Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Richtige und erbauliche Erklärung Cap. 3. v. 3. 4. [Spaltenumbruch]
Heyls-Güter mit unserer schuldigen Pflichtverbindet. Vorher hat er der Kindschaft und künftigen Erbschaft, welche das seligste An- schauen GOttes mit sich führen wird, gedacht. Damit nun solche Vorstellung wohl angewen- det werden möchte, so dringet er dabey auf die wahre Heiligung. 2. Die Hofnung ist eigentlich eine gläu- 3. Die Hofnung hat dieses mit dem Glau- 4. Gleichwie die lebendige Hofnung den 5. Beyderley Art der Reinigung stehet 6. Diese Reinigung hat, ausser dem Glau- 7. Da Johannes alhier das Wort agnizein, V. 4. Wer Sünde thut, der thut auch' Un- Anmerckungen. 1. Da zu Johannis Zeiten unter den Chri- 2. Das Sünde thun ist alhier wohl zu 3. Wenn der Apostel die Sünde das Un- a. 'Lnomia heißt |eigentlich eine solche Abwei- chung vom Gesetze, dadurch man dasselbe übertritt. Und also werden wir mit diesem Worte zuvorderst auf das Gesetz, und folglich auf GOtt selbst gewiesen. Denn da GOTT ist die Gerechtigkeit und Heiligkeit selbst, so hat er seinen gerechten und heiligen Willen in sei- nem Gesetze ausgedrucket, und dieses als einen Spiegel seiner Gerechtigkeit und Heiligkeit vorgestellet. Wenn nun der Mensch sich in diesem Spiegel nach seinem innerlichen und äusserlichen Zustande beschauet, so werden da- durch an ihm seine innerlichen und äusserlichen Flecke dergestalt entdecket, daß er davor billig erschrecken muß; sintemal sie gerade das Ge- gentheil von dem Gesetze in sich halten. b. Es bleibet aber die Natur der Sünde nicht bey einer blossen Abweichung von GOtt und sei- nem Gesetze, sondern diese ist auch mit einer Feindschaft und mit einem Streite dawi- der verknüpfet. Darum Paulus Röm. 8. 7. spricht; Fleischlich gesinnet seyn, oder die Sün-
Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 3. v. 3. 4. [Spaltenumbruch]
Heyls-Guͤter mit unſerer ſchuldigen Pflichtverbindet. Vorher hat er der Kindſchaft und kuͤnftigen Erbſchaft, welche das ſeligſte An- ſchauen GOttes mit ſich fuͤhren wird, gedacht. Damit nun ſolche Vorſtellung wohl angewen- det werden moͤchte, ſo dringet er dabey auf die wahre Heiligung. 2. Die Hofnung iſt eigentlich eine glaͤu- 3. Die Hofnung hat dieſes mit dem Glau- 4. Gleichwie die lebendige Hofnung den 5. Beyderley Art der Reinigung ſtehet 6. Dieſe Reinigung hat, auſſer dem Glau- 7. Da Johannes alhier das Wort ἁγνίζειν, V. 4. Wer Suͤnde thut, der thut auch’ Un- Anmerckungen. 1. Da zu Johannis Zeiten unter den Chri- 2. Das Suͤnde thun iſt alhier wohl zu 3. Wenn der Apoſtel die Suͤnde das Un- a. ᾽Λνομία heißt |eigentlich eine ſolche Abwei- chung vom Geſetze, dadurch man daſſelbe uͤbertritt. Und alſo werden wir mit dieſem Worte zuvorderſt auf das Geſetz, und folglich auf GOtt ſelbſt gewieſen. Denn da GOTT iſt die Gerechtigkeit und Heiligkeit ſelbſt, ſo hat er ſeinen gerechten und heiligen Willen in ſei- nem Geſetze ausgedrucket, und dieſes als einen Spiegel ſeiner Gerechtigkeit und Heiligkeit vorgeſtellet. Wenn nun der Menſch ſich in dieſem Spiegel nach ſeinem innerlichen und aͤuſſerlichen Zuſtande beſchauet, ſo werden da- durch an ihm ſeine innerlichen und aͤuſſerlichen Flecke dergeſtalt entdecket, daß er davor billig erſchrecken muß; ſintemal ſie gerade das Ge- gentheil von dem Geſetze in ſich halten. b. Es bleibet aber die Natur der Suͤnde nicht bey einer bloſſen Abweichung von GOtt und ſei- nem Geſetze, ſondern dieſe iſt auch mit einer Feindſchaft und mit einem Streite dawi- der verknuͤpfet. Darum Paulus Roͤm. 8. 7. ſpricht; Fleiſchlich geſinnet ſeyn, oder die Suͤn-
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Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 3. v. 3. 4.
Heyls-Guͤter mit unſerer ſchuldigen Pflicht
verbindet. Vorher hat er der Kindſchaft und
kuͤnftigen Erbſchaft, welche das ſeligſte An-
ſchauen GOttes mit ſich fuͤhren wird, gedacht.
Damit nun ſolche Vorſtellung wohl angewen-
det werden moͤchte, ſo dringet er dabey auf die
wahre Heiligung.
2. Die Hofnung iſt eigentlich eine glaͤu-
bige und gedultige Erwartung der verheiſſenen
vollkommnen Seligkeit, welche man durch den
Glauben in und aus den Verheiſſungen ſich ge-
wiß zugeeignet hat. Und ſolchergeſtalt ſiehet man,
wie der Glaube von der Hofnung unterſchieden
iſt. Von welchem Unterſcheide der Leſer ein meh-
rers findet im Lateiniſchen Commentario p.
393. alwo auch gezeiget iſt, wie genaue der Glau-
be mit der Hofnung uͤbereinkomme.
3. Die Hofnung hat dieſes mit dem Glau-
ben gemein, daß ſie GOtt nicht allein zum Ob-
ject hat, worauf ſie gehet, ſonvern auch zur
Grundveſte, worauf ſie bauet. Welches letzte-
re angezeiget wird mit der Conſtruction ἐπ᾽ ἀυ-
τῷ, auf ihm, uͤber ihm, alſo daß die Hofnung
in ihm ruhe: gleichwie das erſtere bezeichnet
wird mit der Conſtruction ἐπὶ, oder ἐις ἀυτὸν,
an ihn, auf ihn. 2 Cor. 1, 10. 1 Pet. 1, 21.
4. Gleichwie die lebendige Hofnung den
Glauben zum Grunde hat, ſo hat er den wahren
Fleiß in der Heiligung zum gewiſſen Kennzeichen.
wo dieſes nicht iſt, da iſt die Hofnung eitel und
laͤßt zuſchanden werden. Welches Paulus von
der wahren Hofnung verneinet Roͤm. 5, 5.
5. Beyderley Art der Reinigung ſtehet
wohl zuſammen, nemlich Chriſti mit ſeinem
Blute c. 1, 7. und unſere eigene, welche wir ſelbſt
thun durch die Kraft des Bluts Chriſti in wuͤrdi-
ger Anwendung der empfangenen Reinigungs-
Kraͤfte. Und alſo wird damit unſern eignen Na-
tur-Kraͤften nichts zugeſchrieben, wie nach dem
Pelagianiſmo zu geſchehen pfleget.
6. Dieſe Reinigung hat, auſſer dem Glau-
ben und der Reinigung Chriſti, in ihrer Ubung ei-
ne genaue Wahrnehmung unſer ſelbſt und eine
aufrichtige Selbſt- Pruͤfung zum Grunde: als
ohne welche der Menſch die von der Erb-Suͤnde
in ihm noch uͤbrige viele Unreinigkeit und ſonder-
lich die ſubtilern Befleckungen des Geiſtes an
ſich nicht einmal erkennet, und daher ſoviel weni-
ger um ihre Abthuung bemuͤhet iſt. Wo aber
die genaue Selbſt-Pruͤfung ſtatt findet, da beſte-
het die Reinigung in einer ſolchen taͤglichen Er-
neuerung, nach welcher man die erkanten Schla-
cken an ſich bereuet und von ſich immermehr hin-
weg thut, hingegen aber im guten am Geiſte im-
mer ſtaͤrcker wird, und am neuen Menſchen zu-
nimmt, wie man am alten abnimmt. Wie denn
Paulus dieſe Reinigung eine Ausziehung
des alten und Anziehung des neuen Menſchen
nennet. Eph. 4, 22. u. f.
7. Da Johannes alhier das Wort ἁγνίζειν,
von der Reinigung gebrauchet, ſodienet zu die-
ſes Worts und gantzen Orts Erlaͤuterung, was
Petrus 1 Ep. 1. v. 22. ſchreibet, und zwar nach-
dem er vorher des Glaubens und der Hofnung
an GOtt gedacht hat: Machet Keuſch eure
Seelen im Gehorſam der Wahrheit durch
den Geiſt, zu ungefaͤrbter Bruder-Liede,
und habt euch unter einander bruͤnſtig
lieb aus reinen Hertzen. Siehe auch 2 Cor.
7, 1. da der Apoſtel das Werck der taͤglichen Rei-
nigung auch aus dem evangeliſchen Glaubens-
Grunde und aus der Hofnung der zukuͤnftigen
Herrlichkeit herleitet, wenn er ſpricht: dieweil
wir nun ſolche Verheiſſungen haben, mei-
ne Lieben, ſo laſſet uns von aller Befle-
ckung des Fleiſches und des Geiſtes uns
reinigen, und fortfahren in der Heiligung
in der Furcht GOttes.
V. 4.
Wer Suͤnde thut, der thut auch’ Un-
recht, und die Suͤnde iſt das Unrecht.
Anmerckungen.
1. Da zu Johannis Zeiten unter den Chri-
ſten ſich ſolche falſche Geiſter gefunden, welche die
Gnade GOttes auf Muthwillen gezogen haben,
ſo haben ſie dabey ohn Zweifel, wie es zu geſchehen
pfleget, allerhand Suͤnden theils fuͤr Mitteldinge
theils fuͤr Kleinigkeiten ausgegeben, und ſich da-
mit einen freyen Lauf zum Leben nach dem Fleiſche
gebahnet. Da nun dieſes der vorher eingeſchaͤrf-
ten Pflicht der Reinigung entgegen ſtunde, ſo zei-
get der Apoſtel mit dieſen Worten an, wie daß
die Suͤnde keine indifferente Sache, ſondern
eine rechte Mißhandlung wider GOtt und ſein
Geſetz ſey.
2. Das Suͤnde thun iſt alhier wohl zu
unterſcheiden von dem Suͤnde haben c. 1, 8. und
gehet uͤberhaupt auf alle aus der Erb-Suͤnde ent-
ſtehende wuͤrckliche Suͤnden, ſie moͤgen nun in-
nerlich mit Gedancken, Rathſchluͤſſen, Begierden
und Affecten, oder aͤuſſerlich in Geberden Wor-
ten und Wercken geſchehen. Denn von allen
ſolchen Gattungen redet der Apoſtel.
3. Wenn der Apoſtel die Suͤnde das Un-
recht nennet, gebrauchet er im Griechiſchen das
Wort ἀνομία, davon folgendes zu mercken iſt:
a. ᾽Λνομία heißt |eigentlich eine ſolche Abwei-
chung vom Geſetze, dadurch man daſſelbe
uͤbertritt. Und alſo werden wir mit dieſem
Worte zuvorderſt auf das Geſetz, und folglich
auf GOtt ſelbſt gewieſen. Denn da GOTT
iſt die Gerechtigkeit und Heiligkeit ſelbſt, ſo hat
er ſeinen gerechten und heiligen Willen in ſei-
nem Geſetze ausgedrucket, und dieſes als einen
Spiegel ſeiner Gerechtigkeit und Heiligkeit
vorgeſtellet. Wenn nun der Menſch ſich in
dieſem Spiegel nach ſeinem innerlichen und
aͤuſſerlichen Zuſtande beſchauet, ſo werden da-
durch an ihm ſeine innerlichen und aͤuſſerlichen
Flecke dergeſtalt entdecket, daß er davor billig
erſchrecken muß; ſintemal ſie gerade das Ge-
gentheil von dem Geſetze in ſich halten.
b. Es bleibet aber die Natur der Suͤnde nicht bey
einer bloſſen Abweichung von GOtt und ſei-
nem Geſetze, ſondern dieſe iſt auch mit einer
Feindſchaft und mit einem Streite dawi-
der verknuͤpfet. Darum Paulus Roͤm. 8. 7.
ſpricht; Fleiſchlich geſinnet ſeyn, oder die
Suͤn-
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