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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 13. v. 2-4. an die Hebräer.
[Spaltenumbruch] einen Gläubigen anzusehen hat, als einen sol-
chen, der gleichsam ein sichtbarer Engel ist,
und künftig den Engeln gleich seyn wird Luc.
20, 36. Ja was noch mehr ist, daß Christus,
was man einem seiner Glieder thut, ansehen
wird, als sey es ihm selbst geschehen. Denn
er spricht ausdrücklich Matth. 25, 35. 36. 40.
Jch bin ein Gast gewesen, und ihr habt
mich beherberget, ich bin nackt gewesen,
und ihr habt mich bekleidet
u. s. w. Mit der
Erklärung: Warlich ich sage euch, was ihr
gethan habt einen unter diesen meinen ge-
ringsten Brüdern, das habt ihr mir ge-
than!
Man sehe von der Gastfreyheit auch die-
se Oerter Röm. 12, 13. 1 Pet. 4, 9. desgleichen
1 Tim. 3, 2. Tit. 1, 8. da sie insonderheit den öf-
fentlichen Lehrern recommendiret wird.

V. 3.

Gedencket der Gebundenen (derer, wel-
che um des Namens JESU Willen in Ketten
und Banden liegen,) als die Mitgebundene
(lasset euch ihre Noth zu Hertzen gehen, als wäre
es eure eigene, und gedencket, daß es heißt: heu-
te an dir, morgen an mir) und derer, die (auch
ausser den Banden auf mancherley Art) Trüb-
sal leiden, als die ihr auch noch im Leibe
seyd
(und daher, ehe ihr ihn durch den zeitlichen
Tod ableget, eben dergleichen Leiden unterworf-
fen seyd und bleibet.)

Anmerckungen.

1. Von der Gastfreyheit kömmt der Apo-
stel auf die Liebes-Pflichten, welche man den
verfolgten Gliedern Christi auch ausser derselben,
zu einem wircklichen Erweise der Bruder-Lie-
be
zu erzeigen hat. Denn manchen Gedrückten
wurde es nicht einmal so gut, daß sie zu ihren
Brüdern anderswo konten ihre Zuflucht, als
Gäste, nehmen.

2. Man siehet hieraus aufs neue, daß, ob-
gleich zu der Zeit, da der Apostel diesen Brief
geschrieben hat, noch kein Käyserlicher Befehl
ergangen war wider die Christen, und es daher
auch noch zu keiner allgemeinen Verfolgung ge-
kommen ist, es doch den wahren Gliedern Chri-
sti an vielen schweren Leiden nicht gefehlet ha-
be. Ein mehrers erkennet man hievon aus
c. 10, 33. 34.

3. Es thut sich aber darinn eine besondere
Providentz GOttes hervor, daß, obgleich die
Gottlosen gern alle Gottseligen auf einmal ver-
tilget, oder doch gedrucket sehen, dennoch die
Leiden nur nach und nach über einige vor an-
dern ergehen, damit die, welche noch damit ver-
schonet bleiben, sich der Gedruckten annehmen
sollen und können.

4. Nichts kan einen mehr zum Mitleiden
bewegen, als wenn man, so oft man von dem
Druck dieser und jener Mitglieder höret, so fort
gedencket: Wie, wenn es dir begegnete? was
bist du besser, als ein anderer? Wer weiß,
wie bald es dir auch also, oder noch ärger
ergehen kan.
Diß nennet der Apostel sich als
einen Mitgebundenen ansehen.

[Spaltenumbruch]

5. Das Andencken, so man den gebunde-
nen und auch sonst gedruckten zu erweisen hat,
bestehet zuvorderst in einem hertzlichen Mitlei-
den.
Und wenn dieses rechter Art ist, so thut es
sich in einer brünstigen Hülfsleistung und,
wenn sie möglich ist, Erquickung hervor. Wie
denn GOTT die Sache gemeiniglich also re-
gieret hat, daß andern ist verstattet worden, die
Gefangenen zu besuchen und sie zu erquicken; ob
es gleich mehrmal nicht ohne Gefahr geschehen
ist; welche denn in der zarten Bruder-Liebe
nicht geachtet wurde. Dieses sahe unser Hey-
land vorher; darum sprach er davon Matth. 25,
36. Jch bin (in meinen Gliedern) gefangen
gewesen, und ihr seyd zu mir gekommen.

6. Man kan gewiß versichert seyn, daß in un-
serm gantzen Leben kein Tag noch Stunde kom-
me, darinnen nicht an mehrern Orten gläubige
Glieder Christi in Ketten und Banden, und da-
bey zum Theil in tiefen und finstern Gefängnis-
sen mit vielem Ungemach liegen, sonderlich im
Pabstthum. Und also hat man Ursache, sich sol-
cher, wenn man auch gleich nicht von ihnen hö-
ret, in seinem täglichen Gebet mitleidig anzu-
nehmen. Geschiehet es aber, daß in den wö-
ehentlichen Zeitungen solcher Leute gedacht wird,
so hat man sich so viel mehr dazu zu erwecken.
Wer solches, als bloß etwas neues, so hinlesen,
oder so anhören kan, ohn zum Mitleiden sich
dadurch erwecken zu lassen, der bezeuget damit,
daß er entweder noch gar nicht im Stande der
Kindschaft GOttes stehe, oder doch der Bruder-
Liebe in diesem Stücke wider seine Pflicht gantz
vergesse.

7. Mit der Redens-Art: als die ihr noch
im Leibe lebet,
zeiget der Apostel an, daß es
bey der menschlichen Natur hauptsächlich auf die
Seele, als den unsterblichen Geist ankom-
me, sintemal in Ansehung desselben, als eines
Einwohners, der Leib nur gleichsam ein zer-
brechliches Haus und unbeständige Hütte ist:
wie er auch von Paulo ausdrücklich genennet
wird. 2 Cor. 5, 1. 2. Und Petrus spricht Ep. 2.
c. 1. v. 14. Jch weiß, daß ich meine Hütte
bald ablegen muß.

V. 4.

Die Ehe soll ehrlich gehalten wer-
den bey allen, und das Ehebette unbe-
fleckt: Die Hurer aber und Ehebrecher
wird GOtt richten.

Anmerckungen.

1. Da im Griechischen das verbum fehlet,
und also heissen kan esi, ist, oder eso, soll seyn,
nach dem Verstande einer Bejahung, das ist,
eines Lehrsatzes, oder des Gebots, und einer Er-
mahnung: so fraget sich, welches man alhier
dabey verstehen solle? Nun lauft es zwar auf
eines hinaus: sintemal die Lehre eine Ermah-
nung in sich hält, oder doch aus sich gebieret;
und die Ermahnung die Lehre zum Grunde hat.
Es ist doch aber der Sensus Didascalicus, nach
welchem eine Bejahung zum Lehrsatze geschiehet,
der fürnehmste und auch alhier der füglichste.

Daß
F f f

Cap. 13. v. 2-4. an die Hebraͤer.
[Spaltenumbruch] einen Glaͤubigen anzuſehen hat, als einen ſol-
chen, der gleichſam ein ſichtbarer Engel iſt,
und kuͤnftig den Engeln gleich ſeyn wird Luc.
20, 36. Ja was noch mehr iſt, daß Chriſtus,
was man einem ſeiner Glieder thut, anſehen
wird, als ſey es ihm ſelbſt geſchehen. Denn
er ſpricht ausdruͤcklich Matth. 25, 35. 36. 40.
Jch bin ein Gaſt geweſen, und ihr habt
mich beherberget, ich bin nackt geweſen,
und ihr habt mich bekleidet
u. ſ. w. Mit der
Erklaͤrung: Warlich ich ſage euch, was ihr
gethan habt einen unter dieſen meinen ge-
ringſten Bruͤdern, das habt ihr mir ge-
than!
Man ſehe von der Gaſtfreyheit auch die-
ſe Oerter Roͤm. 12, 13. 1 Pet. 4, 9. desgleichen
1 Tim. 3, 2. Tit. 1, 8. da ſie inſonderheit den oͤf-
fentlichen Lehrern recommendiret wird.

V. 3.

Gedencket der Gebundenen (derer, wel-
che um des Namens JESU Willen in Ketten
und Banden liegen,) als die Mitgebundene
(laſſet euch ihre Noth zu Hertzen gehen, als waͤre
es eure eigene, und gedencket, daß es heißt: heu-
te an dir, morgen an mir) und derer, die (auch
auſſer den Banden auf mancherley Art) Truͤb-
ſal leiden, als die ihr auch noch im Leibe
ſeyd
(und daher, ehe ihr ihn durch den zeitlichen
Tod ableget, eben dergleichen Leiden unterworf-
fen ſeyd und bleibet.)

Anmerckungen.

1. Von der Gaſtfreyheit koͤmmt der Apo-
ſtel auf die Liebes-Pflichten, welche man den
verfolgten Gliedern Chriſti auch auſſer derſelben,
zu einem wircklichen Erweiſe der Bruder-Lie-
be
zu erzeigen hat. Denn manchen Gedruͤckten
wurde es nicht einmal ſo gut, daß ſie zu ihren
Bruͤdern anderswo konten ihre Zuflucht, als
Gaͤſte, nehmen.

2. Man ſiehet hieraus aufs neue, daß, ob-
gleich zu der Zeit, da der Apoſtel dieſen Brief
geſchrieben hat, noch kein Kaͤyſerlicher Befehl
ergangen war wider die Chriſten, und es daher
auch noch zu keiner allgemeinen Verfolgung ge-
kommen iſt, es doch den wahren Gliedern Chri-
ſti an vielen ſchweren Leiden nicht gefehlet ha-
be. Ein mehrers erkennet man hievon aus
c. 10, 33. 34.

3. Es thut ſich aber darinn eine beſondere
Providentz GOttes hervor, daß, obgleich die
Gottloſen gern alle Gottſeligen auf einmal ver-
tilget, oder doch gedrucket ſehen, dennoch die
Leiden nur nach und nach uͤber einige vor an-
dern ergehen, damit die, welche noch damit ver-
ſchonet bleiben, ſich der Gedruckten annehmen
ſollen und koͤnnen.

4. Nichts kan einen mehr zum Mitleiden
bewegen, als wenn man, ſo oft man von dem
Druck dieſer und jener Mitglieder hoͤret, ſo fort
gedencket: Wie, wenn es dir begegnete? was
biſt du beſſer, als ein anderer? Wer weiß,
wie bald es dir auch alſo, oder noch aͤrger
ergehen kan.
Diß nennet der Apoſtel ſich als
einen Mitgebundenen anſehen.

[Spaltenumbruch]

5. Das Andencken, ſo man den gebunde-
nen und auch ſonſt gedruckten zu erweiſen hat,
beſtehet zuvorderſt in einem hertzlichen Mitlei-
den.
Und wenn dieſes rechter Art iſt, ſo thut es
ſich in einer bruͤnſtigen Huͤlfsleiſtung und,
wenn ſie moͤglich iſt, Erquickung hervor. Wie
denn GOTT die Sache gemeiniglich alſo re-
gieret hat, daß andern iſt verſtattet worden, die
Gefangenen zu beſuchen und ſie zu erquicken; ob
es gleich mehrmal nicht ohne Gefahr geſchehen
iſt; welche denn in der zarten Bruder-Liebe
nicht geachtet wurde. Dieſes ſahe unſer Hey-
land vorher; darum ſprach er davon Matth. 25,
36. Jch bin (in meinen Gliedern) gefangen
geweſen, und ihr ſeyd zu mir gekommen.

6. Man kan gewiß verſichert ſeyn, daß in un-
ſerm gantzen Leben kein Tag noch Stunde kom-
me, darinnen nicht an mehrern Orten glaͤubige
Glieder Chriſti in Ketten und Banden, und da-
bey zum Theil in tiefen und finſtern Gefaͤngniſ-
ſen mit vielem Ungemach liegen, ſonderlich im
Pabſtthum. Und alſo hat man Urſache, ſich ſol-
cher, wenn man auch gleich nicht von ihnen hoͤ-
ret, in ſeinem taͤglichen Gebet mitleidig anzu-
nehmen. Geſchiehet es aber, daß in den woͤ-
ehentlichen Zeitungen ſolcher Leute gedacht wird,
ſo hat man ſich ſo viel mehr dazu zu erwecken.
Wer ſolches, als bloß etwas neues, ſo hinleſen,
oder ſo anhoͤren kan, ohn zum Mitleiden ſich
dadurch erwecken zu laſſen, der bezeuget damit,
daß er entweder noch gar nicht im Stande der
Kindſchaft GOttes ſtehe, oder doch der Bruder-
Liebe in dieſem Stuͤcke wider ſeine Pflicht gantz
vergeſſe.

7. Mit der Redens-Art: als die ihr noch
im Leibe lebet,
zeiget der Apoſtel an, daß es
bey der menſchlichen Natur hauptſaͤchlich auf die
Seele, als den unſterblichen Geiſt ankom-
me, ſintemal in Anſehung deſſelben, als eines
Einwohners, der Leib nur gleichſam ein zer-
brechliches Haus und unbeſtaͤndige Huͤtte iſt:
wie er auch von Paulo ausdruͤcklich genennet
wird. 2 Cor. 5, 1. 2. Und Petrus ſpricht Ep. 2.
c. 1. v. 14. Jch weiß, daß ich meine Huͤtte
bald ablegen muß.

V. 4.

Die Ehe ſoll ehrlich gehalten wer-
den bey allen, und das Ehebette unbe-
fleckt: Die Hurer aber und Ehebrecher
wird GOtt richten.

Anmerckungen.

1. Da im Griechiſchen das verbum fehlet,
und alſo heiſſen kan ἐςὶ, iſt, oder ἔςω, ſoll ſeyn,
nach dem Verſtande einer Bejahung, das iſt,
eines Lehrſatzes, oder des Gebots, und einer Er-
mahnung: ſo fraget ſich, welches man alhier
dabey verſtehen ſolle? Nun lauft es zwar auf
eines hinaus: ſintemal die Lehre eine Ermah-
nung in ſich haͤlt, oder doch aus ſich gebieret;
und die Ermahnung die Lehre zum Grunde hat.
Es iſt doch aber der Senſus Didaſcalicus, nach
welchem eine Bejahung zum Lehrſatze geſchiehet,
der fuͤrnehmſte und auch alhier der fuͤglichſte.

Daß
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[409/0411] Cap. 13. v. 2-4. an die Hebraͤer. einen Glaͤubigen anzuſehen hat, als einen ſol- chen, der gleichſam ein ſichtbarer Engel iſt, und kuͤnftig den Engeln gleich ſeyn wird Luc. 20, 36. Ja was noch mehr iſt, daß Chriſtus, was man einem ſeiner Glieder thut, anſehen wird, als ſey es ihm ſelbſt geſchehen. Denn er ſpricht ausdruͤcklich Matth. 25, 35. 36. 40. Jch bin ein Gaſt geweſen, und ihr habt mich beherberget, ich bin nackt geweſen, und ihr habt mich bekleidet u. ſ. w. Mit der Erklaͤrung: Warlich ich ſage euch, was ihr gethan habt einen unter dieſen meinen ge- ringſten Bruͤdern, das habt ihr mir ge- than! Man ſehe von der Gaſtfreyheit auch die- ſe Oerter Roͤm. 12, 13. 1 Pet. 4, 9. desgleichen 1 Tim. 3, 2. Tit. 1, 8. da ſie inſonderheit den oͤf- fentlichen Lehrern recommendiret wird. V. 3. Gedencket der Gebundenen (derer, wel- che um des Namens JESU Willen in Ketten und Banden liegen,) als die Mitgebundene (laſſet euch ihre Noth zu Hertzen gehen, als waͤre es eure eigene, und gedencket, daß es heißt: heu- te an dir, morgen an mir) und derer, die (auch auſſer den Banden auf mancherley Art) Truͤb- ſal leiden, als die ihr auch noch im Leibe ſeyd (und daher, ehe ihr ihn durch den zeitlichen Tod ableget, eben dergleichen Leiden unterworf- fen ſeyd und bleibet.) Anmerckungen. 1. Von der Gaſtfreyheit koͤmmt der Apo- ſtel auf die Liebes-Pflichten, welche man den verfolgten Gliedern Chriſti auch auſſer derſelben, zu einem wircklichen Erweiſe der Bruder-Lie- be zu erzeigen hat. Denn manchen Gedruͤckten wurde es nicht einmal ſo gut, daß ſie zu ihren Bruͤdern anderswo konten ihre Zuflucht, als Gaͤſte, nehmen. 2. Man ſiehet hieraus aufs neue, daß, ob- gleich zu der Zeit, da der Apoſtel dieſen Brief geſchrieben hat, noch kein Kaͤyſerlicher Befehl ergangen war wider die Chriſten, und es daher auch noch zu keiner allgemeinen Verfolgung ge- kommen iſt, es doch den wahren Gliedern Chri- ſti an vielen ſchweren Leiden nicht gefehlet ha- be. Ein mehrers erkennet man hievon aus c. 10, 33. 34. 3. Es thut ſich aber darinn eine beſondere Providentz GOttes hervor, daß, obgleich die Gottloſen gern alle Gottſeligen auf einmal ver- tilget, oder doch gedrucket ſehen, dennoch die Leiden nur nach und nach uͤber einige vor an- dern ergehen, damit die, welche noch damit ver- ſchonet bleiben, ſich der Gedruckten annehmen ſollen und koͤnnen. 4. Nichts kan einen mehr zum Mitleiden bewegen, als wenn man, ſo oft man von dem Druck dieſer und jener Mitglieder hoͤret, ſo fort gedencket: Wie, wenn es dir begegnete? was biſt du beſſer, als ein anderer? Wer weiß, wie bald es dir auch alſo, oder noch aͤrger ergehen kan. Diß nennet der Apoſtel ſich als einen Mitgebundenen anſehen. 5. Das Andencken, ſo man den gebunde- nen und auch ſonſt gedruckten zu erweiſen hat, beſtehet zuvorderſt in einem hertzlichen Mitlei- den. Und wenn dieſes rechter Art iſt, ſo thut es ſich in einer bruͤnſtigen Huͤlfsleiſtung und, wenn ſie moͤglich iſt, Erquickung hervor. Wie denn GOTT die Sache gemeiniglich alſo re- gieret hat, daß andern iſt verſtattet worden, die Gefangenen zu beſuchen und ſie zu erquicken; ob es gleich mehrmal nicht ohne Gefahr geſchehen iſt; welche denn in der zarten Bruder-Liebe nicht geachtet wurde. Dieſes ſahe unſer Hey- land vorher; darum ſprach er davon Matth. 25, 36. Jch bin (in meinen Gliedern) gefangen geweſen, und ihr ſeyd zu mir gekommen. 6. Man kan gewiß verſichert ſeyn, daß in un- ſerm gantzen Leben kein Tag noch Stunde kom- me, darinnen nicht an mehrern Orten glaͤubige Glieder Chriſti in Ketten und Banden, und da- bey zum Theil in tiefen und finſtern Gefaͤngniſ- ſen mit vielem Ungemach liegen, ſonderlich im Pabſtthum. Und alſo hat man Urſache, ſich ſol- cher, wenn man auch gleich nicht von ihnen hoͤ- ret, in ſeinem taͤglichen Gebet mitleidig anzu- nehmen. Geſchiehet es aber, daß in den woͤ- ehentlichen Zeitungen ſolcher Leute gedacht wird, ſo hat man ſich ſo viel mehr dazu zu erwecken. Wer ſolches, als bloß etwas neues, ſo hinleſen, oder ſo anhoͤren kan, ohn zum Mitleiden ſich dadurch erwecken zu laſſen, der bezeuget damit, daß er entweder noch gar nicht im Stande der Kindſchaft GOttes ſtehe, oder doch der Bruder- Liebe in dieſem Stuͤcke wider ſeine Pflicht gantz vergeſſe. 7. Mit der Redens-Art: als die ihr noch im Leibe lebet, zeiget der Apoſtel an, daß es bey der menſchlichen Natur hauptſaͤchlich auf die Seele, als den unſterblichen Geiſt ankom- me, ſintemal in Anſehung deſſelben, als eines Einwohners, der Leib nur gleichſam ein zer- brechliches Haus und unbeſtaͤndige Huͤtte iſt: wie er auch von Paulo ausdruͤcklich genennet wird. 2 Cor. 5, 1. 2. Und Petrus ſpricht Ep. 2. c. 1. v. 14. Jch weiß, daß ich meine Huͤtte bald ablegen muß. V. 4. Die Ehe ſoll ehrlich gehalten wer- den bey allen, und das Ehebette unbe- fleckt: Die Hurer aber und Ehebrecher wird GOtt richten. Anmerckungen. 1. Da im Griechiſchen das verbum fehlet, und alſo heiſſen kan ἐςὶ, iſt, oder ἔςω, ſoll ſeyn, nach dem Verſtande einer Bejahung, das iſt, eines Lehrſatzes, oder des Gebots, und einer Er- mahnung: ſo fraget ſich, welches man alhier dabey verſtehen ſolle? Nun lauft es zwar auf eines hinaus: ſintemal die Lehre eine Ermah- nung in ſich haͤlt, oder doch aus ſich gebieret; und die Ermahnung die Lehre zum Grunde hat. Es iſt doch aber der Senſus Didaſcalicus, nach welchem eine Bejahung zum Lehrſatze geſchiehet, der fuͤrnehmſte und auch alhier der fuͤglichſte. Daß F f f

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/411>, abgerufen am 20.05.2024.