Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Cap. 2. v. 6-7. Erklärung des Briefes Jacobi. [Spaltenumbruch]
GOtt hat euch erwehlet vom Anfang zurSeligkeit/ in der Heiligung des Geistes und im Glauben der Wahrheit. Da nicht allein des Glaubens gedacht wird, sondern auch der Heiligung des Geistes, zur Anzeigung, woher der Glaube komme und wie die Erwehlung auf die Heyls-Ordnung gehe. V. 6. 7. Jhr aber habt dem Armen Unehre Anmerckungen. 1. Es könnte zwar wol das Ansehen haben, 2. Verstehet man es nun von solchen, so 3. Und so hat man denn auch die Verläste- 4. Man hat demnach bey dieser bestrafeten a. Daß es keines weges im Gewissen vor GOtt hinlänglich sey, zu sagen: ich habe das Recht vor mir; dieser und jener ist mir so und soviel schul- dig: kan er nicht bezahlen, so nehme ich ihm das Seinige u. s. w. sondern da soll man las- sen die Liebe und Erbarmung statt finden; son- derlich gegen solche arme Leute, die durch ge- wisse Unglücks-Fälle in Armuth gerathen sind. Gewiß wenn man nur die von CHristo selbst eingeschärfte Regel des Rechts der Natur be- trachtete: was ihr wollet, das euch die Leu- te thun sollen, das thut ihr ihnen Matth. 7, 12. so würde man gantz anders verfahren. Und wo bleibet die Regel Christi: wenn ihr leihet, von denen ihr hoffet zu nehmen (nicht allein das Capital, sondern auch In- teressen) was Dancks habet ihr davon? denn die Sünder leihen den Sündern auch, auf daß sie gleiches wieder neh- men. - - - Leihet, da ihr nichts dafür hoffet, so wird euer Lohn groß seyn, und werdet Kinder des Allerhöchsten sey. Daß aber dieses von den Armen nicht müße gemißbrauchet werden, wie auf vielerley Art geschehen kan, das ist leichtlich zu erachten. b. Daß einem vor GOtt dasjenige zugerechnet werde, als hätte man es selbst gethan, wozu man also Gelegenheit giebet, daß man es verursa- chet. Denn obgleich der, welcher solche Gele- genheit ergreifet, deßwegen keines weges ent- schuldiget ist; so ladet man doch ihrent wegen eine Schuld auf sich. c. Daß man sich so viel mehr nicht allein vor würcklichem Aergernisse, sondern auch vor al- lem bösen Schein so viel sorgfältiger zu hüten habe, so viel besser der Name und die Meynung ist, darinn man bey andern Leuten stehet. 5. Der Name, dessen alhier gedacht wird, Es L l l 2
Cap. 2. v. 6-7. Erklaͤrung des Briefes Jacobi. [Spaltenumbruch]
GOtt hat euch erwehlet vom Anfang zurSeligkeit/ in der Heiligung des Geiſtes und im Glauben der Wahrheit. Da nicht allein des Glaubens gedacht wird, ſondern auch der Heiligung des Geiſtes, zur Anzeigung, woher der Glaube komme und wie die Erwehlung auf die Heyls-Ordnung gehe. V. 6. 7. Jhr aber habt dem Armen Unehre Anmerckungen. 1. Es koͤnnte zwar wol das Anſehen haben, 2. Verſtehet man es nun von ſolchen, ſo 3. Und ſo hat man denn auch die Verlaͤſte- 4. Man hat demnach bey dieſer beſtrafeten a. Daß es keines weges im Gewiſſen vor GOtt hinlaͤnglich ſey, zu ſagen: ich habe das Recht vor mir; dieſer und jener iſt mir ſo und ſoviel ſchul- dig: kan er nicht bezahlen, ſo nehme ich ihm das Seinige u. ſ. w. ſondern da ſoll man laſ- ſen die Liebe und Erbarmung ſtatt finden; ſon- derlich gegen ſolche arme Leute, die durch ge- wiſſe Ungluͤcks-Faͤlle in Armuth gerathen ſind. Gewiß wenn man nur die von CHriſto ſelbſt eingeſchaͤrfte Regel des Rechts der Natur be- trachtete: was ihr wollet, das euch die Leu- te thun ſollen, das thut ihr ihnen Matth. 7, 12. ſo wuͤrde man gantz anders verfahren. Und wo bleibet die Regel Chriſti: wenn ihr leihet, von denen ihr hoffet zu nehmen (nicht allein das Capital, ſondern auch In- tereſſen) was Dancks habet ihr davon? denn die Suͤnder leihen den Suͤndern auch, auf daß ſie gleiches wieder neh- men. ‒ ‒ ‒ Leihet, da ihr nichts dafuͤr hoffet, ſo wird euer Lohn groß ſeyn, und werdet Kinder des Allerhoͤchſten ſey. Daß aber dieſes von den Armen nicht muͤße gemißbrauchet werden, wie auf vielerley Art geſchehen kan, das iſt leichtlich zu erachten. b. Daß einem vor GOtt dasjenige zugerechnet werde, als haͤtte man es ſelbſt gethan, wozu man alſo Gelegenheit giebet, daß man es verurſa- chet. Denn obgleich der, welcher ſolche Gele- genheit ergreifet, deßwegen keines weges ent- ſchuldiget iſt; ſo ladet man doch ihrent wegen eine Schuld auf ſich. c. Daß man ſich ſo viel mehr nicht allein vor wuͤrcklichem Aergerniſſe, ſondern auch vor al- lem boͤſen Schein ſo viel ſorgfaͤltiger zu huͤten habe, ſo viel beſſer der Name und die Meynung iſt, darinn man bey andern Leuten ſtehet. 5. Der Name, deſſen alhier gedacht wird, Es L l l 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0453" n="451"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 2. v. 6-7. Erklaͤrung des Briefes Jacobi.</hi></fw><lb/><cb/><hi rendition="#fr">GOtt hat euch erwehlet vom Anfang zur<lb/> Seligkeit/ in der Heiligung des Geiſtes<lb/> und im Glauben der Wahrheit.</hi> Da nicht<lb/> allein des <hi rendition="#fr">Glaubens</hi> gedacht wird, ſondern auch<lb/> der <hi rendition="#fr">Heiligung des Geiſtes,</hi> zur Anzeigung,<lb/> woher der Glaube komme und wie die Erwehlung<lb/> auf die Heyls-Ordnung gehe.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">V. 6. 7.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Jhr aber habt dem Armen Unehre<lb/> gethan. Sind nicht die Reichen die, die<lb/> Gewalt an euch uͤben, und ziehen euch vor<lb/> Gerichte? Verlaͤſtern ſie nicht den guten<lb/> Namen, davon ihr genennet ſeyd.</hi> </p><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/> <p>1. Es koͤnnte zwar wol das Anſehen haben,<lb/> als wenn der Apoſtel alhier ſolche Reichen und<lb/> maͤchtigen verſtuͤnde, welche auſſer der Kirche<lb/> Chriſti waren: allein obgleich dieſelbe nicht aus-<lb/> geſchloſſen ſind: ſo zeuget doch der Context an,<lb/> daß eigentlich von ſolchen Reichen die Rede ſey,<lb/> welche ſich mit zu der Chriſtlichen Gemeine der<lb/> Erkenntniß nach gehalten, ſich aber als ſchlechte<lb/> Chriſten erwieſen haben, ſonderlich aus Verlei-<lb/> tung ihres Reichthums,</p><lb/> <p>2. Verſtehet man es nun von ſolchen, ſo<lb/> hat man das, was von dem Gewalt- uͤben und<lb/> vor Gerichte ziehen geſaget wird, nicht von einer<lb/> oͤffentlichen Verfolgung, welche um der Criſtli-<lb/> chen Religion willen geſchehen ſey, ſondern von<lb/> den Gerichts-Proceſſen anzunehmen: da nem-<lb/> lich die Reichen die Armen gewiſſer Schulden<lb/> wegen vor den Heydniſchen Gerichten verklaget<lb/> und nach dem ſtrengſten Rechte, welches nach dem<lb/> Lateiniſchen Sprichwort: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Summum jus ſum-<lb/> ma ſæpe injuria,</hi></hi> oft eine rechte Gewaltthaͤtigkeit<lb/> geweſen iſt, mit ihnen verfahꝛen haben. Als derglei-<lb/> chen etwas unter den Corinthiern geſchehen war,<lb/> beſtrafet es der Apoſtel an ihnen gar nachdruͤck-<lb/> lich, wenn er 1 Cor. 6, 2, u. f. ſpricht: <hi rendition="#fr">Wie darf<lb/> iemand, ſo er einen Handel hat mit dem<lb/> andern, hadern vor den Ungerechten, und<lb/> nicht vor den Heiligen</hi> u. ſ. w.</p><lb/> <p>3. Und ſo hat man denn auch die <hi rendition="#fr">Verlaͤſte-<lb/> rung des Namens</hi> GOttes nicht alſo zu ver-<lb/> ſtehen, als wenn es foͤrmlich geſchehen waͤre, wie<lb/> es von den Heyden und unglaͤubigen Juden ge-<lb/> ſchahe; ſondern davon, daß die Reichen mit ihrem<lb/> ſo harten Verfahren den Heyden <hi rendition="#fr">Gelegenheit</hi><lb/> zur Verlaͤſterung gegeben haben. Denn es wer-<lb/> den ſich dieſe derſelben wohl arg genug bedienet<lb/> und geſaget haben: die Leute haͤtten unter ſich ein ſo<lb/> ernſtliches Geſetze der Liebe, ſie lieſſen ſich auch von<lb/> einem Heylande nennen, der, zum Exempel der<lb/> Nachfolge, ſo viel Unrecht erduldet, und ihnen<lb/> das Gebot der Verleugnung ſo hoch anbefohlen<lb/> haͤtte: allein ſie erwieſen nichts weniger in der<lb/> That; und alſo moͤchte auch wol ihre gantze Re-<lb/> ligion ohne Grund ſeyn: und wie die uͤblen Fol-<lb/> gerungen in noch viel haͤrtern Worten zur Ver-<lb/> unehrung des Namens GOttes noch ſonſt gelau-<lb/> tet haben moͤgen. Jm gleichen Verſtande ſpricht<lb/> Paulus von den Juden Roͤm. 2, 23. 24. <hi rendition="#fr">Du ruͤh-<lb/> meſt dich des Geſetzes, und ſchaͤndeſt GOtt<lb/><cb/> durch Ubertretung des Geſetzes. Denn eu-<lb/> rent halben wird GOttes Name gelaͤſtert<lb/> unter den Heyden.</hi> Siehe, wie 2 Pet. 2, 2.<lb/> dergleichen von den verfuͤhriſchen und ketzeriſchen<lb/> Menſchen geſaget wird, daß <hi rendition="#fr">um ihrent willen</hi><lb/> (wie das <hi rendition="#fr">durch welche</hi> eigentlich uͤberſetzet wer-<lb/> den ſolte) <hi rendition="#fr">der Weg der Wahrheit verlaͤſtert<lb/> werde.</hi> Man ſehe auch Ezech. 36, 22. Wie ſorg-<lb/> faͤltig man aber alle ſolche Verlaͤſterung verhuͤ-<lb/> ten ſolle, ſehe man Roͤm. 14, 16. 1 Tim. 6, 1.<lb/> Tit. 2, 5, 10.</p><lb/> <p>4. Man hat demnach bey dieſer beſtrafeten<lb/> Unart der Reichen folgende gute Erinnerung zu<lb/> nehmen:</p><lb/> <list> <item><hi rendition="#aq">a.</hi> Daß es keines weges im Gewiſſen vor GOtt<lb/> hinlaͤnglich ſey, zu ſagen: ich habe das Recht vor<lb/> mir; dieſer und jener iſt mir ſo und ſoviel ſchul-<lb/> dig: kan er nicht bezahlen, ſo nehme ich ihm<lb/> das Seinige u. ſ. w. ſondern da ſoll man laſ-<lb/> ſen die Liebe und Erbarmung ſtatt finden; ſon-<lb/> derlich gegen ſolche arme Leute, die durch ge-<lb/> wiſſe Ungluͤcks-Faͤlle in Armuth gerathen ſind.<lb/> Gewiß wenn man nur die von CHriſto ſelbſt<lb/> eingeſchaͤrfte Regel des Rechts der Natur be-<lb/> trachtete: <hi rendition="#fr">was ihr wollet, das euch die Leu-<lb/> te thun ſollen, das thut ihr ihnen</hi> Matth.<lb/> 7, 12. ſo wuͤrde man gantz anders verfahren.<lb/> Und wo bleibet die Regel Chriſti: <hi rendition="#fr">wenn ihr<lb/> leihet, von denen ihr hoffet zu nehmen</hi><lb/> (nicht allein das Capital, ſondern auch <hi rendition="#aq">In-<lb/> tereſſen</hi>) <hi rendition="#fr">was Dancks habet ihr davon?<lb/> denn die Suͤnder leihen den Suͤndern<lb/> auch, auf daß ſie gleiches wieder neh-<lb/> men. ‒ ‒ ‒ Leihet, da ihr nichts dafuͤr<lb/> hoffet, ſo wird euer Lohn groß ſeyn,<lb/> und werdet Kinder des Allerhoͤchſten<lb/> ſey.</hi> Daß aber dieſes von den Armen nicht<lb/> muͤße gemißbrauchet werden, wie auf vielerley<lb/> Art geſchehen kan, das iſt leichtlich zu erachten.</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">b.</hi> Daß einem vor GOtt dasjenige zugerechnet<lb/> werde, als haͤtte man es ſelbſt gethan, wozu man<lb/> alſo Gelegenheit giebet, daß man es verurſa-<lb/> chet. Denn obgleich der, welcher ſolche Gele-<lb/> genheit ergreifet, deßwegen keines weges ent-<lb/> ſchuldiget iſt; ſo ladet man doch ihrent wegen<lb/> eine Schuld auf ſich.</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">c.</hi> Daß man ſich ſo viel mehr nicht allein vor<lb/> wuͤrcklichem Aergerniſſe, ſondern auch vor al-<lb/> lem boͤſen Schein ſo viel ſorgfaͤltiger zu huͤten<lb/> habe, ſo viel beſſer der Name und die Meynung<lb/> iſt, darinn man bey andern Leuten ſtehet.</item> </list><lb/> <p>5. Der <hi rendition="#fr">Name,</hi> deſſen alhier gedacht wird,<lb/> iſt der Name <hi rendition="#fr">Chriſti,</hi> und, welches auf eines ge-<lb/> het, der Name <hi rendition="#fr">des HErrn,</hi> und alſo mit dem<lb/> Namen <hi rendition="#fr">der <hi rendition="#g">HERR</hi></hi> ſelbſt ſamt der gantzen<lb/> Chriſtlichen Religion und Kirche, welche nebſt<lb/> ihrem <hi rendition="#fr">Haupt</hi>-Urheber und Haupte verlaͤſtert wird.<lb/> Dieſer Name hieß καλὸν, <hi rendition="#fr">der gute,</hi> das iſt, der<lb/> allerbeſte, allerheiligſte und theureſte, der auch da-<lb/> her alle wege in Ehren zu halten ſey. Der Name,<lb/> von welchem es Ap. Geſch. 4, 12 heißt: <hi rendition="#fr">Es iſt in<lb/> keinem andern Heyl, iſt auch kein anderer<lb/> Name den Menſchen gegeben, darinnen<lb/> wir ſollen ſelig werden.</hi> Und 2 Tim. 2, 19.<lb/> <fw place="bottom" type="sig">L l l 2</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Es</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [451/0453]
Cap. 2. v. 6-7. Erklaͤrung des Briefes Jacobi.
GOtt hat euch erwehlet vom Anfang zur
Seligkeit/ in der Heiligung des Geiſtes
und im Glauben der Wahrheit. Da nicht
allein des Glaubens gedacht wird, ſondern auch
der Heiligung des Geiſtes, zur Anzeigung,
woher der Glaube komme und wie die Erwehlung
auf die Heyls-Ordnung gehe.
V. 6. 7.
Jhr aber habt dem Armen Unehre
gethan. Sind nicht die Reichen die, die
Gewalt an euch uͤben, und ziehen euch vor
Gerichte? Verlaͤſtern ſie nicht den guten
Namen, davon ihr genennet ſeyd.
Anmerckungen.
1. Es koͤnnte zwar wol das Anſehen haben,
als wenn der Apoſtel alhier ſolche Reichen und
maͤchtigen verſtuͤnde, welche auſſer der Kirche
Chriſti waren: allein obgleich dieſelbe nicht aus-
geſchloſſen ſind: ſo zeuget doch der Context an,
daß eigentlich von ſolchen Reichen die Rede ſey,
welche ſich mit zu der Chriſtlichen Gemeine der
Erkenntniß nach gehalten, ſich aber als ſchlechte
Chriſten erwieſen haben, ſonderlich aus Verlei-
tung ihres Reichthums,
2. Verſtehet man es nun von ſolchen, ſo
hat man das, was von dem Gewalt- uͤben und
vor Gerichte ziehen geſaget wird, nicht von einer
oͤffentlichen Verfolgung, welche um der Criſtli-
chen Religion willen geſchehen ſey, ſondern von
den Gerichts-Proceſſen anzunehmen: da nem-
lich die Reichen die Armen gewiſſer Schulden
wegen vor den Heydniſchen Gerichten verklaget
und nach dem ſtrengſten Rechte, welches nach dem
Lateiniſchen Sprichwort: Summum jus ſum-
ma ſæpe injuria, oft eine rechte Gewaltthaͤtigkeit
geweſen iſt, mit ihnen verfahꝛen haben. Als derglei-
chen etwas unter den Corinthiern geſchehen war,
beſtrafet es der Apoſtel an ihnen gar nachdruͤck-
lich, wenn er 1 Cor. 6, 2, u. f. ſpricht: Wie darf
iemand, ſo er einen Handel hat mit dem
andern, hadern vor den Ungerechten, und
nicht vor den Heiligen u. ſ. w.
3. Und ſo hat man denn auch die Verlaͤſte-
rung des Namens GOttes nicht alſo zu ver-
ſtehen, als wenn es foͤrmlich geſchehen waͤre, wie
es von den Heyden und unglaͤubigen Juden ge-
ſchahe; ſondern davon, daß die Reichen mit ihrem
ſo harten Verfahren den Heyden Gelegenheit
zur Verlaͤſterung gegeben haben. Denn es wer-
den ſich dieſe derſelben wohl arg genug bedienet
und geſaget haben: die Leute haͤtten unter ſich ein ſo
ernſtliches Geſetze der Liebe, ſie lieſſen ſich auch von
einem Heylande nennen, der, zum Exempel der
Nachfolge, ſo viel Unrecht erduldet, und ihnen
das Gebot der Verleugnung ſo hoch anbefohlen
haͤtte: allein ſie erwieſen nichts weniger in der
That; und alſo moͤchte auch wol ihre gantze Re-
ligion ohne Grund ſeyn: und wie die uͤblen Fol-
gerungen in noch viel haͤrtern Worten zur Ver-
unehrung des Namens GOttes noch ſonſt gelau-
tet haben moͤgen. Jm gleichen Verſtande ſpricht
Paulus von den Juden Roͤm. 2, 23. 24. Du ruͤh-
meſt dich des Geſetzes, und ſchaͤndeſt GOtt
durch Ubertretung des Geſetzes. Denn eu-
rent halben wird GOttes Name gelaͤſtert
unter den Heyden. Siehe, wie 2 Pet. 2, 2.
dergleichen von den verfuͤhriſchen und ketzeriſchen
Menſchen geſaget wird, daß um ihrent willen
(wie das durch welche eigentlich uͤberſetzet wer-
den ſolte) der Weg der Wahrheit verlaͤſtert
werde. Man ſehe auch Ezech. 36, 22. Wie ſorg-
faͤltig man aber alle ſolche Verlaͤſterung verhuͤ-
ten ſolle, ſehe man Roͤm. 14, 16. 1 Tim. 6, 1.
Tit. 2, 5, 10.
4. Man hat demnach bey dieſer beſtrafeten
Unart der Reichen folgende gute Erinnerung zu
nehmen:
a. Daß es keines weges im Gewiſſen vor GOtt
hinlaͤnglich ſey, zu ſagen: ich habe das Recht vor
mir; dieſer und jener iſt mir ſo und ſoviel ſchul-
dig: kan er nicht bezahlen, ſo nehme ich ihm
das Seinige u. ſ. w. ſondern da ſoll man laſ-
ſen die Liebe und Erbarmung ſtatt finden; ſon-
derlich gegen ſolche arme Leute, die durch ge-
wiſſe Ungluͤcks-Faͤlle in Armuth gerathen ſind.
Gewiß wenn man nur die von CHriſto ſelbſt
eingeſchaͤrfte Regel des Rechts der Natur be-
trachtete: was ihr wollet, das euch die Leu-
te thun ſollen, das thut ihr ihnen Matth.
7, 12. ſo wuͤrde man gantz anders verfahren.
Und wo bleibet die Regel Chriſti: wenn ihr
leihet, von denen ihr hoffet zu nehmen
(nicht allein das Capital, ſondern auch In-
tereſſen) was Dancks habet ihr davon?
denn die Suͤnder leihen den Suͤndern
auch, auf daß ſie gleiches wieder neh-
men. ‒ ‒ ‒ Leihet, da ihr nichts dafuͤr
hoffet, ſo wird euer Lohn groß ſeyn,
und werdet Kinder des Allerhoͤchſten
ſey. Daß aber dieſes von den Armen nicht
muͤße gemißbrauchet werden, wie auf vielerley
Art geſchehen kan, das iſt leichtlich zu erachten.
b. Daß einem vor GOtt dasjenige zugerechnet
werde, als haͤtte man es ſelbſt gethan, wozu man
alſo Gelegenheit giebet, daß man es verurſa-
chet. Denn obgleich der, welcher ſolche Gele-
genheit ergreifet, deßwegen keines weges ent-
ſchuldiget iſt; ſo ladet man doch ihrent wegen
eine Schuld auf ſich.
c. Daß man ſich ſo viel mehr nicht allein vor
wuͤrcklichem Aergerniſſe, ſondern auch vor al-
lem boͤſen Schein ſo viel ſorgfaͤltiger zu huͤten
habe, ſo viel beſſer der Name und die Meynung
iſt, darinn man bey andern Leuten ſtehet.
5. Der Name, deſſen alhier gedacht wird,
iſt der Name Chriſti, und, welches auf eines ge-
het, der Name des HErrn, und alſo mit dem
Namen der HERR ſelbſt ſamt der gantzen
Chriſtlichen Religion und Kirche, welche nebſt
ihrem Haupt-Urheber und Haupte verlaͤſtert wird.
Dieſer Name hieß καλὸν, der gute, das iſt, der
allerbeſte, allerheiligſte und theureſte, der auch da-
her alle wege in Ehren zu halten ſey. Der Name,
von welchem es Ap. Geſch. 4, 12 heißt: Es iſt in
keinem andern Heyl, iſt auch kein anderer
Name den Menſchen gegeben, darinnen
wir ſollen ſelig werden. Und 2 Tim. 2, 19.
Es
L l l 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |