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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 5. v. 21. 22. an die Thessalonicher.
[Spaltenumbruch] vollkommenheit und Schwachheit: daher
es leicht geschehen kan, daß etwas für wahr
und gut angesehen und bey andern ausgege-
ben wird, das doch falsch und böse ist, doch
aber auch den Schein des wahren und gu-
ten hat, und daher von solcher Beschaffen-
heit ist, daß man dadurch leichtlich kan gefähr-
lich verleitet werden. Und noch nöthiger wird
die Prüfung, wenn man erweget, daß, aus-
ser der bey guten Seelen befindlichen mensch-
lichen Schwachheit, sich auch wol eine Ge-
fahr von bösen und verführischen Geistern her-
vor thun kan: wie es schon in der ersten Kir-
che vielfältig geschehen ist. Wie denn daher
Paulus, als er von den Aeltesten der Ge-
meine zu Ephesus Abschied nahm, zu ihnen
sprach; Das weiß ich, daß nach meinem
Abschiede werden unter euch kommen
greuliche Wölfe, die der Heerde nicht
verschonen werden. Auch aus euch selbst
werden aufstehen Männer, die da ver-
kehrte Lehre reden, die Jünger an sich
zu ziehen.
Ap. Gesch. 20, 29. 30.
b. Die Sache, welche geprüfet werden soll,
ist alles, was nemlich durch die Gaben des
Heiligen Geistes, sonderlich in der Weis-
sagung und Auslegung der heiligen Schrift
vorgetragen wird, es mögen seyn Glaubens-
Lehren, oder Lebens-Pflichten, und allerhand
Anmerckungen. Und da ist auch selbst der
öffentlichen Lehrer ihr Vortrag der Prüfung
unterworfen; und diese siehet ein wahrer
und guter Lehrer soviel lieber, soviel gewisser
er ist, daß er den gantzen Raht GOttes in
aller Lauterkeit vorträget; denn ie genauer
seine Lehre geprüfet wird, ie lauterer wird sie
gefunden, und ie würdiger ist sie, wohl ange-
nommen zu werden: wer sich aber vor der Prü-
fung scheuet, muß seiner Lehre selbst nicht viel
zutrauen.
c. Die Richtschnur und der Probier-Stein,
wornach die Prüfung anzustellen, ist allein
das geoffenbarete göttliche Wort, denn dis
ist uns zu dem Ende als eine theure Beylage
gegeben; und ob gleich die Apostel aus der
Eingebung des Heiligen Geistes redeten; so
haben sie doch ihre Lehre von Christo nicht al-
lein selbst aus den Schriften des Alten Testa-
ments erwiesen, und sie zu dem Ende zum öf-
tern angeführet, sondern auch den Gemeinen
die Freyheit gelassen, ihren Vortrag nach
jenen wohl zu untersuchen: wie es denn den
Gläubigen zu Berrhoen zu einem sonderba-
rem Ruhm gerechnet wird, daß sie bey der
willigen Aufnahme des Worts täglich in der
heiligen Schrift geforschet haben, ob sichs also
verhielte, was und wie es ihnen von Paulo
und seinen Gehülfen war vorgetragen wor-
den. Ap. Gesch. 17, 11.
d. Es ist aber nicht ein ieder geschickt zu prü-
fen: gleichwie einer den besten Probier-
Stein haben kan, und doch aber nicht weiß,
wie er ihn recht gebrauchen soll. Dannen-
hero gehöret zu der würdigen Prüfung zum
wenigsten eine solche Erleuchtung des Hei-
[Spaltenumbruch] ligen Geistes, daß man aus den leichten Stel-
len der heiligen Schrift den Raht GOttes
von dem Grund und von der Ordnung des
Heils in eigner Erfahrung wohl einsiehet,
und erkennet, wie alle Grund-Wahrheiten,
als eine Kette, an einander hangen. Pau-
lus erfordert zu der Tüchtigkeit der Prüfung
eine ernstliche Aufopferung an GOTT, eine
Verleugnung der Gleichstellung der Welt,
und eine Veränderung und Erneuerung des
Sinnes, wenn er Röm. 12, 1. 2. spricht: Jch
ermahne euch --- daß ihr eure Lei-
ber begebet zum Opfer --- und stel-
let euch nicht dieser Welt gleich, son-
dern verändert euch durch Verneue-
rung eures Sinnes, aufdaß ihr prüfen
möget, welches da sey der gute, der
wohlgefällige und der vollkommene
GOttes-Wille.
e. Die Prüfung selbst bestehet darinnen, daß
man eine Lehre und Sache wohl erweget, wie
genau sie mit der Regul des göttlichen Worts
übereinkomme, oder nicht: ob darinn alles
wahr und gut sey, oder das meiste, oder nur
etwas, und daß man also nicht das falsche
und böse mit dem wahren und guten annehme,
noch auch das wahre und rechte mit dem fal-
schen und unrechten verwerfe, sondern alles
wohl unterscheide: und imgleichen daß man
dabey erkenne, wie nöthig und nützlich das
wahre und gute, und hingegen wie schädlich
das falsche und arge sey: sintemal weder die-
ses, noch jenes von gleicher Art ist.
f. Die würdige Anwendung alles dessen was
man in der Prüfung als ächt Gold findet, be-
stehet denn in einem solchen Behalten, da-
durch man es werth achtet, und sich zur ge-
treuen Ubung dienen lässet: als wozu man
durch die Uberzeugung von der Güte im Ge-
wissen verbunden ist. Jm übrigen hat man
hiebey folgende Oerter wohl zu erwegen,
1 Cor. 2, 15. Phil. 1, 9. 10. 1 Joh. 4, 1.
V. 22.

Meidet (nicht allein irrige Lehre und böse
Wercke, sondern auch) allen bösen Schein,
(dadurch man veranlasset werden kan, des bö-
sen euch zu beschuldigen.)

Anmerckungen.

1. Es ist ein rechtes Haupt-Stücke Christ-
licher Vorsichtigkeit, daß man bösen Schein
meide; und also ist es dem Gewissen nicht alle-
mal genug, daß man hierinn und darinn recht
hat und unschuldig ist, sondern man hat dabey
auch zu erwegen, ob nicht dieses und jenes, da-
von andere die Umstände und eigentliche Be-
schaffenheit nicht wissen, könne einen Anstoß
geben; und wenn man das besorget, und die
Sache doch entweder gar unterbleiben, oder auf
eine andere Art, oder zu einer andern Zeit ver-
richtet werden kan, so hat man sie zu unterlassen,
oder so zu verrichten, daß der Anstoß dabey weg-
falle, oder auch davon nicht einmal entstehen
könne. Unter den ersten Christen ging zwischen

den
F 2
Cap. 5. v. 21. 22. an die Theſſalonicher.
[Spaltenumbruch] vollkommenheit und Schwachheit: daher
es leicht geſchehen kan, daß etwas fuͤr wahr
und gut angeſehen und bey andern ausgege-
ben wird, das doch falſch und boͤſe iſt, doch
aber auch den Schein des wahren und gu-
ten hat, und daher von ſolcher Beſchaffen-
heit iſt, daß man dadurch leichtlich kan gefaͤhr-
lich verleitet werden. Und noch noͤthiger wird
die Pruͤfung, wenn man erweget, daß, auſ-
ſer der bey guten Seelen befindlichen menſch-
lichen Schwachheit, ſich auch wol eine Ge-
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vor thun kan: wie es ſchon in der erſten Kir-
che vielfaͤltig geſchehen iſt. Wie denn daher
Paulus, als er von den Aelteſten der Ge-
meine zu Epheſus Abſchied nahm, zu ihnen
ſprach; Das weiß ich, daß nach meinem
Abſchiede werden unter euch kommen
greuliche Woͤlfe, die der Heerde nicht
verſchonen werden. Auch aus euch ſelbſt
werden aufſtehen Maͤnner, die da ver-
kehrte Lehre reden, die Juͤnger an ſich
zu ziehen.
Ap. Geſch. 20, 29. 30.
b. Die Sache, welche gepruͤfet werden ſoll,
iſt alles, was nemlich durch die Gaben des
Heiligen Geiſtes, ſonderlich in der Weiſ-
ſagung und Auslegung der heiligen Schrift
vorgetragen wird, es moͤgen ſeyn Glaubens-
Lehren, oder Lebens-Pflichten, und allerhand
Anmerckungen. Und da iſt auch ſelbſt der
oͤffentlichen Lehrer ihr Vortrag der Pruͤfung
unterworfen; und dieſe ſiehet ein wahrer
und guter Lehrer ſoviel lieber, ſoviel gewiſſer
er iſt, daß er den gantzen Raht GOttes in
aller Lauterkeit vortraͤget; denn ie genauer
ſeine Lehre gepruͤfet wird, ie lauterer wird ſie
gefunden, und ie wuͤrdiger iſt ſie, wohl ange-
nommen zu werden: wer ſich aber vor der Pruͤ-
fung ſcheuet, muß ſeiner Lehre ſelbſt nicht viel
zutrauen.
c. Die Richtſchnur und der Probier-Stein,
wornach die Pruͤfung anzuſtellen, iſt allein
das geoffenbarete goͤttliche Wort, denn dis
iſt uns zu dem Ende als eine theure Beylage
gegeben; und ob gleich die Apoſtel aus der
Eingebung des Heiligen Geiſtes redeten; ſo
haben ſie doch ihre Lehre von Chriſto nicht al-
lein ſelbſt aus den Schriften des Alten Teſta-
ments erwieſen, und ſie zu dem Ende zum oͤf-
tern angefuͤhret, ſondern auch den Gemeinen
die Freyheit gelaſſen, ihren Vortrag nach
jenen wohl zu unterſuchen: wie es denn den
Glaͤubigen zu Berrhoen zu einem ſonderba-
rem Ruhm gerechnet wird, daß ſie bey der
willigen Aufnahme des Worts taͤglich in der
heiligen Schrift geforſchet haben, ob ſichs alſo
verhielte, was und wie es ihnen von Paulo
und ſeinen Gehuͤlfen war vorgetragen wor-
den. Ap. Geſch. 17, 11.
d. Es iſt aber nicht ein ieder geſchickt zu pruͤ-
fen: gleichwie einer den beſten Probier-
Stein haben kan, und doch aber nicht weiß,
wie er ihn recht gebrauchen ſoll. Dannen-
hero gehoͤret zu der wuͤrdigen Pruͤfung zum
wenigſten eine ſolche Erleuchtung des Hei-
[Spaltenumbruch] ligen Geiſtes, daß man aus den leichten Stel-
len der heiligen Schrift den Raht GOttes
von dem Grund und von der Ordnung des
Heils in eigner Erfahrung wohl einſiehet,
und erkennet, wie alle Grund-Wahrheiten,
als eine Kette, an einander hangen. Pau-
lus erfordert zu der Tuͤchtigkeit der Pruͤfung
eine ernſtliche Aufopferung an GOTT, eine
Verleugnung der Gleichſtellung der Welt,
und eine Veraͤnderung und Erneuerung des
Sinnes, wenn er Roͤm. 12, 1. 2. ſpricht: Jch
ermahne euch ‒‒‒ daß ihr eure Lei-
ber begebet zum Opfer ‒‒‒ und ſtel-
let euch nicht dieſer Welt gleich, ſon-
dern veraͤndert euch durch Verneue-
rung eures Sinnes, aufdaß ihr pruͤfen
moͤget, welches da ſey der gute, der
wohlgefaͤllige und der vollkommene
GOttes-Wille.
e. Die Pruͤfung ſelbſt beſtehet darinnen, daß
man eine Lehre und Sache wohl erweget, wie
genau ſie mit der Regul des goͤttlichen Worts
uͤbereinkomme, oder nicht: ob darinn alles
wahr und gut ſey, oder das meiſte, oder nur
etwas, und daß man alſo nicht das falſche
und boͤſe mit dem wahren und guten annehme,
noch auch das wahre und rechte mit dem fal-
ſchen und unrechten verwerfe, ſondern alles
wohl unterſcheide: und imgleichen daß man
dabey erkenne, wie noͤthig und nuͤtzlich das
wahre und gute, und hingegen wie ſchaͤdlich
das falſche und arge ſey: ſintemal weder die-
ſes, noch jenes von gleicher Art iſt.
f. Die wuͤrdige Anwendung alles deſſen was
man in der Pruͤfung als aͤcht Gold findet, be-
ſtehet denn in einem ſolchen Behalten, da-
durch man es werth achtet, und ſich zur ge-
treuen Ubung dienen laͤſſet: als wozu man
durch die Uberzeugung von der Guͤte im Ge-
wiſſen verbunden iſt. Jm uͤbrigen hat man
hiebey folgende Oerter wohl zu erwegen,
1 Cor. 2, 15. Phil. 1, 9. 10. 1 Joh. 4, 1.
V. 22.

Meidet (nicht allein irrige Lehre und boͤſe
Wercke, ſondern auch) allen boͤſen Schein,
(dadurch man veranlaſſet werden kan, des boͤ-
ſen euch zu beſchuldigen.)

Anmerckungen.

1. Es iſt ein rechtes Haupt-Stuͤcke Chriſt-
licher Vorſichtigkeit, daß man boͤſen Schein
meide; und alſo iſt es dem Gewiſſen nicht alle-
mal genug, daß man hierinn und darinn recht
hat und unſchuldig iſt, ſondern man hat dabey
auch zu erwegen, ob nicht dieſes und jenes, da-
von andere die Umſtaͤnde und eigentliche Be-
ſchaffenheit nicht wiſſen, koͤnne einen Anſtoß
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richtet werden kan, ſo hat man ſie zu unterlaſſen,
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koͤnne. Unter den erſten Chriſten ging zwiſchen

den
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[43/0045] Cap. 5. v. 21. 22. an die Theſſalonicher. vollkommenheit und Schwachheit: daher es leicht geſchehen kan, daß etwas fuͤr wahr und gut angeſehen und bey andern ausgege- ben wird, das doch falſch und boͤſe iſt, doch aber auch den Schein des wahren und gu- ten hat, und daher von ſolcher Beſchaffen- heit iſt, daß man dadurch leichtlich kan gefaͤhr- lich verleitet werden. Und noch noͤthiger wird die Pruͤfung, wenn man erweget, daß, auſ- ſer der bey guten Seelen befindlichen menſch- lichen Schwachheit, ſich auch wol eine Ge- fahr von boͤſen und verfuͤhriſchen Geiſtern her- vor thun kan: wie es ſchon in der erſten Kir- che vielfaͤltig geſchehen iſt. Wie denn daher Paulus, als er von den Aelteſten der Ge- meine zu Epheſus Abſchied nahm, zu ihnen ſprach; Das weiß ich, daß nach meinem Abſchiede werden unter euch kommen greuliche Woͤlfe, die der Heerde nicht verſchonen werden. Auch aus euch ſelbſt werden aufſtehen Maͤnner, die da ver- kehrte Lehre reden, die Juͤnger an ſich zu ziehen. Ap. Geſch. 20, 29. 30. b. Die Sache, welche gepruͤfet werden ſoll, iſt alles, was nemlich durch die Gaben des Heiligen Geiſtes, ſonderlich in der Weiſ- ſagung und Auslegung der heiligen Schrift vorgetragen wird, es moͤgen ſeyn Glaubens- Lehren, oder Lebens-Pflichten, und allerhand Anmerckungen. Und da iſt auch ſelbſt der oͤffentlichen Lehrer ihr Vortrag der Pruͤfung unterworfen; und dieſe ſiehet ein wahrer und guter Lehrer ſoviel lieber, ſoviel gewiſſer er iſt, daß er den gantzen Raht GOttes in aller Lauterkeit vortraͤget; denn ie genauer ſeine Lehre gepruͤfet wird, ie lauterer wird ſie gefunden, und ie wuͤrdiger iſt ſie, wohl ange- nommen zu werden: wer ſich aber vor der Pruͤ- fung ſcheuet, muß ſeiner Lehre ſelbſt nicht viel zutrauen. c. Die Richtſchnur und der Probier-Stein, wornach die Pruͤfung anzuſtellen, iſt allein das geoffenbarete goͤttliche Wort, denn dis iſt uns zu dem Ende als eine theure Beylage gegeben; und ob gleich die Apoſtel aus der Eingebung des Heiligen Geiſtes redeten; ſo haben ſie doch ihre Lehre von Chriſto nicht al- lein ſelbſt aus den Schriften des Alten Teſta- ments erwieſen, und ſie zu dem Ende zum oͤf- tern angefuͤhret, ſondern auch den Gemeinen die Freyheit gelaſſen, ihren Vortrag nach jenen wohl zu unterſuchen: wie es denn den Glaͤubigen zu Berrhoen zu einem ſonderba- rem Ruhm gerechnet wird, daß ſie bey der willigen Aufnahme des Worts taͤglich in der heiligen Schrift geforſchet haben, ob ſichs alſo verhielte, was und wie es ihnen von Paulo und ſeinen Gehuͤlfen war vorgetragen wor- den. Ap. Geſch. 17, 11. d. Es iſt aber nicht ein ieder geſchickt zu pruͤ- fen: gleichwie einer den beſten Probier- Stein haben kan, und doch aber nicht weiß, wie er ihn recht gebrauchen ſoll. Dannen- hero gehoͤret zu der wuͤrdigen Pruͤfung zum wenigſten eine ſolche Erleuchtung des Hei- ligen Geiſtes, daß man aus den leichten Stel- len der heiligen Schrift den Raht GOttes von dem Grund und von der Ordnung des Heils in eigner Erfahrung wohl einſiehet, und erkennet, wie alle Grund-Wahrheiten, als eine Kette, an einander hangen. Pau- lus erfordert zu der Tuͤchtigkeit der Pruͤfung eine ernſtliche Aufopferung an GOTT, eine Verleugnung der Gleichſtellung der Welt, und eine Veraͤnderung und Erneuerung des Sinnes, wenn er Roͤm. 12, 1. 2. ſpricht: Jch ermahne euch ‒‒‒ daß ihr eure Lei- ber begebet zum Opfer ‒‒‒ und ſtel- let euch nicht dieſer Welt gleich, ſon- dern veraͤndert euch durch Verneue- rung eures Sinnes, aufdaß ihr pruͤfen moͤget, welches da ſey der gute, der wohlgefaͤllige und der vollkommene GOttes-Wille. e. Die Pruͤfung ſelbſt beſtehet darinnen, daß man eine Lehre und Sache wohl erweget, wie genau ſie mit der Regul des goͤttlichen Worts uͤbereinkomme, oder nicht: ob darinn alles wahr und gut ſey, oder das meiſte, oder nur etwas, und daß man alſo nicht das falſche und boͤſe mit dem wahren und guten annehme, noch auch das wahre und rechte mit dem fal- ſchen und unrechten verwerfe, ſondern alles wohl unterſcheide: und imgleichen daß man dabey erkenne, wie noͤthig und nuͤtzlich das wahre und gute, und hingegen wie ſchaͤdlich das falſche und arge ſey: ſintemal weder die- ſes, noch jenes von gleicher Art iſt. f. Die wuͤrdige Anwendung alles deſſen was man in der Pruͤfung als aͤcht Gold findet, be- ſtehet denn in einem ſolchen Behalten, da- durch man es werth achtet, und ſich zur ge- treuen Ubung dienen laͤſſet: als wozu man durch die Uberzeugung von der Guͤte im Ge- wiſſen verbunden iſt. Jm uͤbrigen hat man hiebey folgende Oerter wohl zu erwegen, 1 Cor. 2, 15. Phil. 1, 9. 10. 1 Joh. 4, 1. V. 22. Meidet (nicht allein irrige Lehre und boͤſe Wercke, ſondern auch) allen boͤſen Schein, (dadurch man veranlaſſet werden kan, des boͤ- ſen euch zu beſchuldigen.) Anmerckungen. 1. Es iſt ein rechtes Haupt-Stuͤcke Chriſt- licher Vorſichtigkeit, daß man boͤſen Schein meide; und alſo iſt es dem Gewiſſen nicht alle- mal genug, daß man hierinn und darinn recht hat und unſchuldig iſt, ſondern man hat dabey auch zu erwegen, ob nicht dieſes und jenes, da- von andere die Umſtaͤnde und eigentliche Be- ſchaffenheit nicht wiſſen, koͤnne einen Anſtoß geben; und wenn man das beſorget, und die Sache doch entweder gar unterbleiben, oder auf eine andere Art, oder zu einer andern Zeit ver- richtet werden kan, ſo hat man ſie zu unterlaſſen, oder ſo zu verrichten, daß der Anſtoß dabey weg- falle, oder auch davon nicht einmal entſtehen koͤnne. Unter den erſten Chriſten ging zwiſchen den F 2

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/45>, abgerufen am 27.04.2024.