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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 2. v. 22. des andern Briefes Petri.
[Spaltenumbruch] der Gnaden darinnen er doch vorher nicht ge-
standen ist, ansiehet.
Weil er die wichtigsten Gründe des vorigen
Satzes wider sich hat, und es schändlich ist,
das zu leugnen, worauf die heilige Schrift,
als auf eine zur Heyls-Ordnung gehörige
Sache, so sehr dringet.
Weil er einen mächtigen und offenbaren Ein-
fluß giebet zu aller auch äusserlich ausbrechen-
den und herrschenden Eitelkeit und Gottlosig-
keit. Denn ist es ein grosser Jrrthum, eine
solche mögliche und nöthige Beharrung, als
sie vorhin beschrieben ist, zu statuiren; so
müßte einer ja, um solchen Jrrthum abzulegen,
selbst mit Vorsatz muthwillige Sünden aus-
üben, damit er seinen für irrig gehaltenen
Satz durch seine eigene Beharrung nicht selbst
widerlegte.
Weil er zur Schändung aller heiligen Patriar-
chen, Propheten, Apostel, Martyrer und un-
zehlig vieler anderer Gläubigen der Zeiten des
alten und neuen Testaments gereichet: als
von welchen allen man ohne Unterscheid sagen
müßte, daß sie durch grobe Sünden und Mis-
sethaten wieder wären aus ihrem Gnaden-
Stande verfallen. Und da, wie aus gegen-
wärtigen und vielen andern Oertern erhellet,
der Stand des gäntzlichen Rückfalls sehr ge-
fährlich, und die neue Bekehrung, ob gleich
nicht unmöglich, doch gar schwer ist, und bey
wenigen geschehen mag, so müßte auch fol-
gen, daß die meisten von den gedachten heili-
ligen Patriarchen, Propheten, Aposteln und
unzehligen andern Gläubigen wären ewig
verloren gegangen. Welches doch auch nur
zu gedencken niemanden in den Sinn kommen
kan.
Die vierte Haupt-Lehre
Von
Den Kennzeichen eines wahren und
guten/ auch eines falschen und bösen
Lehrers.

1. Ein wahrer und guter, oder gottseliger
Lehrer träget die Lehre von der Erleuchtung also
vor, wie sie vorher nach dem Apostolischen lau-
tern Sinne beschrieben ist; nemlich also, daß er
ausser der wahren Bekehrung und Erneuerung
des Willens von keiner wahren Erleuchtung
des Verstandes weiß, und daher diese allein
den Bekehrten zuerkennet, den Unbekehrten
aber abspricht, und ihre Erkentniß GOttes und
göttlicher Dinge nur für eine blos buchstäbliche
aus eigenen Natur-Kräften geschöpfte Wissen-
schaft hält. Hingegen ist es ein Kennzeichen
eines falschen und unbekehrten Lehrers, wenn
er das Gegentheil setzet und lehret. Und wäre
seine Lehre auch gleich in allen übrigen Stücken
wahr, daran doch sehr zu zweifeln ist, so ist sie
doch in diesem Stücke falsch.

2. Ein wahrer und gottseliger Lehrer leh-
ret vom wahren Glauben also, wie er zuvor
nach dem Apostolischen Sinne beschrieben ist,
daß er nemlich sofort bey seinem ersten Anfange
[Spaltenumbruch] seinem Wesen nach lebendig sey, um Christum
ergreifen zu können, und also nicht erst aus der
schon ergriffenen Gerechtigkeit Christi lebendig
werde: imgleichen, daß er an sich selbst schon ge-
schäftig sey, und daß das Geschäfte der Liebe
von dem Geschäfte der Ergreifung CHristi in
der Rechtfertigung gantz unzertrennlich sey.
Hingegen ist es ein Kennzeichen eines falschen
unbekehrten Lehrers, dißfalls das Gegentheil
zu statuiren und, mit Bestreitung des richtigen
Satzes vom Glauben, zu vertheidigen.

3. Ein wahrer und guter Lehrer lehret von
der Christlichen Freyheit also, wie es derselben,
nach dem zuvor gezeigeten Apostolischen Sinne,
gemäß ist, nemlich daß er dieselbe auf den erlöse-
ten und wiedergebornen Geist des Menschen füh-
ret, und dabey den gemeinen Mitteldings-
Kram für eine schädliche Lockspeise zur Verfüh-
rung richtig wandelnder Seelen und für ein sanf-
tes Küssen hält, welches den in Sünden schla-
fenden untergeleget wird. Hingegen ist es
ein Kennzeichen eines falschen und irdisch-gesin-
neten Lehrers, dißfals das Gegentheil zu statu-
ir
en, und also eine heßliche Wand mit losem
Kalcke zu übertünchen, nach Ezech. 13.

4. Ein wahrer und guter Lehrer träget die
Lehre von der möglichen und nöthigen Behar-
rung im Stande der Gnaden also vor, wie sie
nach der Apostolischen Vorschrift vorhin be-
schrieben ist, und er suchet sie dabey mit seinem
eigenen Exempel zu beweisen. Hingegen ist es
ein Kennzeichen eines falschen und unbekehrten
Lehrers, wenn er auch in diesem Stücke das Ge-
gentheil vorträget, und dazu wider jene Wahr-
heit zu behaupten suchet.

Nähere Application dieser kurtzen Vor-
stellung.

Ein der neuern Controversien, welche
von 40 Jahren her in der Evangelischen Kirche
unter einem von der lieben Pietät gemachten Se-
cten-Namen getrieben worden, nicht unkundi-
ger Leser wolle vor GOTT erwegen, ob es nicht
darinnen sonderlich angekommen sey auf die zur
Heyls-Ordnung gehörigen Lehren von der Er-
leuchtung,
dem wahren Glauben und von der
Heiligung, und in dieser auf die Lehre von der
Christlichen Freyheit, und von der Behar-
rung
im Stande der Gnaden? und ob nicht ei-
nes theils davon also gelehret sey, wie es der zu-
vor gezeigten Apostolischen Vorschrift gemäß ist?
Und ob man nicht andern theils solche Apostoli-
sche Lehre unter einem von der Pietät gantz un-
billiger Weise genommenen Secten-Namen ge-
suchet habe verdächtig zu machen, und als höchst
irrig zu verwerfen; den vielfachen irrigen und
gefährlichen Gegensatz aber für eine richtige Leh-
re auszugeben, oder mit dem Namen der Or-
thodoxi
e zu schmücken? Und ob nicht, wenn
Petrus saget, daß solche falsche und böse Lehrer,
wie er sie nach obigen Kennzeichen im gantzen Ca-
pitel beschreibet, nicht allein schon damals zum
theil gegenwärtig wären, sondern auch noch
künftig entstehen würden, untern andern Zeiten
sonderlich mit auf diese letztern gesehen habe?

und
Cap. 2. v. 22. des andern Briefes Petri.
[Spaltenumbruch] der Gnaden darinnen er doch vorher nicht ge-
ſtanden iſt, anſiehet.
Weil er die wichtigſten Gruͤnde des vorigen
Satzes wider ſich hat, und es ſchaͤndlich iſt,
das zu leugnen, worauf die heilige Schrift,
als auf eine zur Heyls-Ordnung gehoͤrige
Sache, ſo ſehr dringet.
Weil er einen maͤchtigen und offenbaren Ein-
fluß giebet zu aller auch aͤuſſerlich ausbrechen-
den und herrſchenden Eitelkeit und Gottloſig-
keit. Denn iſt es ein groſſer Jrrthum, eine
ſolche moͤgliche und noͤthige Beharrung, als
ſie vorhin beſchrieben iſt, zu ſtatuiren; ſo
muͤßte einer ja, um ſolchen Jrrthum abzulegen,
ſelbſt mit Vorſatz muthwillige Suͤnden aus-
uͤben, damit er ſeinen fuͤr irrig gehaltenen
Satz durch ſeine eigene Beharrung nicht ſelbſt
widerlegte.
Weil er zur Schaͤndung aller heiligen Patriar-
chen, Propheten, Apoſtel, Martyrer und un-
zehlig vieler anderer Glaͤubigen der Zeiten des
alten und neuen Teſtaments gereichet: als
von welchen allen man ohne Unterſcheid ſagen
muͤßte, daß ſie durch grobe Suͤnden und Miſ-
ſethaten wieder waͤren aus ihrem Gnaden-
Stande verfallen. Und da, wie aus gegen-
waͤrtigen und vielen andern Oertern erhellet,
der Stand des gaͤntzlichen Ruͤckfalls ſehr ge-
faͤhrlich, und die neue Bekehrung, ob gleich
nicht unmoͤglich, doch gar ſchwer iſt, und bey
wenigen geſchehen mag, ſo muͤßte auch fol-
gen, daß die meiſten von den gedachten heili-
ligen Patriarchen, Propheten, Apoſteln und
unzehligen andern Glaͤubigen waͤren ewig
verloren gegangen. Welches doch auch nur
zu gedencken niemanden in den Sinn kommen
kan.
Die vierte Haupt-Lehre
Von
Den Kennzeichen eines wahren und
guten/ auch eines falſchen und boͤſen
Lehrers.

1. Ein wahrer und guter, oder gottſeliger
Lehrer traͤget die Lehre von der Erleuchtung alſo
vor, wie ſie vorher nach dem Apoſtoliſchen lau-
tern Sinne beſchrieben iſt; nemlich alſo, daß er
auſſer der wahren Bekehrung und Erneuerung
des Willens von keiner wahren Erleuchtung
des Verſtandes weiß, und daher dieſe allein
den Bekehrten zuerkennet, den Unbekehrten
aber abſpricht, und ihre Erkentniß GOttes und
goͤttlicher Dinge nur fuͤr eine blos buchſtaͤbliche
aus eigenen Natur-Kraͤften geſchoͤpfte Wiſſen-
ſchaft haͤlt. Hingegen iſt es ein Kennzeichen
eines falſchen und unbekehrten Lehrers, wenn
er das Gegentheil ſetzet und lehret. Und waͤre
ſeine Lehre auch gleich in allen uͤbrigen Stuͤcken
wahr, daran doch ſehr zu zweifeln iſt, ſo iſt ſie
doch in dieſem Stuͤcke falſch.

2. Ein wahrer und gottſeliger Lehrer leh-
ret vom wahren Glauben alſo, wie er zuvor
nach dem Apoſtoliſchen Sinne beſchrieben iſt,
daß er nemlich ſofort bey ſeinem erſten Anfange
[Spaltenumbruch] ſeinem Weſen nach lebendig ſey, um Chriſtum
ergreifen zu koͤnnen, und alſo nicht erſt aus der
ſchon ergriffenen Gerechtigkeit Chriſti lebendig
werde: imgleichen, daß er an ſich ſelbſt ſchon ge-
ſchaͤftig ſey, und daß das Geſchaͤfte der Liebe
von dem Geſchaͤfte der Ergreifung CHriſti in
der Rechtfertigung gantz unzertrennlich ſey.
Hingegen iſt es ein Kennzeichen eines falſchen
unbekehrten Lehrers, dißfalls das Gegentheil
zu ſtatuiren und, mit Beſtreitung des richtigen
Satzes vom Glauben, zu vertheidigen.

3. Ein wahrer und guter Lehrer lehret von
der Chriſtlichen Freyheit alſo, wie es derſelben,
nach dem zuvor gezeigeten Apoſtoliſchen Sinne,
gemaͤß iſt, nemlich daß er dieſelbe auf den erloͤſe-
ten und wiedergebornen Geiſt des Menſchen fuͤh-
ret, und dabey den gemeinen Mitteldings-
Kram fuͤr eine ſchaͤdliche Lockſpeiſe zur Verfuͤh-
rung richtig wandelnder Seelen und fuͤr ein ſanf-
tes Kuͤſſen haͤlt, welches den in Suͤnden ſchla-
fenden untergeleget wird. Hingegen iſt es
ein Kennzeichen eines falſchen und irdiſch-geſin-
neten Lehrers, dißfals das Gegentheil zu ſtatu-
ir
en, und alſo eine heßliche Wand mit loſem
Kalcke zu uͤbertuͤnchen, nach Ezech. 13.

4. Ein wahrer und guter Lehrer traͤget die
Lehre von der moͤglichen und noͤthigen Behar-
rung im Stande der Gnaden alſo vor, wie ſie
nach der Apoſtoliſchen Vorſchrift vorhin be-
ſchrieben iſt, und er ſuchet ſie dabey mit ſeinem
eigenen Exempel zu beweiſen. Hingegen iſt es
ein Kennzeichen eines falſchen und unbekehrten
Lehrers, wenn er auch in dieſem Stuͤcke das Ge-
gentheil vortraͤget, und dazu wider jene Wahr-
heit zu behaupten ſuchet.

Naͤhere Application dieſer kurtzen Vor-
ſtellung.

Ein der neuern Controverſien, welche
von 40 Jahren her in der Evangeliſchen Kirche
unter einem von der lieben Pietaͤt gemachten Se-
cten-Namen getrieben worden, nicht unkundi-
ger Leſer wolle vor GOTT erwegen, ob es nicht
darinnen ſonderlich angekommen ſey auf die zur
Heyls-Ordnung gehoͤrigen Lehren von der Er-
leuchtung,
dem wahren Glauben und von der
Heiligung, und in dieſer auf die Lehre von der
Chriſtlichen Freyheit, und von der Behar-
rung
im Stande der Gnaden? und ob nicht ei-
nes theils davon alſo gelehret ſey, wie es der zu-
vor gezeigten Apoſtoliſchen Vorſchrift gemaͤß iſt?
Und ob man nicht andern theils ſolche Apoſtoli-
ſche Lehre unter einem von der Pietaͤt gantz un-
billiger Weiſe genommenen Secten-Namen ge-
ſuchet habe verdaͤchtig zu machen, und als hoͤchſt
irrig zu verwerfen; den vielfachen irrigen und
gefaͤhrlichen Gegenſatz aber fuͤr eine richtige Leh-
re auszugeben, oder mit dem Namen der Or-
thodoxi
e zu ſchmuͤcken? Und ob nicht, wenn
Petrus ſaget, daß ſolche falſche und boͤſe Lehrer,
wie er ſie nach obigen Kennzeichen im gantzen Ca-
pitel beſchreibet, nicht allein ſchon damals zum
theil gegenwaͤrtig waͤren, ſondern auch noch
kuͤnftig entſtehen wuͤrden, untern andern Zeiten
ſonderlich mit auf dieſe letztern geſehen habe?

und
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[631/0633] Cap. 2. v. 22. des andern Briefes Petri. der Gnaden darinnen er doch vorher nicht ge- ſtanden iſt, anſiehet. Weil er die wichtigſten Gruͤnde des vorigen Satzes wider ſich hat, und es ſchaͤndlich iſt, das zu leugnen, worauf die heilige Schrift, als auf eine zur Heyls-Ordnung gehoͤrige Sache, ſo ſehr dringet. Weil er einen maͤchtigen und offenbaren Ein- fluß giebet zu aller auch aͤuſſerlich ausbrechen- den und herrſchenden Eitelkeit und Gottloſig- keit. Denn iſt es ein groſſer Jrrthum, eine ſolche moͤgliche und noͤthige Beharrung, als ſie vorhin beſchrieben iſt, zu ſtatuiren; ſo muͤßte einer ja, um ſolchen Jrrthum abzulegen, ſelbſt mit Vorſatz muthwillige Suͤnden aus- uͤben, damit er ſeinen fuͤr irrig gehaltenen Satz durch ſeine eigene Beharrung nicht ſelbſt widerlegte. Weil er zur Schaͤndung aller heiligen Patriar- chen, Propheten, Apoſtel, Martyrer und un- zehlig vieler anderer Glaͤubigen der Zeiten des alten und neuen Teſtaments gereichet: als von welchen allen man ohne Unterſcheid ſagen muͤßte, daß ſie durch grobe Suͤnden und Miſ- ſethaten wieder waͤren aus ihrem Gnaden- Stande verfallen. Und da, wie aus gegen- waͤrtigen und vielen andern Oertern erhellet, der Stand des gaͤntzlichen Ruͤckfalls ſehr ge- faͤhrlich, und die neue Bekehrung, ob gleich nicht unmoͤglich, doch gar ſchwer iſt, und bey wenigen geſchehen mag, ſo muͤßte auch fol- gen, daß die meiſten von den gedachten heili- ligen Patriarchen, Propheten, Apoſteln und unzehligen andern Glaͤubigen waͤren ewig verloren gegangen. Welches doch auch nur zu gedencken niemanden in den Sinn kommen kan. Die vierte Haupt-Lehre Von Den Kennzeichen eines wahren und guten/ auch eines falſchen und boͤſen Lehrers. 1. Ein wahrer und guter, oder gottſeliger Lehrer traͤget die Lehre von der Erleuchtung alſo vor, wie ſie vorher nach dem Apoſtoliſchen lau- tern Sinne beſchrieben iſt; nemlich alſo, daß er auſſer der wahren Bekehrung und Erneuerung des Willens von keiner wahren Erleuchtung des Verſtandes weiß, und daher dieſe allein den Bekehrten zuerkennet, den Unbekehrten aber abſpricht, und ihre Erkentniß GOttes und goͤttlicher Dinge nur fuͤr eine blos buchſtaͤbliche aus eigenen Natur-Kraͤften geſchoͤpfte Wiſſen- ſchaft haͤlt. Hingegen iſt es ein Kennzeichen eines falſchen und unbekehrten Lehrers, wenn er das Gegentheil ſetzet und lehret. Und waͤre ſeine Lehre auch gleich in allen uͤbrigen Stuͤcken wahr, daran doch ſehr zu zweifeln iſt, ſo iſt ſie doch in dieſem Stuͤcke falſch. 2. Ein wahrer und gottſeliger Lehrer leh- ret vom wahren Glauben alſo, wie er zuvor nach dem Apoſtoliſchen Sinne beſchrieben iſt, daß er nemlich ſofort bey ſeinem erſten Anfange ſeinem Weſen nach lebendig ſey, um Chriſtum ergreifen zu koͤnnen, und alſo nicht erſt aus der ſchon ergriffenen Gerechtigkeit Chriſti lebendig werde: imgleichen, daß er an ſich ſelbſt ſchon ge- ſchaͤftig ſey, und daß das Geſchaͤfte der Liebe von dem Geſchaͤfte der Ergreifung CHriſti in der Rechtfertigung gantz unzertrennlich ſey. Hingegen iſt es ein Kennzeichen eines falſchen unbekehrten Lehrers, dißfalls das Gegentheil zu ſtatuiren und, mit Beſtreitung des richtigen Satzes vom Glauben, zu vertheidigen. 3. Ein wahrer und guter Lehrer lehret von der Chriſtlichen Freyheit alſo, wie es derſelben, nach dem zuvor gezeigeten Apoſtoliſchen Sinne, gemaͤß iſt, nemlich daß er dieſelbe auf den erloͤſe- ten und wiedergebornen Geiſt des Menſchen fuͤh- ret, und dabey den gemeinen Mitteldings- Kram fuͤr eine ſchaͤdliche Lockſpeiſe zur Verfuͤh- rung richtig wandelnder Seelen und fuͤr ein ſanf- tes Kuͤſſen haͤlt, welches den in Suͤnden ſchla- fenden untergeleget wird. Hingegen iſt es ein Kennzeichen eines falſchen und irdiſch-geſin- neten Lehrers, dißfals das Gegentheil zu ſtatu- iren, und alſo eine heßliche Wand mit loſem Kalcke zu uͤbertuͤnchen, nach Ezech. 13. 4. Ein wahrer und guter Lehrer traͤget die Lehre von der moͤglichen und noͤthigen Behar- rung im Stande der Gnaden alſo vor, wie ſie nach der Apoſtoliſchen Vorſchrift vorhin be- ſchrieben iſt, und er ſuchet ſie dabey mit ſeinem eigenen Exempel zu beweiſen. Hingegen iſt es ein Kennzeichen eines falſchen und unbekehrten Lehrers, wenn er auch in dieſem Stuͤcke das Ge- gentheil vortraͤget, und dazu wider jene Wahr- heit zu behaupten ſuchet. Naͤhere Application dieſer kurtzen Vor- ſtellung. Ein der neuern Controverſien, welche von 40 Jahren her in der Evangeliſchen Kirche unter einem von der lieben Pietaͤt gemachten Se- cten-Namen getrieben worden, nicht unkundi- ger Leſer wolle vor GOTT erwegen, ob es nicht darinnen ſonderlich angekommen ſey auf die zur Heyls-Ordnung gehoͤrigen Lehren von der Er- leuchtung, dem wahren Glauben und von der Heiligung, und in dieſer auf die Lehre von der Chriſtlichen Freyheit, und von der Behar- rung im Stande der Gnaden? und ob nicht ei- nes theils davon alſo gelehret ſey, wie es der zu- vor gezeigten Apoſtoliſchen Vorſchrift gemaͤß iſt? Und ob man nicht andern theils ſolche Apoſtoli- ſche Lehre unter einem von der Pietaͤt gantz un- billiger Weiſe genommenen Secten-Namen ge- ſuchet habe verdaͤchtig zu machen, und als hoͤchſt irrig zu verwerfen; den vielfachen irrigen und gefaͤhrlichen Gegenſatz aber fuͤr eine richtige Leh- re auszugeben, oder mit dem Namen der Or- thodoxie zu ſchmuͤcken? Und ob nicht, wenn Petrus ſaget, daß ſolche falſche und boͤſe Lehrer, wie er ſie nach obigen Kennzeichen im gantzen Ca- pitel beſchreibet, nicht allein ſchon damals zum theil gegenwaͤrtig waͤren, ſondern auch noch kuͤnftig entſtehen wuͤrden, untern andern Zeiten ſonderlich mit auf dieſe letztern geſehen habe? und

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 631. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/633>, abgerufen am 25.11.2024.