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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 2. v. 16-18. des ersten Briefes Petri.
[Spaltenumbruch] nicht allein im Laufe des Christenthums träge
wird, sondern auch aus den Sünden der
Schwachheit Sünden der Bosheit werden läßt.
Würde einer nun die Freyheit auch gar dazu
mißbrauchen, daß er der Herrschaft den gehörigen
Gehorsam nicht bewiese, und sich dabey auf Chri-
stum seinen einigen HErrn bezöge, so würde es
vor Menschen so viel unverantwortlicher seyn.

3. Die wahre Freyheit muß sich in ihrem
rechtmäßigen Gebrauche damit legitimiren,
daß man sie zu einem soviel willigern Dienste
GOttes anwende, und sich damit als einen
Knecht GOttes erweise.

4. Wer die eitelen Lust-Handlungen des
Spielens, Tantzens, Comoedianten-Wesens,
Opern-Haltens, weltlichen Gasterirens, da
man sich mit Essen und Trincken überladet, halbe
Tage bey einander sitzet, mit eitelen Reden die
Zeit vertreibet u. s. w. für indifferente, oder
Mitteldinge ausgiebt, und meynet, daß sie zur
Christlichen Freyheit gehören und mit dem wah-
ren Christenthum gar wohl bestehen können, der
gebrauchet die Freyheit zum Deckel der Bosheit,
und hat sie entweder noch nie erkannt, und ge-
habt, oder doch wider verloren und sie nach und
nach in eine Frechheit, obgleich ziemlich gemäßigte,
auch seinen geistlichen Frieden in eine fleischliche
Sicherheit verkehret.

V. 17.

Thut Ehre iedermann, habt die
Brüder lieb, fürchtet GOtt, ehret den
König
(und alle von ihm bestellete Obrigkei-
ten nach V. 14.)

Anmerckungen.

1. Die Eigenliebe, nach welcher der Mensch
sich gern andern vorziehet, ist so tief eingewurtzelt,
daß man nöthig hat, derselben immer mehr abzu-
sterben und solches unter andern auch damit zu
bezeugen, daß man andere lieb und werth
halte.

2. Nichts aber kan einen zu diesem letztern
mehr bewegen, als wenn man einen ieden Men-
schen ansiehet, als ein Geschöpf GOttes, welches
doch auch seiner menschlichen Natur nach noch in
gewisser Masse das Ebenbild GOttes an sich trä-
get, auch von Christo erlöset ist. Wenn aber
das göttliche Ebenbild in ihm, dem guten Anfang
nach, schon wider erneuert ist, so ist man so viel-
mehr dazu verbunden. Denn wer soll den nicht
lieb und werth halten, welchen GOtt in Christo
so lieb hat und so werth hält, daß er ihn für sein
Kind erkennet.

3. Es muß doch aber dieses werth halten
nicht dahin extendiret werden, daß man der
Welt ihre eitele Complimenten billige, und
auch einen ieden asotischen Menschen bey sich
selbst in besondern Ehren halten wolle. Denn
ob man gleich auch noch für solchen einige Ehrer-
bietung äusserlich behalten muß, zumal wenn er
sich im Obrigkeitlichen Stande befindet: so muß
es doch aber, was die wahre Hochachtung betrift,
alhier heissen; Wer die Gottlosen nichts ach-
tet, sondern ehret die Gottes fürchtigen - -
Wer das thut, der wird wohl bleiben!
Ps.
[Spaltenumbruch] 15, 4. 5. Man hat hierbey zu conferiren Röm.
12, 10. Phil. 2, 3. 1 Petr. 5, 5.

4. Die geistliche Bruder-Liebe ist zwar
von der Art, daß, gleichwie die natürliche allen
durch die leibliche Geburt eingepflantzet ist, also
diese sich auch bey allen Kindern GOttes aus dem
Grunde und durch den Trieb der Wiedergeburt
befindet. Allein es fehlet oft an der natürlichen
und übernatürlichen; theils aus eigner Schwach-
heit, theils der Fehler wegen, welche man bey
andern findet, und nicht gern ertragen will, oder
kan. Darum man Ursache hat, sich oft dazu zu
erwecken.

5. Es ist aber leichtlich zu erachten, daß Pe-
trus mit der Bruder-Liebe auch alle deroselben
Pflichten fordere, dadurch sie sich thätig erwei-
sen muß. Nichts mehr kan einen dazu erwecken,
als wenn man sich vorstellet, daß GOtt in dem
Neben-Christen sein Werck habe, ihn trage, und
liebe; auch bedencket, was unser Heyland saget:
Alles, was ihr wollet, daß euch die Leute
thun sollen, das thut ihr ihnen;
das ist das
Gesetz und die Propheten. Matth. 7, 12. Man
sehe von der Bruder-Liebe Eph. 4, 3. 1 Thess.
4, 9. 1 Pet. 1, 22. 2 Pet. 1, 7. 1 Joh. 4, 21.
Hebr. 13, 1.

6. Zu der Ehrerbietung gegen die Könige
und andere Obrigkeiten wird man am meisten
dadurch angetrieben, wenn man erweget, daß ih-
nen GOtt auch nach ihrem Amte etwas von sei-
nem Oberrichterlichen Bilde angehänget, und
sie damit characterisiret habe.

7. Der Furcht GOttes gedencket der
Apostel bey den üvrigen Pflichten, als der für-
nehmsten, welche andere dirigiren muß. Man
sehe auch Sprüchw. 24, 21.

8. Es hält aber die Furcht GOttes allen
Dienst in sich, welchen wir GOtt nach der ersten
Tafel des Gesetzes schuldig sind, und also den
Glauben mit der wahren Erkenntniß GOttes,
auch die Liebe mlt dem Gehorsam gegen seine Ge-
bote u. s. w.

V. 18.

Jhr Knechte seyd unterthan mit aller
Furcht den Herrn, nicht allein den güti-
gen und gelinden, sondern auch den wun-
derlichen.

Anmerckungen.

1. Es geschahe, daß hier der Herr,
dort der Knecht, hier die Frau, dort die Magd,
sich zu Christo durchs Evangelium bekehrete:
da denn ein Theil an und von dem andern viel
zutragen hatte: wie es noch heute zu Tage
auch also in der Christenheit gehet unter Bekehr-
ten und Unbekehrten, die nur den blossen Na-
men der Christen haben. Da muß nun derje-
nige, der von GOtt ergriffen ist, an sich ja nichts
ermangeln lassen: und insonderheit müssen
Dienstboten sich ihrer Christlichen Freyheit wi-
der ihre Herrschaft nicht mißbrauchen.

2. Es ist unter blossen natürlichen Men-
schen ein grosser Unterscheid, da einige sind güti-
ge, und gelinde, andere wunderliche Köpfe von
unschlachtiger Art, wie sie Paulus Phil. 2, 15.

nen-

Cap. 2. v. 16-18. des erſten Briefes Petri.
[Spaltenumbruch] nicht allein im Laufe des Chriſtenthums traͤge
wird, ſondern auch aus den Suͤnden der
Schwachheit Suͤnden der Bosheit werden laͤßt.
Wuͤrde einer nun die Freyheit auch gar dazu
mißbrauchen, daß er der Herrſchaft den gehoͤrigen
Gehorſam nicht bewieſe, und ſich dabey auf Chri-
ſtum ſeinen einigen HErrn bezoͤge, ſo wuͤrde es
vor Menſchen ſo viel unverantwortlicher ſeyn.

3. Die wahre Freyheit muß ſich in ihrem
rechtmaͤßigen Gebrauche damit legitimiren,
daß man ſie zu einem ſoviel willigern Dienſte
GOttes anwende, und ſich damit als einen
Knecht GOttes erweiſe.

4. Wer die eitelen Luſt-Handlungen des
Spielens, Tantzens, Comœdianten-Weſens,
Opern-Haltens, weltlichen Gaſterirens, da
man ſich mit Eſſen und Trincken uͤberladet, halbe
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Zeit vertreibet u. ſ. w. fuͤr indifferente, oder
Mitteldinge ausgiebt, und meynet, daß ſie zur
Chriſtlichen Freyheit gehoͤren und mit dem wah-
ren Chriſtenthum gar wohl beſtehen koͤnnen, der
gebrauchet die Freyheit zum Deckel der Bosheit,
und hat ſie entweder noch nie erkannt, und ge-
habt, oder doch wider verloren und ſie nach und
nach in eine Frechheit, obgleich ziemlich gemaͤßigte,
auch ſeinen geiſtlichen Frieden in eine fleiſchliche
Sicherheit verkehret.

V. 17.

Thut Ehre iedermann, habt die
Bruͤder lieb, fuͤrchtet GOtt, ehret den
Koͤnig
(und alle von ihm beſtellete Obrigkei-
ten nach V. 14.)

Anmerckungen.

1. Die Eigenliebe, nach welcher der Menſch
ſich gern andern vorziehet, iſt ſo tief eingewurtzelt,
daß man noͤthig hat, derſelben immer mehr abzu-
ſterben und ſolches unter andern auch damit zu
bezeugen, daß man andere lieb und werth
halte.

2. Nichts aber kan einen zu dieſem letztern
mehr bewegen, als wenn man einen ieden Men-
ſchen anſiehet, als ein Geſchoͤpf GOttes, welches
doch auch ſeiner menſchlichen Natur nach noch in
gewiſſer Maſſe das Ebenbild GOttes an ſich traͤ-
get, auch von Chriſto erloͤſet iſt. Wenn aber
das goͤttliche Ebenbild in ihm, dem guten Anfang
nach, ſchon wider erneuert iſt, ſo iſt man ſo viel-
mehr dazu verbunden. Denn wer ſoll den nicht
lieb und werth halten, welchen GOtt in Chriſto
ſo lieb hat und ſo werth haͤlt, daß er ihn fuͤr ſein
Kind erkennet.

3. Es muß doch aber dieſes werth halten
nicht dahin extendiret werden, daß man der
Welt ihre eitele Complimenten billige, und
auch einen ieden aſotiſchen Menſchen bey ſich
ſelbſt in beſondern Ehren halten wolle. Denn
ob man gleich auch noch fuͤr ſolchen einige Ehrer-
bietung aͤuſſerlich behalten muß, zumal wenn er
ſich im Obrigkeitlichen Stande befindet: ſo muß
es doch aber, was die wahre Hochachtung betrift,
alhier heiſſen; Wer die Gottloſen nichts ach-
tet, ſondern ehret die Gottes fuͤrchtigen ‒ ‒
Wer das thut, der wird wohl bleiben!
Pſ.
[Spaltenumbruch] 15, 4. 5. Man hat hierbey zu conferiren Roͤm.
12, 10. Phil. 2, 3. 1 Petr. 5, 5.

4. Die geiſtliche Bruder-Liebe iſt zwar
von der Art, daß, gleichwie die natuͤrliche allen
durch die leibliche Geburt eingepflantzet iſt, alſo
dieſe ſich auch bey allen Kindern GOttes aus dem
Grunde und durch den Trieb der Wiedergeburt
befindet. Allein es fehlet oft an der natuͤrlichen
und uͤbernatuͤrlichen; theils aus eigner Schwach-
heit, theils der Fehler wegen, welche man bey
andern findet, und nicht gern ertragen will, oder
kan. Darum man Urſache hat, ſich oft dazu zu
erwecken.

5. Es iſt aber leichtlich zu erachten, daß Pe-
trus mit der Bruder-Liebe auch alle deroſelben
Pflichten fordere, dadurch ſie ſich thaͤtig erwei-
ſen muß. Nichts mehr kan einen dazu erwecken,
als wenn man ſich vorſtellet, daß GOtt in dem
Neben-Chriſten ſein Werck habe, ihn trage, und
liebe; auch bedencket, was unſer Heyland ſaget:
Alles, was ihr wollet, daß euch die Leute
thun ſollen, das thut ihr ihnen;
das iſt das
Geſetz und die Propheten. Matth. 7, 12. Man
ſehe von der Bruder-Liebe Eph. 4, 3. 1 Theſſ.
4, 9. 1 Pet. 1, 22. 2 Pet. 1, 7. 1 Joh. 4, 21.
Hebr. 13, 1.

6. Zu der Ehrerbietung gegen die Koͤnige
und andere Obrigkeiten wird man am meiſten
dadurch angetrieben, wenn man erweget, daß ih-
nen GOtt auch nach ihrem Amte etwas von ſei-
nem Oberrichterlichen Bilde angehaͤnget, und
ſie damit characteriſiret habe.

7. Der Furcht GOttes gedencket der
Apoſtel bey den uͤvrigen Pflichten, als der fuͤr-
nehmſten, welche andere dirigiren muß. Man
ſehe auch Spruͤchw. 24, 21.

8. Es haͤlt aber die Furcht GOttes allen
Dienſt in ſich, welchen wir GOtt nach der erſten
Tafel des Geſetzes ſchuldig ſind, und alſo den
Glauben mit der wahren Erkenntniß GOttes,
auch die Liebe mlt dem Gehorſam gegen ſeine Ge-
bote u. ſ. w.

V. 18.

Jhr Knechte ſeyd unterthan mit aller
Furcht den Herrn, nicht allein den guͤti-
gen und gelinden, ſondern auch den wun-
derlichen.

Anmerckungen.

1. Es geſchahe, daß hier der Herr,
dort der Knecht, hier die Frau, dort die Magd,
ſich zu Chriſto durchs Evangelium bekehrete:
da denn ein Theil an und von dem andern viel
zutragen hatte: wie es noch heute zu Tage
auch alſo in der Chriſtenheit gehet unter Bekehr-
ten und Unbekehrten, die nur den bloſſen Na-
men der Chriſten haben. Da muß nun derje-
nige, der von GOtt ergriffen iſt, an ſich ja nichts
ermangeln laſſen: und inſonderheit muͤſſen
Dienſtboten ſich ihrer Chriſtlichen Freyheit wi-
der ihre Herrſchaft nicht mißbrauchen.

2. Es iſt unter bloſſen natuͤrlichen Men-
ſchen ein groſſer Unterſcheid, da einige ſind guͤti-
ge, und gelinde, andere wunderliche Koͤpfe von
unſchlachtiger Art, wie ſie Paulus Phil. 2, 15.

nen-
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[543/0545] Cap. 2. v. 16-18. des erſten Briefes Petri. nicht allein im Laufe des Chriſtenthums traͤge wird, ſondern auch aus den Suͤnden der Schwachheit Suͤnden der Bosheit werden laͤßt. Wuͤrde einer nun die Freyheit auch gar dazu mißbrauchen, daß er der Herrſchaft den gehoͤrigen Gehorſam nicht bewieſe, und ſich dabey auf Chri- ſtum ſeinen einigen HErrn bezoͤge, ſo wuͤrde es vor Menſchen ſo viel unverantwortlicher ſeyn. 3. Die wahre Freyheit muß ſich in ihrem rechtmaͤßigen Gebrauche damit legitimiren, daß man ſie zu einem ſoviel willigern Dienſte GOttes anwende, und ſich damit als einen Knecht GOttes erweiſe. 4. Wer die eitelen Luſt-Handlungen des Spielens, Tantzens, Comœdianten-Weſens, Opern-Haltens, weltlichen Gaſterirens, da man ſich mit Eſſen und Trincken uͤberladet, halbe Tage bey einander ſitzet, mit eitelen Reden die Zeit vertreibet u. ſ. w. fuͤr indifferente, oder Mitteldinge ausgiebt, und meynet, daß ſie zur Chriſtlichen Freyheit gehoͤren und mit dem wah- ren Chriſtenthum gar wohl beſtehen koͤnnen, der gebrauchet die Freyheit zum Deckel der Bosheit, und hat ſie entweder noch nie erkannt, und ge- habt, oder doch wider verloren und ſie nach und nach in eine Frechheit, obgleich ziemlich gemaͤßigte, auch ſeinen geiſtlichen Frieden in eine fleiſchliche Sicherheit verkehret. V. 17. Thut Ehre iedermann, habt die Bruͤder lieb, fuͤrchtet GOtt, ehret den Koͤnig (und alle von ihm beſtellete Obrigkei- ten nach V. 14.) Anmerckungen. 1. Die Eigenliebe, nach welcher der Menſch ſich gern andern vorziehet, iſt ſo tief eingewurtzelt, daß man noͤthig hat, derſelben immer mehr abzu- ſterben und ſolches unter andern auch damit zu bezeugen, daß man andere lieb und werth halte. 2. Nichts aber kan einen zu dieſem letztern mehr bewegen, als wenn man einen ieden Men- ſchen anſiehet, als ein Geſchoͤpf GOttes, welches doch auch ſeiner menſchlichen Natur nach noch in gewiſſer Maſſe das Ebenbild GOttes an ſich traͤ- get, auch von Chriſto erloͤſet iſt. Wenn aber das goͤttliche Ebenbild in ihm, dem guten Anfang nach, ſchon wider erneuert iſt, ſo iſt man ſo viel- mehr dazu verbunden. Denn wer ſoll den nicht lieb und werth halten, welchen GOtt in Chriſto ſo lieb hat und ſo werth haͤlt, daß er ihn fuͤr ſein Kind erkennet. 3. Es muß doch aber dieſes werth halten nicht dahin extendiret werden, daß man der Welt ihre eitele Complimenten billige, und auch einen ieden aſotiſchen Menſchen bey ſich ſelbſt in beſondern Ehren halten wolle. Denn ob man gleich auch noch fuͤr ſolchen einige Ehrer- bietung aͤuſſerlich behalten muß, zumal wenn er ſich im Obrigkeitlichen Stande befindet: ſo muß es doch aber, was die wahre Hochachtung betrift, alhier heiſſen; Wer die Gottloſen nichts ach- tet, ſondern ehret die Gottes fuͤrchtigen ‒ ‒ Wer das thut, der wird wohl bleiben! Pſ. 15, 4. 5. Man hat hierbey zu conferiren Roͤm. 12, 10. Phil. 2, 3. 1 Petr. 5, 5. 4. Die geiſtliche Bruder-Liebe iſt zwar von der Art, daß, gleichwie die natuͤrliche allen durch die leibliche Geburt eingepflantzet iſt, alſo dieſe ſich auch bey allen Kindern GOttes aus dem Grunde und durch den Trieb der Wiedergeburt befindet. Allein es fehlet oft an der natuͤrlichen und uͤbernatuͤrlichen; theils aus eigner Schwach- heit, theils der Fehler wegen, welche man bey andern findet, und nicht gern ertragen will, oder kan. Darum man Urſache hat, ſich oft dazu zu erwecken. 5. Es iſt aber leichtlich zu erachten, daß Pe- trus mit der Bruder-Liebe auch alle deroſelben Pflichten fordere, dadurch ſie ſich thaͤtig erwei- ſen muß. Nichts mehr kan einen dazu erwecken, als wenn man ſich vorſtellet, daß GOtt in dem Neben-Chriſten ſein Werck habe, ihn trage, und liebe; auch bedencket, was unſer Heyland ſaget: Alles, was ihr wollet, daß euch die Leute thun ſollen, das thut ihr ihnen; das iſt das Geſetz und die Propheten. Matth. 7, 12. Man ſehe von der Bruder-Liebe Eph. 4, 3. 1 Theſſ. 4, 9. 1 Pet. 1, 22. 2 Pet. 1, 7. 1 Joh. 4, 21. Hebr. 13, 1. 6. Zu der Ehrerbietung gegen die Koͤnige und andere Obrigkeiten wird man am meiſten dadurch angetrieben, wenn man erweget, daß ih- nen GOtt auch nach ihrem Amte etwas von ſei- nem Oberrichterlichen Bilde angehaͤnget, und ſie damit characteriſiret habe. 7. Der Furcht GOttes gedencket der Apoſtel bey den uͤvrigen Pflichten, als der fuͤr- nehmſten, welche andere dirigiren muß. Man ſehe auch Spruͤchw. 24, 21. 8. Es haͤlt aber die Furcht GOttes allen Dienſt in ſich, welchen wir GOtt nach der erſten Tafel des Geſetzes ſchuldig ſind, und alſo den Glauben mit der wahren Erkenntniß GOttes, auch die Liebe mlt dem Gehorſam gegen ſeine Ge- bote u. ſ. w. V. 18. Jhr Knechte ſeyd unterthan mit aller Furcht den Herrn, nicht allein den guͤti- gen und gelinden, ſondern auch den wun- derlichen. Anmerckungen. 1. Es geſchahe, daß hier der Herr, dort der Knecht, hier die Frau, dort die Magd, ſich zu Chriſto durchs Evangelium bekehrete: da denn ein Theil an und von dem andern viel zutragen hatte: wie es noch heute zu Tage auch alſo in der Chriſtenheit gehet unter Bekehr- ten und Unbekehrten, die nur den bloſſen Na- men der Chriſten haben. Da muß nun derje- nige, der von GOtt ergriffen iſt, an ſich ja nichts ermangeln laſſen: und inſonderheit muͤſſen Dienſtboten ſich ihrer Chriſtlichen Freyheit wi- der ihre Herrſchaft nicht mißbrauchen. 2. Es iſt unter bloſſen natuͤrlichen Men- ſchen ein groſſer Unterſcheid, da einige ſind guͤti- ge, und gelinde, andere wunderliche Koͤpfe von unſchlachtiger Art, wie ſie Paulus Phil. 2, 15. nen-

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/545>, abgerufen am 13.06.2024.