[Spaltenumbruch]Es trete ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennet.
6. Die Worte: davon ihr genennet seyd, lauten nach dem Griechischen eigentlich: welcher über euch angerufen ist. Welches sonderlich in der heiligen Taufe also geschehen war, daß sie von der heiligen Taufe an von dem Namen Christi Christen genennet wurden. Ap. Gesch. 11, 26. 1 Pet. 4, 16. Und da von der heili- gen Taufe ohne das verordnet war, daß sie solte geschehen, im Namen, oder auf dem Na- men, des Vaters, des Sohnes, und des Heili- gen Geistes: welches auch kürtzer ausgesprochen wurde, auf den Namen JEsu Christi, so ist es soviel vermuthlicher, daß Jacobus darauf gesehen habe: wiewol es auch der Hebraismus also mit sich bringet, daß, wenn eines Namen über einen genennet wird, als des Vaters über die Kinder, des Mannes über sein Weib, es soviel ist, als nach solchem Namen genennet werden. Jer. 14, 9. c. 15, 16.
V. 8. 9.
So ihr das königliche Gesetz (das GOtt nach seiner Königlichen Souverainität, über die Jsraeliten und alle übrige Völcker gege- ben hat) vollendet nach der Schrift (3 B. Mos. 19, 18.) Liebe deinen Nächsten, als dich selbst, so thut ihr wohl. So ihr aber die Person ansehet, thut ihr Sünde, und werdet gestrafet vom Gesetze, als die Uber- treter.
Anmerckungen.
1. Das Gesetz der Liebe heißt: ein Kö- nigliches Gesetze, von GOtt, als dem Könige nicht allein von Jsrael, sondern auch von allen Menschen: und wird damit gesehen auf die po- testatem Dei legis latoriam, auf das Recht und auf die Obermacht, welche GOtt hat, Ge- setze zu geben und darüber mit Nachdruck zu hal- ten: als davon das, was wir dißfals an den sou- verainen Königen auf Erden finden, nur ein schlechter Schatte ist. Und da in der Gesetzgebung auf dem Berge Sinai sich sonderlich der Sohn GOttes geoffenbaret hat; sintemal dieser, als der Engel des HErrn, die Kinder Jsrael in der Wolcken-Seule durch die Wüsten führete, und ihnen aus derselben das Gesetze vom Berge Sinai gab; und er eben bey den Propheten oft mit be- sonderm Nachdruck der König von Jsrael heißt, und in der Offenbarung Johannis genen- net wird der König aller Könige und der HErr aller HErren: c. 17, 14 c. 19, 16. so wird mit den Worten vom Königlichen Gesetze wol sonderlich auf den Sohn GOTTES gese- hen, auf welchen auch eigentlich gehet, was un- mittelbar vorher von dem guten Namen gesa- get wird. Dazu kömmt, daß Jacobus gar wohl wuste, wie hoch unser Heyland in seinen Reden und Predigten das Gesetz der Liebe eingeschärfet hatte. Man sehe Matth 22, 38. 39. Joh. 13, 34. c. 15, 12. 17. Siehe auch 1 Joh. 2, 5. c. 4, 20. Und da die Königliche Würde etwas hohes und herrliches ist; so wird denn auch folglich mit dem Worte Königlich, bey dem Worte Gesetze, auf desselben Vortreflichkeit und Allgemeinheit [Spaltenumbruch]
gesehen: daher auch eine allgemeine Land-Stras- se via regia, eine Königliche Strasse genennet wird; welche Redens-Art wir auch 4 B. Mos. 21, 22. finden.
2. Der Ort, worauf Jacobus siehet, ste- het 3 B. Mos. 19, 18. Du solst deinen Näch- sten lieben, als dich selbst: denn ich bin der HErr (dessen Willen dieses gemäß ist.) Bey wel- chen Worten zuvorderst dieses zu mercken ist, warum, da GOtt die Liebe gegen uns selbst zur Richtschnur der Liebe gegen den Nächsten setzet, in den zehen Geboten nicht insonderheit auch der Liebe gegen uns selbst gedacht sey? diß ist deßwegen geschehen, weil die Liebe gegen GOtt, welche wir ihm nach der ersten Tafel zu leisten haben, die Liebe gegen uns selbst schon mit in sich fasset. Denn was heißt sich selbst lieben, nemlich auf eine wohlgeordnete Art? nichts an- ders, als auf seine zeitliche, geistliche und ewige Wohlfahrt bedacht seyn, und sie also befördern, daß von der geistlichen auch die zeitliche dependi- re. Da nun diese Beförderung aller Wohlfahrt da- durch geschiehet, wenn wir im wahren Dienste GOttes stehen, an ihn glauben und ihn lieben; so siehet man, wie daß daraus die Liebe gegen uns selbst entstehe.
3. Es ist aber bey der Liebe gegen uns selbst vor allen Dingen der hochnöthige Unter- scheid zu mercken zwischen der ordentlichen, oder wohlgeordneten, und der mäßigen, oder ge- mäßigten Liebe. Denn da durch den Sünden- Fall, wie oben v. 14. 15. angezeiget ist, die Lust und Liebe gegen uns selbst gantz und gar verder- bet und unordentlich worden ist, also daß die Eigen-Liebe bey uns voller Abgötterey steckt; so ist es nicht genug, solche abgöttische Liebe nur von dem gröbern Ausbruche zu mäßigen; sintemal ei- ne also gemäßigte Eigen-Liebe nichts anders ist, als eine gemäßigte Sünde: sondern sie muß wohl geordnet und also aus einer unordent- lichen eine ordentliche Liebe werden. Dieses ge- schiehet nun in der Heyls-Ordnung, und hebet sich an in der Verleugnung und Absterbung der sündlichen Eigen-Liebe, als welche unserer wah- ren Wohlfahrt gerade entgegen stehet; und wird damit geübet und erwecket, wenn wir in der Ord- nung, die uns GOtt in seinem Worte nach dem Evangelio und Gesetze angewiesen hat, unser geistliches und ewiges Heyl, und dabey auch auf eine gehörtge Art unser zeitliches Wohlseyn suchen und wircklich befördern.
4. Jst nun die Liebe gegen uns selbst erst wohl geordnet, so ist sie denn eine Regel von der wohlgeordneten Liebe gegen den Nächsten. Da- von unser Heyland den Grund anweiset, wenn er Matth. 7, 12. spricht: Alles, was ihr wollet, das euch die Leute thun sollen, das thut ihr ihnen. Wenn nun die Liebe bey einem selbst wohl rectificiret ist, und man bey sich so fort fin- det, was es sey, das man von andern sich selbst gern gethan, oder gelassen wissen wolte; so hat man dabey sofort auch die Vorschrift, was man dem Nächsten thun solle. Und bey der Vorschrift findet sich auch die Verbindung im Gewissen, nicht allein weil es GOtt gesaget hat, und so ha-
ben
Richtige und erbauliche Cap. 2. v. 6-9.
[Spaltenumbruch]Es trete ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Chriſti nennet.
6. Die Worte: davon ihr genennet ſeyd, lauten nach dem Griechiſchen eigentlich: welcher uͤber euch angerufen iſt. Welches ſonderlich in der heiligen Taufe alſo geſchehen war, daß ſie von der heiligen Taufe an von dem Namen Chriſti Chriſten genennet wurden. Ap. Geſch. 11, 26. 1 Pet. 4, 16. Und da von der heili- gen Taufe ohne das verordnet war, daß ſie ſolte geſchehen, im Namen, oder auf dem Na- men, des Vaters, des Sohnes, und des Heili- gen Geiſtes: welches auch kuͤrtzer ausgeſprochen wurde, auf den Namen JEſu Chriſti, ſo iſt es ſoviel vermuthlicher, daß Jacobus darauf geſehen habe: wiewol es auch der Hebraiſmus alſo mit ſich bringet, daß, wenn eines Namen uͤber einen genennet wird, als des Vaters uͤber die Kinder, des Mannes uͤber ſein Weib, es ſoviel iſt, als nach ſolchem Namen genennet werden. Jer. 14, 9. c. 15, 16.
V. 8. 9.
So ihr das koͤnigliche Geſetz (das GOtt nach ſeiner Koͤniglichen Souverainitaͤt, uͤber die Jſraeliten und alle uͤbrige Voͤlcker gege- ben hat) vollendet nach der Schrift (3 B. Moſ. 19, 18.) Liebe deinen Naͤchſten, als dich ſelbſt, ſo thut ihr wohl. So ihr aber die Perſon anſehet, thut ihr Suͤnde, und werdet geſtrafet vom Geſetze, als die Uber- treter.
Anmerckungen.
1. Das Geſetz der Liebe heißt: ein Koͤ- nigliches Geſetze, von GOtt, als dem Koͤnige nicht allein von Jſrael, ſondern auch von allen Menſchen: und wird damit geſehen auf die po- teſtatem Dei legis latoriam, auf das Recht und auf die Obermacht, welche GOtt hat, Ge- ſetze zu geben und daruͤber mit Nachdruck zu hal- ten: als davon das, was wir dißfals an den ſou- verainen Koͤnigen auf Erden finden, nur ein ſchlechter Schatte iſt. Und da in der Geſetzgebung auf dem Berge Sinai ſich ſonderlich der Sohn GOttes geoffenbaret hat; ſintemal dieſer, als der Engel des HErrn, die Kinder Jſrael in der Wolcken-Seule durch die Wuͤſten fuͤhrete, und ihnen aus derſelben das Geſetze vom Berge Sinai gab; und er eben bey den Propheten oft mit be- ſonderm Nachdruck der Koͤnig von Jſrael heißt, und in der Offenbarung Johannis genen- net wird der Koͤnig aller Koͤnige und der HErr aller HErren: c. 17, 14 c. 19, 16. ſo wird mit den Worten vom Koͤniglichen Geſetze wol ſonderlich auf den Sohn GOTTES geſe- hen, auf welchen auch eigentlich gehet, was un- mittelbar vorher von dem guten Namen geſa- get wird. Dazu koͤmmt, daß Jacobus gar wohl wuſte, wie hoch unſer Heyland in ſeinen Reden und Predigten das Geſetz der Liebe eingeſchaͤrfet hatte. Man ſehe Matth 22, 38. 39. Joh. 13, 34. c. 15, 12. 17. Siehe auch 1 Joh. 2, 5. c. 4, 20. Und da die Koͤnigliche Wuͤrde etwas hohes und herrliches iſt; ſo wird denn auch folglich mit dem Worte Koͤniglich, bey dem Worte Geſetze, auf deſſelben Vortreflichkeit und Allgemeinheit [Spaltenumbruch]
geſehen: daher auch eine allgemeine Land-Straſ- ſe via regia, eine Koͤnigliche Straſſe genennet wird; welche Redens-Art wir auch 4 B. Moſ. 21, 22. finden.
2. Der Ort, worauf Jacobus ſiehet, ſte- het 3 B. Moſ. 19, 18. Du ſolſt deinen Naͤch- ſten lieben, als dich ſelbſt: denn ich bin der HErr (deſſen Willen dieſes gemaͤß iſt.) Bey wel- chen Worten zuvorderſt dieſes zu mercken iſt, warum, da GOtt die Liebe gegen uns ſelbſt zur Richtſchnur der Liebe gegen den Naͤchſten ſetzet, in den zehen Geboten nicht inſonderheit auch der Liebe gegen uns ſelbſt gedacht ſey? diß iſt deßwegen geſchehen, weil die Liebe gegen GOtt, welche wir ihm nach der erſten Tafel zu leiſten haben, die Liebe gegen uns ſelbſt ſchon mit in ſich faſſet. Denn was heißt ſich ſelbſt lieben, nemlich auf eine wohlgeordnete Art? nichts an- ders, als auf ſeine zeitliche, geiſtliche und ewige Wohlfahrt bedacht ſeyn, und ſie alſo befoͤrdern, daß von der geiſtlichen auch die zeitliche dependi- re. Da nun dieſe Befoͤrderung aller Wohlfahrt da- durch geſchiehet, wenn wir im wahren Dienſte GOttes ſtehen, an ihn glauben und ihn lieben; ſo ſiehet man, wie daß daraus die Liebe gegen uns ſelbſt entſtehe.
3. Es iſt aber bey der Liebe gegen uns ſelbſt vor allen Dingen der hochnoͤthige Unter- ſcheid zu mercken zwiſchen der ordentlichen, oder wohlgeordneten, und der maͤßigen, oder ge- maͤßigten Liebe. Denn da durch den Suͤnden- Fall, wie oben v. 14. 15. angezeiget iſt, die Luſt und Liebe gegen uns ſelbſt gantz und gar verder- bet und unordentlich worden iſt, alſo daß die Eigen-Liebe bey uns voller Abgoͤtterey ſteckt; ſo iſt es nicht genug, ſolche abgoͤttiſche Liebe nur von dem groͤbern Ausbruche zu maͤßigen; ſintemal ei- ne alſo gemaͤßigte Eigen-Liebe nichts anders iſt, als eine gemaͤßigte Suͤnde: ſondern ſie muß wohl geordnet und alſo aus einer unordent- lichen eine ordentliche Liebe werden. Dieſes ge- ſchiehet nun in der Heyls-Ordnung, und hebet ſich an in der Verleugnung und Abſterbung der ſuͤndlichen Eigen-Liebe, als welche unſerer wah- ren Wohlfahrt gerade entgegen ſtehet; und wird damit geuͤbet und erwecket, wenn wir in der Ord- nung, die uns GOtt in ſeinem Worte nach dem Evangelio und Geſetze angewieſen hat, unſer geiſtliches und ewiges Heyl, und dabey auch auf eine gehoͤrtge Art unſer zeitliches Wohlſeyn ſuchen und wircklich befoͤrdern.
4. Jſt nun die Liebe gegen uns ſelbſt erſt wohl geordnet, ſo iſt ſie denn eine Regel von der wohlgeordneten Liebe gegen den Naͤchſten. Da- von unſer Heyland den Grund anweiſet, wenn er Matth. 7, 12. ſpricht: Alles, was ihr wollet, das euch die Leute thun ſollen, das thut ihr ihnen. Wenn nun die Liebe bey einem ſelbſt wohl rectificiret iſt, und man bey ſich ſo fort fin- det, was es ſey, das man von andern ſich ſelbſt gern gethan, oder gelaſſen wiſſen wolte; ſo hat man dabey ſofort auch die Vorſchrift, was man dem Naͤchſten thun ſolle. Und bey der Vorſchrift findet ſich auch die Verbindung im Gewiſſen, nicht allein weil es GOtt geſaget hat, und ſo ha-
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[452/0454]
Richtige und erbauliche Cap. 2. v. 6-9.
Es trete ab von der Ungerechtigkeit, wer
den Namen Chriſti nennet.
6. Die Worte: davon ihr genennet
ſeyd, lauten nach dem Griechiſchen eigentlich:
welcher uͤber euch angerufen iſt. Welches
ſonderlich in der heiligen Taufe alſo geſchehen
war, daß ſie von der heiligen Taufe an von dem
Namen Chriſti Chriſten genennet wurden. Ap.
Geſch. 11, 26. 1 Pet. 4, 16. Und da von der heili-
gen Taufe ohne das verordnet war, daß ſie ſolte
geſchehen, im Namen, oder auf dem Na-
men, des Vaters, des Sohnes, und des Heili-
gen Geiſtes: welches auch kuͤrtzer ausgeſprochen
wurde, auf den Namen JEſu Chriſti, ſo
iſt es ſoviel vermuthlicher, daß Jacobus darauf
geſehen habe: wiewol es auch der Hebraiſmus
alſo mit ſich bringet, daß, wenn eines Namen
uͤber einen genennet wird, als des Vaters uͤber
die Kinder, des Mannes uͤber ſein Weib, es ſoviel
iſt, als nach ſolchem Namen genennet werden.
Jer. 14, 9. c. 15, 16.
V. 8. 9.
So ihr das koͤnigliche Geſetz (das
GOtt nach ſeiner Koͤniglichen Souverainitaͤt,
uͤber die Jſraeliten und alle uͤbrige Voͤlcker gege-
ben hat) vollendet nach der Schrift (3 B.
Moſ. 19, 18.) Liebe deinen Naͤchſten, als
dich ſelbſt, ſo thut ihr wohl. So ihr aber
die Perſon anſehet, thut ihr Suͤnde, und
werdet geſtrafet vom Geſetze, als die Uber-
treter.
Anmerckungen.
1. Das Geſetz der Liebe heißt: ein Koͤ-
nigliches Geſetze, von GOtt, als dem Koͤnige
nicht allein von Jſrael, ſondern auch von allen
Menſchen: und wird damit geſehen auf die po-
teſtatem Dei legis latoriam, auf das Recht
und auf die Obermacht, welche GOtt hat, Ge-
ſetze zu geben und daruͤber mit Nachdruck zu hal-
ten: als davon das, was wir dißfals an den ſou-
verainen Koͤnigen auf Erden finden, nur ein
ſchlechter Schatte iſt. Und da in der Geſetzgebung
auf dem Berge Sinai ſich ſonderlich der Sohn
GOttes geoffenbaret hat; ſintemal dieſer, als
der Engel des HErrn, die Kinder Jſrael in der
Wolcken-Seule durch die Wuͤſten fuͤhrete, und
ihnen aus derſelben das Geſetze vom Berge Sinai
gab; und er eben bey den Propheten oft mit be-
ſonderm Nachdruck der Koͤnig von Jſrael
heißt, und in der Offenbarung Johannis genen-
net wird der Koͤnig aller Koͤnige und der
HErr aller HErren: c. 17, 14 c. 19, 16. ſo wird
mit den Worten vom Koͤniglichen Geſetze wol
ſonderlich auf den Sohn GOTTES geſe-
hen, auf welchen auch eigentlich gehet, was un-
mittelbar vorher von dem guten Namen geſa-
get wird. Dazu koͤmmt, daß Jacobus gar wohl
wuſte, wie hoch unſer Heyland in ſeinen Reden
und Predigten das Geſetz der Liebe eingeſchaͤrfet
hatte. Man ſehe Matth 22, 38. 39. Joh. 13, 34.
c. 15, 12. 17. Siehe auch 1 Joh. 2, 5. c. 4, 20. Und
da die Koͤnigliche Wuͤrde etwas hohes und
herrliches iſt; ſo wird denn auch folglich mit
dem Worte Koͤniglich, bey dem Worte Geſetze,
auf deſſelben Vortreflichkeit und Allgemeinheit
geſehen: daher auch eine allgemeine Land-Straſ-
ſe via regia, eine Koͤnigliche Straſſe genennet
wird; welche Redens-Art wir auch 4 B. Moſ.
21, 22. finden.
2. Der Ort, worauf Jacobus ſiehet, ſte-
het 3 B. Moſ. 19, 18. Du ſolſt deinen Naͤch-
ſten lieben, als dich ſelbſt: denn ich bin der
HErr (deſſen Willen dieſes gemaͤß iſt.) Bey wel-
chen Worten zuvorderſt dieſes zu mercken iſt,
warum, da GOtt die Liebe gegen uns ſelbſt
zur Richtſchnur der Liebe gegen den Naͤchſten
ſetzet, in den zehen Geboten nicht inſonderheit
auch der Liebe gegen uns ſelbſt gedacht ſey? diß
iſt deßwegen geſchehen, weil die Liebe gegen
GOtt, welche wir ihm nach der erſten Tafel zu
leiſten haben, die Liebe gegen uns ſelbſt ſchon mit
in ſich faſſet. Denn was heißt ſich ſelbſt lieben,
nemlich auf eine wohlgeordnete Art? nichts an-
ders, als auf ſeine zeitliche, geiſtliche und ewige
Wohlfahrt bedacht ſeyn, und ſie alſo befoͤrdern,
daß von der geiſtlichen auch die zeitliche dependi-
re. Da nun dieſe Befoͤrderung aller Wohlfahrt da-
durch geſchiehet, wenn wir im wahren Dienſte
GOttes ſtehen, an ihn glauben und ihn lieben;
ſo ſiehet man, wie daß daraus die Liebe gegen uns
ſelbſt entſtehe.
3. Es iſt aber bey der Liebe gegen uns
ſelbſt vor allen Dingen der hochnoͤthige Unter-
ſcheid zu mercken zwiſchen der ordentlichen, oder
wohlgeordneten, und der maͤßigen, oder ge-
maͤßigten Liebe. Denn da durch den Suͤnden-
Fall, wie oben v. 14. 15. angezeiget iſt, die Luſt
und Liebe gegen uns ſelbſt gantz und gar verder-
bet und unordentlich worden iſt, alſo daß die
Eigen-Liebe bey uns voller Abgoͤtterey ſteckt; ſo
iſt es nicht genug, ſolche abgoͤttiſche Liebe nur von
dem groͤbern Ausbruche zu maͤßigen; ſintemal ei-
ne alſo gemaͤßigte Eigen-Liebe nichts anders
iſt, als eine gemaͤßigte Suͤnde: ſondern ſie
muß wohl geordnet und alſo aus einer unordent-
lichen eine ordentliche Liebe werden. Dieſes ge-
ſchiehet nun in der Heyls-Ordnung, und hebet
ſich an in der Verleugnung und Abſterbung der
ſuͤndlichen Eigen-Liebe, als welche unſerer wah-
ren Wohlfahrt gerade entgegen ſtehet; und wird
damit geuͤbet und erwecket, wenn wir in der Ord-
nung, die uns GOtt in ſeinem Worte nach dem
Evangelio und Geſetze angewieſen hat, unſer
geiſtliches und ewiges Heyl, und dabey auch auf
eine gehoͤrtge Art unſer zeitliches Wohlſeyn ſuchen
und wircklich befoͤrdern.
4. Jſt nun die Liebe gegen uns ſelbſt erſt
wohl geordnet, ſo iſt ſie denn eine Regel von der
wohlgeordneten Liebe gegen den Naͤchſten. Da-
von unſer Heyland den Grund anweiſet, wenn er
Matth. 7, 12. ſpricht: Alles, was ihr wollet,
das euch die Leute thun ſollen, das thut ihr
ihnen. Wenn nun die Liebe bey einem ſelbſt
wohl rectificiret iſt, und man bey ſich ſo fort fin-
det, was es ſey, das man von andern ſich ſelbſt
gern gethan, oder gelaſſen wiſſen wolte; ſo hat
man dabey ſofort auch die Vorſchrift, was man
dem Naͤchſten thun ſolle. Und bey der Vorſchrift
findet ſich auch die Verbindung im Gewiſſen,
nicht allein weil es GOtt geſaget hat, und ſo ha-
ben
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/454>, abgerufen am 23.11.2024.
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Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.