Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

V. 7. 8. 9. des andern Briefes Johannis.
[Spaltenumbruch] Seelen im Gehorsam der Wahrheit, durch
den Geist zu ungefärbter Bruder-Liebe, und
habt euch unter einander brünstig lieb, aus
reinem Hertzen, als die da wiederum gebo-
ren sind.
u. s. w.

6. Das Gesetz ist mit seinen Geboten eine
vollkommene schöne Vorschrift. Soll aber
unsere Liebe die Hand seyn, welche ihr nach-
schreibet, so muß sie, da sie von Natur geläh-
met, ja verdorret ist, zuvorderst zu ihrem Le-
ben, und zu ihrem rechten Stande gebracht
werden. Auf welche Art denn das Gesetz durch
den Glauben aufgerichtet wird. Röm. 3, 31.

V. 8.

Denn viel Verführer sind in die Welt
(darinnen die Christliche Kirche ist, und also in
die Kirche selbst) kommen (die aber von GOtt
nicht gesandt sind, sondern sich selbst hie und da
für Apostel und Lehrer aufgeworfen haben) die
nicht bekennen JEsum Christum, daß er ist
ins Fleisch kommen: dieser ist der Verfüh-
rer und der Widerchrist.

Anmerckungen.

1. Das Wörtlein oti denn, oder dieweil
zeiget die Ursache an, warum man unverrückt
bey der Wahrheit bleiben und in der Wahrheit
wandeln solle, weil nemlich viele falsche Pro-
pheten ausgegangen wären, welche die recht-
schaffnen Seelen in der Lehre zu gefährlichen
Jrrthümern, und in dem Leben zur fleischlichen
Sicherheit zu verführen suchten. Und solcher-
gestalt ist eine genaue Verbindung der bisheri-
gen Materie mit der in diesem Verse angefan-
genen von der Warnung vor Verführung. Es
läßt sich aber der 7 Vers gar füglich als ein an-
tecedens,
oder, als eine Ursache, und der fol-
gende als ein consequens, oder ein daher ge-
leiteter Schluß ansehen, also, daß der Verstand
dieser sey: weil viel Verführer in die Welt kom-
men sind - - so sehet euch vor u. f. Da denn
die Worte: Dieser ist der Verführer und
der Widerchrist,
als in parenthesi gesetzet
angesehen werden müssen. Doch die erste Con-
struction
ist wol die natürlichste.

2. Man hat sich billig darüber zu verwun-
dern, daß schon zur Apostel Zeiten die kaum ge-
pflantzte Kirche von so vielen Verführern in Leh-
re und Leben ist verunruhiget und hie und da
sehr zerrüttet worden. Doch es ging im Rei-
che der Gnaden, wie im Reiche der Natur.
Denn gleichwie im Frühlinge mit dem guten
Samen auch das Unkraut häufig mit aufgehet;
also that sich auch bey der reinen Lehre und dem
heiligen Leben ein vielfaches Aergerniß an Jrr-
thümern und Unordnungen, auch Lastern, her-
vor. Daher man sich es nicht darf befremden
lassen, wenn man dergleichen noch heute zu Ta-
ge findet; wie es denn auch unser Heyland in
den von seinem Gnaden-Reiche gebrauchten
Gleichnissen Math. 13. vorher gesaget hat.

3. Die Haupt-Jrrungen kamen vor in der
Lehre von der Person und von dem Mittler-Am-
te Christi. Denn da waren einige, die nicht be-
[Spaltenumbruch] kenneten JEsum Christum, daß er wäre ins
Fleisch gekommen, das ist, welche zwar seine
wahre Gottheit zugaben; aber dagegen seine
wahre Menschwerdung und menschliche Natur
verleugneten, und dafür hielten, daß er nur ei-
nen Leib zum Schein auf einige Zeit angenom-
men habe, wie man von den Engeln, auch von
dem Sohne GOttes selbst, im alten Testamente
lefe. Denn daß es solche Jrrgeister gegeben ha-
be, das bezeuget auch die Kirchen-Historie, und
siehet Johannes darauf, wenn er saget, es sey
die Zukunft Christi ins Fleisch geleugnet wor-
den: sintemal wo sie Christum gantz verleugnet
hätten, sie nicht sowol Verführer und Wider-
Christen, als Juden, oder Heyden gewesen wä-
ren, von welchen man sich so vielweniger eini-
ger Verführung hätte zu befahren gehabt, so
viel weniger sie mit den Christen zu schaffen hat-
ten und sich zu ihnen hielten, wie gleichwol die
verführischen Geister gethan haben. Andere
aber fielen auf das andere extremum, daß sie
zwar die menschliche Natur Christi zugaben und
bekenneten: allein ihn nur für einen blossen
Menschen hielten, und wie die göttliche Natur,
also auch diese Kraft seines Mittler-Amts, daß
man seine Gerechtigkeit und Seligkeit dar-
innen zu suchen habe, verleugneten: gleichwie
hingegen die erstern bey zugegebner göttlicher
Natur und der wahren Erlösung diese auf
Muthwillen gezogen, und auch damit Christum
verleugnet haben: wie man aus 2 Petr. 2, 1. 19.
20. Judä v. 4. und aus unterschiedlichen Orten
des ersten Briefes Johannis siehet, z. E. 1, 6. So
wir sagen, wir haben Gemeinschaft mit
ihm, und wandeln in Finsterniß, so lügen
wir und thun nicht die Wahrheit.
Und
sonderlich c. 3, 7. Kindlein lasset euch nie-
mand verführen. Wer recht thut, der
ist gerecht, gleichwie er gerecht ist
u. f.
Was die Worte planos und antikhrisos, Ver-
führer
und Widerchrist betrift, so sind da-
von die Anmerckungen über c. 2, 18. 19. 22. 23.
26. auch c. 4, 1. u. f. nachzulesen.

V. 9.

Sehet euch vor, daß wir nicht ver-
lieren, was wir erarbeitet haben, son-
dern vollen Lohn empfahen.

Anmerckungen.

1. Es kommen alhier vier Stücke zu betrach-
ten vor: erstlich was es sey, das man erarbeitet
habe: zum andern wie man solches verlieren
könne: drittens wie man sich vor solchem Ver-
luste zu hüten, und das erarbeitete zu bewahren
habe: und denn viertens, was einem daher für
ein voller Lohn entstehe. Bey der Constru-
ction
der Worte ist zu mercken, daß der Apo-
stel nach der Anrede in der andern Person: se-
het euch vor
in der ersten Person redet, und
sich selbst nebst andern bey ihnen mit einschlies-
set: daher denn auch das Wort sehet euch
vor,
so viel ist, als wir müssen und wollen uns
vorsehen. Auf solche Art heißt es auch Ep. 1.
c. 2, 27. Nun Kindlein, bleibet bey ihm, auf

daß,
B b b b b 2

V. 7. 8. 9. des andern Briefes Johannis.
[Spaltenumbruch] Seelen im Gehorſam der Wahrheit, durch
den Geiſt zu ungefaͤrbter Bruder-Liebe, und
habt euch unter einander bruͤnſtig lieb, aus
reinem Hertzen, als die da wiederum gebo-
ren ſind.
u. ſ. w.

6. Das Geſetz iſt mit ſeinen Geboten eine
vollkommene ſchoͤne Vorſchrift. Soll aber
unſere Liebe die Hand ſeyn, welche ihr nach-
ſchreibet, ſo muß ſie, da ſie von Natur gelaͤh-
met, ja verdorret iſt, zuvorderſt zu ihrem Le-
ben, und zu ihrem rechten Stande gebracht
werden. Auf welche Art denn das Geſetz durch
den Glauben aufgerichtet wird. Roͤm. 3, 31.

V. 8.

Denn viel Verfuͤhrer ſind in die Welt
(darinnen die Chriſtliche Kirche iſt, und alſo in
die Kirche ſelbſt) kommen (die aber von GOtt
nicht geſandt ſind, ſondern ſich ſelbſt hie und da
fuͤr Apoſtel und Lehrer aufgeworfen haben) die
nicht bekennen JEſum Chriſtum, daß er iſt
ins Fleiſch kommen: dieſer iſt der Verfuͤh-
rer und der Widerchriſt.

Anmerckungen.

1. Das Woͤrtlein ὅτι denn, oder dieweil
zeiget die Urſache an, warum man unverruͤckt
bey der Wahrheit bleiben und in der Wahrheit
wandeln ſolle, weil nemlich viele falſche Pro-
pheten ausgegangen waͤren, welche die recht-
ſchaffnen Seelen in der Lehre zu gefaͤhrlichen
Jrrthuͤmern, und in dem Leben zur fleiſchlichen
Sicherheit zu verfuͤhren ſuchten. Und ſolcher-
geſtalt iſt eine genaue Verbindung der bisheri-
gen Materie mit der in dieſem Verſe angefan-
genen von der Warnung vor Verfuͤhrung. Es
laͤßt ſich aber der 7 Vers gar fuͤglich als ein an-
tecedens,
oder, als eine Urſache, und der fol-
gende als ein conſequens, oder ein daher ge-
leiteter Schluß anſehen, alſo, daß der Verſtand
dieſer ſey: weil viel Verfuͤhrer in die Welt kom-
men ſind ‒ ‒ ſo ſehet euch vor u. f. Da denn
die Worte: Dieſer iſt der Verfuͤhrer und
der Widerchriſt,
als in parentheſi geſetzet
angeſehen werden muͤſſen. Doch die erſte Con-
ſtruction
iſt wol die natuͤrlichſte.

2. Man hat ſich billig daruͤber zu verwun-
dern, daß ſchon zur Apoſtel Zeiten die kaum ge-
pflantzte Kirche von ſo vielen Verfuͤhrern in Leh-
re und Leben iſt verunruhiget und hie und da
ſehr zerruͤttet worden. Doch es ging im Rei-
che der Gnaden, wie im Reiche der Natur.
Denn gleichwie im Fruͤhlinge mit dem guten
Samen auch das Unkraut haͤufig mit aufgehet;
alſo that ſich auch bey der reinen Lehre und dem
heiligen Leben ein vielfaches Aergerniß an Jrr-
thuͤmern und Unordnungen, auch Laſtern, her-
vor. Daher man ſich es nicht darf befremden
laſſen, wenn man dergleichen noch heute zu Ta-
ge findet; wie es denn auch unſer Heyland in
den von ſeinem Gnaden-Reiche gebrauchten
Gleichniſſen Math. 13. vorher geſaget hat.

3. Die Haupt-Jrrungen kamen vor in der
Lehre von der Perſon und von dem Mittler-Am-
te Chriſti. Denn da waren einige, die nicht be-
[Spaltenumbruch] kenneten JEſum Chriſtum, daß er waͤre ins
Fleiſch gekommen, das iſt, welche zwar ſeine
wahre Gottheit zugaben; aber dagegen ſeine
wahre Menſchwerdung und menſchliche Natur
verleugneten, und dafuͤr hielten, daß er nur ei-
nen Leib zum Schein auf einige Zeit angenom-
men habe, wie man von den Engeln, auch von
dem Sohne GOttes ſelbſt, im alten Teſtamente
lefe. Denn daß es ſolche Jrrgeiſter gegeben ha-
be, das bezeuget auch die Kirchen-Hiſtorie, und
ſiehet Johannes darauf, wenn er ſaget, es ſey
die Zukunft Chriſti ins Fleiſch geleugnet wor-
den: ſintemal wo ſie Chriſtum gantz verleugnet
haͤtten, ſie nicht ſowol Verfuͤhrer und Wider-
Chriſten, als Juden, oder Heyden geweſen waͤ-
ren, von welchen man ſich ſo vielweniger eini-
ger Verfuͤhrung haͤtte zu befahren gehabt, ſo
viel weniger ſie mit den Chriſten zu ſchaffen hat-
ten und ſich zu ihnen hielten, wie gleichwol die
verfuͤhriſchen Geiſter gethan haben. Andere
aber fielen auf das andere extremum, daß ſie
zwar die menſchliche Natur Chriſti zugaben und
bekenneten: allein ihn nur fuͤr einen bloſſen
Menſchen hielten, und wie die goͤttliche Natur,
alſo auch dieſe Kraft ſeines Mittler-Amts, daß
man ſeine Gerechtigkeit und Seligkeit dar-
innen zu ſuchen habe, verleugneten: gleichwie
hingegen die erſtern bey zugegebner goͤttlicher
Natur und der wahren Erloͤſung dieſe auf
Muthwillen gezogen, und auch damit Chriſtum
verleugnet haben: wie man aus 2 Petr. 2, 1. 19.
20. Judaͤ v. 4. und aus unterſchiedlichen Orten
des erſten Briefes Johannis ſiehet, z. E. 1, 6. So
wir ſagen, wir haben Gemeinſchaft mit
ihm, und wandeln in Finſterniß, ſo luͤgen
wir und thun nicht die Wahrheit.
Und
ſonderlich c. 3, 7. Kindlein laſſet euch nie-
mand verfuͤhren. Wer recht thut, der
iſt gerecht, gleichwie er gerecht iſt
u. f.
Was die Worte πλάνος und ἀντίχριςος, Ver-
fuͤhrer
und Widerchriſt betrift, ſo ſind da-
von die Anmerckungen uͤber c. 2, 18. 19. 22. 23.
26. auch c. 4, 1. u. f. nachzuleſen.

V. 9.

Sehet euch vor, daß wir nicht ver-
lieren, was wir erarbeitet haben, ſon-
dern vollen Lohn empfahen.

Anmerckungen.

1. Es kommen alhier vier Stuͤcke zu betrach-
ten vor: erſtlich was es ſey, das man erarbeitet
habe: zum andern wie man ſolches verlieren
koͤnne: drittens wie man ſich vor ſolchem Ver-
luſte zu huͤten, und das erarbeitete zu bewahren
habe: und denn viertens, was einem daher fuͤr
ein voller Lohn entſtehe. Bey der Conſtru-
ction
der Worte iſt zu mercken, daß der Apo-
ſtel nach der Anrede in der andern Perſon: ſe-
het euch vor
in der erſten Perſon redet, und
ſich ſelbſt nebſt andern bey ihnen mit einſchlieſ-
ſet: daher denn auch das Wort ſehet euch
vor,
ſo viel iſt, als wir muͤſſen und wollen uns
vorſehen. Auf ſolche Art heißt es auch Ep. 1.
c. 2, 27. Nun Kindlein, bleibet bey ihm, auf

daß,
B b b b b 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0749" n="749"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">V. 7. 8. 9. des andern Briefes Johannis.</hi></fw><lb/><cb/><hi rendition="#fr">Seelen im Gehor&#x017F;am der Wahrheit, durch<lb/>
den Gei&#x017F;t zu ungefa&#x0364;rbter Bruder-Liebe, und<lb/>
habt euch unter einander bru&#x0364;n&#x017F;tig lieb, aus<lb/>
reinem Hertzen, als die da wiederum gebo-<lb/>
ren &#x017F;ind.</hi> u. &#x017F;. w.</p><lb/>
              <p>6. Das Ge&#x017F;etz i&#x017F;t mit &#x017F;einen Geboten eine<lb/>
vollkommene &#x017F;cho&#x0364;ne Vor&#x017F;chrift. Soll aber<lb/>
un&#x017F;ere Liebe die Hand &#x017F;eyn, welche ihr nach-<lb/>
&#x017F;chreibet, &#x017F;o muß &#x017F;ie, da &#x017F;ie von Natur gela&#x0364;h-<lb/>
met, ja verdorret i&#x017F;t, zuvorder&#x017F;t zu ihrem Le-<lb/>
ben, und zu ihrem rechten Stande gebracht<lb/>
werden. Auf welche Art denn das Ge&#x017F;etz durch<lb/>
den Glauben aufgerichtet wird. Ro&#x0364;m. 3, 31.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">V. 8.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Denn viel Verfu&#x0364;hrer &#x017F;ind in die Welt</hi><lb/>
(darinnen die Chri&#x017F;tliche Kirche i&#x017F;t, und al&#x017F;o in<lb/>
die Kirche &#x017F;elb&#x017F;t) <hi rendition="#fr">kommen</hi> (die aber von GOtt<lb/>
nicht ge&#x017F;andt &#x017F;ind, &#x017F;ondern &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t hie und da<lb/>
fu&#x0364;r Apo&#x017F;tel und Lehrer aufgeworfen haben) <hi rendition="#fr">die<lb/>
nicht bekennen JE&#x017F;um Chri&#x017F;tum, daß er i&#x017F;t<lb/>
ins Flei&#x017F;ch kommen: die&#x017F;er i&#x017F;t der Verfu&#x0364;h-<lb/>
rer und der Widerchri&#x017F;t.</hi></p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/>
              <p>1. Das Wo&#x0364;rtlein &#x1F45;&#x03C4;&#x03B9; <hi rendition="#fr">denn,</hi> oder <hi rendition="#fr">dieweil</hi><lb/>
zeiget die Ur&#x017F;ache an, warum man unverru&#x0364;ckt<lb/>
bey der Wahrheit bleiben und in der Wahrheit<lb/>
wandeln &#x017F;olle, weil nemlich viele fal&#x017F;che Pro-<lb/>
pheten ausgegangen wa&#x0364;ren, welche die recht-<lb/>
&#x017F;chaffnen Seelen in der Lehre zu gefa&#x0364;hrlichen<lb/>
Jrrthu&#x0364;mern, und in dem Leben zur flei&#x017F;chlichen<lb/>
Sicherheit zu verfu&#x0364;hren &#x017F;uchten. Und &#x017F;olcher-<lb/>
ge&#x017F;talt i&#x017F;t eine genaue Verbindung der bisheri-<lb/>
gen Materie mit der in die&#x017F;em Ver&#x017F;e angefan-<lb/>
genen von der Warnung vor Verfu&#x0364;hrung. Es<lb/>
la&#x0364;ßt &#x017F;ich aber der 7 Vers gar fu&#x0364;glich als ein <hi rendition="#aq">an-<lb/>
tecedens,</hi> oder, als eine Ur&#x017F;ache, und der fol-<lb/>
gende als ein <hi rendition="#aq">con&#x017F;equens,</hi> oder ein daher ge-<lb/>
leiteter Schluß an&#x017F;ehen, al&#x017F;o, daß der Ver&#x017F;tand<lb/>
die&#x017F;er &#x017F;ey: weil viel Verfu&#x0364;hrer in die Welt kom-<lb/>
men &#x017F;ind &#x2012; &#x2012; &#x017F;o &#x017F;ehet euch vor u. f. Da denn<lb/>
die Worte: <hi rendition="#fr">Die&#x017F;er i&#x017F;t der Verfu&#x0364;hrer und<lb/>
der Widerchri&#x017F;t,</hi> als in <hi rendition="#aq">parenthe&#x017F;i</hi> ge&#x017F;etzet<lb/>
ange&#x017F;ehen werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Doch die er&#x017F;te <hi rendition="#aq">Con-<lb/>
&#x017F;truction</hi> i&#x017F;t wol die natu&#x0364;rlich&#x017F;te.</p><lb/>
              <p>2. Man hat &#x017F;ich billig daru&#x0364;ber zu verwun-<lb/>
dern, daß &#x017F;chon zur Apo&#x017F;tel Zeiten die kaum ge-<lb/>
pflantzte Kirche von &#x017F;o vielen Verfu&#x0364;hrern in Leh-<lb/>
re und Leben i&#x017F;t verunruhiget und hie und da<lb/>
&#x017F;ehr zerru&#x0364;ttet worden. Doch es ging im Rei-<lb/>
che der Gnaden, wie im Reiche der Natur.<lb/>
Denn gleichwie im Fru&#x0364;hlinge mit dem guten<lb/>
Samen auch das Unkraut ha&#x0364;ufig mit aufgehet;<lb/>
al&#x017F;o that &#x017F;ich auch bey der reinen Lehre und dem<lb/>
heiligen Leben ein vielfaches Aergerniß an Jrr-<lb/>
thu&#x0364;mern und Unordnungen, auch La&#x017F;tern, her-<lb/>
vor. Daher man &#x017F;ich es nicht darf befremden<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, wenn man dergleichen noch heute zu Ta-<lb/>
ge findet; wie es denn auch un&#x017F;er Heyland in<lb/>
den von &#x017F;einem Gnaden-Reiche gebrauchten<lb/>
Gleichni&#x017F;&#x017F;en Math. 13. vorher ge&#x017F;aget hat.</p><lb/>
              <p>3. Die Haupt-Jrrungen kamen vor in der<lb/>
Lehre von der Per&#x017F;on und von dem Mittler-Am-<lb/>
te Chri&#x017F;ti. Denn da waren einige, die nicht be-<lb/><cb/>
kenneten JE&#x017F;um Chri&#x017F;tum, daß er wa&#x0364;re ins<lb/>
Flei&#x017F;ch gekommen, das i&#x017F;t, welche zwar &#x017F;eine<lb/>
wahre Gottheit zugaben; aber dagegen &#x017F;eine<lb/>
wahre Men&#x017F;chwerdung und men&#x017F;chliche Natur<lb/>
verleugneten, und dafu&#x0364;r hielten, daß er nur ei-<lb/>
nen Leib zum Schein auf einige Zeit angenom-<lb/>
men habe, wie man von den Engeln, auch von<lb/>
dem Sohne GOttes &#x017F;elb&#x017F;t, im alten Te&#x017F;tamente<lb/>
lefe. Denn daß es &#x017F;olche Jrrgei&#x017F;ter gegeben ha-<lb/>
be, das bezeuget auch die Kirchen-Hi&#x017F;torie, und<lb/>
&#x017F;iehet Johannes darauf, wenn er &#x017F;aget, es &#x017F;ey<lb/>
die Zukunft Chri&#x017F;ti ins Flei&#x017F;ch geleugnet wor-<lb/>
den: &#x017F;intemal wo &#x017F;ie Chri&#x017F;tum gantz verleugnet<lb/>
ha&#x0364;tten, &#x017F;ie nicht &#x017F;owol Verfu&#x0364;hrer und Wider-<lb/>
Chri&#x017F;ten, als Juden, oder Heyden gewe&#x017F;en wa&#x0364;-<lb/>
ren, von welchen man &#x017F;ich &#x017F;o vielweniger eini-<lb/>
ger Verfu&#x0364;hrung ha&#x0364;tte zu befahren gehabt, &#x017F;o<lb/>
viel weniger &#x017F;ie mit den Chri&#x017F;ten zu &#x017F;chaffen hat-<lb/>
ten und &#x017F;ich zu ihnen hielten, wie gleichwol die<lb/>
verfu&#x0364;hri&#x017F;chen Gei&#x017F;ter gethan haben. Andere<lb/>
aber fielen auf das andere <hi rendition="#aq">extremum,</hi> daß &#x017F;ie<lb/>
zwar die men&#x017F;chliche Natur Chri&#x017F;ti zugaben und<lb/>
bekenneten: allein ihn nur fu&#x0364;r einen blo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Men&#x017F;chen hielten, und wie die go&#x0364;ttliche Natur,<lb/>
al&#x017F;o auch die&#x017F;e Kraft &#x017F;eines Mittler-Amts, daß<lb/>
man &#x017F;eine Gerechtigkeit und Seligkeit dar-<lb/>
innen zu &#x017F;uchen habe, verleugneten: gleichwie<lb/>
hingegen die er&#x017F;tern bey zugegebner go&#x0364;ttlicher<lb/>
Natur und der wahren Erlo&#x0364;&#x017F;ung die&#x017F;e auf<lb/>
Muthwillen gezogen, und auch damit Chri&#x017F;tum<lb/>
verleugnet haben: wie man aus 2 Petr. 2, 1. 19.<lb/>
20. Juda&#x0364; v. 4. und aus unter&#x017F;chiedlichen Orten<lb/>
des er&#x017F;ten Briefes Johannis &#x017F;iehet, z. E. 1, 6. <hi rendition="#fr">So<lb/>
wir &#x017F;agen, wir haben Gemein&#x017F;chaft mit<lb/>
ihm, und wandeln in Fin&#x017F;terniß, &#x017F;o lu&#x0364;gen<lb/>
wir und thun nicht die Wahrheit.</hi> Und<lb/>
&#x017F;onderlich c. 3, 7. <hi rendition="#fr">Kindlein la&#x017F;&#x017F;et euch nie-<lb/>
mand verfu&#x0364;hren. Wer recht thut, der<lb/>
i&#x017F;t gerecht, gleichwie er gerecht i&#x017F;t</hi> u. f.<lb/>
Was die Worte &#x03C0;&#x03BB;&#x03AC;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C2; und &#x1F00;&#x03BD;&#x03C4;&#x03AF;&#x03C7;&#x03C1;&#x03B9;&#x03C2;&#x03BF;&#x03C2;, <hi rendition="#fr">Ver-<lb/>
fu&#x0364;hrer</hi> und <hi rendition="#fr">Widerchri&#x017F;t</hi> betrift, &#x017F;o &#x017F;ind da-<lb/>
von die Anmerckungen u&#x0364;ber c. 2, 18. 19. 22. 23.<lb/>
26. auch c. 4, 1. u. f. nachzule&#x017F;en.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">V. 9.</hi> </head><lb/>
            <p> <hi rendition="#fr">Sehet euch vor, daß wir nicht ver-<lb/>
lieren, was wir erarbeitet haben, &#x017F;on-<lb/>
dern vollen Lohn empfahen.</hi> </p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/>
              <p>1. Es kommen alhier vier Stu&#x0364;cke zu betrach-<lb/>
ten vor: er&#x017F;tlich was es &#x017F;ey, das man erarbeitet<lb/>
habe: zum andern wie man &#x017F;olches verlieren<lb/>
ko&#x0364;nne: drittens wie man &#x017F;ich vor &#x017F;olchem Ver-<lb/>
lu&#x017F;te zu hu&#x0364;ten, und das erarbeitete zu bewahren<lb/>
habe: und denn viertens, was einem daher fu&#x0364;r<lb/>
ein voller Lohn ent&#x017F;tehe. Bey der <hi rendition="#aq">Con&#x017F;tru-<lb/>
ction</hi> der Worte i&#x017F;t zu mercken, daß der Apo-<lb/>
&#x017F;tel nach der Anrede in der andern Per&#x017F;on: <hi rendition="#fr">&#x017F;e-<lb/>
het euch vor</hi> in der er&#x017F;ten Per&#x017F;on redet, und<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t neb&#x017F;t andern bey ihnen mit ein&#x017F;chlie&#x017F;-<lb/>
&#x017F;et: daher denn auch das Wort <hi rendition="#fr">&#x017F;ehet euch<lb/>
vor,</hi> &#x017F;o viel i&#x017F;t, als wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en und wollen uns<lb/>
vor&#x017F;ehen. Auf &#x017F;olche Art heißt es auch Ep. 1.<lb/>
c. 2, 27. <hi rendition="#fr">Nun Kindlein, bleibet bey ihm, auf</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B b b b b 2</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">daß,</hi></fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[749/0749] V. 7. 8. 9. des andern Briefes Johannis. Seelen im Gehorſam der Wahrheit, durch den Geiſt zu ungefaͤrbter Bruder-Liebe, und habt euch unter einander bruͤnſtig lieb, aus reinem Hertzen, als die da wiederum gebo- ren ſind. u. ſ. w. 6. Das Geſetz iſt mit ſeinen Geboten eine vollkommene ſchoͤne Vorſchrift. Soll aber unſere Liebe die Hand ſeyn, welche ihr nach- ſchreibet, ſo muß ſie, da ſie von Natur gelaͤh- met, ja verdorret iſt, zuvorderſt zu ihrem Le- ben, und zu ihrem rechten Stande gebracht werden. Auf welche Art denn das Geſetz durch den Glauben aufgerichtet wird. Roͤm. 3, 31. V. 8. Denn viel Verfuͤhrer ſind in die Welt (darinnen die Chriſtliche Kirche iſt, und alſo in die Kirche ſelbſt) kommen (die aber von GOtt nicht geſandt ſind, ſondern ſich ſelbſt hie und da fuͤr Apoſtel und Lehrer aufgeworfen haben) die nicht bekennen JEſum Chriſtum, daß er iſt ins Fleiſch kommen: dieſer iſt der Verfuͤh- rer und der Widerchriſt. Anmerckungen. 1. Das Woͤrtlein ὅτι denn, oder dieweil zeiget die Urſache an, warum man unverruͤckt bey der Wahrheit bleiben und in der Wahrheit wandeln ſolle, weil nemlich viele falſche Pro- pheten ausgegangen waͤren, welche die recht- ſchaffnen Seelen in der Lehre zu gefaͤhrlichen Jrrthuͤmern, und in dem Leben zur fleiſchlichen Sicherheit zu verfuͤhren ſuchten. Und ſolcher- geſtalt iſt eine genaue Verbindung der bisheri- gen Materie mit der in dieſem Verſe angefan- genen von der Warnung vor Verfuͤhrung. Es laͤßt ſich aber der 7 Vers gar fuͤglich als ein an- tecedens, oder, als eine Urſache, und der fol- gende als ein conſequens, oder ein daher ge- leiteter Schluß anſehen, alſo, daß der Verſtand dieſer ſey: weil viel Verfuͤhrer in die Welt kom- men ſind ‒ ‒ ſo ſehet euch vor u. f. Da denn die Worte: Dieſer iſt der Verfuͤhrer und der Widerchriſt, als in parentheſi geſetzet angeſehen werden muͤſſen. Doch die erſte Con- ſtruction iſt wol die natuͤrlichſte. 2. Man hat ſich billig daruͤber zu verwun- dern, daß ſchon zur Apoſtel Zeiten die kaum ge- pflantzte Kirche von ſo vielen Verfuͤhrern in Leh- re und Leben iſt verunruhiget und hie und da ſehr zerruͤttet worden. Doch es ging im Rei- che der Gnaden, wie im Reiche der Natur. Denn gleichwie im Fruͤhlinge mit dem guten Samen auch das Unkraut haͤufig mit aufgehet; alſo that ſich auch bey der reinen Lehre und dem heiligen Leben ein vielfaches Aergerniß an Jrr- thuͤmern und Unordnungen, auch Laſtern, her- vor. Daher man ſich es nicht darf befremden laſſen, wenn man dergleichen noch heute zu Ta- ge findet; wie es denn auch unſer Heyland in den von ſeinem Gnaden-Reiche gebrauchten Gleichniſſen Math. 13. vorher geſaget hat. 3. Die Haupt-Jrrungen kamen vor in der Lehre von der Perſon und von dem Mittler-Am- te Chriſti. Denn da waren einige, die nicht be- kenneten JEſum Chriſtum, daß er waͤre ins Fleiſch gekommen, das iſt, welche zwar ſeine wahre Gottheit zugaben; aber dagegen ſeine wahre Menſchwerdung und menſchliche Natur verleugneten, und dafuͤr hielten, daß er nur ei- nen Leib zum Schein auf einige Zeit angenom- men habe, wie man von den Engeln, auch von dem Sohne GOttes ſelbſt, im alten Teſtamente lefe. Denn daß es ſolche Jrrgeiſter gegeben ha- be, das bezeuget auch die Kirchen-Hiſtorie, und ſiehet Johannes darauf, wenn er ſaget, es ſey die Zukunft Chriſti ins Fleiſch geleugnet wor- den: ſintemal wo ſie Chriſtum gantz verleugnet haͤtten, ſie nicht ſowol Verfuͤhrer und Wider- Chriſten, als Juden, oder Heyden geweſen waͤ- ren, von welchen man ſich ſo vielweniger eini- ger Verfuͤhrung haͤtte zu befahren gehabt, ſo viel weniger ſie mit den Chriſten zu ſchaffen hat- ten und ſich zu ihnen hielten, wie gleichwol die verfuͤhriſchen Geiſter gethan haben. Andere aber fielen auf das andere extremum, daß ſie zwar die menſchliche Natur Chriſti zugaben und bekenneten: allein ihn nur fuͤr einen bloſſen Menſchen hielten, und wie die goͤttliche Natur, alſo auch dieſe Kraft ſeines Mittler-Amts, daß man ſeine Gerechtigkeit und Seligkeit dar- innen zu ſuchen habe, verleugneten: gleichwie hingegen die erſtern bey zugegebner goͤttlicher Natur und der wahren Erloͤſung dieſe auf Muthwillen gezogen, und auch damit Chriſtum verleugnet haben: wie man aus 2 Petr. 2, 1. 19. 20. Judaͤ v. 4. und aus unterſchiedlichen Orten des erſten Briefes Johannis ſiehet, z. E. 1, 6. So wir ſagen, wir haben Gemeinſchaft mit ihm, und wandeln in Finſterniß, ſo luͤgen wir und thun nicht die Wahrheit. Und ſonderlich c. 3, 7. Kindlein laſſet euch nie- mand verfuͤhren. Wer recht thut, der iſt gerecht, gleichwie er gerecht iſt u. f. Was die Worte πλάνος und ἀντίχριςος, Ver- fuͤhrer und Widerchriſt betrift, ſo ſind da- von die Anmerckungen uͤber c. 2, 18. 19. 22. 23. 26. auch c. 4, 1. u. f. nachzuleſen. V. 9. Sehet euch vor, daß wir nicht ver- lieren, was wir erarbeitet haben, ſon- dern vollen Lohn empfahen. Anmerckungen. 1. Es kommen alhier vier Stuͤcke zu betrach- ten vor: erſtlich was es ſey, das man erarbeitet habe: zum andern wie man ſolches verlieren koͤnne: drittens wie man ſich vor ſolchem Ver- luſte zu huͤten, und das erarbeitete zu bewahren habe: und denn viertens, was einem daher fuͤr ein voller Lohn entſtehe. Bey der Conſtru- ction der Worte iſt zu mercken, daß der Apo- ſtel nach der Anrede in der andern Perſon: ſe- het euch vor in der erſten Perſon redet, und ſich ſelbſt nebſt andern bey ihnen mit einſchlieſ- ſet: daher denn auch das Wort ſehet euch vor, ſo viel iſt, als wir muͤſſen und wollen uns vorſehen. Auf ſolche Art heißt es auch Ep. 1. c. 2, 27. Nun Kindlein, bleibet bey ihm, auf daß, B b b b b 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/749
Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 749. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/749>, abgerufen am 23.11.2024.