Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

Richtige und erbauliche Erklärung Cap. 2. v. 13-16.
[Spaltenumbruch] ihres äusserlichen Wandels angenommen, oder
sie schon aus dem Juden- und Heydenthum zum
Christenthum mit gebracht hatten, so war es doch
um mancher Leute willen nöthig, auch der Hey-
den und der Obern selbst, als welchen die Aposto-
lischen Briefe ohne Zweifel sind zu Gesichte kom-
men. Und also hatten die Christen darinn für
sich eine Schutz-Schrift wider diejenige Läste-
rung, da sie für unruhige Leute ausgeschrien
wurden.

5. Es haben auch die Apostolischen Ermah-
nungen bey den Christen so vielen Eindruck be-
kommen und behalten, daß sie sich, wenn sie auf
Obrigkeitliche Befehle in den grossen Verfol-
gungen aufs härteste bedränget wurden, niemals
widersetzet haben, ob sie gleich so starck waren,
daß sie hier und da ein Heer von vielen Tausen-
den hätten zusammen bringen und Gewalt mit
Gewalt vertreiben können: dagegen sie sich aber
wie die Schlacht-Schafe in aller Gelassenheit
und Geduld gehalten haben. Daher Tertul-
lianus
in seiner herrlichen Schutz-Schrift für
die Christen c. 3. mit aller Freudigkeit schreiben
konte: Nos ad Deum expansos ungulae fodi-
ant, cruces suspendant, ignes lambant, gladii
guttura detruncent, bestiae insiliant, paratus
est ad omne supplicium ipse habitus orantis
Christiani.

6. Ubelthäter sind alhier eigentlich solche,
welche mit ihren Missethaten auch andern in der
menschlichen Gesellschaft schädlich sind. Es kan
doch aber auch anderen groben Lastern, z. E. dem
übermäßigen Saufen und dergleichen durch hohe
Obrigkeitliche Verordnungen einiger massen ge-
steuret werden.

7. Man hat die bürgerliche Frömmigkeit,
die darinn bestehet, daß man einem äusserlich
nichts böses nachsagen und einen noch vielweni-
ger einer Ubelthat wegen bey der Obrigkeit in
Strafe bringen kan, von der wahren Gottselig-
keit wohl zu unterscheiden, und sich auf jene nicht
zu verlassen, wie von vielen zu geschehen pfleget.
Bey einem Christen ist beydes, das innere mit
dem äussern.

V. 15.

Denn das ist der Wille GOttes, daß
ihr mit Wohlthun verstopfet die Unwis-
senheit
(und dabey die Bosheit, welche durch
den Mund mit Läster-Worten ausbricht) der
thörichten Menschen.

Anmerckungen.

1. Die Feinde und Lästerer sind nicht allein
boshaftige, sondern auch gemeiniglich unwis-
sende
Leute. Und ob denn gleich ihre Unwis-
senheit so groß und verschuldet ist, daß sie gar kei-
ne Entschuldigung verdienet; so hat man sie
doch deßwegen als Mitleidens-würdige Leute
anzusehen. Wie einem denn dieses ein starcker
Bewegungs-Grund seyn kan zur Liebe gegen die
Feinde, wenn man erweget, daß sie sind perso-
nae miserabiles,
Erbarmungs-würdige elende
Leute; als welche eben damit, daß sie einen un-
schuldiger und harter Weise drücken, ein grosses
[Spaltenumbruch] Straf-Gerichte GOttes auf sich haben, und,
wenn sie sich nicht bekehren, ewig verloren gehen.
Wenn man sich nun dieses vorstellet, so ists nicht
wohl möglich, daß man mit ihnen zürne, oder
unwillig auf sie sey. Und kan man dabey die
Hoffnung haben, daß sie noch in der Zeit umkeh-
ren, so wird einen diese Hoffnung so vielweniger
zur Rache, oder zur Ungeduld kommen lassen,
sondern einen vielmehr antreiben, daß man ihnen
durch seine Geduld dazu Anlaß gebe.

2. Es ist aber nicht genug, daß man nicht
böses mit bösem vergelte sondern auch nöthig, für
das böse gutes zu erweisen. Hat man dazu
keine andere Gelegenheit, so hat man sie doch
zum wenigsten im Gebet: darauf uns auch un-
ser Heyland weiset Matth. 5, 44.

3. Es ist eine wunderbare Sache um das
Gewissen des Menschen. Denn es fühlet die
Bestrafung oft vielmehr, als man es gedencket;
auch so gar, daß man wie äusserlich durch die Un-
schuld, also innerlich durch die Züchtigung des
Gewissens, (davon auch die Gottlosen nicht frey
sind) zum Stillschweigen gebracht wird.

4. Daß, wenn man böses mit gutem ver-
gilt, gemeiniglich eine gute Wirckung hat, kömmt
sonderlich daher, weil der Gottlose den Gottseli-
gen nach sich selbst beurtheilet, und dannenhero,
wenn er ihn drucket, von ihm nichts weniger ver-
muthet und erwartet, als das Wohlthun. Er-
fähret ers aber doch, so setzet es ihn in so viel meh-
rere Beschämung.

V. 16.

Als die Freyen, und nicht, als hättet
ihr die Freyheit zum Deckel der Bosheit,
sondern als die Knechte GOttes.

Anmerckungen.

1. Die Christliche, oder von Christo erwor-
bene Freyheit ist ein grosses, vielfaches und un-
schätzbares geistliches Gut, ja ein rechtes Haupt-
Gut, welches viele andere in sich fasset. Wie
vielfach diß Gut sey, kan man daraus erkennen,
wenn man erweget, wovon man durch Christum
frey gemachet sey, nemlich

a. Von der Schuld und Strafe, auch Herr-
schaft der Sünden.
b. Von dem Joche des Ceremonial-Gesetzes,
und von dem Fluche des Moral-Gesetzes.
c. Von dem gerechten Zorn GOttes.
d. Von der Gewalt des Teufels.
e. Von allem Gewissens-Zwange in Glau-
bens-Sachen, und in dem, was wider das
Gewissen lauft.

2. Gleichwie es nun aber zu gehen pfleget,
daß ie edler eine Sache ist, ie häufiger und schnö-
der ist der Mißbrauch; also gehet es auch mit der
Christlichen Freyheit, daß sie theils nicht recht er-
kannt, theils auch verkehret, oder übel applici-
r
et wird: und sonderlich diejenige, welche wir
haben von der Sünden Schuld und Strafe und
von dem Fluche des Gesetzes. Denn da kan es
leichtlich geschehen, daß man die Freyheit auch
auf den schuldigen Gehorsam appliciret, und
meynet, man sey auch davon frey gemachet, und

nicht

Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 2. v. 13-16.
[Spaltenumbruch] ihres aͤuſſerlichen Wandels angenommen, oder
ſie ſchon aus dem Juden- und Heydenthum zum
Chriſtenthum mit gebracht hatten, ſo war es doch
um mancher Leute willen noͤthig, auch der Hey-
den und der Obern ſelbſt, als welchen die Apoſto-
liſchen Briefe ohne Zweifel ſind zu Geſichte kom-
men. Und alſo hatten die Chriſten darinn fuͤr
ſich eine Schutz-Schrift wider diejenige Laͤſte-
rung, da ſie fuͤr unruhige Leute ausgeſchrien
wurden.

5. Es haben auch die Apoſtoliſchen Ermah-
nungen bey den Chriſten ſo vielen Eindruck be-
kommen und behalten, daß ſie ſich, wenn ſie auf
Obrigkeitliche Befehle in den groſſen Verfol-
gungen aufs haͤrteſte bedraͤnget wurden, niemals
widerſetzet haben, ob ſie gleich ſo ſtarck waren,
daß ſie hier und da ein Heer von vielen Tauſen-
den haͤtten zuſammen bringen und Gewalt mit
Gewalt vertreiben koͤnnen: dagegen ſie ſich aber
wie die Schlacht-Schafe in aller Gelaſſenheit
und Geduld gehalten haben. Daher Tertul-
lianus
in ſeiner herrlichen Schutz-Schrift fuͤr
die Chriſten c. 3. mit aller Freudigkeit ſchreiben
konte: Nos ad Deum expanſos ungulæ fodi-
ant, cruces ſuſpendant, ignes lambant, gladii
guttura detruncent, beſtiæ inſiliant, paratus
eſt ad omne ſupplicium ipſe habitus orantis
Chriſtiani.

6. Ubelthaͤter ſind alhier eigentlich ſolche,
welche mit ihren Miſſethaten auch andern in der
menſchlichen Geſellſchaft ſchaͤdlich ſind. Es kan
doch aber auch anderen groben Laſtern, z. E. dem
uͤbermaͤßigen Saufen und dergleichen durch hohe
Obrigkeitliche Verordnungen einiger maſſen ge-
ſteuret werden.

7. Man hat die buͤrgerliche Froͤmmigkeit,
die darinn beſtehet, daß man einem aͤuſſerlich
nichts boͤſes nachſagen und einen noch vielweni-
ger einer Ubelthat wegen bey der Obrigkeit in
Strafe bringen kan, von der wahren Gottſelig-
keit wohl zu unterſcheiden, und ſich auf jene nicht
zu verlaſſen, wie von vielen zu geſchehen pfleget.
Bey einem Chriſten iſt beydes, das innere mit
dem aͤuſſern.

V. 15.

Denn das iſt der Wille GOttes, daß
ihr mit Wohlthun verſtopfet die Unwiſ-
ſenheit
(und dabey die Bosheit, welche durch
den Mund mit Laͤſter-Worten ausbricht) der
thoͤrichten Menſchen.

Anmerckungen.

1. Die Feinde und Laͤſterer ſind nicht allein
boshaftige, ſondern auch gemeiniglich unwiſ-
ſende
Leute. Und ob denn gleich ihre Unwiſ-
ſenheit ſo groß und verſchuldet iſt, daß ſie gar kei-
ne Entſchuldigung verdienet; ſo hat man ſie
doch deßwegen als Mitleidens-wuͤrdige Leute
anzuſehen. Wie einem denn dieſes ein ſtarcker
Bewegungs-Grund ſeyn kan zur Liebe gegen die
Feinde, wenn man erweget, daß ſie ſind perſo-
næ miſerabiles,
Erbarmungs-wuͤrdige elende
Leute; als welche eben damit, daß ſie einen un-
ſchuldiger und harter Weiſe druͤcken, ein groſſes
[Spaltenumbruch] Straf-Gerichte GOttes auf ſich haben, und,
wenn ſie ſich nicht bekehren, ewig verloren gehen.
Wenn man ſich nun dieſes vorſtellet, ſo iſts nicht
wohl moͤglich, daß man mit ihnen zuͤrne, oder
unwillig auf ſie ſey. Und kan man dabey die
Hoffnung haben, daß ſie noch in der Zeit umkeh-
ren, ſo wird einen dieſe Hoffnung ſo vielweniger
zur Rache, oder zur Ungeduld kommen laſſen,
ſondern einen vielmehr antreiben, daß man ihnen
durch ſeine Geduld dazu Anlaß gebe.

2. Es iſt aber nicht genug, daß man nicht
boͤſes mit boͤſem vergelte ſondern auch noͤthig, fuͤr
das boͤſe gutes zu erweiſen. Hat man dazu
keine andere Gelegenheit, ſo hat man ſie doch
zum wenigſten im Gebet: darauf uns auch un-
ſer Heyland weiſet Matth. 5, 44.

3. Es iſt eine wunderbare Sache um das
Gewiſſen des Menſchen. Denn es fuͤhlet die
Beſtrafung oft vielmehr, als man es gedencket;
auch ſo gar, daß man wie aͤuſſerlich durch die Un-
ſchuld, alſo innerlich durch die Zuͤchtigung des
Gewiſſens, (davon auch die Gottloſen nicht frey
ſind) zum Stillſchweigen gebracht wird.

4. Daß, wenn man boͤſes mit gutem ver-
gilt, gemeiniglich eine gute Wirckung hat, koͤmmt
ſonderlich daher, weil der Gottloſe den Gottſeli-
gen nach ſich ſelbſt beurtheilet, und dannenhero,
wenn er ihn drucket, von ihm nichts weniger ver-
muthet und erwartet, als das Wohlthun. Er-
faͤhret ers aber doch, ſo ſetzet es ihn in ſo viel meh-
rere Beſchaͤmung.

V. 16.

Als die Freyen, und nicht, als haͤttet
ihr die Freyheit zum Deckel der Bosheit,
ſondern als die Knechte GOttes.

Anmerckungen.

1. Die Chriſtliche, oder von Chriſto erwor-
bene Freyheit iſt ein groſſes, vielfaches und un-
ſchaͤtzbares geiſtliches Gut, ja ein rechtes Haupt-
Gut, welches viele andere in ſich faſſet. Wie
vielfach diß Gut ſey, kan man daraus erkennen,
wenn man erweget, wovon man durch Chriſtum
frey gemachet ſey, nemlich

a. Von der Schuld und Strafe, auch Herr-
ſchaft der Suͤnden.
b. Von dem Joche des Ceremonial-Geſetzes,
und von dem Fluche des Moral-Geſetzes.
c. Von dem gerechten Zorn GOttes.
d. Von der Gewalt des Teufels.
e. Von allem Gewiſſens-Zwange in Glau-
bens-Sachen, und in dem, was wider das
Gewiſſen lauft.

2. Gleichwie es nun aber zu gehen pfleget,
daß ie edler eine Sache iſt, ie haͤufiger und ſchnoͤ-
der iſt der Mißbrauch; alſo gehet es auch mit der
Chriſtlichen Freyheit, daß ſie theils nicht recht er-
kannt, theils auch verkehret, oder uͤbel applici-
r
et wird: und ſonderlich diejenige, welche wir
haben von der Suͤnden Schuld und Strafe und
von dem Fluche des Geſetzes. Denn da kan es
leichtlich geſchehen, daß man die Freyheit auch
auf den ſchuldigen Gehorſam appliciret, und
meynet, man ſey auch davon frey gemachet, und

nicht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0544" n="542"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Richtige und erbauliche Erkla&#x0364;rung Cap. 2. v. 13-16.</hi></fw><lb/><cb/>
ihres a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen Wandels angenommen, oder<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;chon aus dem Juden- und Heydenthum zum<lb/>
Chri&#x017F;tenthum mit gebracht hatten, &#x017F;o war es doch<lb/>
um mancher Leute willen no&#x0364;thig, auch der Hey-<lb/>
den und der Obern &#x017F;elb&#x017F;t, als welchen die Apo&#x017F;to-<lb/>
li&#x017F;chen Briefe ohne Zweifel &#x017F;ind zu Ge&#x017F;ichte kom-<lb/>
men. Und al&#x017F;o hatten die Chri&#x017F;ten darinn fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;ich eine Schutz-Schrift wider diejenige La&#x0364;&#x017F;te-<lb/>
rung, da &#x017F;ie fu&#x0364;r unruhige Leute ausge&#x017F;chrien<lb/>
wurden.</p><lb/>
              <p>5. Es haben auch die Apo&#x017F;toli&#x017F;chen Ermah-<lb/>
nungen bey den Chri&#x017F;ten &#x017F;o vielen Eindruck be-<lb/>
kommen und behalten, daß &#x017F;ie &#x017F;ich, wenn &#x017F;ie auf<lb/>
Obrigkeitliche Befehle in den gro&#x017F;&#x017F;en Verfol-<lb/>
gungen aufs ha&#x0364;rte&#x017F;te bedra&#x0364;nget wurden, niemals<lb/>
wider&#x017F;etzet haben, ob &#x017F;ie gleich &#x017F;o &#x017F;tarck waren,<lb/>
daß &#x017F;ie hier und da ein Heer von vielen Tau&#x017F;en-<lb/>
den ha&#x0364;tten zu&#x017F;ammen bringen und Gewalt mit<lb/>
Gewalt vertreiben ko&#x0364;nnen: dagegen &#x017F;ie &#x017F;ich aber<lb/>
wie die Schlacht-Schafe in aller Gela&#x017F;&#x017F;enheit<lb/>
und Geduld gehalten haben. Daher <hi rendition="#aq">Tertul-<lb/>
lianus</hi> in &#x017F;einer herrlichen Schutz-Schrift fu&#x0364;r<lb/>
die Chri&#x017F;ten c. 3. mit aller Freudigkeit &#x017F;chreiben<lb/>
konte: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Nos ad Deum expan&#x017F;os ungulæ fodi-<lb/>
ant, cruces &#x017F;u&#x017F;pendant, ignes lambant, gladii<lb/>
guttura detruncent, be&#x017F;tiæ in&#x017F;iliant, paratus<lb/>
e&#x017F;t ad omne &#x017F;upplicium ip&#x017F;e habitus orantis<lb/>
Chri&#x017F;tiani.</hi></hi></p><lb/>
              <p>6. <hi rendition="#fr">Ubeltha&#x0364;ter</hi> &#x017F;ind alhier eigentlich &#x017F;olche,<lb/>
welche mit ihren Mi&#x017F;&#x017F;ethaten auch andern in der<lb/>
men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft &#x017F;cha&#x0364;dlich &#x017F;ind. Es kan<lb/>
doch aber auch anderen groben La&#x017F;tern, z. E. dem<lb/>
u&#x0364;berma&#x0364;ßigen Saufen und dergleichen durch hohe<lb/>
Obrigkeitliche Verordnungen einiger ma&#x017F;&#x017F;en ge-<lb/>
&#x017F;teuret werden.</p><lb/>
              <p>7. Man hat die bu&#x0364;rgerliche Fro&#x0364;mmigkeit,<lb/>
die darinn be&#x017F;tehet, daß man einem a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlich<lb/>
nichts bo&#x0364;&#x017F;es nach&#x017F;agen und einen noch vielweni-<lb/>
ger einer Ubelthat wegen bey der Obrigkeit in<lb/>
Strafe bringen kan, von der wahren Gott&#x017F;elig-<lb/>
keit wohl zu unter&#x017F;cheiden, und &#x017F;ich auf jene nicht<lb/>
zu verla&#x017F;&#x017F;en, wie von vielen zu ge&#x017F;chehen pfleget.<lb/>
Bey einem Chri&#x017F;ten i&#x017F;t beydes, das innere mit<lb/>
dem a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ern.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">V. 15.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Denn das i&#x017F;t der Wille GOttes, daß<lb/>
ihr mit Wohlthun ver&#x017F;topfet die Unwi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;enheit</hi> (und dabey die Bosheit, welche durch<lb/>
den Mund mit La&#x0364;&#x017F;ter-Worten ausbricht) <hi rendition="#fr">der<lb/>
tho&#x0364;richten Men&#x017F;chen.</hi></p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/>
              <p>1. Die Feinde und La&#x0364;&#x017F;terer &#x017F;ind nicht allein<lb/><hi rendition="#fr">boshaftige,</hi> &#x017F;ondern auch gemeiniglich <hi rendition="#fr">unwi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ende</hi> Leute. Und ob denn gleich ihre Unwi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;enheit &#x017F;o groß und ver&#x017F;chuldet i&#x017F;t, daß &#x017F;ie gar kei-<lb/>
ne Ent&#x017F;chuldigung verdienet; &#x017F;o hat man &#x017F;ie<lb/>
doch deßwegen als Mitleidens-wu&#x0364;rdige Leute<lb/>
anzu&#x017F;ehen. Wie einem denn die&#x017F;es ein &#x017F;tarcker<lb/>
Bewegungs-Grund &#x017F;eyn kan zur Liebe gegen die<lb/>
Feinde, wenn man erweget, daß &#x017F;ie &#x017F;ind <hi rendition="#aq">per&#x017F;o-<lb/>
næ mi&#x017F;erabiles,</hi> Erbarmungs-wu&#x0364;rdige elende<lb/>
Leute; als welche eben damit, daß &#x017F;ie einen un-<lb/>
&#x017F;chuldiger und harter Wei&#x017F;e dru&#x0364;cken, ein gro&#x017F;&#x017F;es<lb/><cb/>
Straf-Gerichte GOttes auf &#x017F;ich haben, und,<lb/>
wenn &#x017F;ie &#x017F;ich nicht bekehren, ewig verloren gehen.<lb/>
Wenn man &#x017F;ich nun die&#x017F;es vor&#x017F;tellet, &#x017F;o i&#x017F;ts nicht<lb/>
wohl mo&#x0364;glich, daß man mit ihnen zu&#x0364;rne, oder<lb/>
unwillig auf &#x017F;ie &#x017F;ey. Und kan man dabey die<lb/>
Hoffnung haben, daß &#x017F;ie noch in der Zeit umkeh-<lb/>
ren, &#x017F;o wird einen die&#x017F;e Hoffnung &#x017F;o vielweniger<lb/>
zur Rache, oder zur Ungeduld kommen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;ondern einen vielmehr antreiben, daß man ihnen<lb/>
durch &#x017F;eine Geduld dazu Anlaß gebe.</p><lb/>
              <p>2. Es i&#x017F;t aber nicht genug, daß man nicht<lb/>
bo&#x0364;&#x017F;es mit bo&#x0364;&#x017F;em vergelte &#x017F;ondern auch no&#x0364;thig, fu&#x0364;r<lb/>
das bo&#x0364;&#x017F;e gutes zu erwei&#x017F;en. Hat man dazu<lb/>
keine andere Gelegenheit, &#x017F;o hat man &#x017F;ie doch<lb/>
zum wenig&#x017F;ten im <hi rendition="#fr">Gebet:</hi> darauf uns auch un-<lb/>
&#x017F;er Heyland wei&#x017F;et Matth. 5, 44.</p><lb/>
              <p>3. Es i&#x017F;t eine wunderbare Sache um das<lb/>
Gewi&#x017F;&#x017F;en des Men&#x017F;chen. Denn es fu&#x0364;hlet die<lb/>
Be&#x017F;trafung oft vielmehr, als man es gedencket;<lb/>
auch &#x017F;o gar, daß man wie a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlich durch die Un-<lb/>
&#x017F;chuld, al&#x017F;o innerlich durch die Zu&#x0364;chtigung des<lb/>
Gewi&#x017F;&#x017F;ens, (davon auch die Gottlo&#x017F;en nicht frey<lb/>
&#x017F;ind) zum Still&#x017F;chweigen gebracht wird.</p><lb/>
              <p>4. Daß, wenn man bo&#x0364;&#x017F;es mit gutem ver-<lb/>
gilt, gemeiniglich eine gute Wirckung hat, ko&#x0364;mmt<lb/>
&#x017F;onderlich daher, weil der Gottlo&#x017F;e den Gott&#x017F;eli-<lb/>
gen nach &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t beurtheilet, und dannenhero,<lb/>
wenn er ihn drucket, von ihm nichts weniger ver-<lb/>
muthet und erwartet, als das Wohlthun. Er-<lb/>
fa&#x0364;hret ers aber doch, &#x017F;o &#x017F;etzet es ihn in &#x017F;o viel meh-<lb/>
rere Be&#x017F;cha&#x0364;mung.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">V. 16.</hi> </head><lb/>
            <p> <hi rendition="#fr">Als die Freyen, und nicht, als ha&#x0364;ttet<lb/>
ihr die Freyheit zum Deckel der Bosheit,<lb/>
&#x017F;ondern als die Knechte GOttes.</hi> </p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/>
              <p>1. Die Chri&#x017F;tliche, oder von Chri&#x017F;to erwor-<lb/>
bene Freyheit i&#x017F;t ein gro&#x017F;&#x017F;es, vielfaches und un-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;tzbares gei&#x017F;tliches Gut, ja ein rechtes Haupt-<lb/>
Gut, welches viele andere in &#x017F;ich fa&#x017F;&#x017F;et. Wie<lb/>
vielfach diß Gut &#x017F;ey, kan man daraus erkennen,<lb/>
wenn man erweget, wovon man durch Chri&#x017F;tum<lb/>
frey gemachet &#x017F;ey, nemlich</p><lb/>
              <list>
                <item><hi rendition="#aq">a.</hi> Von der Schuld und Strafe, auch Herr-<lb/>
&#x017F;chaft der Su&#x0364;nden.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">b.</hi> Von dem Joche des <hi rendition="#aq">Ceremonial-</hi>Ge&#x017F;etzes,<lb/>
und von dem Fluche des <hi rendition="#aq">Moral-</hi>Ge&#x017F;etzes.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">c.</hi> Von dem gerechten Zorn GOttes.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">d.</hi> Von der Gewalt des Teufels.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">e.</hi> Von allem Gewi&#x017F;&#x017F;ens-Zwange in Glau-<lb/>
bens-Sachen, und in dem, was wider das<lb/>
Gewi&#x017F;&#x017F;en lauft.</item>
              </list><lb/>
              <p>2. Gleichwie es nun aber zu gehen pfleget,<lb/>
daß ie edler eine Sache i&#x017F;t, ie ha&#x0364;ufiger und &#x017F;chno&#x0364;-<lb/>
der i&#x017F;t der Mißbrauch; al&#x017F;o gehet es auch mit der<lb/>
Chri&#x017F;tlichen Freyheit, daß &#x017F;ie theils nicht recht er-<lb/>
kannt, theils auch verkehret, oder u&#x0364;bel <hi rendition="#aq">applici-<lb/>
r</hi>et wird: und &#x017F;onderlich diejenige, welche wir<lb/>
haben von der Su&#x0364;nden Schuld und Strafe und<lb/>
von dem Fluche des Ge&#x017F;etzes. Denn da kan es<lb/>
leichtlich ge&#x017F;chehen, daß man die Freyheit auch<lb/>
auf den &#x017F;chuldigen Gehor&#x017F;am <hi rendition="#aq">applicir</hi>et, und<lb/>
meynet, man &#x017F;ey auch davon frey gemachet, und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[542/0544] Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 2. v. 13-16. ihres aͤuſſerlichen Wandels angenommen, oder ſie ſchon aus dem Juden- und Heydenthum zum Chriſtenthum mit gebracht hatten, ſo war es doch um mancher Leute willen noͤthig, auch der Hey- den und der Obern ſelbſt, als welchen die Apoſto- liſchen Briefe ohne Zweifel ſind zu Geſichte kom- men. Und alſo hatten die Chriſten darinn fuͤr ſich eine Schutz-Schrift wider diejenige Laͤſte- rung, da ſie fuͤr unruhige Leute ausgeſchrien wurden. 5. Es haben auch die Apoſtoliſchen Ermah- nungen bey den Chriſten ſo vielen Eindruck be- kommen und behalten, daß ſie ſich, wenn ſie auf Obrigkeitliche Befehle in den groſſen Verfol- gungen aufs haͤrteſte bedraͤnget wurden, niemals widerſetzet haben, ob ſie gleich ſo ſtarck waren, daß ſie hier und da ein Heer von vielen Tauſen- den haͤtten zuſammen bringen und Gewalt mit Gewalt vertreiben koͤnnen: dagegen ſie ſich aber wie die Schlacht-Schafe in aller Gelaſſenheit und Geduld gehalten haben. Daher Tertul- lianus in ſeiner herrlichen Schutz-Schrift fuͤr die Chriſten c. 3. mit aller Freudigkeit ſchreiben konte: Nos ad Deum expanſos ungulæ fodi- ant, cruces ſuſpendant, ignes lambant, gladii guttura detruncent, beſtiæ inſiliant, paratus eſt ad omne ſupplicium ipſe habitus orantis Chriſtiani. 6. Ubelthaͤter ſind alhier eigentlich ſolche, welche mit ihren Miſſethaten auch andern in der menſchlichen Geſellſchaft ſchaͤdlich ſind. Es kan doch aber auch anderen groben Laſtern, z. E. dem uͤbermaͤßigen Saufen und dergleichen durch hohe Obrigkeitliche Verordnungen einiger maſſen ge- ſteuret werden. 7. Man hat die buͤrgerliche Froͤmmigkeit, die darinn beſtehet, daß man einem aͤuſſerlich nichts boͤſes nachſagen und einen noch vielweni- ger einer Ubelthat wegen bey der Obrigkeit in Strafe bringen kan, von der wahren Gottſelig- keit wohl zu unterſcheiden, und ſich auf jene nicht zu verlaſſen, wie von vielen zu geſchehen pfleget. Bey einem Chriſten iſt beydes, das innere mit dem aͤuſſern. V. 15. Denn das iſt der Wille GOttes, daß ihr mit Wohlthun verſtopfet die Unwiſ- ſenheit (und dabey die Bosheit, welche durch den Mund mit Laͤſter-Worten ausbricht) der thoͤrichten Menſchen. Anmerckungen. 1. Die Feinde und Laͤſterer ſind nicht allein boshaftige, ſondern auch gemeiniglich unwiſ- ſende Leute. Und ob denn gleich ihre Unwiſ- ſenheit ſo groß und verſchuldet iſt, daß ſie gar kei- ne Entſchuldigung verdienet; ſo hat man ſie doch deßwegen als Mitleidens-wuͤrdige Leute anzuſehen. Wie einem denn dieſes ein ſtarcker Bewegungs-Grund ſeyn kan zur Liebe gegen die Feinde, wenn man erweget, daß ſie ſind perſo- næ miſerabiles, Erbarmungs-wuͤrdige elende Leute; als welche eben damit, daß ſie einen un- ſchuldiger und harter Weiſe druͤcken, ein groſſes Straf-Gerichte GOttes auf ſich haben, und, wenn ſie ſich nicht bekehren, ewig verloren gehen. Wenn man ſich nun dieſes vorſtellet, ſo iſts nicht wohl moͤglich, daß man mit ihnen zuͤrne, oder unwillig auf ſie ſey. Und kan man dabey die Hoffnung haben, daß ſie noch in der Zeit umkeh- ren, ſo wird einen dieſe Hoffnung ſo vielweniger zur Rache, oder zur Ungeduld kommen laſſen, ſondern einen vielmehr antreiben, daß man ihnen durch ſeine Geduld dazu Anlaß gebe. 2. Es iſt aber nicht genug, daß man nicht boͤſes mit boͤſem vergelte ſondern auch noͤthig, fuͤr das boͤſe gutes zu erweiſen. Hat man dazu keine andere Gelegenheit, ſo hat man ſie doch zum wenigſten im Gebet: darauf uns auch un- ſer Heyland weiſet Matth. 5, 44. 3. Es iſt eine wunderbare Sache um das Gewiſſen des Menſchen. Denn es fuͤhlet die Beſtrafung oft vielmehr, als man es gedencket; auch ſo gar, daß man wie aͤuſſerlich durch die Un- ſchuld, alſo innerlich durch die Zuͤchtigung des Gewiſſens, (davon auch die Gottloſen nicht frey ſind) zum Stillſchweigen gebracht wird. 4. Daß, wenn man boͤſes mit gutem ver- gilt, gemeiniglich eine gute Wirckung hat, koͤmmt ſonderlich daher, weil der Gottloſe den Gottſeli- gen nach ſich ſelbſt beurtheilet, und dannenhero, wenn er ihn drucket, von ihm nichts weniger ver- muthet und erwartet, als das Wohlthun. Er- faͤhret ers aber doch, ſo ſetzet es ihn in ſo viel meh- rere Beſchaͤmung. V. 16. Als die Freyen, und nicht, als haͤttet ihr die Freyheit zum Deckel der Bosheit, ſondern als die Knechte GOttes. Anmerckungen. 1. Die Chriſtliche, oder von Chriſto erwor- bene Freyheit iſt ein groſſes, vielfaches und un- ſchaͤtzbares geiſtliches Gut, ja ein rechtes Haupt- Gut, welches viele andere in ſich faſſet. Wie vielfach diß Gut ſey, kan man daraus erkennen, wenn man erweget, wovon man durch Chriſtum frey gemachet ſey, nemlich a. Von der Schuld und Strafe, auch Herr- ſchaft der Suͤnden. b. Von dem Joche des Ceremonial-Geſetzes, und von dem Fluche des Moral-Geſetzes. c. Von dem gerechten Zorn GOttes. d. Von der Gewalt des Teufels. e. Von allem Gewiſſens-Zwange in Glau- bens-Sachen, und in dem, was wider das Gewiſſen lauft. 2. Gleichwie es nun aber zu gehen pfleget, daß ie edler eine Sache iſt, ie haͤufiger und ſchnoͤ- der iſt der Mißbrauch; alſo gehet es auch mit der Chriſtlichen Freyheit, daß ſie theils nicht recht er- kannt, theils auch verkehret, oder uͤbel applici- ret wird: und ſonderlich diejenige, welche wir haben von der Suͤnden Schuld und Strafe und von dem Fluche des Geſetzes. Denn da kan es leichtlich geſchehen, daß man die Freyheit auch auf den ſchuldigen Gehorſam appliciret, und meynet, man ſey auch davon frey gemachet, und nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/544
Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/544>, abgerufen am 26.06.2024.