegen eine
gründlichere Ausbildung
der Frauen geltend ge-
macht werden.
Man sagt 1) die Frau sei überhaupt zu eingehenden
Studien und infolge dessen auch zu wirklich wissenschaft-
lichem Unterricht unfähig; 2) sie sei jedenfalls nicht im-
stande, solche Studien ohne Schaden für ihre Gesund-
heit zu betreiben; 3) zugegeben selbst, daß sie fähig
sei, sie zu bewältigen, so verliere sie dadurch ihre Weib-
lichkeit, also eben das, was ihren Einfluß schätzenswert
mache.

1) ihre Befähigung be-
treffend.
Den ersten Einwurf begründet man lächerlicher Weise
häufig durch einen Hinweis auf die jetzigen Leistungen der
Lehrerinnen. Liegt nicht ein erbitternder Hohn darin, daß
man diese schlechten Leistungen den Lehrerinnen zum Vor-
wurf macht und Beweismaterial daraus zieht, während
man ihnen die Vorbedingungen zu bessern hartnäckig ver-
weigert? Ist solch ein Verfahren gerecht? Wie würde
man es finden, wenn wir die Leistungsfähigkeit des
Mannes an seminaristisch gebildeten Durchschnittslehrern
messen wollten? Eben weil der Seminarist nur semina-
ristisch gebildet ist, hat er einen anderen Gesichtskreis als
der höher Gebildete; einen Schluß auf die Fähigkeiten
seines Geschlechts kann man aus seinem geistigen Stand-
punkt nicht ziehen, nicht einmal auf seine eigenen; er wäre
vielleicht bei geeignetem Bildungsgang auch ein tüchtiger
Philologe geworden. Den geistigen Horizont geben dem
Durchschnittsmenschen seine Studien. Das Seminar giebt
nun ein eng begrenztes, abgeschlossenes Wissen und zwar
zum größten Teil in fertigen Resultaten, dazu eine schätzens-
werte Routine in der Handhabung und Weiterlieferung des-
selben und eine tüchtige methodische Schulung, die den
seminaristisch gebildeten Lehrer auf manchem Gebiet dem
akademisch gebildeten überlegen macht; es setzt seine Schüler

hat ohne Zweifel ihren Grund in den Bedenken, die
man allgemein — d. h. in Deutschland — gegen eine
vertiefte Bildung der Frauen geltend macht. Wir
wollen die wichtigsten dieser Bedenken auf ihren Gehalt
prüfen.

Gründe, die gegen eine
gründlichere Ausbildung
der Frauen geltend ge-
macht werden.
Man sagt 1) die Frau sei überhaupt zu eingehenden
Studien und infolge dessen auch zu wirklich wissenschaft-
lichem Unterricht unfähig; 2) sie sei jedenfalls nicht im-
stande, solche Studien ohne Schaden für ihre Gesund-
heit zu betreiben; 3) zugegeben selbst, daß sie fähig
sei, sie zu bewältigen, so verliere sie dadurch ihre Weib-
lichkeit, also eben das, was ihren Einfluß schätzenswert
mache.

1) ihre Befähigung be-
treffend.
Den ersten Einwurf begründet man lächerlicher Weise
häufig durch einen Hinweis auf die jetzigen Leistungen der
Lehrerinnen. Liegt nicht ein erbitternder Hohn darin, daß
man diese schlechten Leistungen den Lehrerinnen zum Vor-
wurf macht und Beweismaterial daraus zieht, während
man ihnen die Vorbedingungen zu bessern hartnäckig ver-
weigert? Ist solch ein Verfahren gerecht? Wie würde
man es finden, wenn wir die Leistungsfähigkeit des
Mannes an seminaristisch gebildeten Durchschnittslehrern
messen wollten? Eben weil der Seminarist nur semina-
ristisch gebildet ist, hat er einen anderen Gesichtskreis als
der höher Gebildete; einen Schluß auf die Fähigkeiten
seines Geschlechts kann man aus seinem geistigen Stand-
punkt nicht ziehen, nicht einmal auf seine eigenen; er wäre
vielleicht bei geeignetem Bildungsgang auch ein tüchtiger
Philologe geworden. Den geistigen Horizont geben dem
Durchschnittsmenschen seine Studien. Das Seminar giebt
nun ein eng begrenztes, abgeschlossenes Wissen und zwar
zum größten Teil in fertigen Resultaten, dazu eine schätzens-
werte Routine in der Handhabung und Weiterlieferung des-
selben und eine tüchtige methodische Schulung, die den
seminaristisch gebildeten Lehrer auf manchem Gebiet dem
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[46/0047] hat ohne Zweifel ihren Grund in den Bedenken, die man allgemein — d. h. in Deutschland — gegen eine vertiefte Bildung der Frauen geltend macht. Wir wollen die wichtigsten dieser Bedenken auf ihren Gehalt prüfen. Man sagt 1) die Frau sei überhaupt zu eingehenden Studien und infolge dessen auch zu wirklich wissenschaft- lichem Unterricht unfähig; 2) sie sei jedenfalls nicht im- stande, solche Studien ohne Schaden für ihre Gesund- heit zu betreiben; 3) zugegeben selbst, daß sie fähig sei, sie zu bewältigen, so verliere sie dadurch ihre Weib- lichkeit, also eben das, was ihren Einfluß schätzenswert mache. Gründe, die gegen eine gründlichere Ausbildung der Frauen geltend ge- macht werden. Den ersten Einwurf begründet man lächerlicher Weise häufig durch einen Hinweis auf die jetzigen Leistungen der Lehrerinnen. Liegt nicht ein erbitternder Hohn darin, daß man diese schlechten Leistungen den Lehrerinnen zum Vor- wurf macht und Beweismaterial daraus zieht, während man ihnen die Vorbedingungen zu bessern hartnäckig ver- weigert? Ist solch ein Verfahren gerecht? Wie würde man es finden, wenn wir die Leistungsfähigkeit des Mannes an seminaristisch gebildeten Durchschnittslehrern messen wollten? Eben weil der Seminarist nur semina- ristisch gebildet ist, hat er einen anderen Gesichtskreis als der höher Gebildete; einen Schluß auf die Fähigkeiten seines Geschlechts kann man aus seinem geistigen Stand- punkt nicht ziehen, nicht einmal auf seine eigenen; er wäre vielleicht bei geeignetem Bildungsgang auch ein tüchtiger Philologe geworden. Den geistigen Horizont geben dem Durchschnittsmenschen seine Studien. Das Seminar giebt nun ein eng begrenztes, abgeschlossenes Wissen und zwar zum größten Teil in fertigen Resultaten, dazu eine schätzens- werte Routine in der Handhabung und Weiterlieferung des- selben und eine tüchtige methodische Schulung, die den seminaristisch gebildeten Lehrer auf manchem Gebiet dem akademisch gebildeten überlegen macht; es setzt seine Schüler 1) ihre Befähigung be- treffend.

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Zitationshilfe: Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_maedchenschule_1887/47>, abgerufen am 21.11.2024.