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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 3. v. 4-5. des ersten Briefes Johannis.
[Spaltenumbruch] Sünde des fleischlichen Sinnes, ist eine Feind-
schaft wider GOtt. Siehe auch c. 7, 23. 1 Pet.
2, 11. Jac. 4, 1. Es lieget demnach in der Sün-
de ein crimen rebellionis und laesae divi-
nae majestatis,
ein Laster der Widersetzlich-
keit wider GOtt und seiner beleidigten Maje-
stät. Welches man gar deutlich erkennen kan,
wenn man bedencket, wie der fleischliche Sinn
sich nicht allein wider GOtt erhebet, und daß
der Mensch nach demselben seinen eignen Wil-
len über den im Gesetze bezeugeten Willen
GOttes hinaus setzet, und also ist anomos, an-
tinomos, autonomos, der ohne Gesetz seyn will, wi-
der das Gesetz handelt, und sich selbst ein Ge-
setz ist.
c. Man muß demnach von der Sünde nicht ur-
theilen aus der menschlichen Gewohnheit, noch
nach menschlichen Aussprüchen; sintemal nach
demselben das allerwenigste für Sünde er-
kannt wird: sondern alles Urtheil ist nach dem
Gesetze anzustellen. Es kan aber nicht ange-
stellet werden, es sey denn, daß man den geistli-
chen Sinn
des Gesetzes GOttes nach seiner
Tiefe, Länge und Breite recht erkenne, wie er
uns in der gantzen heiligen Schrift so gar deut-
lich und ausführlich vor Augen geleget wird.
von seiner Vollkommenheit sehe man 5. B.
Mos. 6, 5. c. 10, 12. c. 30, 6. Matth. 22, 37. u. f.
Röm. 7, 7. u. f. Wie unser Heyland den
geistlichen Verstand des fünften und sechsten
Gebots eingeschärfet habe, das findet man
Matth. 5, 22, u. f.
V. 5.

Und ihr wisset, daß er (ekei~nos, derje-
nige, von dem im gantzen Briefe die meiste Rede
gewesen ist, der Sohn GOttes) ist erschienen
(in angenommener menschlichen Natur,) daß er
unsere Sünde
(zuvorderst der Schuld und
Strafe nach über sich und damit auch) wegneh-
me, und ist keine Sünde in ihm
(daher er
nicht für seine eigene Sünde genug thun dorfte,
sondern im Stande war, die Versöhnung für
unsere und der gantzen Welt Sünde zu werden.)

Anmerckungen.

1. Die Verbindung dieser Worte mit
den vorhergehenden ist diese; Nachdem der Apo-
stel der verkehrten Meynung, als wenn es mit der
Sünde nicht viel zu sagen hätte, die Beschreibung
der Sünden, daß sie eine Mißhandlung wider
GOtt und sein Gebot sey, entgegen gesetzet hatte,
so erweiset er derselben Ungrund und Argheit fer-
ner von dem Zweck der Menschwerdung Christi,
welcher sey, nicht der Sünde aufzuhelfen, sondern
ihr abzuhelfen, wie durch die Erlösung, also auch
durch die Vergebung, aber in der Ordnung der
in uns zu vollbringenden Zerstörung; wie in dem
folgenden Contexte mit mehrern angezeiget wird.

2. Da das ekeinos, er, derjenige derselbe,
der c. 2, 25, 27. 28, mit dem pronomine autos
bezeichnet wird, alhier auf den Sohn GOttes
gehet, wie es die folgenden Worte klärlich anzei-
gen, so haben wir auch eben dieses Wort v. 3.
von ihm zuverstehen, da es heißt: - - der reini-
[Spaltenumbruch] get sich, gleichwie er
ekei~nos, auch rein ist.
Und also gehet auch das autos v. 2. auf ihn da Jo-
hannes saget: Wir wissen, wenn es erschei-
nen wird, daß wir ihm gleich seyn werden:

Denn wir werden ihn sehen wie er ist. Gleicher-
gestalt lautet es c. 2, 5. 6. von CHristo also: da-
ran erkennen wir, daß wir in ihm sind.
Wer da saget, daß er in ihm bleibet, der
soll auch wandelen, gleichwie er gewan-
delt hat.
Siehe auch v. 3. 4.

3. Das Wissen, worauf sich Johannes
beziehet, war eine gläubige Erkenntniß, bey wel-
cher sie, was sie wusten, auch in der That würck-
lich erfahren hatten, und noch immer mehr erfuh-
ren. Denn keine Wissenschaft ist rechter Art,
wo sie nicht also beschaffen ist. Und eben ein sol-
ches Wissen verstehet er c. 2. 29. c. 3, 2.

4. Die alhier bemeldete Erscheinung
Christi hat zwar eigentlich die Menschwerdung
zum Grunde, aber sie gehet doch auf die sämtli-
che Offenbarung, welche darauf durch die sicht-
bare Gegenwart Christi in seinem gantzen Leben,
sonderlich in den Jahren seines öffentlichen Lehr-
Amts geschehen ist, da er sich als das Licht der
Welt dargestellet hat: darauf der Apostel schon
oben c. 1, 1. 2. 3. sich bezogen hat. Siehe auch
davon Joh. 1, 4. 5. 14. 1 Tim. 3, 16.

5. Durch die Sünde verstehet der Apostel
den gantzen Stand der Sünden, dazu gehöret die
Schuld mit der Strafe, und auch die Herr-
schaft.
Welche drey Stücke in der Sünde
aufs genaueste verbunden sind. Der Grund
davon ist die Herrschaft, oder inwohnende und
von Natur herrschende Erb-Sünde. Und da
diese voller Schuld ist, so ziehet sie lauter Strafe
nach sich.

6. Da es nun also um die Sünde stehet, so
ist leichtlich zu erachten, wie das Wegnehmen
zu verstehen sey. Nemlich der Grund davon
ist die Ubernehmung aller Schuld und Strafe,
nicht aber der Herrschaft; sintemal keine ei-
gene Sünde in ihm war, und eine fremde
Sünde zur würcklichen Einwohnung in sei-
ner allerheiligsten Natur keinen Platz finden
konte. Von der Aufladung und Uberneh-
mung unserer Schuld heisset es Jes. 53, 6. Der
HERR warf unser aller Sünde auf ihn.

Das Hinwegnehmen selbst hält in sich die
Ausstehung der würcklichen Strafe v. 4. u. f.
Daher denn die Schuld abgethan ist, nemlich
was die Erwerbung betrift: davon Johannes im
Evangelio saget: Siehe, das ist GOttes-
Lamm, welches der Welt Sünde trägt.

c. 1, 29. und vorher in diesem Briefe: c. 2, 1. Wir
haben einen Fürsprecher bey dem Vater,
JEsum CHrist, der gerecht ist.
Dieweil
aber diese Hinwegnehmung der Sünde nieman-
den zu statten kommen kan, es sey denn, daß man
in sich die Herrschaft der Sünde aufheben, und
sich davon immer mehr reinigen lasse, ja sich aus
empfangener Gnaden-Kraft selbst reinige nach
v. 3. so gehöret auch dieses allerdinge mit zu dem
Zweck der Erscheinung Christi. Von dem, daß
Christus ohne eigene Sünde ist, siehe c. 2, 1. c. 3, 3.
Jes. 53, 9. Heb. 4, 15. c. 7, 26. u. s. w.

V. 6.
R r r r 3
Cap. 3. v. 4-5. des erſten Briefes Johannis.
[Spaltenumbruch] Suͤnde des fleiſchlichen Sinnes, iſt eine Feind-
ſchaft wider GOtt. Siehe auch c. 7, 23. 1 Pet.
2, 11. Jac. 4, 1. Es lieget demnach in der Suͤn-
de ein crimen rebellionis und læſæ divi-
næ majeſtatis,
ein Laſter der Widerſetzlich-
keit wider GOtt und ſeiner beleidigten Maje-
ſtaͤt. Welches man gar deutlich erkennen kan,
wenn man bedencket, wie der fleiſchliche Sinn
ſich nicht allein wider GOtt erhebet, und daß
der Menſch nach demſelben ſeinen eignen Wil-
len uͤber den im Geſetze bezeugeten Willen
GOttes hinaus ſetzet, und alſo iſt ἄνομος, ἀν-
τίνομος, ἀυτόνομος, der ohne Geſetz ſeyn will, wi-
der das Geſetz handelt, und ſich ſelbſt ein Ge-
ſetz iſt.
c. Man muß demnach von der Suͤnde nicht ur-
theilen aus der menſchlichen Gewohnheit, noch
nach menſchlichen Ausſpruͤchen; ſintemal nach
demſelben das allerwenigſte fuͤr Suͤnde er-
kannt wird: ſondern alles Urtheil iſt nach dem
Geſetze anzuſtellen. Es kan aber nicht ange-
ſtellet werden, es ſey denn, daß man den geiſtli-
chen Sinn
des Geſetzes GOttes nach ſeiner
Tiefe, Laͤnge und Breite recht erkenne, wie er
uns in der gantzen heiligen Schrift ſo gar deut-
lich und ausfuͤhrlich vor Augen geleget wird.
von ſeiner Vollkommenheit ſehe man 5. B.
Moſ. 6, 5. c. 10, 12. c. 30, 6. Matth. 22, 37. u. f.
Roͤm. 7, 7. u. f. Wie unſer Heyland den
geiſtlichen Verſtand des fuͤnften und ſechſten
Gebots eingeſchaͤrfet habe, das findet man
Matth. 5, 22, u. f.
V. 5.

Und ihr wiſſet, daß er (ἐκει῀νος, derje-
nige, von dem im gantzen Briefe die meiſte Rede
geweſen iſt, der Sohn GOttes) iſt erſchienen
(in angenommener menſchlichen Natur,) daß er
unſere Suͤnde
(zuvorderſt der Schuld und
Strafe nach uͤber ſich und damit auch) wegneh-
me, und iſt keine Suͤnde in ihm
(daher er
nicht fuͤr ſeine eigene Suͤnde genug thun dorfte,
ſondern im Stande war, die Verſoͤhnung fuͤr
unſere und der gantzen Welt Suͤnde zu werden.)

Anmerckungen.

1. Die Verbindung dieſer Worte mit
den vorhergehenden iſt dieſe; Nachdem der Apo-
ſtel der verkehrten Meynung, als wenn es mit der
Suͤnde nicht viel zu ſagen haͤtte, die Beſchreibung
der Suͤnden, daß ſie eine Mißhandlung wider
GOtt und ſein Gebot ſey, entgegen geſetzet hatte,
ſo erweiſet er derſelben Ungrund und Argheit fer-
ner von dem Zweck der Menſchwerdung Chriſti,
welcher ſey, nicht der Suͤnde aufzuhelfen, ſondern
ihr abzuhelfen, wie durch die Erloͤſung, alſo auch
durch die Vergebung, aber in der Ordnung der
in uns zu vollbringenden Zerſtoͤrung; wie in dem
folgenden Contexte mit mehrern angezeiget wird.

2. Da das ἐκεῖνος, er, derjenige derſelbe,
der c. 2, 25, 27. 28, mit dem pronomine ἀυτὸς
bezeichnet wird, alhier auf den Sohn GOttes
gehet, wie es die folgenden Worte klaͤrlich anzei-
gen, ſo haben wir auch eben dieſes Wort v. 3.
von ihm zuverſtehen, da es heißt: ‒ ‒ der reini-
[Spaltenumbruch] get ſich, gleichwie er
ἐκει῀νος, auch rein iſt.
Und alſo gehet auch das ἀυτὸς v. 2. auf ihn da Jo-
hannes ſaget: Wir wiſſen, wenn es erſchei-
nen wird, daß wir ihm gleich ſeyn werden:

Denn wir werden ihn ſehen wie er iſt. Gleicher-
geſtalt lautet es c. 2, 5. 6. von CHriſto alſo: da-
ran erkennen wir, daß wir in ihm ſind.
Wer da ſaget, daß er in ihm bleibet, der
ſoll auch wandelen, gleichwie er gewan-
delt hat.
Siehe auch v. 3. 4.

3. Das Wiſſen, worauf ſich Johannes
beziehet, war eine glaͤubige Erkenntniß, bey wel-
cher ſie, was ſie wuſten, auch in der That wuͤrck-
lich erfahren hatten, und noch immer mehr erfuh-
ren. Denn keine Wiſſenſchaft iſt rechter Art,
wo ſie nicht alſo beſchaffen iſt. Und eben ein ſol-
ches Wiſſen verſtehet er c. 2. 29. c. 3, 2.

4. Die alhier bemeldete Erſcheinung
Chriſti hat zwar eigentlich die Menſchwerdung
zum Grunde, aber ſie gehet doch auf die ſaͤmtli-
che Offenbarung, welche darauf durch die ſicht-
bare Gegenwart Chriſti in ſeinem gantzen Leben,
ſonderlich in den Jahren ſeines oͤffentlichen Lehr-
Amts geſchehen iſt, da er ſich als das Licht der
Welt dargeſtellet hat: darauf der Apoſtel ſchon
oben c. 1, 1. 2. 3. ſich bezogen hat. Siehe auch
davon Joh. 1, 4. 5. 14. 1 Tim. 3, 16.

5. Durch die Suͤnde verſtehet der Apoſtel
den gantzen Stand der Suͤnden, dazu gehoͤret die
Schuld mit der Strafe, und auch die Herr-
ſchaft.
Welche drey Stuͤcke in der Suͤnde
aufs genaueſte verbunden ſind. Der Grund
davon iſt die Herrſchaft, oder inwohnende und
von Natur herrſchende Erb-Suͤnde. Und da
dieſe voller Schuld iſt, ſo ziehet ſie lauter Strafe
nach ſich.

6. Da es nun alſo um die Suͤnde ſtehet, ſo
iſt leichtlich zu erachten, wie das Wegnehmen
zu verſtehen ſey. Nemlich der Grund davon
iſt die Ubernehmung aller Schuld und Strafe,
nicht aber der Herrſchaft; ſintemal keine ei-
gene Suͤnde in ihm war, und eine fremde
Suͤnde zur wuͤrcklichen Einwohnung in ſei-
ner allerheiligſten Natur keinen Platz finden
konte. Von der Aufladung und Uberneh-
mung unſerer Schuld heiſſet es Jeſ. 53, 6. Der
HERR warf unſer aller Suͤnde auf ihn.

Das Hinwegnehmen ſelbſt haͤlt in ſich die
Ausſtehung der wuͤrcklichen Strafe v. 4. u. f.
Daher denn die Schuld abgethan iſt, nemlich
was die Erwerbung betrift: davon Johannes im
Evangelio ſaget: Siehe, das iſt GOttes-
Lamm, welches der Welt Suͤnde traͤgt.

c. 1, 29. und vorher in dieſem Briefe: c. 2, 1. Wir
haben einen Fuͤrſprecher bey dem Vater,
JEſum CHriſt, der gerecht iſt.
Dieweil
aber dieſe Hinwegnehmung der Suͤnde nieman-
den zu ſtatten kommen kan, es ſey denn, daß man
in ſich die Herrſchaft der Suͤnde aufheben, und
ſich davon immer mehr reinigen laſſe, ja ſich aus
empfangener Gnaden-Kraft ſelbſt reinige nach
v. 3. ſo gehoͤret auch dieſes allerdinge mit zu dem
Zweck der Erſcheinung Chriſti. Von dem, daß
Chriſtus ohne eigene Suͤnde iſt, ſiehe c. 2, 1. c. 3, 3.
Jeſ. 53, 9. Heb. 4, 15. c. 7, 26. u. ſ. w.

V. 6.
R r r r 3
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[685/0687] Cap. 3. v. 4-5. des erſten Briefes Johannis. Suͤnde des fleiſchlichen Sinnes, iſt eine Feind- ſchaft wider GOtt. Siehe auch c. 7, 23. 1 Pet. 2, 11. Jac. 4, 1. Es lieget demnach in der Suͤn- de ein crimen rebellionis und læſæ divi- næ majeſtatis, ein Laſter der Widerſetzlich- keit wider GOtt und ſeiner beleidigten Maje- ſtaͤt. Welches man gar deutlich erkennen kan, wenn man bedencket, wie der fleiſchliche Sinn ſich nicht allein wider GOtt erhebet, und daß der Menſch nach demſelben ſeinen eignen Wil- len uͤber den im Geſetze bezeugeten Willen GOttes hinaus ſetzet, und alſo iſt ἄνομος, ἀν- τίνομος, ἀυτόνομος, der ohne Geſetz ſeyn will, wi- der das Geſetz handelt, und ſich ſelbſt ein Ge- ſetz iſt. c. Man muß demnach von der Suͤnde nicht ur- theilen aus der menſchlichen Gewohnheit, noch nach menſchlichen Ausſpruͤchen; ſintemal nach demſelben das allerwenigſte fuͤr Suͤnde er- kannt wird: ſondern alles Urtheil iſt nach dem Geſetze anzuſtellen. Es kan aber nicht ange- ſtellet werden, es ſey denn, daß man den geiſtli- chen Sinn des Geſetzes GOttes nach ſeiner Tiefe, Laͤnge und Breite recht erkenne, wie er uns in der gantzen heiligen Schrift ſo gar deut- lich und ausfuͤhrlich vor Augen geleget wird. von ſeiner Vollkommenheit ſehe man 5. B. Moſ. 6, 5. c. 10, 12. c. 30, 6. Matth. 22, 37. u. f. Roͤm. 7, 7. u. f. Wie unſer Heyland den geiſtlichen Verſtand des fuͤnften und ſechſten Gebots eingeſchaͤrfet habe, das findet man Matth. 5, 22, u. f. V. 5. Und ihr wiſſet, daß er (ἐκει῀νος, derje- nige, von dem im gantzen Briefe die meiſte Rede geweſen iſt, der Sohn GOttes) iſt erſchienen (in angenommener menſchlichen Natur,) daß er unſere Suͤnde (zuvorderſt der Schuld und Strafe nach uͤber ſich und damit auch) wegneh- me, und iſt keine Suͤnde in ihm (daher er nicht fuͤr ſeine eigene Suͤnde genug thun dorfte, ſondern im Stande war, die Verſoͤhnung fuͤr unſere und der gantzen Welt Suͤnde zu werden.) Anmerckungen. 1. Die Verbindung dieſer Worte mit den vorhergehenden iſt dieſe; Nachdem der Apo- ſtel der verkehrten Meynung, als wenn es mit der Suͤnde nicht viel zu ſagen haͤtte, die Beſchreibung der Suͤnden, daß ſie eine Mißhandlung wider GOtt und ſein Gebot ſey, entgegen geſetzet hatte, ſo erweiſet er derſelben Ungrund und Argheit fer- ner von dem Zweck der Menſchwerdung Chriſti, welcher ſey, nicht der Suͤnde aufzuhelfen, ſondern ihr abzuhelfen, wie durch die Erloͤſung, alſo auch durch die Vergebung, aber in der Ordnung der in uns zu vollbringenden Zerſtoͤrung; wie in dem folgenden Contexte mit mehrern angezeiget wird. 2. Da das ἐκεῖνος, er, derjenige derſelbe, der c. 2, 25, 27. 28, mit dem pronomine ἀυτὸς bezeichnet wird, alhier auf den Sohn GOttes gehet, wie es die folgenden Worte klaͤrlich anzei- gen, ſo haben wir auch eben dieſes Wort v. 3. von ihm zuverſtehen, da es heißt: ‒ ‒ der reini- get ſich, gleichwie er ἐκει῀νος, auch rein iſt. Und alſo gehet auch das ἀυτὸς v. 2. auf ihn da Jo- hannes ſaget: Wir wiſſen, wenn es erſchei- nen wird, daß wir ihm gleich ſeyn werden: Denn wir werden ihn ſehen wie er iſt. Gleicher- geſtalt lautet es c. 2, 5. 6. von CHriſto alſo: da- ran erkennen wir, daß wir in ihm ſind. Wer da ſaget, daß er in ihm bleibet, der ſoll auch wandelen, gleichwie er gewan- delt hat. Siehe auch v. 3. 4. 3. Das Wiſſen, worauf ſich Johannes beziehet, war eine glaͤubige Erkenntniß, bey wel- cher ſie, was ſie wuſten, auch in der That wuͤrck- lich erfahren hatten, und noch immer mehr erfuh- ren. Denn keine Wiſſenſchaft iſt rechter Art, wo ſie nicht alſo beſchaffen iſt. Und eben ein ſol- ches Wiſſen verſtehet er c. 2. 29. c. 3, 2. 4. Die alhier bemeldete Erſcheinung Chriſti hat zwar eigentlich die Menſchwerdung zum Grunde, aber ſie gehet doch auf die ſaͤmtli- che Offenbarung, welche darauf durch die ſicht- bare Gegenwart Chriſti in ſeinem gantzen Leben, ſonderlich in den Jahren ſeines oͤffentlichen Lehr- Amts geſchehen iſt, da er ſich als das Licht der Welt dargeſtellet hat: darauf der Apoſtel ſchon oben c. 1, 1. 2. 3. ſich bezogen hat. Siehe auch davon Joh. 1, 4. 5. 14. 1 Tim. 3, 16. 5. Durch die Suͤnde verſtehet der Apoſtel den gantzen Stand der Suͤnden, dazu gehoͤret die Schuld mit der Strafe, und auch die Herr- ſchaft. Welche drey Stuͤcke in der Suͤnde aufs genaueſte verbunden ſind. Der Grund davon iſt die Herrſchaft, oder inwohnende und von Natur herrſchende Erb-Suͤnde. Und da dieſe voller Schuld iſt, ſo ziehet ſie lauter Strafe nach ſich. 6. Da es nun alſo um die Suͤnde ſtehet, ſo iſt leichtlich zu erachten, wie das Wegnehmen zu verſtehen ſey. Nemlich der Grund davon iſt die Ubernehmung aller Schuld und Strafe, nicht aber der Herrſchaft; ſintemal keine ei- gene Suͤnde in ihm war, und eine fremde Suͤnde zur wuͤrcklichen Einwohnung in ſei- ner allerheiligſten Natur keinen Platz finden konte. Von der Aufladung und Uberneh- mung unſerer Schuld heiſſet es Jeſ. 53, 6. Der HERR warf unſer aller Suͤnde auf ihn. Das Hinwegnehmen ſelbſt haͤlt in ſich die Ausſtehung der wuͤrcklichen Strafe v. 4. u. f. Daher denn die Schuld abgethan iſt, nemlich was die Erwerbung betrift: davon Johannes im Evangelio ſaget: Siehe, das iſt GOttes- Lamm, welches der Welt Suͤnde traͤgt. c. 1, 29. und vorher in dieſem Briefe: c. 2, 1. Wir haben einen Fuͤrſprecher bey dem Vater, JEſum CHriſt, der gerecht iſt. Dieweil aber dieſe Hinwegnehmung der Suͤnde nieman- den zu ſtatten kommen kan, es ſey denn, daß man in ſich die Herrſchaft der Suͤnde aufheben, und ſich davon immer mehr reinigen laſſe, ja ſich aus empfangener Gnaden-Kraft ſelbſt reinige nach v. 3. ſo gehoͤret auch dieſes allerdinge mit zu dem Zweck der Erſcheinung Chriſti. Von dem, daß Chriſtus ohne eigene Suͤnde iſt, ſiehe c. 2, 1. c. 3, 3. Jeſ. 53, 9. Heb. 4, 15. c. 7, 26. u. ſ. w. V. 6. R r r r 3

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 685. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/687>, abgerufen am 23.11.2024.