Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Cap. 3. v. 12. 13. Erklärung des Briefes Jacobi. [Spaltenumbruch]
sie darinnen zur Seligkeit nicht kommen kön-nen. Denn, es mit einem Gleichniß zu erläu- tern, was würde einem Künstler mit einem solchen Kunst-Stücke gedienet seyn, das er zwar dem Wesen nach für seine Arbeit erken- nete, welches aber dergestalt verderbet ist, daß er seinen täglichen Verdruß daran haben muß; Zumal da ers wider ihn selbst gemiß- brauchet siehet? d. Dieweil doch aber das Wesen des Men- schen, als ein Bild des göttlichen Wesens, nicht allein seine Güte von GOttes we- gen noch an sich hat, sondern demselben auch die gäntzliche Wiederherstellung und vorige Einrichtung zubereitet ist, und angedeyen soll, auch kan: so behält daher die menschliche Na- tur einen solchen Adel, nach welchem sie von GOttes wegen inviolabel ist, daß sich nie- mand mit Worten und Wercken, ohne sich an GOTT zu versündigen, aus Privat-Affe- cten daran vergreiffen kan. e. Jn Ansehung dessen heißt es 1 B. Mos. 9, 6. Wer Menschen-Blut (aus Privat Haß, oder Rache) vergeußt, deß Blut soll auch durch Menschen (durch das obrigkeitliche Schwerdt) vergossen werden. Denn GOtt hat den Menschen zu seinem Bilde ge- macht. f. Man hat demnach an einem ieden Menschen, wenn er auch noch so arg ist, auf gewisse Art GOttes Ebenbild zu veneriren, und sich da- her an keinem zu versündigen, da es nicht al- lein wider den Willen, sondern auch wider das Bild GOttes lauffet. 2. Das Wörtlein und zwischen den Wor- 3. Und dieses erläutert der Apostel mit ei- V. 13. Wer ist weise und klug unter euch? Anmerckungen. 1. Das Wort episemon, welches durch 2. Einen natürlicher Weise wohl aufge- 3. Dieweil man sich aber aus Eigenliebe 4. Weil denn nun zu einem solchen guten nem N n n 2
Cap. 3. v. 12. 13. Erklaͤrung des Briefes Jacobi. [Spaltenumbruch]
ſie darinnen zur Seligkeit nicht kommen koͤn-nen. Denn, es mit einem Gleichniß zu erlaͤu- tern, was wuͤrde einem Kuͤnſtler mit einem ſolchen Kunſt-Stuͤcke gedienet ſeyn, das er zwar dem Weſen nach fuͤr ſeine Arbeit erken- nete, welches aber dergeſtalt verderbet iſt, daß er ſeinen taͤglichen Verdruß daran haben muß; Zumal da ers wider ihn ſelbſt gemiß- brauchet ſiehet? d. Dieweil doch aber das Weſen des Men- ſchen, als ein Bild des goͤttlichen Weſens, nicht allein ſeine Guͤte von GOttes we- gen noch an ſich hat, ſondern demſelben auch die gaͤntzliche Wiederherſtellung und vorige Einrichtung zubereitet iſt, und angedeyen ſoll, auch kan: ſo behaͤlt daher die menſchliche Na- tur einen ſolchen Adel, nach welchem ſie von GOttes wegen inviolabel iſt, daß ſich nie- mand mit Worten und Wercken, ohne ſich an GOTT zu verſuͤndigen, aus Privat-Affe- cten daran vergreiffen kan. e. Jn Anſehung deſſen heißt es 1 B. Moſ. 9, 6. Wer Menſchen-Blut (aus Privat Haß, oder Rache) vergeußt, deß Blut ſoll auch durch Menſchen (durch das obrigkeitliche Schwerdt) vergoſſen werden. Denn GOtt hat den Menſchen zu ſeinem Bilde ge- macht. f. Man hat demnach an einem ieden Menſchen, wenn er auch noch ſo arg iſt, auf gewiſſe Art GOttes Ebenbild zu veneriren, und ſich da- her an keinem zu verſuͤndigen, da es nicht al- lein wider den Willen, ſondern auch wider das Bild GOttes lauffet. 2. Das Woͤrtlein und zwiſchen den Wor- 3. Und dieſes erlaͤutert der Apoſtel mit ei- V. 13. Wer iſt weiſe und klug unter euch? Anmerckungen. 1. Das Wort ἐπιςήμων, welches durch 2. Einen natuͤrlicher Weiſe wohl aufge- 3. Dieweil man ſich aber aus Eigenliebe 4. Weil denn nun zu einem ſolchen guten nem N n n 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <list> <item><pb facs="#f0469" n="467"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 3. v. 12. 13. Erklaͤrung des Briefes Jacobi.</hi></fw><lb/><cb/> ſie darinnen zur Seligkeit nicht kommen koͤn-<lb/> nen. Denn, es mit einem Gleichniß zu erlaͤu-<lb/> tern, was wuͤrde einem Kuͤnſtler mit einem<lb/> ſolchen Kunſt-Stuͤcke gedienet ſeyn, das er<lb/> zwar dem Weſen nach fuͤr ſeine Arbeit erken-<lb/> nete, welches aber dergeſtalt verderbet iſt,<lb/> daß er ſeinen taͤglichen Verdruß daran haben<lb/> muß; Zumal da ers wider ihn ſelbſt gemiß-<lb/> brauchet ſiehet?</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">d.</hi> Dieweil doch aber das Weſen des Men-<lb/> ſchen, als ein Bild des goͤttlichen Weſens,<lb/> nicht allein ſeine Guͤte von GOttes we-<lb/> gen noch an ſich hat, ſondern demſelben auch<lb/> die gaͤntzliche Wiederherſtellung und vorige<lb/> Einrichtung zubereitet iſt, und angedeyen ſoll,<lb/> auch kan: ſo behaͤlt daher die menſchliche Na-<lb/> tur einen ſolchen Adel, nach welchem ſie von<lb/> GOttes wegen <hi rendition="#aq">inviolabel</hi> iſt, daß ſich nie-<lb/> mand mit Worten und Wercken, ohne ſich<lb/> an GOTT zu verſuͤndigen, aus <hi rendition="#aq">Privat-Affe-<lb/> ct</hi>en daran vergreiffen kan.</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">e.</hi> Jn Anſehung deſſen heißt es 1 B. Moſ. 9, 6.<lb/><hi rendition="#fr">Wer Menſchen-Blut</hi> (aus <hi rendition="#aq">Privat</hi> Haß,<lb/> oder Rache) <hi rendition="#fr">vergeußt, deß Blut ſoll auch<lb/> durch Menſchen</hi> (durch das obrigkeitliche<lb/> Schwerdt) <hi rendition="#fr">vergoſſen werden. Denn GOtt<lb/> hat den Menſchen zu ſeinem Bilde ge-<lb/> macht.</hi></item><lb/> <item><hi rendition="#aq">f.</hi> Man hat demnach an einem ieden Menſchen,<lb/> wenn er auch noch ſo arg iſt, auf gewiſſe Art<lb/> GOttes Ebenbild zu <hi rendition="#aq">venerir</hi>en, und ſich da-<lb/> her an keinem zu verſuͤndigen, da es nicht al-<lb/> lein wider den Willen, ſondern auch wider<lb/> das Bild GOttes lauffet.</item> </list><lb/> <p>2. Das Woͤrtlein <hi rendition="#fr">und</hi> zwiſchen den Wor-<lb/> ten <hi rendition="#fr">GOtt-Vater,</hi> ſtehet nur, wie anderswo<lb/> oͤfter, Erklaͤrungsweiſe, und heißt ſo viel <hi rendition="#fr">als<lb/> GOtt, der da iſt der Vater.</hi> Es wird aber<lb/> mit beyden Worten auf den Dreyeinigen GOtt<lb/> geſehen, als der des Menſchen Schoͤpfer iſt;<lb/> wie es auch im erſten Buche Moſis c. 1, 26. der<lb/> Nachdruck der Worte: <hi rendition="#fr">Laſſet uns Menſchen<lb/> machen</hi> u. f. alſo mit ſich bringet. Wenn<lb/> nun der Apoſtel ſaget: <hi rendition="#fr">Durch die Zunge lo-<lb/> ben wir GOtt und fluchen den Menſchen,</hi><lb/> ſo redet er von dem, was ſolche Menſchen thun,<lb/> die ihre Zunge von der Hoͤlle entzuͤnden laſſen,<lb/> und doch dabey ſich, nach der Materie des an-<lb/> dern Capitels, des Glaubens mit dem Munde<lb/> ruͤhmen. Darum er auch hier zuſetzet: <hi rendition="#fr">es ſoll<lb/> nicht alſo ſeyn!</hi></p><lb/> <p>3. Und dieſes erlaͤutert der Apoſtel mit ei-<lb/> nem gedoppelten Gleichniſſe; da er das eine her-<lb/> nimmt von einerley Qvelle, das andere von der<lb/> unterſchiedenen Gattung zweener Baͤume, oder<lb/> Gewaͤchſe, eines Feigenbaums und eines Wein-<lb/> ſtocks. Mit dem erſten zeiget er an, daß ein ei-<lb/> niges <hi rendition="#aq">Principium,</hi> oder ein einiger Grund na-<lb/> tuͤrlicher Weiſe auch nur einerley Sache aus ſich<lb/> gebaͤre; mit dem andern, daß, wo hingegen eine<lb/> unterſchiedene Frucht iſt, auch ein Baum von<lb/> gantz unterſchiedener Natur zum Grunde liege.<lb/> Welches denn in der <hi rendition="#aq">Application</hi> ſoviel ſeyn<lb/> ſoll, als daß, obgleich die Erbſuͤnde, als ein boͤ-<lb/> ſer Grund, in uns iſt, auch noch nach der Bekeh-<lb/><cb/> rung in uns bleibet, ſie dennoch nicht alſo ben<lb/> uns herrſchen muͤſſe, daß ſowol aus dieſem boͤ-<lb/> ſen, als aus dem durch die Gnade in uns gelegten<lb/> guten Grunde, und aus der eroͤfneten reinen<lb/> Qvelle in gleichem Maſſe das boͤſe mit dem guten<lb/> hervor komme: als welches ſowenig bey einan-<lb/> der ſtehen koͤnne, ſo wenig eine einige Qvelle<lb/> zugleich ſuͤſſes und bitteres Waſſer gebe, und ſo<lb/> wenig ein Feigen-Baum Weintrauben trage,<lb/> oder ein Weinſtock Feigen, da ſie gantz unter-<lb/> ſchiedener Natur ſind. Es muͤſſe demnach die<lb/> durch die Gnade angerichtete gute Qvelle ſich<lb/> nur allein aͤuſſern, nemlich nach der Herrſchaft<lb/> uͤber die boͤſe, alſo daß auch davon die Benen-<lb/> nung geſchehen koͤnne: wie denn die Lateiner da-<lb/> her ſagen: <hi rendition="#aq">a potiori fic denominatio,</hi> man<lb/> muß eine Sache von dem benennen, was bey ihr<lb/> die Oberhand hat.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">V. 13.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#fr">Wer iſt weiſe und klug unter euch?<lb/> der erzeige mit ſeinem guten Wandel ſeine<lb/> Wercke in der Sanftmuth und Weisheit.</hi><lb/> (Gr. der Weisheit.)</p><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/> <p>1. Das Wort ἐπιςήμων, welches durch<lb/> klug uͤberſetzet iſt, und auf einen ſolchen Ver-<lb/> ſtand gehet, da man eine Sache recht weiß und<lb/> wohl inne hat, und alſo auch recht beurtheilen<lb/> kan, wird der Erlaͤuterung wegen zu dem Wor-<lb/> te <hi rendition="#fr">weiſe</hi> geſetzet, und damit angezeiget, daß<lb/> keine wahre Klugheit und Beurtheilung in de-<lb/> nen vorkommenden Dingen ſey, wo nicht die<lb/> wahre Weisheit zum Grunde liege.</p><lb/> <p>2. Einen natuͤrlicher Weiſe wohl <hi rendition="#fr">aufge-<lb/> raͤumten Verſtand</hi> haben, iſt eine groſſe Ga-<lb/> be GOttes; aber wahrhaftig erleuchtet ſeyn,<lb/> und mit dem geiſtlichen Leben auch das wahre<lb/> Licht der Weisheit haben, iſt unſchaͤtzbar, und<lb/> eines von den beyden Haupt-Stuͤcken, worinn<lb/> das Ebenbild GOttes beſtehet, und wieder muß<lb/> angerichtet werden. Darnach man ſich daher<lb/> billig zu beſtreben hat.</p><lb/> <p>3. Dieweil man ſich aber aus Eigenliebe<lb/> fuͤr weiſe und klug zu halten pfleget, da man es<lb/> nicht iſt, ſo fordert der Apoſtel den Erweis da-<lb/> von, der da im gantzen Wandel beſtehen ſoll.<lb/> Der <hi rendition="#fr">Wandel</hi> iſt das gantze Leben, wie es in-<lb/> nerlich vor GOtt und aͤuſſerlich vor GOtt und<lb/> Menſchen zugleich gefuͤhret wird, und auf Wor-<lb/> te, Wercke und die gantze Einrichtung gehet.<lb/> Dieſer Wandel ſoll nun <hi rendition="#fr">gut</hi> ſeyn, oder ſeine<lb/> rechte <hi rendition="#fr">Guͤte</hi> haben, nicht allein die natuͤrliche,<lb/> da man einem nichts boͤſes nachzuſagen weiß, ſon-<lb/> dern auch die uͤbernatuͤrliche, die aus dem Grun-<lb/> de der Salbung und der Gnade koͤmmt, und we-<lb/> gen ſolches guten Grundes auch beſtaͤndig iſt,<lb/> und die Probe haͤlt.</p><lb/> <p>4. Weil denn nun zu einem ſolchen guten<lb/> Wandel nicht genug iſt, daß man aͤuſſerlich<lb/><hi rendition="#fr">nichts boͤſes</hi> thue, andern zum Aergerniß, ſon-<lb/> dern auch erfordert wird, daß man als ein <hi rendition="#fr">guter<lb/> Baum</hi> die <hi rendition="#fr">Fruͤchte des Geiſtes</hi> an ſich erfin-<lb/> den laſſe, ſo ſaget der Apoſtel, man ſolle mit ſei-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">N n n 2</fw><fw place="bottom" type="catch">nem</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [467/0469]
Cap. 3. v. 12. 13. Erklaͤrung des Briefes Jacobi.
ſie darinnen zur Seligkeit nicht kommen koͤn-
nen. Denn, es mit einem Gleichniß zu erlaͤu-
tern, was wuͤrde einem Kuͤnſtler mit einem
ſolchen Kunſt-Stuͤcke gedienet ſeyn, das er
zwar dem Weſen nach fuͤr ſeine Arbeit erken-
nete, welches aber dergeſtalt verderbet iſt,
daß er ſeinen taͤglichen Verdruß daran haben
muß; Zumal da ers wider ihn ſelbſt gemiß-
brauchet ſiehet?
d. Dieweil doch aber das Weſen des Men-
ſchen, als ein Bild des goͤttlichen Weſens,
nicht allein ſeine Guͤte von GOttes we-
gen noch an ſich hat, ſondern demſelben auch
die gaͤntzliche Wiederherſtellung und vorige
Einrichtung zubereitet iſt, und angedeyen ſoll,
auch kan: ſo behaͤlt daher die menſchliche Na-
tur einen ſolchen Adel, nach welchem ſie von
GOttes wegen inviolabel iſt, daß ſich nie-
mand mit Worten und Wercken, ohne ſich
an GOTT zu verſuͤndigen, aus Privat-Affe-
cten daran vergreiffen kan.
e. Jn Anſehung deſſen heißt es 1 B. Moſ. 9, 6.
Wer Menſchen-Blut (aus Privat Haß,
oder Rache) vergeußt, deß Blut ſoll auch
durch Menſchen (durch das obrigkeitliche
Schwerdt) vergoſſen werden. Denn GOtt
hat den Menſchen zu ſeinem Bilde ge-
macht.
f. Man hat demnach an einem ieden Menſchen,
wenn er auch noch ſo arg iſt, auf gewiſſe Art
GOttes Ebenbild zu veneriren, und ſich da-
her an keinem zu verſuͤndigen, da es nicht al-
lein wider den Willen, ſondern auch wider
das Bild GOttes lauffet.
2. Das Woͤrtlein und zwiſchen den Wor-
ten GOtt-Vater, ſtehet nur, wie anderswo
oͤfter, Erklaͤrungsweiſe, und heißt ſo viel als
GOtt, der da iſt der Vater. Es wird aber
mit beyden Worten auf den Dreyeinigen GOtt
geſehen, als der des Menſchen Schoͤpfer iſt;
wie es auch im erſten Buche Moſis c. 1, 26. der
Nachdruck der Worte: Laſſet uns Menſchen
machen u. f. alſo mit ſich bringet. Wenn
nun der Apoſtel ſaget: Durch die Zunge lo-
ben wir GOtt und fluchen den Menſchen,
ſo redet er von dem, was ſolche Menſchen thun,
die ihre Zunge von der Hoͤlle entzuͤnden laſſen,
und doch dabey ſich, nach der Materie des an-
dern Capitels, des Glaubens mit dem Munde
ruͤhmen. Darum er auch hier zuſetzet: es ſoll
nicht alſo ſeyn!
3. Und dieſes erlaͤutert der Apoſtel mit ei-
nem gedoppelten Gleichniſſe; da er das eine her-
nimmt von einerley Qvelle, das andere von der
unterſchiedenen Gattung zweener Baͤume, oder
Gewaͤchſe, eines Feigenbaums und eines Wein-
ſtocks. Mit dem erſten zeiget er an, daß ein ei-
niges Principium, oder ein einiger Grund na-
tuͤrlicher Weiſe auch nur einerley Sache aus ſich
gebaͤre; mit dem andern, daß, wo hingegen eine
unterſchiedene Frucht iſt, auch ein Baum von
gantz unterſchiedener Natur zum Grunde liege.
Welches denn in der Application ſoviel ſeyn
ſoll, als daß, obgleich die Erbſuͤnde, als ein boͤ-
ſer Grund, in uns iſt, auch noch nach der Bekeh-
rung in uns bleibet, ſie dennoch nicht alſo ben
uns herrſchen muͤſſe, daß ſowol aus dieſem boͤ-
ſen, als aus dem durch die Gnade in uns gelegten
guten Grunde, und aus der eroͤfneten reinen
Qvelle in gleichem Maſſe das boͤſe mit dem guten
hervor komme: als welches ſowenig bey einan-
der ſtehen koͤnne, ſo wenig eine einige Qvelle
zugleich ſuͤſſes und bitteres Waſſer gebe, und ſo
wenig ein Feigen-Baum Weintrauben trage,
oder ein Weinſtock Feigen, da ſie gantz unter-
ſchiedener Natur ſind. Es muͤſſe demnach die
durch die Gnade angerichtete gute Qvelle ſich
nur allein aͤuſſern, nemlich nach der Herrſchaft
uͤber die boͤſe, alſo daß auch davon die Benen-
nung geſchehen koͤnne: wie denn die Lateiner da-
her ſagen: a potiori fic denominatio, man
muß eine Sache von dem benennen, was bey ihr
die Oberhand hat.
V. 13.
Wer iſt weiſe und klug unter euch?
der erzeige mit ſeinem guten Wandel ſeine
Wercke in der Sanftmuth und Weisheit.
(Gr. der Weisheit.)
Anmerckungen.
1. Das Wort ἐπιςήμων, welches durch
klug uͤberſetzet iſt, und auf einen ſolchen Ver-
ſtand gehet, da man eine Sache recht weiß und
wohl inne hat, und alſo auch recht beurtheilen
kan, wird der Erlaͤuterung wegen zu dem Wor-
te weiſe geſetzet, und damit angezeiget, daß
keine wahre Klugheit und Beurtheilung in de-
nen vorkommenden Dingen ſey, wo nicht die
wahre Weisheit zum Grunde liege.
2. Einen natuͤrlicher Weiſe wohl aufge-
raͤumten Verſtand haben, iſt eine groſſe Ga-
be GOttes; aber wahrhaftig erleuchtet ſeyn,
und mit dem geiſtlichen Leben auch das wahre
Licht der Weisheit haben, iſt unſchaͤtzbar, und
eines von den beyden Haupt-Stuͤcken, worinn
das Ebenbild GOttes beſtehet, und wieder muß
angerichtet werden. Darnach man ſich daher
billig zu beſtreben hat.
3. Dieweil man ſich aber aus Eigenliebe
fuͤr weiſe und klug zu halten pfleget, da man es
nicht iſt, ſo fordert der Apoſtel den Erweis da-
von, der da im gantzen Wandel beſtehen ſoll.
Der Wandel iſt das gantze Leben, wie es in-
nerlich vor GOtt und aͤuſſerlich vor GOtt und
Menſchen zugleich gefuͤhret wird, und auf Wor-
te, Wercke und die gantze Einrichtung gehet.
Dieſer Wandel ſoll nun gut ſeyn, oder ſeine
rechte Guͤte haben, nicht allein die natuͤrliche,
da man einem nichts boͤſes nachzuſagen weiß, ſon-
dern auch die uͤbernatuͤrliche, die aus dem Grun-
de der Salbung und der Gnade koͤmmt, und we-
gen ſolches guten Grundes auch beſtaͤndig iſt,
und die Probe haͤlt.
4. Weil denn nun zu einem ſolchen guten
Wandel nicht genug iſt, daß man aͤuſſerlich
nichts boͤſes thue, andern zum Aergerniß, ſon-
dern auch erfordert wird, daß man als ein guter
Baum die Fruͤchte des Geiſtes an ſich erfin-
den laſſe, ſo ſaget der Apoſtel, man ſolle mit ſei-
nem
N n n 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |