Erklärung des ersten Briefes Pauli C. 5. v. 12. 13. 14.
[Spaltenumbruch]mahnen (in der Application des Worts, wel- ches euch bereits vorgetragen ist, und von ihnen noch ferner vorgetragen wird.) v. 13. Habet sie desto lieber um ihres Wercks (ihres Dienstes) willen (da ihr sie auch schon als Mit- Glieder an dem geistlichen Leibe Christi werth zu halten habet) und seyd friedsam mit ihnen (lasset allezeit ein gutes Verständniß unter euch seyn, also daß ihnen niemand ihres Amts wegen wenn sie nach ihrem Gewissen gehen, aufsätzig werde.)
Anmerckungen.
1. Man hat alhie ein feines Exempel von der hermenevtischen Regul, daß die Worte, welche auf eine Erkentniß gehn, also auszulegen sind, daß der damit verknüpfte Affect und Effect mit ausgedrücket werde. Also solten die Zuhörer ihre Lehrer erkennen. Siehe auch 1 Cor. 9, 14. 16, 15. 16. 18. Gal. 6, 6. Philipp. 2, 19. 1 Tim. 5, 17. Hebr. 13, 17.
2. Da das Lehr-Amt eine Arbeit ist, und zwar keine geringe, wo es recht geführet wird, so sind diejenigen Mietlinge und trügliche Arbeiter, die nur ihrem Bauche dienen, und ihr Amt als einen sonderlichen Ruhe-Stand ansehen und füh- ren, 2 Cor. 11, 13. Ein getreuer Lehrer ist ergates anepaiskhuntos, ein unverdrossener Arbeiter 2 Tim. 2, 15.
3. Es gehöret viel dazu, einer Gemeine also vorzustehen, daß es geschehe in dem HErrn. Will nun ein Lehrer dafür gehalten seyn, daß er der Gemeine, obwol mittelbar, doch vom HErrn gesandt sey, also daß es nach desselben nicht bloß zuläßigen, sondern gnädigen Willen geschehen, so erweise er es damit, daß er sein Amt und Leben führe in dem HErrn, wie es desselben Willen gemäß ist, und wie es die Gnade der Salbung mit sich bringet.
4. Das nouthetei~n ist mehr, als einen er- mahnen. Denn es heißt überhaupt an eines Gemüth, oder Seele, also arbeiten, daß man dieselbe in ihren rechten Wohlstand und rechte Gestalt bringe, und darinnen erhalte. Und al- so gehöret nebst der Ermahnung auch der Unter- richt dazu, und alles, was derselbe nach dem göttlichen Worte in sich hält und mit sich füh- ret. Welche Pflicht von den Eltern gegen ihre Kinder erfodert wird Eph. 5, 4.
5. Gleichwie ein gottseliger Zuhörer seinen Lehrer, dadurch er erwecket und erbauet wor- den, billig mit so viel mehrer Liebe in zwiefachen Ehren hält, da er ihn nicht allein als ein geist- lich Mit-Glied, sondern auch als einen geist- lichen Vater anzusehen hat: also findet sich auch bey einem rechtschaffnen Lehrer gegen seine folg- samen Zuhörer billig eine doppelte, oder so viele zartere Liebe, da er sie nicht allein als seine Brüder in Christo, sondern auch als seine geistliche Kinder lieben kan. Dergleichen Liebe Paulus im gan- tzen Briefe gegen die Thessalonicher bezeuget.
6. Bey dem Verbo eireneuete haltet Friede, lebet in Frieden, stehet zwar in einigen codicibus en autois, in oder mit ihnen: wel- cher Lection auch Lutherus gefolget ist, und es [Spaltenumbruch]vertiret hat? seyd friedsam mit ihnen: allein da andere und die mehresten haben en eaut[fremdsprachliches Material]is unter einander, so hält man dieses billig für den eigentlichen Ausdruck Pauli: sintemal sich die Praeposition en dazu besser schicket, und nicht erst durch sun, mit darf erkläret werden. So hält dieser Verstand jenen auch in sich. Denn sollen die Thessalonicher unter einander friedsam seyn; so sollen sie sich insonderheit auch gegen die Lehrer als friedsame erweisen, und die Lehrer gegen sie. Das Monitum: eireneuete en allelois. seyd friedsam unter einander, finden wir auch in den Worten Christi Marc. 9, 50. und das Wort eireneuein mit gleicher apostolischen Erinnerung Röm. 12, 18. 2 Cor. 13, 11. Siehe auch Hebr. 12, 14. da es heißt: jaget nach dem Frieden gegen ieder- mann.
V. 14.
Wir ermahnen euch aber, lieben Brü- der, vermahnet (noutheteite, siehe v. 12.) die Ungezogenen, (tous a'taktous, die unordentli- chen, welche weder innerlich mit ihrem Gemü- the in der rechten Heyls-Ordnung siehen, noch auch äußerlich sich im Leben ordentlich und un- anstößig verhalten, und entweder schon itzo un- ter euch sind, oder noch kommen werden: siehe 2 Thess. 3, 6-11. da es heißt: ataktos peripa- tei~n, a taktei~n) tröstet die Kleinmüthigen. (die entweder noch im ersten Buß-Kampfe ste- hen, und in Ansehung ihrer gefundenen Unwür- digkeit von den Schreckungen des Gesetzes noch nicht behertzt zu den Tröstungen des Evangelii schreiten wollen, oder können; oder aber bey dem Laufe in den Wegen GOttes in allerhand Versuchungen gerathen, auch wol ihres na- türlichen temperaments wegen eines nieder- geschlagenen und ängstlichen Gemüths sind, und daher gebrauchen aufgerichtet zu werden:) tra- get (fasset gleichsam bey der Hand, führet) die Schwachen (die solche sind in Ansehung ihres Gnaden-Standes, darinnen sie noch nicht ge- nug bevestiget sind, also daß sie noch hin und her wancken, und solches wie am Gemüthe empfin- den, also auch in ihrem Wandel zu erkennen ge- ben; theils in solchen Dingen, darinn es, nach Röm. 14. 1 Cor. 8. auf den Gebrauch der Christlichen Freyheit nach dem Evangelio an- kömmt:) seyd geduldig) (makrothumei~te, seyd langmüthig) gegen jedermann (wenn ihr sehet, daß weder euer Ermahnen bey den unordentlich Wandelnden, noch eure Trö- stungen bey den Kleinmüthigen, noch euer Ertragen bey den Schwachen so fort an- schläget und Frucht schaffet, so lasset deßwegen noch nicht ab, und werfet eure Hoffnung noch nicht weg; sondern haltet damit an; beweiset auch sonst in allen übrigen Fällen eine Langmü- thigkeit, und damit die Stärcke eures Gemüths.)
Anmerckungen.
1. So gut es auch stunde um die Gemeine zu Thessalonich, wie aus unterschiedlichen Or- ten dieses Briefes zu ersehen ist; so unvoll-
kom-
Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 5. v. 12. 13. 14.
[Spaltenumbruch]mahnen (in der Application des Worts, wel- ches euch bereits vorgetragen iſt, und von ihnen noch ferner vorgetragen wird.) v. 13. Habet ſie deſto lieber um ihres Wercks (ihres Dienſtes) willen (da ihr ſie auch ſchon als Mit- Glieder an dem geiſtlichen Leibe Chriſti werth zu halten habet) und ſeyd friedſam mit ihnen (laſſet allezeit ein gutes Verſtaͤndniß unter euch ſeyn, alſo daß ihnen niemand ihres Amts wegen wenn ſie nach ihrem Gewiſſen gehen, aufſaͤtzig werde.)
Anmerckungen.
1. Man hat alhie ein feines Exempel von der hermenevtiſchen Regul, daß die Worte, welche auf eine Erkentniß gehn, alſo auszulegen ſind, daß der damit verknuͤpfte Affect und Effect mit ausgedruͤcket werde. Alſo ſolten die Zuhoͤrer ihre Lehrer erkennen. Siehe auch 1 Cor. 9, 14. 16, 15. 16. 18. Gal. 6, 6. Philipp. 2, 19. 1 Tim. 5, 17. Hebr. 13, 17.
2. Da das Lehr-Amt eine Arbeit iſt, und zwar keine geringe, wo es recht gefuͤhret wird, ſo ſind diejenigen Mietlinge und truͤgliche Arbeiter, die nur ihrem Bauche dienen, und ihr Amt als einen ſonderlichen Ruhe-Stand anſehen und fuͤh- ren, 2 Cor. 11, 13. Ein getreuer Lehrer iſt ἐργάτης ἀνεϖαισχυντος, ein unverdroſſener Arbeiter 2 Tim. 2, 15.
3. Es gehoͤret viel dazu, einer Gemeine alſo vorzuſtehen, daß es geſchehe in dem HErrn. Will nun ein Lehrer dafuͤr gehalten ſeyn, daß er der Gemeine, obwol mittelbar, doch vom HErrn geſandt ſey, alſo daß es nach deſſelben nicht bloß zulaͤßigen, ſondern gnaͤdigen Willen geſchehen, ſo erweiſe er es damit, daß er ſein Amt und Leben fuͤhre in dem HErrn, wie es deſſelben Willen gemaͤß iſt, und wie es die Gnade der Salbung mit ſich bringet.
4. Das νουθετει῀ν iſt mehr, als einen er- mahnen. Denn es heißt uͤberhaupt an eines Gemuͤth, oder Seele, alſo arbeiten, daß man dieſelbe in ihren rechten Wohlſtand und rechte Geſtalt bringe, und darinnen erhalte. Und al- ſo gehoͤret nebſt der Ermahnung auch der Unter- richt dazu, und alles, was derſelbe nach dem goͤttlichen Worte in ſich haͤlt und mit ſich fuͤh- ret. Welche Pflicht von den Eltern gegen ihre Kinder erfodert wird Eph. 5, 4.
5. Gleichwie ein gottſeliger Zuhoͤrer ſeinen Lehrer, dadurch er erwecket und erbauet wor- den, billig mit ſo viel mehrer Liebe in zwiefachen Ehren haͤlt, da er ihn nicht allein als ein geiſt- lich Mit-Glied, ſondern auch als einen geiſt- lichen Vater anzuſehen hat: alſo findet ſich auch bey einem rechtſchaffnen Lehrer gegen ſeine folg- ſamen Zuhoͤrer billig eine doppelte, oder ſo viele zartere Liebe, da er ſie nicht allein als ſeine Bruͤder in Chriſto, ſondern auch als ſeine geiſtliche Kinder lieben kan. Dergleichen Liebe Paulus im gan- tzen Briefe gegen die Theſſalonicher bezeuget.
6. Bey dem Verbo ἐιρηνεὐετε haltet Friede, lebet in Frieden, ſtehet zwar in einigen codicibus ἐν ἀυτοῖς, in oder mit ihnen: wel- cher Lection auch Lutherus gefolget iſt, und es [Spaltenumbruch]vertiret hat? ſeyd friedſam mit ihnen: allein da andere und die mehreſten haben ἐν ἑαυτ[fremdsprachliches Material]ις unter einander, ſo haͤlt man dieſes billig fuͤr den eigentlichen Ausdruck Pauli: ſintemal ſich die Præpoſition ἐν dazu beſſer ſchicket, und nicht erſt durch σὺν, mit darf erklaͤret werden. So haͤlt dieſer Verſtand jenen auch in ſich. Denn ſollen die Theſſalonicher unter einander friedſam ſeyn; ſo ſollen ſie ſich inſonderheit auch gegen die Lehrer als friedſame erweiſen, und die Lehrer gegen ſie. Das Monitum: ἐιρηνεύετε ἐν ἀλλήλοις. ſeyd friedſam unter einander, finden wir auch in den Worten Chriſti Marc. 9, 50. und das Wort ἐιρηνευειν mit gleicher apoſtoliſchen Erinnerung Roͤm. 12, 18. 2 Cor. 13, 11. Siehe auch Hebr. 12, 14. da es heißt: jaget nach dem Frieden gegen ieder- mann.
V. 14.
Wir ermahnen euch aber, lieben Bruͤ- der, vermahnet (νουθετεῖτε, ſiehe v. 12.) die Ungezogenen, (τοὺς α᾽τὰκτους, die unordentli- chen, welche weder innerlich mit ihrem Gemuͤ- the in der rechten Heyls-Ordnung ſiehen, noch auch aͤußerlich ſich im Leben ordentlich und un- anſtoͤßig verhalten, und entweder ſchon itzo un- ter euch ſind, oder noch kommen werden: ſiehe 2 Theſſ. 3, 6-11. da es heißt: ἀτάκτως ϖεριπα- τει῀ν, ἀ τακτει῀ν) troͤſtet die Kleinmuͤthigen. (die entweder noch im erſten Buß-Kampfe ſte- hen, und in Anſehung ihrer gefundenen Unwuͤr- digkeit von den Schreckungen des Geſetzes noch nicht behertzt zu den Troͤſtungen des Evangelii ſchreiten wollen, oder koͤnnen; oder aber bey dem Laufe in den Wegen GOttes in allerhand Verſuchungen gerathen, auch wol ihres na- tuͤrlichen temperaments wegen eines nieder- geſchlagenen und aͤngſtlichen Gemuͤths ſind, und daher gebrauchen aufgerichtet zu werden:) tra- get (faſſet gleichſam bey der Hand, fuͤhret) die Schwachen (die ſolche ſind in Anſehung ihres Gnaden-Standes, darinnen ſie noch nicht ge- nug beveſtiget ſind, alſo daß ſie noch hin und her wancken, und ſolches wie am Gemuͤthe empfin- den, alſo auch in ihrem Wandel zu erkennen ge- ben; theils in ſolchen Dingen, darinn es, nach Roͤm. 14. 1 Cor. 8. auf den Gebrauch der Chriſtlichen Freyheit nach dem Evangelio an- koͤmmt:) ſeyd geduldig) (μακροϑυμει῀τε, ſeyd langmuͤthig) gegen jedermann (wenn ihr ſehet, daß weder euer Ermahnen bey den unordentlich Wandelnden, noch eure Troͤ- ſtungen bey den Kleinmuͤthigen, noch euer Ertragen bey den Schwachen ſo fort an- ſchlaͤget und Frucht ſchaffet, ſo laſſet deßwegen noch nicht ab, und werfet eure Hoffnung noch nicht weg; ſondern haltet damit an; beweiſet auch ſonſt in allen uͤbrigen Faͤllen eine Langmuͤ- thigkeit, und damit die Staͤrcke eures Gemuͤths.)
Anmerckungen.
1. So gut es auch ſtunde um die Gemeine zu Theſſalonich, wie aus unterſchiedlichen Or- ten dieſes Briefes zu erſehen iſt; ſo unvoll-
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[40/0042]
Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 5. v. 12. 13. 14.
mahnen (in der Application des Worts, wel-
ches euch bereits vorgetragen iſt, und von ihnen
noch ferner vorgetragen wird.) v. 13. Habet
ſie deſto lieber um ihres Wercks (ihres
Dienſtes) willen (da ihr ſie auch ſchon als Mit-
Glieder an dem geiſtlichen Leibe Chriſti werth zu
halten habet) und ſeyd friedſam mit ihnen
(laſſet allezeit ein gutes Verſtaͤndniß unter euch
ſeyn, alſo daß ihnen niemand ihres Amts wegen
wenn ſie nach ihrem Gewiſſen gehen, aufſaͤtzig
werde.)
Anmerckungen.
1. Man hat alhie ein feines Exempel von der
hermenevtiſchen Regul, daß die Worte, welche
auf eine Erkentniß gehn, alſo auszulegen ſind,
daß der damit verknuͤpfte Affect und Effect mit
ausgedruͤcket werde. Alſo ſolten die Zuhoͤrer ihre
Lehrer erkennen. Siehe auch 1 Cor. 9, 14. 16,
15. 16. 18. Gal. 6, 6. Philipp. 2, 19. 1 Tim. 5, 17.
Hebr. 13, 17.
2. Da das Lehr-Amt eine Arbeit iſt,
und zwar keine geringe, wo es recht gefuͤhret wird,
ſo ſind diejenigen Mietlinge und truͤgliche Arbeiter,
die nur ihrem Bauche dienen, und ihr Amt als
einen ſonderlichen Ruhe-Stand anſehen und fuͤh-
ren, 2 Cor. 11, 13. Ein getreuer Lehrer iſt ἐργάτης
ἀνεϖαισχυντος, ein unverdroſſener Arbeiter
2 Tim. 2, 15.
3. Es gehoͤret viel dazu, einer Gemeine alſo
vorzuſtehen, daß es geſchehe in dem HErrn.
Will nun ein Lehrer dafuͤr gehalten ſeyn, daß er
der Gemeine, obwol mittelbar, doch vom HErrn
geſandt ſey, alſo daß es nach deſſelben nicht bloß
zulaͤßigen, ſondern gnaͤdigen Willen geſchehen,
ſo erweiſe er es damit, daß er ſein Amt und Leben
fuͤhre in dem HErrn, wie es deſſelben Willen
gemaͤß iſt, und wie es die Gnade der Salbung
mit ſich bringet.
4. Das νουθετει῀ν iſt mehr, als einen er-
mahnen. Denn es heißt uͤberhaupt an eines
Gemuͤth, oder Seele, alſo arbeiten, daß man
dieſelbe in ihren rechten Wohlſtand und rechte
Geſtalt bringe, und darinnen erhalte. Und al-
ſo gehoͤret nebſt der Ermahnung auch der Unter-
richt dazu, und alles, was derſelbe nach dem
goͤttlichen Worte in ſich haͤlt und mit ſich fuͤh-
ret. Welche Pflicht von den Eltern gegen ihre
Kinder erfodert wird Eph. 5, 4.
5. Gleichwie ein gottſeliger Zuhoͤrer ſeinen
Lehrer, dadurch er erwecket und erbauet wor-
den, billig mit ſo viel mehrer Liebe in zwiefachen
Ehren haͤlt, da er ihn nicht allein als ein geiſt-
lich Mit-Glied, ſondern auch als einen geiſt-
lichen Vater anzuſehen hat: alſo findet ſich auch
bey einem rechtſchaffnen Lehrer gegen ſeine folg-
ſamen Zuhoͤrer billig eine doppelte, oder ſo viele
zartere Liebe, da er ſie nicht allein als ſeine Bruͤder
in Chriſto, ſondern auch als ſeine geiſtliche Kinder
lieben kan. Dergleichen Liebe Paulus im gan-
tzen Briefe gegen die Theſſalonicher bezeuget.
6. Bey dem Verbo ἐιρηνεὐετε haltet
Friede, lebet in Frieden, ſtehet zwar in einigen
codicibus ἐν ἀυτοῖς, in oder mit ihnen: wel-
cher Lection auch Lutherus gefolget iſt, und es
vertiret hat? ſeyd friedſam mit ihnen: allein
da andere und die mehreſten haben ἐν ἑαυτ_ ις
unter einander, ſo haͤlt man dieſes billig fuͤr
den eigentlichen Ausdruck Pauli: ſintemal ſich
die Præpoſition ἐν dazu beſſer ſchicket, und
nicht erſt durch σὺν, mit darf erklaͤret werden.
So haͤlt dieſer Verſtand jenen auch in ſich.
Denn ſollen die Theſſalonicher unter einander
friedſam ſeyn; ſo ſollen ſie ſich inſonderheit
auch gegen die Lehrer als friedſame erweiſen,
und die Lehrer gegen ſie. Das Monitum:
ἐιρηνεύετε ἐν ἀλλήλοις. ſeyd friedſam unter
einander, finden wir auch in den Worten Chriſti
Marc. 9, 50. und das Wort ἐιρηνευειν mit
gleicher apoſtoliſchen Erinnerung Roͤm. 12, 18.
2 Cor. 13, 11. Siehe auch Hebr. 12, 14. da es
heißt: jaget nach dem Frieden gegen ieder-
mann.
V. 14.
Wir ermahnen euch aber, lieben Bruͤ-
der, vermahnet (νουθετεῖτε, ſiehe v. 12.) die
Ungezogenen, (τοὺς α᾽τὰκτους, die unordentli-
chen, welche weder innerlich mit ihrem Gemuͤ-
the in der rechten Heyls-Ordnung ſiehen, noch
auch aͤußerlich ſich im Leben ordentlich und un-
anſtoͤßig verhalten, und entweder ſchon itzo un-
ter euch ſind, oder noch kommen werden: ſiehe
2 Theſſ. 3, 6-11. da es heißt: ἀτάκτως ϖεριπα-
τει῀ν, ἀ τακτει῀ν) troͤſtet die Kleinmuͤthigen.
(die entweder noch im erſten Buß-Kampfe ſte-
hen, und in Anſehung ihrer gefundenen Unwuͤr-
digkeit von den Schreckungen des Geſetzes noch
nicht behertzt zu den Troͤſtungen des Evangelii
ſchreiten wollen, oder koͤnnen; oder aber bey
dem Laufe in den Wegen GOttes in allerhand
Verſuchungen gerathen, auch wol ihres na-
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geſchlagenen und aͤngſtlichen Gemuͤths ſind, und
daher gebrauchen aufgerichtet zu werden:) tra-
get (faſſet gleichſam bey der Hand, fuͤhret) die
Schwachen (die ſolche ſind in Anſehung ihres
Gnaden-Standes, darinnen ſie noch nicht ge-
nug beveſtiget ſind, alſo daß ſie noch hin und her
wancken, und ſolches wie am Gemuͤthe empfin-
den, alſo auch in ihrem Wandel zu erkennen ge-
ben; theils in ſolchen Dingen, darinn es,
nach Roͤm. 14. 1 Cor. 8. auf den Gebrauch der
Chriſtlichen Freyheit nach dem Evangelio an-
koͤmmt:) ſeyd geduldig) (μακροϑυμει῀τε,
ſeyd langmuͤthig) gegen jedermann (wenn
ihr ſehet, daß weder euer Ermahnen bey den
unordentlich Wandelnden, noch eure Troͤ-
ſtungen bey den Kleinmuͤthigen, noch euer
Ertragen bey den Schwachen ſo fort an-
ſchlaͤget und Frucht ſchaffet, ſo laſſet deßwegen
noch nicht ab, und werfet eure Hoffnung noch
nicht weg; ſondern haltet damit an; beweiſet
auch ſonſt in allen uͤbrigen Faͤllen eine Langmuͤ-
thigkeit, und damit die Staͤrcke eures Gemuͤths.)
Anmerckungen.
1. So gut es auch ſtunde um die Gemeine
zu Theſſalonich, wie aus unterſchiedlichen Or-
ten dieſes Briefes zu erſehen iſt; ſo unvoll-
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/42>, abgerufen am 16.02.2025.
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