Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Cap. 12. v. 2-5. an die Hebräer. [Spaltenumbruch]
auch zu dem Zweck des Apostels; welcher wardie Gläubigen unter der Vorstellung der bevorste- henden Herrlichkeit zur Beharrung und zur Ge- duld unter den Leiden zu ermuntern. Und bey diesem Sensu behält auch das Wörtlein anti, die auf eine Verwechselung, da etwas an die Stelle des andern kommt, gehende Bedeutung: sinte- mal die Freude für die Leiden kömmt, oder gleich- sam in die Stelle der Leiden tritt. Und da die Freude voller Herrlichkeit ist, so nennet sie Pe- trus 1 Ep. c. 1. kharan aneklaleton kai dedoxasme- nen, eine unaussprechliche und recht ver- herrlichte Freude. Von dem Sitzen zur Rech- ten GOttes ist schon vorher in diesem Briefe gehandelt worden. Siehe c. 1, 3. 13. c. 8, 1. c. 10. v. 12. V. 3. Gedencket an den, der ein solch wider- Anmerckungen. 1. Jm Griechischen hebet sich der Vers an 2. Das Wort analogisasthe bedeutet ei- 3. Die Natur ist bey dem Menschen Creutz- V. 4. Jhr habt (aber) noch nicht bis aufs Anmerckungen. 1. Paulus stellet alhier die Sünde vor wie 2. Mit den Worten, nicht bis aufs Blut 3. Hält nun aber Paulus denen, bey welchen V. 5. Und habt bereits vergessen des Tro- Anmerckungen. 1. Man siehet aus allen Briefen Pauli, 2. Daß die heilige Schrift des alten Te- nis D d d 3
Cap. 12. v. 2-5. an die Hebraͤer. [Spaltenumbruch]
auch zu dem Zweck des Apoſtels; welcher wardie Glaͤubigen unter der Vorſtellung der bevorſte- henden Herrlichkeit zur Beharrung und zur Ge- duld unter den Leiden zu ermuntern. Und bey dieſem Senſu behaͤlt auch das Woͤrtlein ἀντὶ, die auf eine Verwechſelung, da etwas an die Stelle des andern kommt, gehende Bedeutung: ſinte- mal die Freude fuͤr die Leiden koͤmmt, oder gleich- ſam in die Stelle der Leiden tritt. Und da die Freude voller Herrlichkeit iſt, ſo nennet ſie Pe- trus 1 Ep. c. 1. χαρὰν ἀνεκλάλητον καὶ δεδοξασμέ- νην, eine unausſprechliche und recht ver- herrlichte Freude. Von dem Sitzen zur Rech- ten GOttes iſt ſchon vorher in dieſem Briefe gehandelt worden. Siehe c. 1, 3. 13. c. 8, 1. c. 10. v. 12. V. 3. Gedencket an den, der ein ſolch wider- Anmerckungen. 1. Jm Griechiſchen hebet ſich der Vers an 2. Das Wort ἀναλογίσασϑε bedeutet ei- 3. Die Natur iſt bey dem Menſchen Creutz- V. 4. Jhr habt (aber) noch nicht bis aufs Anmerckungen. 1. Paulus ſtellet alhier die Suͤnde vor wie 2. Mit den Worten, nicht bis aufs Blut 3. Haͤlt nun aber Paulus denen, bey welchen V. 5. Und habt bereits vergeſſen des Tro- Anmerckungen. 1. Man ſiehet aus allen Briefen Pauli, 2. Daß die heilige Schrift des alten Te- nis D d d 3
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Cap. 12. v. 2-5. an die Hebraͤer.
auch zu dem Zweck des Apoſtels; welcher war
die Glaͤubigen unter der Vorſtellung der bevorſte-
henden Herrlichkeit zur Beharrung und zur Ge-
duld unter den Leiden zu ermuntern. Und bey
dieſem Senſu behaͤlt auch das Woͤrtlein ἀντὶ, die
auf eine Verwechſelung, da etwas an die Stelle
des andern kommt, gehende Bedeutung: ſinte-
mal die Freude fuͤr die Leiden koͤmmt, oder gleich-
ſam in die Stelle der Leiden tritt. Und da die
Freude voller Herrlichkeit iſt, ſo nennet ſie Pe-
trus 1 Ep. c. 1. χαρὰν ἀνεκλάλητον καὶ δεδοξασμέ-
νην, eine unausſprechliche und recht ver-
herrlichte Freude. Von dem Sitzen zur Rech-
ten GOttes iſt ſchon vorher in dieſem Briefe
gehandelt worden. Siehe c. 1, 3. 13. c. 8, 1. c. 10.
v. 12.
V. 3.
Gedencket an den, der ein ſolch wider-
ſprechen (welches auch nicht ohne die haͤrteſte
Verfolgung bis zum Tode am Creutze geblieben
iſt, und vorher verkuͤndiget war Luc. 2, 34) von
den Suͤndern (ſeinen offenbaren Feinden, die,
weil ſie in vielen Suͤnden lebten, ſich doch aber zu
GOtt auf die Einladung Chriſti nicht bekehren
wolten, eben daher ihre Feindſeligkeit wider ihn
auslieſſen) wider ſich erduldet hat, daß ihr
nicht in eurem Muthe matt werdet und
ablaſſet.
Anmerckungen.
1. Jm Griechiſchen hebet ſich der Vers an
mit dem Woͤrtlein denn, womit bey mehrer Er-
laͤuterung deſſen, was vorhergehet, angezeiget
wird, warum man auf Chriſtum ſehen ſoll, nem-
lich damit man, wenn man ſeine Leiden erweget,
ſich derſelben ſoviel weniger ſchaͤme, und darin-
nen nicht matt werde.
2. Das Wort ἀναλογίσασϑε bedeutet ei-
gentlich ein ſolches Andencken, da man zwiſchen
zween Sachen eine Vergleichung anſtellet, und
ſiehet, wie aͤhnlich ſie einander ſind. Da denn
zwiſchen den Leyden Chriſti und ſeiner Glieder ſich
bey der groſſen Ungleichheit auch eine groſſe
Gleichheit befindet.
3. Die Natur iſt bey dem Menſchen Creutz-
ſchen: Dannenhero man wol gebrauchet zur
Ubernehmung des Creutzes ermuntert zu werden;
auch wenn man ſchon manches erlitten hat: wie
die glaͤubigen Hebraͤer nach c. 10, 33. 34. ſchon vie-
les ausgeſtanden hatten.
V. 4.
Jhr habt (aber) noch nicht bis aufs
Blut (oder bis in den Tod, wie Chriſtus und ſo
viele Martyrer des alten Teſtaments, weil ihr ja
noch am Leben ſeyd) widerſtanden uͤber dem
kaͤmpfen wider die Suͤnde (ſo wohl die in-
wohnende, als die euch von auſſen reitzende, ſon-
derlich zum Abfall von der Chriſtlichen Reli-
gion.)
Anmerckungen.
1. Paulus ſtellet alhier die Suͤnde vor wie
einen maͤchtigen und argen Feind, der einem
bis auf den Tod zuſetzet. Und hatten die glaͤubi-
gen Hebraͤer ſolchen Feind an der zuvor v. 1. ge-
dachten Laſt und an der immer anklebenden
Suͤnde. Dazu denn die groſſe Verſuchung zum
Abfall kam mit aller Wuth der Feinde, welche
darauf drungen, und in welchen ſich alſo die Sun-
de ihnen gleichſam perſoͤnlich darſtellete.
2. Mit den Worten, nicht bis aufs Blut
ſiehet der Apoſtel zuruͤck auf c. 10, 33. 34. da er an-
zeiget, wie weit es unter ihnen im Leiden gekom-
men ſey, nemlich bis zu allerhand Schmach und
Truͤbſal, auch bis zum Raube der Guͤter: aber
weiter noch nicht; und alſo noch nicht bis aufs
Blut, oder zum wuͤrcklichen Martyr-Tode. Denn
hierzu durften die Feinde noch nicht ſo leichtlich
ſchreiten, aus Furcht der Verantwortung, weil
noch kein Kaͤyſerlicher Befehl bis auf dieſe Zeit
zur Verfolgung und Unterdruckung der Chriſten
vorhanden war. Man hat demnach zur Erlaͤute-
rung dieſes Orts den Ort 1 Cor. 10, 13. zu erwe-
gen, da es heißt: Es hat euch noch keine,
denn menſchliche, oder leichtlich zuertragende,
Verſuchung betreten.
3. Haͤlt nun aber Paulus denen, bey welchen
es doch unter andern zum gewaltſamen Raub der
Guͤter gekommen war, vor, daß es noch an den
rechten, oder groͤſten, Leiden Fehle: was will ei-
ner denn von groſſem Creutze ſagen, mit welchem
es auch dazu noch lange nicht gekommen iſt?
V. 5.
Und habt bereits vergeſſen des Tro-
ſtes, (ja GOttes, des Troͤſters ſelbſt) der zu
euch redet als zu Kindern (Sprichw. 3, 11. 12.)
Mein Sohm achte nicht gering die Zuͤchti-
gung (verwirf ſie nicht; entziehe dich derſel-
ben nicht, als einem unertraͤglichen Joche,)
des HErrn (der, was von Menſchen koͤmmt,
vaͤterlich verhenget) und verzage nicht (laſſe
den Muth nicht ſincken, ſondern ermuntere dich
vielmehr zur Glaubens-Freudigkeit) wenn du
von ihm geſtrafet wirſt (zur Uberzeugung
deiner Fehler, um welcher willen, nemlich um
dich immer mehr von deinen noch uͤbrigen Schla-
cken zu reinigen, GOTT das Feuer der Truͤb-
ſal uͤber dich verhenget, gebracht wirſt.)
Anmerckungen.
1. Man ſiehet aus allen Briefen Pauli,
daß die damaligen Chriſten von ungleicher Art
geweſen, einige ſtaͤrcker, einige ſchwaͤcher: wie
es auch die Sache ſelbſt alſo mit ſich bringet.
Und auf beyderley Arten richtet er ſeinen Vor-
trag. Da er nun von den Staͤrckern unter den
Hebraͤern c. 10, 13. 14. geſaget hatte, daß ſie
den Raub ihrer Guͤter mit Freuden erduldet
haͤtten; ſo ſiehet er alhier ſonderlich auf die
Schwaͤchere, welche ſich, dem von ihnen em-
pfangenen Bericht nach, im Leiden zu zaͤrtlich
und kleinmuͤthig erwieſen hatten. Damit er
denn zugleich bey andern gegen ſolche Weichlich-
keit vorzubeugen ſuchet.
2. Daß die heilige Schrift des alten Te-
ſtaments auch allen zur Zeit der neuen Oecono-
mie geſchrieben ſey, zeiget Paulus damit deut-
lich an, wenn er die Sprichwoͤrter Salomo-
nis
D d d 3
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