[Spaltenumbruch]
Kinder Jsrael nach und unter so vielen Wunder- thaten aus Egypten durch das rothe Meer und durch die Wüsten in der Wolcken-Seule gefüh- ret, und ausderselben auf dem Berge Sinai in höchster Majestät das Gesetz gegeben, und künftig auch am jüngsten Tage bey seiner sichtbaren Er- scheinung als der Richter aller Welt, das Gesetz exsequiren wird. Wer hieraus die wah- re wesentliche Gottheit Christi nicht erkennen wolte, der müste sich gewißlich recht muthwillig wider ein so helles und herrliches Licht der Wahr- heit selbst verblenden.
5. Und eben diese göttliche Natur und Ma- jestät des Meßiä ist auch aus dem von Paulo an- geführten Orte des Propheten Haggai, und aus dessen Contexte zu erkennen; als darinnen er un- ter andern zu unterschiedlichen malen Jehovah, der HERR Zebaoth genennet wird. Die daselbst verheissene Bewegung aber des Him- mels und der Erden läßt sich wol am füglich- sten vom jüngsten Gerichte erklären, wie das- selbe, sonderlich, den damit verknüpften grossen Bewegungen nach, im sechsten Siegel Offenb. c. 6, v. 12-17. beschrieben wird; dazu denn auch gehöret die Erfüllung der Verheissung von der Schöpfung eines neuen Himmels, und einer neuen Erde, nach Psalm 102, 27. Jes. 65, 17. 2 Pet. 3, 10-15 Offenb. 21, 1.
V. 27.
Aber solches noch einmal zeiget an, daß das bewegliche (die gegenwärtige Welt, die vom Himmel und von der Erde vorher benen- net wird: siehe Matth. 24, 35.) soll verändert (das ist, nicht zu nichts gemachet, sondern, nach den vorher angezognen Zeugnissen, verneuert) werden (da denn eine rechte metathesis, Ver- setzung eines Standes in den andern vorgehen wird) als das gemachet ist (und daher auch von dem Schöpfer, welcher alhier der Sohn GOttes ist, auch wieder kan auseinander gelöset und erneuret werden) auf daß da bleibe (nem- lich ohne alle fernere Veränderung) das unbe- wegliche (der neue Himmel und die neue Erde mit dem Reiche GOttes, dem Reiche der Herr- lichkeit.)
V. 28. 29.
Darum, weil wir empfahen ein unbe- weglich Reich (davon schon itzo den Vor- schmack haben, und zu seiner Zeit, als die rech- te Erben und Reichs-Genossen, zur vollen Ein- nehmung und Besitzung gelangen werden) ha- ben wir Gnade (ekhomen kharin, das ist, katekho- men, lasset uns veste halten und bewahren die Gnade: oder so haben wir solches mit Danck der Gnade zuzuschreiben: Siehe 1 Tim. 1, 12. 2 Tim. 1, 3. die Redens-Art kharin ekho, ich weiß es also danck, daß ich etwas für eine Gna- de erkenne) durch welche wir sollen GOtt dienen, ihm zu gefallen mit Zucht und Frucht (mit heiliger Ehrfurcht in Ansehung sei- ner grossen Majestät: welches sonst mit den Worten Furcht und Zittern ausgedrucket wird Phil. 2, 12. Ps. 2, 11.) denn unser GOtt ist ein verzehrend Feuer (mit welcher Re- [Spaltenumbruch]
dens-Art seine unwandelbare Straf-Gerechtig- keit angezeiget wird. Sie ist genommen aus 2 B. Mos. 24, 17. 5 B. Mos. 4, 24. c. 9, 3. Siehe desgleichen Heb. 10, 27.)
Anmerckungen.
1. Es gehen, vermöge des vorhergehenden Contextes, auch diese Worte auf Christum, und zeugen gleichfals von seiner ewigen Gottheit. Denn er ist der darinnen benennete wahre GOtt, dem wir das ewige und unbewegliche Reich zu dancken haben, und dem wir die Eh- re der Anbetung schuldig sind; der auch inson- derheit nach der wesentlichen Eigenschaft wie der Gnade, also auch der richterlichen Ge- rechtigkeit beschrieben wird.
2. Jst unser Heiland voller Gnade und Gerechtigkeit; so ist er wie der rechte Evange- list, also auch der Gesetz-Geber, also daß das Gesetz und das Evangelium ihren ewigen Grund in solchen seinen wesentlichen Eigenschaften ha- ben; so müssen wir auch seine Gnade nicht auf Muthwillen ziehen, weil er diesen nach seiner Gerechtigkeit strafet; gleichwie auch seine Ge- rechtigkeit niemanden von seiner Bedienung ab- schrecken soll, da wir durch seine Gnade dazu angelocket, auch mit nöthigen Kräften ausge- rüstet werden.
3. Jn der Pflicht, durch die Gnade Gott dienen, ihm zugefallen mit Zucht und Furcht, lieget eine schöne Verbindung des Ge- setzes und des Evangelii: da wir sehen, wie uns das Evangelium zu statten kömmt, daß wir GOtt nach dem Gesetze dienen können. Gleich- wie nun in dem Wesen GOttes die Gnade von der Gerechtigkeit, oder Heiligkeit, unzertrenn- lich ist, so lässet sich auch die Praxis, oder rechte Application des Gesetzes und Evangelii nicht von einander trennen. Geschiehet es, so entste- het daher ein GOtt mißfälliger Dienst; sinte- mal in demselben ohne das Evangelium lauter Natur-Kraft und ein ängstliches Wesen ist; oh- ne das Gesetz aber die Evangelische Freyheit zur Frechheit und Sicherheit wird.
4. Jst GOTT ein verzehrendes Feuer, so irren die Socinianer gar sehr, wenn sie die Straf-Gerechtigkeit GOttes daher leugnen, weil er die wesentliche Liebe ist: und folglich haben sie gar keinen Grund, die Nothwendigkeit der Genugthuung Christi zu leugnen.
5. Diese Straf-Gerechtigkeit ist auch bey dem Opferwesen im alten Testamente unter dem Feuer, welches GOtt zur Verzehrung der Opfer ließ von Himmel fallen 3 B. Mos. 11, 24. vorgebildet. Welches eben in sofern, daß GOTT die Opfer zur Versöhnung annahm, und solche Annehmung durch die Herabsendung des Feuers bezeugete, auch ein Gnaden-Zeichen war.
6. Die Gläubigen empfangen das Reich nicht als blosse Unterthanen, sondern auch als Reichs-Genossen, die mit auf Christi Thron erhaben werden, nach Offenb. 1, 16. c. 5, 9. 10. c. 3, 11. nach dem Rechte ihres Königlichen Priesterthums 1 Pet. 2, 9.
Das
Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 12. v. 26-29.
[Spaltenumbruch]
Kinder Jſrael nach und unter ſo vielen Wunder- thaten aus Egypten durch das rothe Meer und durch die Wuͤſten in der Wolcken-Seule gefuͤh- ret, und ausderſelben auf dem Berge Sinai in hoͤchſter Majeſtaͤt das Geſetz gegeben, und kuͤnftig auch am juͤngſten Tage bey ſeiner ſichtbaren Er- ſcheinung als der Richter aller Welt, das Geſetz exſequiren wird. Wer hieraus die wah- re weſentliche Gottheit Chriſti nicht erkennen wolte, der muͤſte ſich gewißlich recht muthwillig wider ein ſo helles und herrliches Licht der Wahr- heit ſelbſt verblenden.
5. Und eben dieſe goͤttliche Natur und Ma- jeſtaͤt des Meßiaͤ iſt auch aus dem von Paulo an- gefuͤhrten Orte des Propheten Haggai, und aus deſſen Contexte zu erkennen; als darinnen er un- ter andern zu unterſchiedlichen malen Jehovah, der HERR Zebaoth genennet wird. Die daſelbſt verheiſſene Bewegung aber des Him- mels und der Erden laͤßt ſich wol am fuͤglich- ſten vom juͤngſten Gerichte erklaͤren, wie daſ- ſelbe, ſonderlich, den damit verknuͤpften groſſen Bewegungen nach, im ſechſten Siegel Offenb. c. 6, v. 12-17. beſchrieben wird; dazu denn auch gehoͤret die Erfuͤllung der Verheiſſung von der Schoͤpfung eines neuen Himmels, und einer neuen Erde, nach Pſalm 102, 27. Jeſ. 65, 17. 2 Pet. 3, 10-15 Offenb. 21, 1.
V. 27.
Aber ſolches noch einmal zeiget an, daß das bewegliche (die gegenwaͤrtige Welt, die vom Himmel und von der Erde vorher benen- net wird: ſiehe Matth. 24, 35.) ſoll veraͤndert (das iſt, nicht zu nichts gemachet, ſondern, nach den vorher angezognen Zeugniſſen, verneuert) werden (da denn eine rechte μετάϑεσις, Ver- ſetzung eines Standes in den andern vorgehen wird) als das gemachet iſt (und daher auch von dem Schoͤpfer, welcher alhier der Sohn GOttes iſt, auch wieder kan auseinander geloͤſet und erneuret werden) auf daß da bleibe (nem- lich ohne alle fernere Veraͤnderung) das unbe- wegliche (der neue Himmel und die neue Erde mit dem Reiche GOttes, dem Reiche der Herr- lichkeit.)
V. 28. 29.
Darum, weil wir empfahen ein unbe- weglich Reich (davon ſchon itzo den Vor- ſchmack haben, und zu ſeiner Zeit, als die rech- te Erben und Reichs-Genoſſen, zur vollen Ein- nehmung und Beſitzung gelangen werden) ha- ben wir Gnade (ἔχωμεν χάριν, das iſt, κατέχω- μεν, laſſet uns veſte halten und bewahren die Gnade: oder ſo haben wir ſolches mit Danck der Gnade zuzuſchreiben: Siehe 1 Tim. 1, 12. 2 Tim. 1, 3. die Redens-Art χάριν ἔχω, ich weiß es alſo danck, daß ich etwas fuͤr eine Gna- de erkenne) durch welche wir ſollen GOtt dienen, ihm zu gefallen mit Zucht und Frucht (mit heiliger Ehrfurcht in Anſehung ſei- ner groſſen Majeſtaͤt: welches ſonſt mit den Worten Furcht und Zittern ausgedrucket wird Phil. 2, 12. Pſ. 2, 11.) denn unſer GOtt iſt ein verzehrend Feuer (mit welcher Re- [Spaltenumbruch]
dens-Art ſeine unwandelbare Straf-Gerechtig- keit angezeiget wird. Sie iſt genommen aus 2 B. Moſ. 24, 17. 5 B. Moſ. 4, 24. c. 9, 3. Siehe desgleichen Heb. 10, 27.)
Anmerckungen.
1. Es gehen, vermoͤge des vorhergehenden Contextes, auch dieſe Worte auf Chriſtum, und zeugen gleichfals von ſeiner ewigen Gottheit. Denn er iſt der darinnen benennete wahre GOtt, dem wir das ewige und unbewegliche Reich zu dancken haben, und dem wir die Eh- re der Anbetung ſchuldig ſind; der auch inſon- derheit nach der weſentlichen Eigenſchaft wie der Gnade, alſo auch der richterlichen Ge- rechtigkeit beſchrieben wird.
2. Jſt unſer Heiland voller Gnade und Gerechtigkeit; ſo iſt er wie der rechte Evange- liſt, alſo auch der Geſetz-Geber, alſo daß das Geſetz und das Evangelium ihren ewigen Grund in ſolchen ſeinen weſentlichen Eigenſchaften ha- ben; ſo muͤſſen wir auch ſeine Gnade nicht auf Muthwillen ziehen, weil er dieſen nach ſeiner Gerechtigkeit ſtrafet; gleichwie auch ſeine Ge- rechtigkeit niemanden von ſeiner Bedienung ab- ſchrecken ſoll, da wir durch ſeine Gnade dazu angelocket, auch mit noͤthigen Kraͤften ausge- ruͤſtet werden.
3. Jn der Pflicht, durch die Gnade Gott dienen, ihm zugefallen mit Zucht und Furcht, lieget eine ſchoͤne Verbindung des Ge- ſetzes und des Evangelii: da wir ſehen, wie uns das Evangelium zu ſtatten koͤmmt, daß wir GOtt nach dem Geſetze dienen koͤnnen. Gleich- wie nun in dem Weſen GOttes die Gnade von der Gerechtigkeit, oder Heiligkeit, unzertrenn- lich iſt, ſo laͤſſet ſich auch die Praxis, oder rechte Application des Geſetzes und Evangelii nicht von einander trennen. Geſchiehet es, ſo entſte- het daher ein GOtt mißfaͤlliger Dienſt; ſinte- mal in demſelben ohne das Evangelium lauter Natur-Kraft und ein aͤngſtliches Weſen iſt; oh- ne das Geſetz aber die Evangeliſche Freyheit zur Frechheit und Sicherheit wird.
4. Jſt GOTT ein verzehrendes Feuer, ſo irren die Socinianer gar ſehr, wenn ſie die Straf-Gerechtigkeit GOttes daher leugnen, weil er die weſentliche Liebe iſt: und folglich haben ſie gar keinen Grund, die Nothwendigkeit der Genugthuung Chriſti zu leugnen.
5. Dieſe Straf-Gerechtigkeit iſt auch bey dem Opferweſen im alten Teſtamente unter dem Feuer, welches GOtt zur Verzehrung der Opfer ließ von Himmel fallen 3 B. Moſ. 11, 24. vorgebildet. Welches eben in ſofern, daß GOTT die Opfer zur Verſoͤhnung annahm, und ſolche Annehmung durch die Herabſendung des Feuers bezeugete, auch ein Gnaden-Zeichen war.
6. Die Glaͤubigen empfangen das Reich nicht als bloſſe Unterthanen, ſondern auch als Reichs-Genoſſen, die mit auf Chriſti Thron erhaben werden, nach Offenb. 1, 16. c. 5, 9. 10. c. 3, 11. nach dem Rechte ihres Koͤniglichen Prieſterthums 1 Pet. 2, 9.
Das
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0408"n="406"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 12. v. 26-29.</hi></fw><lb/><cb/>
Kinder Jſrael nach und unter ſo vielen Wunder-<lb/>
thaten aus Egypten durch das rothe Meer und<lb/>
durch die Wuͤſten in der Wolcken-Seule gefuͤh-<lb/>
ret, und ausderſelben auf dem Berge Sinai in<lb/>
hoͤchſter Majeſtaͤt das Geſetz gegeben, und kuͤnftig<lb/>
auch am juͤngſten Tage bey ſeiner ſichtbaren Er-<lb/>ſcheinung als der Richter aller Welt, das<lb/>
Geſetz <hirendition="#aq">exſequir</hi>en wird. Wer hieraus die wah-<lb/>
re weſentliche Gottheit Chriſti nicht erkennen<lb/>
wolte, der muͤſte ſich gewißlich recht muthwillig<lb/>
wider ein ſo helles und herrliches Licht der Wahr-<lb/>
heit ſelbſt verblenden.</p><lb/><p>5. Und eben dieſe goͤttliche Natur und Ma-<lb/>
jeſtaͤt des Meßiaͤ iſt auch aus dem von Paulo an-<lb/>
gefuͤhrten Orte des Propheten Haggai, und aus<lb/>
deſſen Contexte zu erkennen; als darinnen er un-<lb/>
ter andern zu unterſchiedlichen malen <hirendition="#fr">Jehovah,<lb/>
der <hirendition="#g">HERR</hi> Zebaoth</hi> genennet wird. Die<lb/>
daſelbſt verheiſſene <hirendition="#fr">Bewegung</hi> aber des <hirendition="#fr">Him-<lb/>
mels</hi> und <hirendition="#fr">der Erden laͤßt</hi>ſich wol am fuͤglich-<lb/>ſten vom <hirendition="#fr">juͤngſten</hi> Gerichte erklaͤren, wie daſ-<lb/>ſelbe, ſonderlich, den damit verknuͤpften groſſen<lb/>
Bewegungen nach, im ſechſten Siegel Offenb.<lb/>
c. 6, v. 12-17. beſchrieben wird; dazu denn auch<lb/>
gehoͤret die Erfuͤllung der Verheiſſung von der<lb/><hirendition="#fr">Schoͤpfung eines neuen Himmels, und<lb/>
einer neuen Erde, nach</hi> Pſalm 102, 27. Jeſ.<lb/>
65, 17. 2 Pet. 3, 10-15 Offenb. 21, 1.</p></div></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">V. 27.</hi></head><lb/><p><hirendition="#fr">Aber ſolches noch einmal zeiget an,<lb/>
daß das bewegliche</hi> (die gegenwaͤrtige Welt,<lb/>
die vom Himmel und von der Erde vorher benen-<lb/>
net wird: ſiehe Matth. 24, 35.) <hirendition="#fr">ſoll veraͤndert</hi><lb/>
(das iſt, nicht zu nichts gemachet, ſondern, nach<lb/>
den vorher angezognen Zeugniſſen, verneuert)<lb/><hirendition="#fr">werden</hi> (da denn eine rechte μετάϑεσις, Ver-<lb/>ſetzung eines Standes in den andern vorgehen<lb/>
wird) <hirendition="#fr">als das gemachet iſt</hi> (und daher auch<lb/>
von dem Schoͤpfer, welcher alhier der Sohn<lb/>
GOttes iſt, auch wieder kan auseinander geloͤſet<lb/>
und erneuret werden) <hirendition="#fr">auf daß da bleibe</hi> (nem-<lb/>
lich ohne alle fernere Veraͤnderung) <hirendition="#fr">das unbe-<lb/>
wegliche</hi> (der neue Himmel und die neue Erde<lb/>
mit dem Reiche GOttes, dem Reiche der Herr-<lb/>
lichkeit.)</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">V. 28. 29.</hi></head><lb/><p><hirendition="#fr">Darum, weil wir empfahen ein unbe-<lb/>
weglich Reich</hi> (davon ſchon itzo den Vor-<lb/>ſchmack haben, und zu ſeiner Zeit, als die rech-<lb/>
te Erben und Reichs-Genoſſen, zur vollen Ein-<lb/>
nehmung und Beſitzung gelangen werden) <hirendition="#fr">ha-<lb/>
ben wir Gnade</hi> (ἔχωμενχάριν, das iſt, κατέχω-<lb/>μεν, laſſet uns veſte halten und bewahren die<lb/>
Gnade: oder ſo haben wir ſolches mit Danck<lb/>
der Gnade zuzuſchreiben: Siehe 1 Tim. 1, 12.<lb/>
2 Tim. 1, 3. die Redens-Art χάρινἔχω, ich<lb/>
weiß es alſo danck, daß ich etwas fuͤr eine Gna-<lb/>
de erkenne) <hirendition="#fr">durch welche wir ſollen GOtt<lb/>
dienen, ihm zu gefallen mit Zucht und<lb/>
Frucht</hi> (mit heiliger Ehrfurcht in Anſehung ſei-<lb/>
ner groſſen Majeſtaͤt: welches ſonſt mit den<lb/>
Worten <hirendition="#fr">Furcht und Zittern</hi> ausgedrucket<lb/>
wird Phil. 2, 12. Pſ. 2, 11.) <hirendition="#fr">denn unſer GOtt<lb/>
iſt ein verzehrend Feuer</hi> (mit welcher Re-<lb/><cb/>
dens-Art ſeine unwandelbare Straf-Gerechtig-<lb/>
keit angezeiget wird. Sie iſt genommen aus 2<lb/>
B. Moſ. 24, 17. 5 B. Moſ. 4, 24. c. 9, 3. Siehe<lb/>
desgleichen Heb. 10, 27.)</p><lb/><divn="4"><head><hirendition="#b">Anmerckungen.</hi></head><lb/><p>1. Es gehen, vermoͤge des vorhergehenden<lb/>
Contextes, auch dieſe Worte auf Chriſtum, und<lb/>
zeugen gleichfals von ſeiner <hirendition="#fr">ewigen Gottheit.</hi><lb/>
Denn er iſt der darinnen benennete <hirendition="#fr">wahre<lb/>
GOtt,</hi> dem wir das ewige und <hirendition="#fr">unbewegliche<lb/>
Reich</hi> zu dancken haben, und dem wir die <hirendition="#fr">Eh-<lb/>
re der Anbetung</hi>ſchuldig ſind; der auch inſon-<lb/>
derheit nach der weſentlichen Eigenſchaft wie<lb/>
der <hirendition="#fr">Gnade,</hi> alſo auch der <hirendition="#fr">richterlichen Ge-<lb/>
rechtigkeit</hi> beſchrieben wird.</p><lb/><p>2. Jſt unſer Heiland voller <hirendition="#fr">Gnade</hi> und<lb/><hirendition="#fr">Gerechtigkeit;</hi>ſo iſt er wie der rechte <hirendition="#fr">Evange-<lb/>
liſt,</hi> alſo auch der <hirendition="#fr">Geſetz-Geber,</hi> alſo daß das<lb/>
Geſetz und das Evangelium ihren ewigen Grund<lb/>
in ſolchen ſeinen weſentlichen Eigenſchaften ha-<lb/>
ben; ſo muͤſſen wir auch ſeine Gnade nicht auf<lb/>
Muthwillen ziehen, weil er dieſen nach ſeiner<lb/>
Gerechtigkeit ſtrafet; gleichwie auch ſeine Ge-<lb/>
rechtigkeit niemanden von ſeiner Bedienung ab-<lb/>ſchrecken ſoll, da wir durch ſeine Gnade dazu<lb/>
angelocket, auch mit noͤthigen Kraͤften ausge-<lb/>
ruͤſtet werden.</p><lb/><p>3. Jn der Pflicht, <hirendition="#fr">durch die Gnade Gott<lb/>
dienen, ihm zugefallen mit Zucht und<lb/>
Furcht,</hi> lieget eine ſchoͤne Verbindung des <hirendition="#fr">Ge-<lb/>ſetzes</hi> und des <hirendition="#fr">Evangelii:</hi> da wir ſehen, wie<lb/>
uns das Evangelium zu ſtatten koͤmmt, daß wir<lb/>
GOtt nach dem Geſetze dienen koͤnnen. Gleich-<lb/>
wie nun in dem Weſen GOttes die <hirendition="#fr">Gnade</hi> von<lb/>
der <hirendition="#fr">Gerechtigkeit,</hi> oder <hirendition="#fr">Heiligkeit,</hi> unzertrenn-<lb/>
lich iſt, ſo laͤſſet ſich auch die <hirendition="#aq">Praxis,</hi> oder rechte<lb/><hirendition="#aq">Application</hi> des Geſetzes und Evangelii nicht<lb/>
von einander trennen. Geſchiehet es, ſo entſte-<lb/>
het daher ein GOtt mißfaͤlliger Dienſt; ſinte-<lb/>
mal in demſelben ohne das Evangelium lauter<lb/>
Natur-Kraft und ein aͤngſtliches Weſen iſt; oh-<lb/>
ne das Geſetz aber die Evangeliſche Freyheit<lb/>
zur Frechheit und Sicherheit wird.</p><lb/><p>4. Jſt GOTT ein <hirendition="#fr">verzehrendes Feuer,</hi><lb/>ſo irren die Socinianer gar ſehr, wenn ſie die<lb/><hirendition="#fr">Straf-Gerechtigkeit GOttes</hi> daher leugnen,<lb/>
weil er die weſentliche <hirendition="#fr">Liebe</hi> iſt: und folglich<lb/>
haben ſie gar keinen Grund, die Nothwendigkeit<lb/>
der <hirendition="#fr">Genugthuung</hi> Chriſti zu leugnen.</p><lb/><p>5. Dieſe <hirendition="#fr">Straf-Gerechtigkeit</hi> iſt auch<lb/>
bey dem Opferweſen im alten Teſtamente unter<lb/>
dem <hirendition="#fr">Feuer,</hi> welches GOtt zur <hirendition="#fr">Verzehrung</hi><lb/>
der Opfer ließ von Himmel fallen 3 B. Moſ. 11,<lb/>
24. vorgebildet. Welches eben in ſofern, daß<lb/>
GOTT die Opfer zur Verſoͤhnung annahm,<lb/>
und ſolche Annehmung durch die Herabſendung<lb/>
des Feuers bezeugete, auch ein <hirendition="#fr">Gnaden-Zeichen</hi><lb/>
war.</p><lb/><p>6. Die Glaͤubigen empfangen das Reich<lb/>
nicht als bloſſe <hirendition="#fr">Unterthanen,</hi>ſondern auch als<lb/><hirendition="#fr">Reichs-Genoſſen,</hi> die mit auf Chriſti Thron<lb/>
erhaben werden, nach Offenb. 1, 16. c. 5, 9. 10.<lb/>
c. 3, 11. nach dem Rechte ihres <hirendition="#fr">Koͤniglichen<lb/>
Prieſterthums</hi> 1 Pet. 2, 9.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#b">Das</hi></fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[406/0408]
Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 12. v. 26-29.
Kinder Jſrael nach und unter ſo vielen Wunder-
thaten aus Egypten durch das rothe Meer und
durch die Wuͤſten in der Wolcken-Seule gefuͤh-
ret, und ausderſelben auf dem Berge Sinai in
hoͤchſter Majeſtaͤt das Geſetz gegeben, und kuͤnftig
auch am juͤngſten Tage bey ſeiner ſichtbaren Er-
ſcheinung als der Richter aller Welt, das
Geſetz exſequiren wird. Wer hieraus die wah-
re weſentliche Gottheit Chriſti nicht erkennen
wolte, der muͤſte ſich gewißlich recht muthwillig
wider ein ſo helles und herrliches Licht der Wahr-
heit ſelbſt verblenden.
5. Und eben dieſe goͤttliche Natur und Ma-
jeſtaͤt des Meßiaͤ iſt auch aus dem von Paulo an-
gefuͤhrten Orte des Propheten Haggai, und aus
deſſen Contexte zu erkennen; als darinnen er un-
ter andern zu unterſchiedlichen malen Jehovah,
der HERR Zebaoth genennet wird. Die
daſelbſt verheiſſene Bewegung aber des Him-
mels und der Erden laͤßt ſich wol am fuͤglich-
ſten vom juͤngſten Gerichte erklaͤren, wie daſ-
ſelbe, ſonderlich, den damit verknuͤpften groſſen
Bewegungen nach, im ſechſten Siegel Offenb.
c. 6, v. 12-17. beſchrieben wird; dazu denn auch
gehoͤret die Erfuͤllung der Verheiſſung von der
Schoͤpfung eines neuen Himmels, und
einer neuen Erde, nach Pſalm 102, 27. Jeſ.
65, 17. 2 Pet. 3, 10-15 Offenb. 21, 1.
V. 27.
Aber ſolches noch einmal zeiget an,
daß das bewegliche (die gegenwaͤrtige Welt,
die vom Himmel und von der Erde vorher benen-
net wird: ſiehe Matth. 24, 35.) ſoll veraͤndert
(das iſt, nicht zu nichts gemachet, ſondern, nach
den vorher angezognen Zeugniſſen, verneuert)
werden (da denn eine rechte μετάϑεσις, Ver-
ſetzung eines Standes in den andern vorgehen
wird) als das gemachet iſt (und daher auch
von dem Schoͤpfer, welcher alhier der Sohn
GOttes iſt, auch wieder kan auseinander geloͤſet
und erneuret werden) auf daß da bleibe (nem-
lich ohne alle fernere Veraͤnderung) das unbe-
wegliche (der neue Himmel und die neue Erde
mit dem Reiche GOttes, dem Reiche der Herr-
lichkeit.)
V. 28. 29.
Darum, weil wir empfahen ein unbe-
weglich Reich (davon ſchon itzo den Vor-
ſchmack haben, und zu ſeiner Zeit, als die rech-
te Erben und Reichs-Genoſſen, zur vollen Ein-
nehmung und Beſitzung gelangen werden) ha-
ben wir Gnade (ἔχωμεν χάριν, das iſt, κατέχω-
μεν, laſſet uns veſte halten und bewahren die
Gnade: oder ſo haben wir ſolches mit Danck
der Gnade zuzuſchreiben: Siehe 1 Tim. 1, 12.
2 Tim. 1, 3. die Redens-Art χάριν ἔχω, ich
weiß es alſo danck, daß ich etwas fuͤr eine Gna-
de erkenne) durch welche wir ſollen GOtt
dienen, ihm zu gefallen mit Zucht und
Frucht (mit heiliger Ehrfurcht in Anſehung ſei-
ner groſſen Majeſtaͤt: welches ſonſt mit den
Worten Furcht und Zittern ausgedrucket
wird Phil. 2, 12. Pſ. 2, 11.) denn unſer GOtt
iſt ein verzehrend Feuer (mit welcher Re-
dens-Art ſeine unwandelbare Straf-Gerechtig-
keit angezeiget wird. Sie iſt genommen aus 2
B. Moſ. 24, 17. 5 B. Moſ. 4, 24. c. 9, 3. Siehe
desgleichen Heb. 10, 27.)
Anmerckungen.
1. Es gehen, vermoͤge des vorhergehenden
Contextes, auch dieſe Worte auf Chriſtum, und
zeugen gleichfals von ſeiner ewigen Gottheit.
Denn er iſt der darinnen benennete wahre
GOtt, dem wir das ewige und unbewegliche
Reich zu dancken haben, und dem wir die Eh-
re der Anbetung ſchuldig ſind; der auch inſon-
derheit nach der weſentlichen Eigenſchaft wie
der Gnade, alſo auch der richterlichen Ge-
rechtigkeit beſchrieben wird.
2. Jſt unſer Heiland voller Gnade und
Gerechtigkeit; ſo iſt er wie der rechte Evange-
liſt, alſo auch der Geſetz-Geber, alſo daß das
Geſetz und das Evangelium ihren ewigen Grund
in ſolchen ſeinen weſentlichen Eigenſchaften ha-
ben; ſo muͤſſen wir auch ſeine Gnade nicht auf
Muthwillen ziehen, weil er dieſen nach ſeiner
Gerechtigkeit ſtrafet; gleichwie auch ſeine Ge-
rechtigkeit niemanden von ſeiner Bedienung ab-
ſchrecken ſoll, da wir durch ſeine Gnade dazu
angelocket, auch mit noͤthigen Kraͤften ausge-
ruͤſtet werden.
3. Jn der Pflicht, durch die Gnade Gott
dienen, ihm zugefallen mit Zucht und
Furcht, lieget eine ſchoͤne Verbindung des Ge-
ſetzes und des Evangelii: da wir ſehen, wie
uns das Evangelium zu ſtatten koͤmmt, daß wir
GOtt nach dem Geſetze dienen koͤnnen. Gleich-
wie nun in dem Weſen GOttes die Gnade von
der Gerechtigkeit, oder Heiligkeit, unzertrenn-
lich iſt, ſo laͤſſet ſich auch die Praxis, oder rechte
Application des Geſetzes und Evangelii nicht
von einander trennen. Geſchiehet es, ſo entſte-
het daher ein GOtt mißfaͤlliger Dienſt; ſinte-
mal in demſelben ohne das Evangelium lauter
Natur-Kraft und ein aͤngſtliches Weſen iſt; oh-
ne das Geſetz aber die Evangeliſche Freyheit
zur Frechheit und Sicherheit wird.
4. Jſt GOTT ein verzehrendes Feuer,
ſo irren die Socinianer gar ſehr, wenn ſie die
Straf-Gerechtigkeit GOttes daher leugnen,
weil er die weſentliche Liebe iſt: und folglich
haben ſie gar keinen Grund, die Nothwendigkeit
der Genugthuung Chriſti zu leugnen.
5. Dieſe Straf-Gerechtigkeit iſt auch
bey dem Opferweſen im alten Teſtamente unter
dem Feuer, welches GOtt zur Verzehrung
der Opfer ließ von Himmel fallen 3 B. Moſ. 11,
24. vorgebildet. Welches eben in ſofern, daß
GOTT die Opfer zur Verſoͤhnung annahm,
und ſolche Annehmung durch die Herabſendung
des Feuers bezeugete, auch ein Gnaden-Zeichen
war.
6. Die Glaͤubigen empfangen das Reich
nicht als bloſſe Unterthanen, ſondern auch als
Reichs-Genoſſen, die mit auf Chriſti Thron
erhaben werden, nach Offenb. 1, 16. c. 5, 9. 10.
c. 3, 11. nach dem Rechte ihres Koͤniglichen
Prieſterthums 1 Pet. 2, 9.
Das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/408>, abgerufen am 20.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.
