Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Richtige und erbauliche Erklärung Cap. 1. v. 2. [Spaltenumbruch]
nen Liebe, nach seinem in Christo zu allenMenschen geneigten Willen einen Vorsatz gemacht hat, alle diejenigen, welche an Christum, den allgemeinen Welt-Heyland, gläuben wür- den, selig zu machen: so hat er auch nach sei- nem allwissenden Verstande schon von Ewig- keit her vorher gesehen, welche glauben, das ist, in der Heyls-Ordnung würden erfunden werden, oder nicht. f. Da nun prothesis, sein allgemeiner Wille war und noch ist, alle Gläubige selig zu machen, und er vermöge der Vorsehung die Gläubigen von den Ungläubigen wohl zu unterscheiden wuste: so konte es nicht anders seyn, als daß er die allgemeine Regel zur Application brin- gen und den Gläubigen das ewige Leben zu- erkennen muste. Welches denn ist die Er- wehlung: und das heißt erwehlet seyn kata prognosin, nach der Vorhersehung. g. Daß die Erwehlung nicht anders geschehe, als nach der Vorhersehung, welche auf die Ordnung des Heyls gehet, das siehet man, ausser diesem Orte und der Sache selbst, auch aus Röm. 8, 29. da es heißt: welche er vor- her gesehen hat (daß sie gläuben, oder in der Heyls-Ordnung sich befinden und darinn ver- harren würden) die hat er auch verordnet (schon vorher, ehe sie noch da waren und glaubten, erwehlet.) u. f. Siehe auch c. 11, 2. GOtt hat sein Volck nicht verstossen, welches er zuvor versehen hat, onproegno, von welchem er vorher gesehen hat, daß sie sich zum Glauben an den Meßiam würden bringen lassen: wie die, an welche Petrus diesen Brief geschrieben und die er daher auch Auserwehlte genennet hat. h. Daß die Vorhersehung auf den Glauben ge- he, das siehet man nicht allein aus den bald zu erläuternden Worten dieses Textes, sondern auch aus 2 Thess. 2, 13. und Jac. 2, 5. Und eben dieses zeiget Paulus damit an, wenn er Eph. 1, 3. spricht: GOtt hat uns erwehlet in Christo; wie es nach dem Griechischen heissen muß: das ist, vermöge des Glaubens, durch welchen man in Christo erfunden wird. Und daß GOTT bey der Erwehlung auf den Glauben gesehen haben müsse, das weiset uns die schon angeführte allgemeine Regel an: Wer da gläubet, der soll selig werden. Marc. 16, 16. Joh. 3, 17. i. Stehet es nun also um die Erwehlung, so kan ein gläubiges Kind GOttes, wenn es diese Re- gel höret, oder betrachtet: Wer da gläu- bet, der soll selig werden, diese tröstliche Application auf sich selbst machen, daß es sa- ge: Nun ich glaube, und will auch durch GOttes Gnade im Glauben und dabey in der Heyls-Ordnung verharren, darum bin ich vermöge solcher allgemeinen Re- gel und meiner eignen gewissen Applica- tion versichert, daß ich werde ewig selig werden, das ist, daß ich unter den Aus- erwehlten bin. k. Es findet demnach bey der Gnaden-Wahl kein absolutum decretum, oder unbedingter [Spaltenumbruch] Rath-Schluß GOttes statt. Denn nach diesem müste die Regel gantz umgekehret also heissen: Wer da selig werden soll, der soll auch glauben. Stünde aber eine solche Regel zum Grunde, so dependirete die Er- wehlung nicht vom Glauben nach der göttli- chen Vorhersehung, sondern der Glaube von der Erwehlung, also, daß, wenn iemand die Application zum Glauben und im Glauben auf sich machen wolte, ihm die absolute Er- wehlung dergestalt im Wege stünde, daß er immer gedencken müste: wie weissest du, daß du erwehlet bist, und zum Glauben kommen kanst, oder nicht? Und wie würde insonder- heit eine angefochtene Seele dabey zu rechte kommen? wie auch eine solche bußfertige Seele, welche, ehe sie zu einiger rechten Glau- bens-Kraft kommen kan, sehr gegen das Ge- fühle ihrer Unwürdigkeit zu kämpfen hat, daß sie sich dadurch von Christo nicht abhalten läßt. l. Von der Vorherschung ist sonderlich noch dieses zu mercken, daß sie zwar gewiß ist, also daß, was GOtt vorher siehet, daß es geschehen werde, das geschiehet auch: aber daß sie doch keine Nothwendigkeit machet. Denn sie ge- höret zum Verstande GOttes, welcher an sich nichts wircket, sondern nur das, was ge- schiehet, vorher siehet, weil GOtt allwissend ist. Daher so wenig die itzige Wissenschaft GOttes, welche er von dem, was itzo geschiehet, gewisse hat, einen Einfluß in die itzigen Sachen zu ihrer Nothwendigkeit giebt, so wenig giebt sie auch die Vorhersehung GOttes. Und ob- gleich der Rathschluß und die Wirckung des Willens GOttes von der Vorhersehung des Verstandes unzertrennlich ist; so hat sich doch GOtt genugsam erkläret, wie sein Wille sich dabey verhalte, nemlich, daß er nach vorgedach- ter allgemeinen Regel von einem absoluten Rathschlusse ferne sey, und also keinen Einfluß zur Nothwendigkeit des Glaubens, oder des Unglaubens, der Erwehlung und der Verwer- fung gebe. 3. Was von der Gnaden-Wahl bisher a. Was die Heiligung des Geistes sey: Sie ist nichts anders als die von GOtt gemachte Heyls-Ordnung, darinnen sich der Heilige Geist zur Verklärung Christi und zur Appli- cation des von Christo erworbenen allgemei- nen Heyls geschäftig erweiset. Und also gehö- ret dazu die gnädige Beruffung durch das Evangelium, die Bekehrung, oder Wieder- geburt und darinnen die Anzündung des Glau- bens, und die damit verknüpfte und vom Glau- ben entstehende Rechtfertigung, nicht weniger auch die Erneuerung mit der Erhaltung in der- selben zur beständigen Beharrung. b. Wie diese Heiligung des Geistes bey der
Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 1. v. 2. [Spaltenumbruch]
nen Liebe, nach ſeinem in Chriſto zu allenMenſchen geneigten Willen einen Vorſatz gemacht hat, alle diejenigen, welche an Chꝛiſtum, den allgemeinen Welt-Heyland, glaͤuben wuͤr- den, ſelig zu machen: ſo hat er auch nach ſei- nem allwiſſenden Verſtande ſchon von Ewig- keit her vorher geſehen, welche glauben, das iſt, in der Heyls-Ordnung wuͤrden erfunden werden, oder nicht. f. Da nun πρόϑεσις, ſein allgemeiner Wille war und noch iſt, alle Glaͤubige ſelig zu machen, und er vermoͤge der Vorſehung die Glaͤubigen von den Unglaͤubigen wohl zu unterſcheiden wuſte: ſo konte es nicht anders ſeyn, als daß er die allgemeine Regel zur Application brin- gen und den Glaͤubigen das ewige Leben zu- erkennen muſte. Welches denn iſt die Er- wehlung: und das heißt erwehlet ſeyn κατὰ πρόγνωσιν, nach der Vorherſehung. g. Daß die Erwehlung nicht anders geſchehe, als nach der Vorherſehung, welche auf die Ordnung des Heyls gehet, das ſiehet man, auſſer dieſem Orte und der Sache ſelbſt, auch aus Roͤm. 8, 29. da es heißt: welche er vor- her geſehen hat (daß ſie glaͤuben, oder in der Heyls-Ordnung ſich befinden und darinn ver- harren wuͤrden) die hat er auch verordnet (ſchon vorher, ehe ſie noch da waren und glaubten, erwehlet.) u. f. Siehe auch c. 11, 2. GOtt hat ſein Volck nicht verſtoſſen, welches er zuvor verſehen hat, ὅνπροέγνω, von welchem er vorher geſehen hat, daß ſie ſich zum Glauben an den Meßiam wuͤrden bringen laſſen: wie die, an welche Petrus dieſen Brief geſchrieben und die er daher auch Auserwehlte genennet hat. h. Daß die Vorherſehung auf den Glauben ge- he, das ſiehet man nicht allein aus den bald zu erlaͤuternden Worten dieſes Textes, ſondern auch aus 2 Theſſ. 2, 13. und Jac. 2, 5. Und eben dieſes zeiget Paulus damit an, wenn er Eph. 1, 3. ſpricht: GOtt hat uns erwehlet in Chriſto; wie es nach dem Griechiſchen heiſſen muß: das iſt, vermoͤge des Glaubens, durch welchen man in Chriſto erfunden wird. Und daß GOTT bey der Erwehlung auf den Glauben geſehen haben muͤſſe, das weiſet uns die ſchon angefuͤhrte allgemeine Regel an: Wer da glaͤubet, der ſoll ſelig werden. Marc. 16, 16. Joh. 3, 17. i. Stehet es nun alſo um die Erwehlung, ſo kan ein glaͤubiges Kind GOttes, wenn es dieſe Re- gel hoͤret, oder betrachtet: Wer da glaͤu- bet, der ſoll ſelig werden, dieſe troͤſtliche Application auf ſich ſelbſt machen, daß es ſa- ge: Nun ich glaube, und will auch durch GOttes Gnade im Glauben und dabey in der Heyls-Ordnung verharren, darum bin ich vermoͤge ſolcher allgemeinen Re- gel und meiner eignen gewiſſen Applica- tion verſichert, daß ich werde ewig ſelig werden, das iſt, daß ich unter den Aus- erwehlten bin. k. Es findet demnach bey der Gnaden-Wahl kein abſolutum decretum, oder unbedingter [Spaltenumbruch] Rath-Schluß GOttes ſtatt. Denn nach dieſem muͤſte die Regel gantz umgekehret alſo heiſſen: Wer da ſelig werden ſoll, der ſoll auch glauben. Stuͤnde aber eine ſolche Regel zum Grunde, ſo dependirete die Er- wehlung nicht vom Glauben nach der goͤttli- chen Vorherſehung, ſondern der Glaube von der Erwehlung, alſo, daß, wenn iemand die Application zum Glauben und im Glauben auf ſich machen wolte, ihm die abſolute Er- wehlung dergeſtalt im Wege ſtuͤnde, daß er immer gedencken muͤſte: wie weiſſeſt du, daß du erwehlet biſt, und zum Glauben kommen kanſt, oder nicht? Und wie wuͤrde inſonder- heit eine angefochtene Seele dabey zu rechte kommen? wie auch eine ſolche bußfertige Seele, welche, ehe ſie zu einiger rechten Glau- bens-Kraft kommen kan, ſehr gegen das Ge- fuͤhle ihrer Unwuͤrdigkeit zu kaͤmpfen hat, daß ſie ſich dadurch von Chriſto nicht abhalten laͤßt. l. Von der Vorherſchung iſt ſonderlich noch dieſes zu mercken, daß ſie zwar gewiß iſt, alſo daß, was GOtt vorher ſiehet, daß es geſchehen werde, das geſchiehet auch: aber daß ſie doch keine Nothwendigkeit machet. Denn ſie ge- hoͤret zum Verſtande GOttes, welcher an ſich nichts wircket, ſondern nur das, was ge- ſchiehet, vorher ſiehet, weil GOtt allwiſſend iſt. Daher ſo wenig die itzige Wiſſenſchaft GOttes, welche er von dem, was itzo geſchiehet, gewiſſe hat, einen Einfluß in die itzigen Sachen zu ihrer Nothwendigkeit giebt, ſo wenig giebt ſie auch die Vorherſehung GOttes. Und ob- gleich der Rathſchluß und die Wirckung des Willens GOttes von der Vorherſehung des Verſtandes unzertrennlich iſt; ſo hat ſich doch GOtt genugſam erklaͤret, wie ſein Wille ſich dabey verhalte, nemlich, daß er nach vorgedach- ter allgemeinen Regel von einem abſoluten Rathſchluſſe ferne ſey, und alſo keinen Einfluß zur Nothwendigkeit des Glaubens, oder des Unglaubens, der Erwehlung und der Verwer- fung gebe. 3. Was von der Gnaden-Wahl bisher a. Was die Heiligung des Geiſtes ſey: Sie iſt nichts anders als die von GOtt gemachte Heyls-Ordnung, darinnen ſich der Heilige Geiſt zur Verklaͤrung Chriſti und zur Appli- cation des von Chriſto erworbenen allgemei- nen Heyls geſchaͤftig erweiſet. Und alſo gehoͤ- ret dazu die gnaͤdige Beruffung durch das Evangelium, die Bekehrung, oder Wieder- geburt und darinnen die Anzuͤndung des Glau- bens, und die damit verknuͤpfte und vom Glau- ben entſtehende Rechtfertigung, nicht weniger auch die Erneuerung mit der Erhaltung in der- ſelben zur beſtaͤndigen Beharrung. b. Wie dieſe Heiligung des Geiſtes bey der
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Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 1. v. 2.
nen Liebe, nach ſeinem in Chriſto zu allen
Menſchen geneigten Willen einen Vorſatz
gemacht hat, alle diejenigen, welche an Chꝛiſtum,
den allgemeinen Welt-Heyland, glaͤuben wuͤr-
den, ſelig zu machen: ſo hat er auch nach ſei-
nem allwiſſenden Verſtande ſchon von Ewig-
keit her vorher geſehen, welche glauben, das
iſt, in der Heyls-Ordnung wuͤrden erfunden
werden, oder nicht.
f. Da nun πρόϑεσις, ſein allgemeiner Wille war
und noch iſt, alle Glaͤubige ſelig zu machen,
und er vermoͤge der Vorſehung die Glaͤubigen
von den Unglaͤubigen wohl zu unterſcheiden
wuſte: ſo konte es nicht anders ſeyn, als daß
er die allgemeine Regel zur Application brin-
gen und den Glaͤubigen das ewige Leben zu-
erkennen muſte. Welches denn iſt die Er-
wehlung: und das heißt erwehlet ſeyn κατὰ
πρόγνωσιν, nach der Vorherſehung.
g. Daß die Erwehlung nicht anders geſchehe,
als nach der Vorherſehung, welche auf die
Ordnung des Heyls gehet, das ſiehet man,
auſſer dieſem Orte und der Sache ſelbſt, auch
aus Roͤm. 8, 29. da es heißt: welche er vor-
her geſehen hat (daß ſie glaͤuben, oder in der
Heyls-Ordnung ſich befinden und darinn ver-
harren wuͤrden) die hat er auch verordnet
(ſchon vorher, ehe ſie noch da waren und
glaubten, erwehlet.) u. f. Siehe auch c. 11, 2.
GOtt hat ſein Volck nicht verſtoſſen,
welches er zuvor verſehen hat, ὅνπροέγνω,
von welchem er vorher geſehen hat, daß ſie ſich
zum Glauben an den Meßiam wuͤrden bringen
laſſen: wie die, an welche Petrus dieſen Brief
geſchrieben und die er daher auch Auserwehlte
genennet hat.
h. Daß die Vorherſehung auf den Glauben ge-
he, das ſiehet man nicht allein aus den bald zu
erlaͤuternden Worten dieſes Textes, ſondern
auch aus 2 Theſſ. 2, 13. und Jac. 2, 5. Und
eben dieſes zeiget Paulus damit an, wenn er
Eph. 1, 3. ſpricht: GOtt hat uns erwehlet
in Chriſto; wie es nach dem Griechiſchen
heiſſen muß: das iſt, vermoͤge des Glaubens,
durch welchen man in Chriſto erfunden wird.
Und daß GOTT bey der Erwehlung auf den
Glauben geſehen haben muͤſſe, das weiſet uns
die ſchon angefuͤhrte allgemeine Regel an:
Wer da glaͤubet, der ſoll ſelig werden.
Marc. 16, 16. Joh. 3, 17.
i. Stehet es nun alſo um die Erwehlung, ſo kan
ein glaͤubiges Kind GOttes, wenn es dieſe Re-
gel hoͤret, oder betrachtet: Wer da glaͤu-
bet, der ſoll ſelig werden, dieſe troͤſtliche
Application auf ſich ſelbſt machen, daß es ſa-
ge: Nun ich glaube, und will auch durch
GOttes Gnade im Glauben und dabey in
der Heyls-Ordnung verharren, darum
bin ich vermoͤge ſolcher allgemeinen Re-
gel und meiner eignen gewiſſen Applica-
tion verſichert, daß ich werde ewig ſelig
werden, das iſt, daß ich unter den Aus-
erwehlten bin.
k. Es findet demnach bey der Gnaden-Wahl
kein abſolutum decretum, oder unbedingter
Rath-Schluß GOttes ſtatt. Denn nach
dieſem muͤſte die Regel gantz umgekehret alſo
heiſſen: Wer da ſelig werden ſoll, der ſoll
auch glauben. Stuͤnde aber eine ſolche
Regel zum Grunde, ſo dependirete die Er-
wehlung nicht vom Glauben nach der goͤttli-
chen Vorherſehung, ſondern der Glaube von
der Erwehlung, alſo, daß, wenn iemand die
Application zum Glauben und im Glauben
auf ſich machen wolte, ihm die abſolute Er-
wehlung dergeſtalt im Wege ſtuͤnde, daß er
immer gedencken muͤſte: wie weiſſeſt du, daß
du erwehlet biſt, und zum Glauben kommen
kanſt, oder nicht? Und wie wuͤrde inſonder-
heit eine angefochtene Seele dabey zu rechte
kommen? wie auch eine ſolche bußfertige
Seele, welche, ehe ſie zu einiger rechten Glau-
bens-Kraft kommen kan, ſehr gegen das Ge-
fuͤhle ihrer Unwuͤrdigkeit zu kaͤmpfen hat, daß
ſie ſich dadurch von Chriſto nicht abhalten
laͤßt.
l. Von der Vorherſchung iſt ſonderlich noch
dieſes zu mercken, daß ſie zwar gewiß iſt, alſo
daß, was GOtt vorher ſiehet, daß es geſchehen
werde, das geſchiehet auch: aber daß ſie doch
keine Nothwendigkeit machet. Denn ſie ge-
hoͤret zum Verſtande GOttes, welcher an
ſich nichts wircket, ſondern nur das, was ge-
ſchiehet, vorher ſiehet, weil GOtt allwiſſend
iſt. Daher ſo wenig die itzige Wiſſenſchaft
GOttes, welche er von dem, was itzo geſchiehet,
gewiſſe hat, einen Einfluß in die itzigen Sachen
zu ihrer Nothwendigkeit giebt, ſo wenig giebt
ſie auch die Vorherſehung GOttes. Und ob-
gleich der Rathſchluß und die Wirckung des
Willens GOttes von der Vorherſehung des
Verſtandes unzertrennlich iſt; ſo hat ſich doch
GOtt genugſam erklaͤret, wie ſein Wille ſich
dabey verhalte, nemlich, daß er nach vorgedach-
ter allgemeinen Regel von einem abſoluten
Rathſchluſſe ferne ſey, und alſo keinen Einfluß
zur Nothwendigkeit des Glaubens, oder des
Unglaubens, der Erwehlung und der Verwer-
fung gebe.
3. Was von der Gnaden-Wahl bisher
vorgeſtellet iſt, und zwar nach erfoderung des
Worts πρόγνωσις, Vorherſehung, das wird
damit bekraͤftiget, wenn in unſerm Texte geſaget
wird; daß die Erwehlung geſchehen ſey nach der
Vorherſehung in der Heiligung des Geiſtes.
Da zu erwegen iſt:
a. Was die Heiligung des Geiſtes ſey: Sie
iſt nichts anders als die von GOtt gemachte
Heyls-Ordnung, darinnen ſich der Heilige
Geiſt zur Verklaͤrung Chriſti und zur Appli-
cation des von Chriſto erworbenen allgemei-
nen Heyls geſchaͤftig erweiſet. Und alſo gehoͤ-
ret dazu die gnaͤdige Beruffung durch das
Evangelium, die Bekehrung, oder Wieder-
geburt und darinnen die Anzuͤndung des Glau-
bens, und die damit verknuͤpfte und vom Glau-
ben entſtehende Rechtfertigung, nicht weniger
auch die Erneuerung mit der Erhaltung in der-
ſelben zur beſtaͤndigen Beharrung.
b. Wie dieſe Heiligung des Geiſtes bey
der
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