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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Richtige und erbauliche Erklärung Cap. 2. v. 2-4.
[Spaltenumbruch] hat, können ewig verloren gehen 2 Pet.
2, 1. Röm. 14, 15. 1 Cor. 8, 11. Siehe auch
Ezech. 18, 21. u. f. c. 33, 11. u. f.
c. Kommen nun gleich einige Stellen in der hei-
ligen Schrift vor, welche die Liebe GOttes
und die Erlösung Christi nur auf die Auser-
wehlten einzuschrencken scheinen; so sind es
doch nicht nur gar wenige gegen die übrigen,
welche uns die allgemeine Liebe GOttes mit
dem allgemeinen Verdienste Christi anpreisen;
sondern auch sie sind schwerer und dunckler, als
jene, und müssen demnach nach den mehresten
und leichtesten Orten erkläret werden; welche
hermenevtische Regel auch in der gesunden
Vernunft gegründet ist. Wie denn auch sol-
che wenige Oerter nach ihrem Contexte und
Zwecke leichtlich zu verstehen und zu erklären
sind.
V. 3. 4.

Und an dem mercken wir, daß wir ihn
(den Versöhner, unsern Heyland v. 1. 2.) ken-
nen
(und von ihm wahrhaftig erleuchtet sind)
so wir seine Gebote halten (und also unsern
Glauben, der ein geistliches Licht in der Seele
ist, durch die Liebe im gantzen Leben thä-
tig erweisen:) Wer da saget, (oder es auch
nur gedencket, sintemal die Gedancken eine in-
nerliche Rede des Gemüths sind) ich kenne ihn,
und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lüg-
ner
(und sein Vorgeben von der wahren Erleuch-
tung der Gottlosen ist lügenhaftig) und in sol-
chem ist
(nicht allein keine Gottseligkeit, sondern
auch der Erkenntniß nach) keine Wahrheit.

Anmerckungen.

1. Nachdem der Apostel die Evangelische
Haupt- und Glaubens-Lehre von der allgemei-
nen Versöhnung aller Menschen den Gläubigen
angepriesen hat, so kehret er dabey dem Mißbrau-
che vor, und dringet auf ein rechtschaffnes Wesen
im Christenthum. Womit er denn den Chara-
cter
eines rechtschaffnen Lehrers, wie er das
Wort nach dem Evangelio und Gesetze recht
theilen solle, an sich so vielmehr erweiset. Es lie-
gen aber in dem gegenwärtigen Texte zwo practi-
sche Haupt-Materien: die erste von der Er-
leuchtung,
die andere von der Haltung der
Gebote GOttes.
Denn da der Apostel das
letztere zu einer Probe machet von dem erstern, so
handelt er damit von beyden. Und da ein Kenn-
zeichen der Natur nach eher seyn, oder doch eher
betrachtet werden muß, als die dadurch bezeichne-
te und zu erkennende Sache, so haben wir dasselbe
alhier zuerst zu erwegen: und zwar nach folgen-
den Stücken:

a. Die Pronomina ihn (kennen) und seine
(Gebote halten) gehen nach dem vorhergehen-
den Contexte auf Christum den Fürsprecher
und Versöhner: als der da ist nicht allein der
grosse Hohe-Priester und Evangelist nach
dem Amte der Versöhnung, sondern auch der
allerhöchste Gesetzgeber des gantzen mensch-
lichen Geschlechts; und also wahrer GOTT,
der auf dem Berge Sinai aus der Wolcken-
[Spaltenumbruch] und Feuer-Seule das Gesetz gegeben
hat.
b. Die Gebote sind alhier alle diejenige, welche
im Moral-Gesetze kürtzlich verfasset und in der
gantzen heiligen Schrift so gar reichlich und
herrlich erläutert, und von Christo selbst in sei-
nen Predigten und übrigen Reden vielfältig
erkläret und eingeschärfet worden.
c. Von der Haltung der Gebote, davon al-
hier die Rede ist, sind folgende Puncte zu er-
wegen:
a. Derjenige, der die Gebote hält, ist ein
wiedergeborner und gerechtfertigter
Christe:
und folglich ein solcher, welcher
zur Haltung der Gebote die nöthigen Gna-
den-Kräfte
empfangen hat.
b. Der Grund, warum er die Gebote hält,
ist seine Schuldigkeit, die er von Natur
als ein Geschöpfe GOttes, welches ihm zum
Gehorsam verbunden ist, über sich hat, und
wozu er so vielmehr verbunden wird, so viel
herrlicher die Gnade ist, welche ihm ist in der
Rechtfertigung zu seinem Heyl widerfahren,
und so viel reicher die Gnaden-Kräfte sind,
welche ihm damit zugleich zur getreuen
Pflichts-Leistung sind beygeleget worden.
Und folglich ist aus diesem Grunde des Hal-
tens zu erkennen, daß man damit nichts zu
verdienen suchen könne und müsse.
g. Die Art und Weise des Haltens ist diese,
daß es geschiehet zwar eines theils aufrichtig,
wahrhaftig, ernstlich, willig, beständig und
mit einem immer mehrern Wachsthum, auch
ohne alle Ausnahme dieser und jener Gebote:
aber auch andern theils noch gar unvollkom-
men und mangelhaft. Daher aufs neue er-
hellet, daß damit nichts bey GOtt verdienet
werden könne.
d. Die Gültigkeit dieses Haltens bestehet zu-
vorderst darinnen daß der Mensch, der damit
beschäftiget ist, sich durch den Glauben in
Christo befindet, und also in dem vollkomm-
nen Gehorsam Christi hat, was seinem Ge-
horsam fehlet. Und denn so siehet GOtt
solches Halten auch um deßwillen gnädig
an; weil er es selbst durch seine Gnade ge-
wircket hat, und es im Namen Christi und
in seiner Furcht auch zu seinen Ehren in aller
Willigkeit geschiehet.
e. Dieses Halten heißt auch sonst ein Erfül-
len
Röm. 13, 8. 10. Gal. 5, 14. Denn ob-
gleich das Erfüllen dem Laute nach scheinet
auf ein mehrers zu gehen und eine Vollkom-
menheit zu bezeichnen; so ist es doch an sich
selbst nichts mehr, als das Halten, und also
in Ansehung der noch unvollkommnen Men-
schen ein unvollkommnes erfüllen.
z. Beydes das Halten und Erfüllen des Gese-
tzes wird auch sonst oft das Vollkommen
seyn
genennet. Da denn eine solche Voll-
kommenheit
zu verstehen ist, nach welcher
man zwar alle wesentliche Theile, oder Stü-
cke, des Christenthums an sich hat und erwei-
set, aber damit doch noch lange nicht die
höchste Stuffe in diesem Leben erreichet.
Wel-
Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 2. v. 2-4.
[Spaltenumbruch] hat, koͤnnen ewig verloren gehen 2 Pet.
2, 1. Roͤm. 14, 15. 1 Cor. 8, 11. Siehe auch
Ezech. 18, 21. u. f. c. 33, 11. u. f.
c. Kommen nun gleich einige Stellen in der hei-
ligen Schrift vor, welche die Liebe GOttes
und die Erloͤſung Chriſti nur auf die Auser-
wehlten einzuſchrencken ſcheinen; ſo ſind es
doch nicht nur gar wenige gegen die uͤbrigen,
welche uns die allgemeine Liebe GOttes mit
dem allgemeinen Verdienſte Chriſti anpreiſen;
ſondern auch ſie ſind ſchwerer und dunckler, als
jene, und muͤſſen demnach nach den mehreſten
und leichteſten Orten erklaͤret werden; welche
hermenevtiſche Regel auch in der geſunden
Vernunft gegruͤndet iſt. Wie denn auch ſol-
che wenige Oerter nach ihrem Contexte und
Zwecke leichtlich zu verſtehen und zu erklaͤren
ſind.
V. 3. 4.

Und an dem mercken wir, daß wir ihn
(den Verſoͤhner, unſern Heyland v. 1. 2.) ken-
nen
(und von ihm wahrhaftig erleuchtet ſind)
ſo wir ſeine Gebote halten (und alſo unſern
Glauben, der ein geiſtliches Licht in der Seele
iſt, durch die Liebe im gantzen Leben thaͤ-
tig erweiſen:) Wer da ſaget, (oder es auch
nur gedencket, ſintemal die Gedancken eine in-
nerliche Rede des Gemuͤths ſind) ich kenne ihn,
und haͤlt ſeine Gebote nicht, der iſt ein Luͤg-
ner
(und ſein Vorgeben von der wahren Erleuch-
tung der Gottloſen iſt luͤgenhaftig) und in ſol-
chem iſt
(nicht allein keine Gottſeligkeit, ſondern
auch der Erkenntniß nach) keine Wahrheit.

Anmerckungen.

1. Nachdem der Apoſtel die Evangeliſche
Haupt- und Glaubens-Lehre von der allgemei-
nen Verſoͤhnung aller Menſchen den Glaͤubigen
angeprieſen hat, ſo kehret er dabey dem Mißbrau-
che vor, und dringet auf ein rechtſchaffnes Weſen
im Chriſtenthum. Womit er denn den Chara-
cter
eines rechtſchaffnen Lehrers, wie er das
Wort nach dem Evangelio und Geſetze recht
theilen ſolle, an ſich ſo vielmehr erweiſet. Es lie-
gen aber in dem gegenwaͤrtigen Texte zwo practi-
ſche Haupt-Materien: die erſte von der Er-
leuchtung,
die andere von der Haltung der
Gebote GOttes.
Denn da der Apoſtel das
letztere zu einer Probe machet von dem erſtern, ſo
handelt er damit von beyden. Und da ein Kenn-
zeichen der Natur nach eher ſeyn, oder doch eher
betrachtet werden muß, als die dadurch bezeichne-
te und zu erkennende Sache, ſo haben wir daſſelbe
alhier zuerſt zu erwegen: und zwar nach folgen-
den Stuͤcken:

a. Die Pronomina ihn (kennen) und ſeine
(Gebote halten) gehen nach dem vorhergehen-
den Contexte auf Chriſtum den Fuͤrſprecher
und Verſoͤhner: als der da iſt nicht allein der
groſſe Hohe-Prieſter und Evangeliſt nach
dem Amte der Verſoͤhnung, ſondern auch der
allerhoͤchſte Geſetzgeber des gantzen menſch-
lichen Geſchlechts; und alſo wahrer GOTT,
der auf dem Berge Sinai aus der Wolcken-
[Spaltenumbruch] und Feuer-Seule das Geſetz gegeben
hat.
b. Die Gebote ſind alhier alle diejenige, welche
im Moral-Geſetze kuͤrtzlich verfaſſet und in der
gantzen heiligen Schrift ſo gar reichlich und
herrlich erlaͤutert, und von Chriſto ſelbſt in ſei-
nen Predigten und uͤbrigen Reden vielfaͤltig
erklaͤret und eingeſchaͤrfet worden.
c. Von der Haltung der Gebote, davon al-
hier die Rede iſt, ſind folgende Puncte zu er-
wegen:
α. Derjenige, der die Gebote haͤlt, iſt ein
wiedergeborner und gerechtfertigter
Chriſte:
und folglich ein ſolcher, welcher
zur Haltung der Gebote die noͤthigen Gna-
den-Kraͤfte
empfangen hat.
β. Der Grund, warum er die Gebote haͤlt,
iſt ſeine Schuldigkeit, die er von Natur
als ein Geſchoͤpfe GOttes, welches ihm zum
Gehorſam verbunden iſt, uͤber ſich hat, und
wozu er ſo vielmehr verbunden wird, ſo viel
herrlicher die Gnade iſt, welche ihm iſt in der
Rechtfertigung zu ſeinem Heyl widerfahren,
und ſo viel reicher die Gnaden-Kraͤfte ſind,
welche ihm damit zugleich zur getreuen
Pflichts-Leiſtung ſind beygeleget worden.
Und folglich iſt aus dieſem Grunde des Hal-
tens zu erkennen, daß man damit nichts zu
verdienen ſuchen koͤnne und muͤſſe.
γ. Die Art und Weiſe des Haltens iſt dieſe,
daß es geſchiehet zwar eines theils aufrichtig,
wahrhaftig, ernſtlich, willig, beſtaͤndig und
mit einem immer mehrern Wachsthum, auch
ohne alle Ausnahme dieſer und jener Gebote:
aber auch andern theils noch gar unvollkom-
men und mangelhaft. Daher aufs neue er-
hellet, daß damit nichts bey GOtt verdienet
werden koͤnne.
δ. Die Guͤltigkeit dieſes Haltens beſtehet zu-
vorderſt darinnen daß der Menſch, der damit
beſchaͤftiget iſt, ſich durch den Glauben in
Chriſto befindet, und alſo in dem vollkomm-
nen Gehorſam Chriſti hat, was ſeinem Ge-
horſam fehlet. Und denn ſo ſiehet GOtt
ſolches Halten auch um deßwillen gnaͤdig
an; weil er es ſelbſt durch ſeine Gnade ge-
wircket hat, und es im Namen Chriſti und
in ſeiner Furcht auch zu ſeinen Ehren in aller
Willigkeit geſchiehet.
ε. Dieſes Halten heißt auch ſonſt ein Erfuͤl-
len
Roͤm. 13, 8. 10. Gal. 5, 14. Denn ob-
gleich das Erfuͤllen dem Laute nach ſcheinet
auf ein mehrers zu gehen und eine Vollkom-
menheit zu bezeichnen; ſo iſt es doch an ſich
ſelbſt nichts mehr, als das Halten, und alſo
in Anſehung der noch unvollkommnen Men-
ſchen ein unvollkommnes erfuͤllen.
ζ. Beydes das Halten und Erfuͤllen des Geſe-
tzes wird auch ſonſt oft das Vollkommen
ſeyn
genennet. Da denn eine ſolche Voll-
kommenheit
zu verſtehen iſt, nach welcher
man zwar alle weſentliche Theile, oder Stuͤ-
cke, des Chriſtenthums an ſich hat und erwei-
ſet, aber damit doch noch lange nicht die
hoͤchſte Stuffe in dieſem Leben erreichet.
Wel-
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[658/0660] Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 2. v. 2-4. hat, koͤnnen ewig verloren gehen 2 Pet. 2, 1. Roͤm. 14, 15. 1 Cor. 8, 11. Siehe auch Ezech. 18, 21. u. f. c. 33, 11. u. f. c. Kommen nun gleich einige Stellen in der hei- ligen Schrift vor, welche die Liebe GOttes und die Erloͤſung Chriſti nur auf die Auser- wehlten einzuſchrencken ſcheinen; ſo ſind es doch nicht nur gar wenige gegen die uͤbrigen, welche uns die allgemeine Liebe GOttes mit dem allgemeinen Verdienſte Chriſti anpreiſen; ſondern auch ſie ſind ſchwerer und dunckler, als jene, und muͤſſen demnach nach den mehreſten und leichteſten Orten erklaͤret werden; welche hermenevtiſche Regel auch in der geſunden Vernunft gegruͤndet iſt. Wie denn auch ſol- che wenige Oerter nach ihrem Contexte und Zwecke leichtlich zu verſtehen und zu erklaͤren ſind. V. 3. 4. Und an dem mercken wir, daß wir ihn (den Verſoͤhner, unſern Heyland v. 1. 2.) ken- nen (und von ihm wahrhaftig erleuchtet ſind) ſo wir ſeine Gebote halten (und alſo unſern Glauben, der ein geiſtliches Licht in der Seele iſt, durch die Liebe im gantzen Leben thaͤ- tig erweiſen:) Wer da ſaget, (oder es auch nur gedencket, ſintemal die Gedancken eine in- nerliche Rede des Gemuͤths ſind) ich kenne ihn, und haͤlt ſeine Gebote nicht, der iſt ein Luͤg- ner (und ſein Vorgeben von der wahren Erleuch- tung der Gottloſen iſt luͤgenhaftig) und in ſol- chem iſt (nicht allein keine Gottſeligkeit, ſondern auch der Erkenntniß nach) keine Wahrheit. Anmerckungen. 1. Nachdem der Apoſtel die Evangeliſche Haupt- und Glaubens-Lehre von der allgemei- nen Verſoͤhnung aller Menſchen den Glaͤubigen angeprieſen hat, ſo kehret er dabey dem Mißbrau- che vor, und dringet auf ein rechtſchaffnes Weſen im Chriſtenthum. Womit er denn den Chara- cter eines rechtſchaffnen Lehrers, wie er das Wort nach dem Evangelio und Geſetze recht theilen ſolle, an ſich ſo vielmehr erweiſet. Es lie- gen aber in dem gegenwaͤrtigen Texte zwo practi- ſche Haupt-Materien: die erſte von der Er- leuchtung, die andere von der Haltung der Gebote GOttes. Denn da der Apoſtel das letztere zu einer Probe machet von dem erſtern, ſo handelt er damit von beyden. Und da ein Kenn- zeichen der Natur nach eher ſeyn, oder doch eher betrachtet werden muß, als die dadurch bezeichne- te und zu erkennende Sache, ſo haben wir daſſelbe alhier zuerſt zu erwegen: und zwar nach folgen- den Stuͤcken: a. Die Pronomina ihn (kennen) und ſeine (Gebote halten) gehen nach dem vorhergehen- den Contexte auf Chriſtum den Fuͤrſprecher und Verſoͤhner: als der da iſt nicht allein der groſſe Hohe-Prieſter und Evangeliſt nach dem Amte der Verſoͤhnung, ſondern auch der allerhoͤchſte Geſetzgeber des gantzen menſch- lichen Geſchlechts; und alſo wahrer GOTT, der auf dem Berge Sinai aus der Wolcken- und Feuer-Seule das Geſetz gegeben hat. b. Die Gebote ſind alhier alle diejenige, welche im Moral-Geſetze kuͤrtzlich verfaſſet und in der gantzen heiligen Schrift ſo gar reichlich und herrlich erlaͤutert, und von Chriſto ſelbſt in ſei- nen Predigten und uͤbrigen Reden vielfaͤltig erklaͤret und eingeſchaͤrfet worden. c. Von der Haltung der Gebote, davon al- hier die Rede iſt, ſind folgende Puncte zu er- wegen: α. Derjenige, der die Gebote haͤlt, iſt ein wiedergeborner und gerechtfertigter Chriſte: und folglich ein ſolcher, welcher zur Haltung der Gebote die noͤthigen Gna- den-Kraͤfte empfangen hat. β. Der Grund, warum er die Gebote haͤlt, iſt ſeine Schuldigkeit, die er von Natur als ein Geſchoͤpfe GOttes, welches ihm zum Gehorſam verbunden iſt, uͤber ſich hat, und wozu er ſo vielmehr verbunden wird, ſo viel herrlicher die Gnade iſt, welche ihm iſt in der Rechtfertigung zu ſeinem Heyl widerfahren, und ſo viel reicher die Gnaden-Kraͤfte ſind, welche ihm damit zugleich zur getreuen Pflichts-Leiſtung ſind beygeleget worden. Und folglich iſt aus dieſem Grunde des Hal- tens zu erkennen, daß man damit nichts zu verdienen ſuchen koͤnne und muͤſſe. γ. Die Art und Weiſe des Haltens iſt dieſe, daß es geſchiehet zwar eines theils aufrichtig, wahrhaftig, ernſtlich, willig, beſtaͤndig und mit einem immer mehrern Wachsthum, auch ohne alle Ausnahme dieſer und jener Gebote: aber auch andern theils noch gar unvollkom- men und mangelhaft. Daher aufs neue er- hellet, daß damit nichts bey GOtt verdienet werden koͤnne. δ. Die Guͤltigkeit dieſes Haltens beſtehet zu- vorderſt darinnen daß der Menſch, der damit beſchaͤftiget iſt, ſich durch den Glauben in Chriſto befindet, und alſo in dem vollkomm- nen Gehorſam Chriſti hat, was ſeinem Ge- horſam fehlet. Und denn ſo ſiehet GOtt ſolches Halten auch um deßwillen gnaͤdig an; weil er es ſelbſt durch ſeine Gnade ge- wircket hat, und es im Namen Chriſti und in ſeiner Furcht auch zu ſeinen Ehren in aller Willigkeit geſchiehet. ε. Dieſes Halten heißt auch ſonſt ein Erfuͤl- len Roͤm. 13, 8. 10. Gal. 5, 14. Denn ob- gleich das Erfuͤllen dem Laute nach ſcheinet auf ein mehrers zu gehen und eine Vollkom- menheit zu bezeichnen; ſo iſt es doch an ſich ſelbſt nichts mehr, als das Halten, und alſo in Anſehung der noch unvollkommnen Men- ſchen ein unvollkommnes erfuͤllen. ζ. Beydes das Halten und Erfuͤllen des Geſe- tzes wird auch ſonſt oft das Vollkommen ſeyn genennet. Da denn eine ſolche Voll- kommenheit zu verſtehen iſt, nach welcher man zwar alle weſentliche Theile, oder Stuͤ- cke, des Chriſtenthums an ſich hat und erwei- ſet, aber damit doch noch lange nicht die hoͤchſte Stuffe in dieſem Leben erreichet. Wel-

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 658. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/660>, abgerufen am 27.11.2024.