Und also (Gr. denn also) wird euch reichlich (in aller Glaubens-Gerechtigkeit, wenn es zum sterben kömmt) dargereichet werden der Eingang zu dem ewigen Reiche unsers HErrn und Heylandes JESU CHristi.
Anmerckungen.
1. Das Wörtlein gar, denn, welches der sel. Lutherus nicht füglich durch und übersetzet hat, zeiget an, daß dieser Vers zur Erläuterung des vorhergehenden dienet; nemlich also: Jhr werdet auf dem Wege zum Reiche GOTTes nicht straucheln: denn es wird euch reichlich u. f. das ist, es wird euch der Weg zum Reiche GOttes gar eben und leichte bleiben, ja immer ebener und leichter werden, daß ihr mit aller Freudigkeit werdet darauf einher gehen kön- nen.
2. Da der Apostel vorher v. 5. gedacht hat, wie daß die Christen alle Treue in Beweisung ih- rer Pflichten darreichen solten; so gebrauchet er alhier eben dasselbe Wort von der Darrei- chung, die GOTT dagegen thut zum Eingan- ge in sein Reich, nemlich der Herrlichkeit, davon alhier bey denen, welche schon im Reiche der Gnaden stunden, die Rede ist.
3. Ob wir gleich durch ein gottseliges Le- ben die ewige Seligkeit nicht verdienen; so ge- höret sie doch zu der Ordnung, in welcher man dazu gelanget. Es betriegen sich demnach die- jenigen gar sehr, welche in einem gottlosen Le- ben verharren, und doch noch endlich selig zu werden gedencken. Denn obgleich GOtt man- chen aus grosser Barmhertzigkeit noch zuletzt die Gnade erweiset, daß sie noch auf ihrem Tod- ten-Bette bekehret werden, und selig sterben: so fahren doch die meisten in Sicherheit dahin; zumal wenn sie von einem schnellen Tode über- eilet werden.
4. Ein gottseliges Leben gehöret zur Ordnung wie eines seligen, also auch eines freu- digen Todes: wie denn der reichlich dargerei- chete Eingang ins ewige Leben sonderlich in der Glaubens-Freudigkeit bestehet, in welcher man aus der Welt scheidet. Und ob gleich auch diese ein blosses Gnaden-Werck GOttes ist: so kan sie doch nicht wohl bey einem andern statt finden, als bey dem, der seines obwol in vieler Unvoll- kommenheit, doch in aller Lauterkeit geführten Lebens halber ein gutes Gewissen hat.
5. Der Ausgang aus diesem, und der Ein- gang in jenes Leben ist bey den Gläubigen so viel freudiger, so viel mehr sie erkennen und erwe- gen, daß sie im Reiche der Herrlichkeit nicht al- lein Unterthanen, sondern auch solche Reichs- Genossen sind, welche mit zur königlichen Wür- de, ja mit zum Throne Christi sollen erhaben werden. Off. 1, 5. 6. c. 3, 21. c. 5, 9. 10.
V. 12.
Darum will ichs nicht lassen euch alle- zeit solches (davon der gantze vorhergehende Context handelt,) zu erinnern; wie wol ihrs [Spaltenumbruch]
wisset und gestärcket seynd in der gegenwär- tigen Wahrheit (d. i. stehet in der rechten Gnade 1 Pet. 5, 12.)
Anmerckungen.
1. Ob gleich Petrus nicht allezeit schrieb, solches auch nicht nöthig war: so konte er doch die Gläubigen wohl allezeit erinnern; nemlich in so fern das allezeit soviel heißt, als daß er es dabey nicht lassen wolle, daß er sie schon einmal schriftlich, und vordem mehrmal nach einander mündlich erinnert hatte; sondern er wolte nun gegen sein Ende noch eine neue Erinnerung hin- zu thun, welche sie allezeit vor Augen haben solten.
2. Es ist nicht genug, daß man etwas wohl weiß und darinn bevestiget ist, auch was die Ausübung selbst betrift: sondern man hat noch immer nöthig erwecket zu werden, damit man den Weg, den man gehet, auch laufen, zum wenigsten darauf nicht stille stehen möge: welches leichtlich zu geschehen pfleget, wenn man nicht gar wieder zurück gehet.
3. Die von Menschen, sonderlich von ge- treuen Lehrern, welche von dem heiligen Geiste gesalbet sind, gegebne Erinnerungen sind in die- ser Ordnung recht kräftig, wenn man sich dabey von dem heiligen Geiste selbst erinnern, erwe- cken und stärcken läßt; als worinnen er sein Amt bey dem Lehr-Amte erweiset nach Joh. 16, 14. 2 Cor. 3, 7. u. f. c. 5, 21.
4. Das Wort Wahrheit stehet in der heiligen Schrift oft mit grossem Nachdruck, und bedeutet das rechtschafne Wesen des Christen- thums nach Lehr und Leben, nach dem Glauben und nach der Liebe in allen ihren Pflichten. Dabey sonderlich die Johanneischen Redens- Arten zu conferiren sind: aus der Wahr- heit seyn, in der Wahrheit wandeln u. s. w. Man hat daraus zu erkennen, wie viel es auf sich habe, wenn man sich in Religions-Sachen und im Christenthum Wahrheit zueignet.
5. Was für ein grosser Unterscheid sey un- ter den ersten und itzigen Christen, das erkennet man unter andern auch daraus, daß, da jene in der Wahrheit recht bevestiget waren nach dem Verstande und Willen, diese dem allergrösse- sten Haufen nach in einer grossen Unwissenheit stehen, und dabey noch vielmehr entfremdet sind von dem Leben, das aus GOtt ist.
V. 13. 14.
Denn ich achte es (Gr. ich achte es aber) billig zu seyn, so lange ich in dieser Hütte bin, euch zu erwecken und zu erinnern. Denn ich weiß, daß ich meine Hütte bald ab- legen muß; wie mir denn auch unser HErr JEsus Christus eröfnet hat.
Anmerckungen.
1. Der Leib wird mit einer Hütten vergli- chen in Ansehung der Bewohnung, dazu man sich einer Hütte bedienet, auch der Zerbrechlich- lichkeit und Unbeständigkeit, welcher er unter- worfen ist, auch des Zustandes, den wir auf der
Welt,
F f f f 2
Cap. 1. v. 11-14. des andern Briefes Petri.
[Spaltenumbruch]
V. 11.
Und alſo (Gr. denn alſo) wird euch reichlich (in aller Glaubens-Gerechtigkeit, wenn es zum ſterben koͤmmt) dargereichet werden der Eingang zu dem ewigen Reiche unſers HErrn und Heylandes JESU CHriſti.
Anmerckungen.
1. Das Woͤrtlein γὰρ, denn, welches der ſel. Lutherus nicht fuͤglich durch und uͤberſetzet hat, zeiget an, daß dieſer Vers zur Erlaͤuterung des vorhergehenden dienet; nemlich alſo: Jhr werdet auf dem Wege zum Reiche GOTTes nicht ſtraucheln: denn es wird euch reichlich u. f. das iſt, es wird euch der Weg zum Reiche GOttes gar eben und leichte bleiben, ja immer ebener und leichter werden, daß ihr mit aller Freudigkeit werdet darauf einher gehen koͤn- nen.
2. Da der Apoſtel vorher v. 5. gedacht hat, wie daß die Chriſten alle Treue in Beweiſung ih- rer Pflichten darreichen ſolten; ſo gebrauchet er alhier eben daſſelbe Wort von der Darrei- chung, die GOTT dagegen thut zum Eingan- ge in ſein Reich, nemlich der Herrlichkeit, davon alhier bey denen, welche ſchon im Reiche der Gnaden ſtunden, die Rede iſt.
3. Ob wir gleich durch ein gottſeliges Le- ben die ewige Seligkeit nicht verdienen; ſo ge- hoͤret ſie doch zu der Ordnung, in welcher man dazu gelanget. Es betriegen ſich demnach die- jenigen gar ſehr, welche in einem gottloſen Le- ben verharren, und doch noch endlich ſelig zu werden gedencken. Denn obgleich GOtt man- chen aus groſſer Barmhertzigkeit noch zuletzt die Gnade erweiſet, daß ſie noch auf ihrem Tod- ten-Bette bekehret werden, und ſelig ſterben: ſo fahren doch die meiſten in Sicherheit dahin; zumal wenn ſie von einem ſchnellen Tode uͤber- eilet werden.
4. Ein gottſeliges Leben gehoͤret zur Ordnung wie eines ſeligen, alſo auch eines freu- digen Todes: wie denn der reichlich dargerei- chete Eingang ins ewige Leben ſonderlich in der Glaubens-Freudigkeit beſtehet, in welcher man aus der Welt ſcheidet. Und ob gleich auch dieſe ein bloſſes Gnaden-Werck GOttes iſt: ſo kan ſie doch nicht wohl bey einem andern ſtatt finden, als bey dem, der ſeines obwol in vieler Unvoll- kommenheit, doch in aller Lauterkeit gefuͤhrten Lebens halber ein gutes Gewiſſen hat.
5. Der Ausgang aus dieſem, und der Ein- gang in jenes Leben iſt bey den Glaͤubigen ſo viel freudiger, ſo viel mehr ſie erkennen und erwe- gen, daß ſie im Reiche der Herrlichkeit nicht al- lein Unterthanen, ſondern auch ſolche Reichs- Genoſſen ſind, welche mit zur koͤniglichen Wuͤr- de, ja mit zum Throne Chriſti ſollen erhaben werden. Off. 1, 5. 6. c. 3, 21. c. 5, 9. 10.
V. 12.
Darum will ichs nicht laſſen euch alle- zeit ſolches (davon der gantze vorhergehende Context handelt,) zu erinnern; wie wol ihrs [Spaltenumbruch]
wiſſet und geſtaͤrcket ſeynd in der gegenwaͤr- tigen Wahrheit (d. i. ſtehet in der rechten Gnade 1 Pet. 5, 12.)
Anmerckungen.
1. Ob gleich Petrus nicht allezeit ſchrieb, ſolches auch nicht noͤthig war: ſo konte er doch die Glaͤubigen wohl allezeit erinnern; nemlich in ſo fern das allezeit ſoviel heißt, als daß er es dabey nicht laſſen wolle, daß er ſie ſchon einmal ſchriftlich, und vordem mehrmal nach einander muͤndlich erinnert hatte; ſondern er wolte nun gegen ſein Ende noch eine neue Erinnerung hin- zu thun, welche ſie allezeit vor Augen haben ſolten.
2. Es iſt nicht genug, daß man etwas wohl weiß und darinn beveſtiget iſt, auch was die Ausuͤbung ſelbſt betrift: ſondern man hat noch immer noͤthig erwecket zu werden, damit man den Weg, den man gehet, auch laufen, zum wenigſten darauf nicht ſtille ſtehen moͤge: welches leichtlich zu geſchehen pfleget, wenn man nicht gar wieder zuruͤck gehet.
3. Die von Menſchen, ſonderlich von ge- treuen Lehrern, welche von dem heiligen Geiſte geſalbet ſind, gegebne Erinnerungen ſind in die- ſer Ordnung recht kraͤftig, wenn man ſich dabey von dem heiligen Geiſte ſelbſt erinnern, erwe- cken und ſtaͤrcken laͤßt; als worinnen er ſein Amt bey dem Lehr-Amte erweiſet nach Joh. 16, 14. 2 Cor. 3, 7. u. f. c. 5, 21.
4. Das Wort Wahrheit ſtehet in der heiligen Schrift oft mit groſſem Nachdruck, und bedeutet das rechtſchafne Weſen des Chriſten- thums nach Lehr und Leben, nach dem Glauben und nach der Liebe in allen ihren Pflichten. Dabey ſonderlich die Johanneiſchen Redens- Arten zu conferiren ſind: aus der Wahr- heit ſeyn, in der Wahrheit wandeln u. ſ. w. Man hat daraus zu erkennen, wie viel es auf ſich habe, wenn man ſich in Religions-Sachen und im Chriſtenthum Wahrheit zueignet.
5. Was fuͤr ein groſſer Unterſcheid ſey un- ter den erſten und itzigen Chriſten, das erkennet man unter andern auch daraus, daß, da jene in der Wahrheit recht beveſtiget waren nach dem Verſtande und Willen, dieſe dem allergroͤſſe- ſten Haufen nach in einer groſſen Unwiſſenheit ſtehen, und dabey noch vielmehr entfremdet ſind von dem Leben, das aus GOtt iſt.
V. 13. 14.
Denn ich achte es (Gr. ich achte es aber) billig zu ſeyn, ſo lange ich in dieſer Huͤtte bin, euch zu erwecken und zu erinnern. Denn ich weiß, daß ich meine Huͤtte bald ab- legen muß; wie mir denn auch unſer HErr JEſus Chriſtus eroͤfnet hat.
Anmerckungen.
1. Der Leib wird mit einer Huͤtten vergli- chen in Anſehung der Bewohnung, dazu man ſich einer Huͤtte bedienet, auch der Zerbrechlich- lichkeit und Unbeſtaͤndigkeit, welcher er unter- worfen iſt, auch des Zuſtandes, den wir auf der
Welt,
F f f f 2
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[595/0597]
Cap. 1. v. 11-14. des andern Briefes Petri.
V. 11.
Und alſo (Gr. denn alſo) wird euch
reichlich (in aller Glaubens-Gerechtigkeit,
wenn es zum ſterben koͤmmt) dargereichet
werden der Eingang zu dem ewigen Reiche
unſers HErrn und Heylandes JESU
CHriſti.
Anmerckungen.
1. Das Woͤrtlein γὰρ, denn, welches der
ſel. Lutherus nicht fuͤglich durch und uͤberſetzet
hat, zeiget an, daß dieſer Vers zur Erlaͤuterung
des vorhergehenden dienet; nemlich alſo: Jhr
werdet auf dem Wege zum Reiche GOTTes
nicht ſtraucheln: denn es wird euch reichlich u.
f. das iſt, es wird euch der Weg zum Reiche
GOttes gar eben und leichte bleiben, ja immer
ebener und leichter werden, daß ihr mit aller
Freudigkeit werdet darauf einher gehen koͤn-
nen.
2. Da der Apoſtel vorher v. 5. gedacht hat,
wie daß die Chriſten alle Treue in Beweiſung ih-
rer Pflichten darreichen ſolten; ſo gebrauchet
er alhier eben daſſelbe Wort von der Darrei-
chung, die GOTT dagegen thut zum Eingan-
ge in ſein Reich, nemlich der Herrlichkeit, davon
alhier bey denen, welche ſchon im Reiche der
Gnaden ſtunden, die Rede iſt.
3. Ob wir gleich durch ein gottſeliges Le-
ben die ewige Seligkeit nicht verdienen; ſo ge-
hoͤret ſie doch zu der Ordnung, in welcher man
dazu gelanget. Es betriegen ſich demnach die-
jenigen gar ſehr, welche in einem gottloſen Le-
ben verharren, und doch noch endlich ſelig zu
werden gedencken. Denn obgleich GOtt man-
chen aus groſſer Barmhertzigkeit noch zuletzt die
Gnade erweiſet, daß ſie noch auf ihrem Tod-
ten-Bette bekehret werden, und ſelig ſterben:
ſo fahren doch die meiſten in Sicherheit dahin;
zumal wenn ſie von einem ſchnellen Tode uͤber-
eilet werden.
4. Ein gottſeliges Leben gehoͤret zur
Ordnung wie eines ſeligen, alſo auch eines freu-
digen Todes: wie denn der reichlich dargerei-
chete Eingang ins ewige Leben ſonderlich in der
Glaubens-Freudigkeit beſtehet, in welcher man
aus der Welt ſcheidet. Und ob gleich auch dieſe
ein bloſſes Gnaden-Werck GOttes iſt: ſo kan
ſie doch nicht wohl bey einem andern ſtatt finden,
als bey dem, der ſeines obwol in vieler Unvoll-
kommenheit, doch in aller Lauterkeit gefuͤhrten
Lebens halber ein gutes Gewiſſen hat.
5. Der Ausgang aus dieſem, und der Ein-
gang in jenes Leben iſt bey den Glaͤubigen ſo viel
freudiger, ſo viel mehr ſie erkennen und erwe-
gen, daß ſie im Reiche der Herrlichkeit nicht al-
lein Unterthanen, ſondern auch ſolche Reichs-
Genoſſen ſind, welche mit zur koͤniglichen Wuͤr-
de, ja mit zum Throne Chriſti ſollen erhaben
werden. Off. 1, 5. 6. c. 3, 21. c. 5, 9. 10.
V. 12.
Darum will ichs nicht laſſen euch alle-
zeit ſolches (davon der gantze vorhergehende
Context handelt,) zu erinnern; wie wol ihrs
wiſſet und geſtaͤrcket ſeynd in der gegenwaͤr-
tigen Wahrheit (d. i. ſtehet in der rechten
Gnade 1 Pet. 5, 12.)
Anmerckungen.
1. Ob gleich Petrus nicht allezeit ſchrieb,
ſolches auch nicht noͤthig war: ſo konte er doch
die Glaͤubigen wohl allezeit erinnern; nemlich
in ſo fern das allezeit ſoviel heißt, als daß er es
dabey nicht laſſen wolle, daß er ſie ſchon einmal
ſchriftlich, und vordem mehrmal nach einander
muͤndlich erinnert hatte; ſondern er wolte nun
gegen ſein Ende noch eine neue Erinnerung hin-
zu thun, welche ſie allezeit vor Augen haben
ſolten.
2. Es iſt nicht genug, daß man etwas
wohl weiß und darinn beveſtiget iſt, auch was
die Ausuͤbung ſelbſt betrift: ſondern man hat
noch immer noͤthig erwecket zu werden, damit
man den Weg, den man gehet, auch laufen,
zum wenigſten darauf nicht ſtille ſtehen moͤge:
welches leichtlich zu geſchehen pfleget, wenn man
nicht gar wieder zuruͤck gehet.
3. Die von Menſchen, ſonderlich von ge-
treuen Lehrern, welche von dem heiligen Geiſte
geſalbet ſind, gegebne Erinnerungen ſind in die-
ſer Ordnung recht kraͤftig, wenn man ſich dabey
von dem heiligen Geiſte ſelbſt erinnern, erwe-
cken und ſtaͤrcken laͤßt; als worinnen er ſein Amt
bey dem Lehr-Amte erweiſet nach Joh. 16, 14.
2 Cor. 3, 7. u. f. c. 5, 21.
4. Das Wort Wahrheit ſtehet in der
heiligen Schrift oft mit groſſem Nachdruck, und
bedeutet das rechtſchafne Weſen des Chriſten-
thums nach Lehr und Leben, nach dem Glauben
und nach der Liebe in allen ihren Pflichten.
Dabey ſonderlich die Johanneiſchen Redens-
Arten zu conferiren ſind: aus der Wahr-
heit ſeyn, in der Wahrheit wandeln u. ſ. w.
Man hat daraus zu erkennen, wie viel es auf ſich
habe, wenn man ſich in Religions-Sachen und
im Chriſtenthum Wahrheit zueignet.
5. Was fuͤr ein groſſer Unterſcheid ſey un-
ter den erſten und itzigen Chriſten, das erkennet
man unter andern auch daraus, daß, da jene in
der Wahrheit recht beveſtiget waren nach dem
Verſtande und Willen, dieſe dem allergroͤſſe-
ſten Haufen nach in einer groſſen Unwiſſenheit
ſtehen, und dabey noch vielmehr entfremdet
ſind von dem Leben, das aus GOtt iſt.
V. 13. 14.
Denn ich achte es (Gr. ich achte es aber)
billig zu ſeyn, ſo lange ich in dieſer Huͤtte
bin, euch zu erwecken und zu erinnern.
Denn ich weiß, daß ich meine Huͤtte bald ab-
legen muß; wie mir denn auch unſer HErr
JEſus Chriſtus eroͤfnet hat.
Anmerckungen.
1. Der Leib wird mit einer Huͤtten vergli-
chen in Anſehung der Bewohnung, dazu man
ſich einer Huͤtte bedienet, auch der Zerbrechlich-
lichkeit und Unbeſtaͤndigkeit, welcher er unter-
worfen iſt, auch des Zuſtandes, den wir auf der
Welt,
F f f f 2
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 595. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/597>, abgerufen am 22.11.2024.
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