[Spaltenumbruch]
Jngleichen 2 Cor. 7, 1. Eph. 4, 22. Col. 3, 8. Pe t. 2, 1.
10. Jm übrigen da uns der Lauf in dem verordneten Kampf so ernstlich befohlen ist; so ist leichtlich zu erachten, daß, wenn Röm. 9, 16. gesaget wird. Es lieget nicht an iemandes wollen, oder laufen, sondern an GOttes Erbarmen, ein solches laufen für vergeblich ge- halten werde, welches die Erbarmung GOttes und der Evangelischen Ordnung des Heyls ent- gegen stehet.
V. 2.
Und aufsehen auf JEsum, den An- fänger und Vollender des Glaubens (und aller Seligkeit, als die er gegründet hat und mit aller Vollkommenheit hinaus führet.) Welcher, da er wol hätte mögen Freude haben, (Gr. in Ansehung der ihm vorgelegten, oder bevorste- henden Freude, nemlich des Triumphs nach dem Streite) erduldete er das Creutz, und ach- tete der Schande (welche der schmertzliche Creutzes-Tod mit sich führte) nicht, und ist (nach vollendetem Lauf) gesessen (oder hat sich gesetzet) zur rechten auf den Stul (oder Thron) GOttes (und ist also damit zu der ihm vorgelegten Freude und Herrlichkeit gelan- get.)
Anmerckungen.
1. Die Verbindung dieses Verses mit dem vorhergehenden siehet leichtlich ein ieder. Denn der Apostel weiset uns von dem Exempel, der Gläu- bigen des alten Testaments, die er vorher gleich- sam wie eine Wolcke, das ist, in grosser Menge vorgestellet hatte, und die noch viele Unvollkom- menheit an sich haben, auf das allervollkommneste, welches ist Christi JEsu: als nach welchem und dessen Worte alles zu prüfen ist. Daher Pau- lus selbst spricht: Seyd meine Nachfolger, gleichwie ich Christi (Nachfolger bin.) 1 Cor. 10, 1.
2. Christus ist der Anfänger des Glau- bens mit diesem gedoppelten Nachdruck, daß er den Glaubens-Grund durch sein in diesem Briefe den Gläubigen so hoch angepriesenes Ver- söhnopfer geleget hat; und denn auch, daß er durch seinen Geist aus seiner Fülle uns die Gnade und die Kraft zum Glauben mittheilet, und ihn, als ein geistliches Leben und ein geistliches Licht, in uns wircket.
3. Der Vollender des Glaubens ist er mit gleichsam gedoppelten Nachdrucke, zuvor- derst damit, daß er den Glauben in uns bis an un- ser seliges Ende erhält und vermehret: und denn auch damit, daß er denselben mit der ewigen Herr- lichkeit Crönet: da wir denn das Ende unsers Glaubens, der Seelen Seligkeit, in vollem Mas- se erlangen nach 1 Pet. 1. 9. Da sind sie denn di- kaioi teteleiomenoi. c. 12, 23. die vollendeten Gerechten.
4. Jst nun aber JEsus der Anfänger und Vollender unsers Glaubens, so ist er wahrer ewiger GOtt: sintemal den Glauben gründen, anfangen und zur Seligkeit hinaus führen, das grösseste Werck GOttes ist: zumal da er auch [Spaltenumbruch]
der ist, auf welchen unser Glaube sich gründet, und von dem er die Seligkeit empfähet.
5. Jst Christus der Anfänger und Vollen- der des Glaubens; so gereichet es ihm zur grossen Unehre, wenn man nicht im Glauben wircklich verharret, sondern sich aus seiner gnädigen und mächtigen Hand, darinnen er die Gläubigen hält und gerne bewahret, daß sie niemand ihm entreissen kan Joh. 10, 28. 29. selbst muthwillig losreisset. Zu noch mehrern Verunehrung des Namens JEsu gereichet es, wenn man sich nicht scheuet, vorzugeben, es sey unmöglich, im Gott- seligen Leben bis an sein Ende also zu verharren, daß man nicht durch muthwillige Sünden aus dem Stande der Gnaden verfalle: als welches eben soviel ist, als auch den Glauben verlieren, sintemal dieser mit vorsetzlichen Sünden nicht be- stehen kan. Nun kan es zwar geschehen, daß ein gesallener wieder aufstehet, und wenn er am Glau- ben Schiffbruch gelitten, wieder dazu gelanget: Allein nicht sowol davon, als von der Gnade der beständigen Bewahrung heißt Christus ein Vollender des Glaubens, wie denn auch die Rückkehr ungewiß und der Aufschub sehr gefähr- lich ist. Siehe auch Phil. 1, 6. c. 2, 13. und oben Hebr. 2, 10. da Christus heißt arkhegos, der Her- tzog der Seligkeit.
6. Wir haben bey dem Worte Vollender teleiotes, auch zurück zu sehen auf diejenigen Oer- ter dieses Briefes, da von Christo gesaget wird, theils daß er seiner eigenen Person nach durch Lei- den sey vollendet worden, das ist zur Herrlichkeit eingegangen, nemlich c. 2, 10. c. 5, 9. c. 7, 28. theils daß er durch die neue Oeconomie die der alten unmögliche Vollendung zu wege gebracht habe c. 7, 11. 19. c. 9, 9. c. 11, 40.
7. Die Worte anti tes prokeimenes auto kharas, lassen sich zwar wol also verstehen, wie sie der selige Lutherus ühersetzet hat: da er wol hätte mögen Freude haben; also daß der Verstand dieser sey: Christus habe des Mittler- Amts, und folglich der deswegen übernommenen Leiden, in welchen er bis in den Tod, sonderlich da er den ewigen Tod schmeckete, betrübet war, können überhoben seyn und dafür in der Freude seiner göttlichen Herrlichkeit bleiben. Doch las- sen sich die Worte füglicher also übersetzen: wel- cher in Ansehung der ihm vorgelegten, oder vor Augen schwebenden, Freude erdulder hat u. f. also daß der Verstand dieser sey: Chri- stus habe soviel weniger sich den grossen und schweren Leiden für uns entziehen wollen, soviel gewisser er versichert gewesen von derselben Kürtze und von dem bevorstehenden Wechsel der Freude, welche er darüber haben würde, wenn er sich sei- ner menschlichen Natur nach, in welcher er sie ei- gentlich empfunden habe, dergestalt zur Herrlich- keit erhaben sehe, daß er so denn solcher seiner ver- herrlichten Freude könne alle Glieder seines geist- lichen Leibes theilhaftig machen.
8. Dieser Verstand schicket sich nicht allein besser zu dem Worte prokeimenes, vorgeleget, vorgestellet; sondern auch zu den folgenden Worten, da die vorgelegte Freude durch das Si- tzen zur rechten GOttes erkläret wird: wie
auch
Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 12. v. 1-2
[Spaltenumbruch]
Jngleichen 2 Cor. 7, 1. Eph. 4, 22. Col. 3, 8. Pe t. 2, 1.
10. Jm uͤbrigen da uns der Lauf in dem verordneten Kampf ſo ernſtlich befohlen iſt; ſo iſt leichtlich zu erachten, daß, wenn Roͤm. 9, 16. geſaget wird. Es lieget nicht an iemandes wollen, oder laufen, ſondern an GOttes Erbarmen, ein ſolches laufen fuͤr vergeblich ge- halten werde, welches die Erbarmung GOttes und der Evangeliſchen Ordnung des Heyls ent- gegen ſtehet.
V. 2.
Und aufſehen auf JEſum, den An- faͤnger und Vollender des Glaubens (und aller Seligkeit, als die er gegruͤndet hat und mit aller Vollkommenheit hinaus fuͤhret.) Welcher, da er wol haͤtte moͤgen Freude haben, (Gr. in Anſehung der ihm vorgelegten, oder bevorſte- henden Freude, nemlich des Triumphs nach dem Streite) erduldete er das Creutz, und ach- tete der Schande (welche der ſchmertzliche Creutzes-Tod mit ſich fuͤhrte) nicht, und iſt (nach vollendetem Lauf) geſeſſen (oder hat ſich geſetzet) zur rechten auf den Stul (oder Thron) GOttes (und iſt alſo damit zu der ihm vorgelegten Freude und Herrlichkeit gelan- get.)
Anmerckungen.
1. Die Verbindung dieſes Verſes mit dem vorhergehenden ſiehet leichtlich ein iedeꝛ. Denn der Apoſtel weiſet uns von dem Exempel, der Glaͤu- bigen des alten Teſtaments, die er vorher gleich- ſam wie eine Wolcke, das iſt, in groſſer Menge vorgeſtellet hatte, und die noch viele Unvollkom- menheit an ſich haben, auf das allervollkommneſte, welches iſt Chriſti JEſu: als nach welchem und deſſen Worte alles zu pruͤfen iſt. Daher Pau- lus ſelbſt ſpricht: Seyd meine Nachfolger, gleichwie ich Chriſti (Nachfolger bin.) 1 Cor. 10, 1.
2. Chriſtus iſt der Anfaͤnger des Glau- bens mit dieſem gedoppelten Nachdruck, daß er den Glaubens-Grund durch ſein in dieſem Briefe den Glaͤubigen ſo hoch angeprieſenes Ver- ſoͤhnopfer geleget hat; und denn auch, daß er durch ſeinen Geiſt aus ſeiner Fuͤlle uns die Gnade und die Kraft zum Glauben mittheilet, und ihn, als ein geiſtliches Leben und ein geiſtliches Licht, in uns wircket.
3. Der Vollender des Glaubens iſt er mit gleichſam gedoppelten Nachdrucke, zuvor- derſt damit, daß er den Glauben in uns bis an un- ſer ſeliges Ende erhaͤlt und vermehret: und denn auch damit, daß er denſelben mit der ewigen Herr- lichkeit Croͤnet: da wir denn das Ende unſers Glaubens, der Seelen Seligkeit, in vollem Maſ- ſe erlangen nach 1 Pet. 1. 9. Da ſind ſie denn δί- καιοι τετελειωμένοι. c. 12, 23. die vollendeten Gerechten.
4. Jſt nun aber JEſus der Anfaͤnger und Vollender unſers Glaubens, ſo iſt er wahrer ewiger GOtt: ſintemal den Glauben gruͤnden, anfangen und zur Seligkeit hinaus fuͤhren, das groͤſſeſte Werck GOttes iſt: zumal da er auch [Spaltenumbruch]
der iſt, auf welchen unſer Glaube ſich gruͤndet, und von dem er die Seligkeit empfaͤhet.
5. Jſt Chriſtus der Anfaͤnger und Vollen- der des Glaubens; ſo gereichet es ihm zur groſſen Unehre, wenn man nicht im Glauben wircklich verharret, ſondern ſich aus ſeiner gnaͤdigen und maͤchtigen Hand, darinnen er die Glaͤubigen haͤlt und gerne bewahret, daß ſie niemand ihm entreiſſen kan Joh. 10, 28. 29. ſelbſt muthwillig losreiſſet. Zu noch mehrern Verunehrung des Namens JEſu gereichet es, wenn man ſich nicht ſcheuet, vorzugeben, es ſey unmoͤglich, im Gott- ſeligen Leben bis an ſein Ende alſo zu verharren, daß man nicht durch muthwillige Suͤnden aus dem Stande der Gnaden verfalle: als welches eben ſoviel iſt, als auch den Glauben verlieren, ſintemal dieſer mit vorſetzlichen Suͤnden nicht be- ſtehen kan. Nun kan es zwar geſchehen, daß ein geſallener wieder aufſtehet, und wenn er am Glau- ben Schiffbruch gelitten, wieder dazu gelanget: Allein nicht ſowol davon, als von der Gnade der beſtaͤndigen Bewahrung heißt Chriſtus ein Vollender des Glaubens, wie denn auch die Ruͤckkehr ungewiß und der Aufſchub ſehr gefaͤhr- lich iſt. Siehe auch Phil. 1, 6. c. 2, 13. und oben Hebr. 2, 10. da Chriſtus heißt ἀρχηγὸς, der Her- tzog der Seligkeit.
6. Wir haben bey dem Worte Vollender τελειωτὴς, auch zuruͤck zu ſehen auf diejenigen Oer- ter dieſes Briefes, da von Chriſto geſaget wird, theils daß er ſeiner eigenen Perſon nach durch Lei- den ſey vollendet worden, das iſt zur Herrlichkeit eingegangen, nemlich c. 2, 10. c. 5, 9. c. 7, 28. theils daß er durch die neue Oeconomie die der alten unmoͤgliche Vollendung zu wege gebracht habe c. 7, 11. 19. c. 9, 9. c. 11, 40.
7. Die Worte ἀντὶ τῆς προκειμένης ἀυτῷ χαρᾶς, laſſen ſich zwar wol alſo verſtehen, wie ſie der ſelige Lutherus uͤherſetzet hat: da er wol haͤtte moͤgen Freude haben; alſo daß der Verſtand dieſer ſey: Chriſtus habe des Mittler- Amts, und folglich der deswegen uͤbernommenen Leiden, in welchen er bis in den Tod, ſonderlich da er den ewigen Tod ſchmeckete, betruͤbet war, koͤnnen uͤberhoben ſeyn und dafuͤr in der Freude ſeiner goͤttlichen Herrlichkeit bleiben. Doch laſ- ſen ſich die Worte fuͤglicher alſo uͤberſetzen: wel- cher in Anſehung der ihm vorgelegten, oder vor Augen ſchwebenden, Freude erdulder hat u. f. alſo daß der Verſtand dieſer ſey: Chri- ſtus habe ſoviel weniger ſich den groſſen und ſchweren Leiden fuͤr uns entziehen wollen, ſoviel gewiſſer er verſichert geweſen von derſelben Kuͤrtze und von dem bevorſtehenden Wechſel der Freude, welche er daruͤber haben wuͤrde, wenn er ſich ſei- ner menſchlichen Natur nach, in welcher er ſie ei- gentlich empfunden habe, dergeſtalt zur Herrlich- keit erhaben ſehe, daß er ſo denn ſolcher ſeiner ver- herrlichten Freude koͤnne alle Glieder ſeines geiſt- lichen Leibes theilhaftig machen.
8. Dieſer Verſtand ſchicket ſich nicht allein beſſer zu dem Worte προκειμένης, vorgeleget, vorgeſtellet; ſondern auch zu den folgenden Worten, da die vorgelegte Freude durch das Si- tzen zur rechten GOttes erklaͤret wird: wie
auch
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[396/0398]
Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 12. v. 1-2
Jngleichen 2 Cor. 7, 1. Eph. 4, 22. Col. 3, 8.
Pe t. 2, 1.
10. Jm uͤbrigen da uns der Lauf in dem
verordneten Kampf ſo ernſtlich befohlen iſt; ſo iſt
leichtlich zu erachten, daß, wenn Roͤm. 9, 16.
geſaget wird. Es lieget nicht an iemandes
wollen, oder laufen, ſondern an GOttes
Erbarmen, ein ſolches laufen fuͤr vergeblich ge-
halten werde, welches die Erbarmung GOttes
und der Evangeliſchen Ordnung des Heyls ent-
gegen ſtehet.
V. 2.
Und aufſehen auf JEſum, den An-
faͤnger und Vollender des Glaubens (und
aller Seligkeit, als die er gegruͤndet hat und mit
aller Vollkommenheit hinaus fuͤhret.) Welcher,
da er wol haͤtte moͤgen Freude haben, (Gr.
in Anſehung der ihm vorgelegten, oder bevorſte-
henden Freude, nemlich des Triumphs nach dem
Streite) erduldete er das Creutz, und ach-
tete der Schande (welche der ſchmertzliche
Creutzes-Tod mit ſich fuͤhrte) nicht, und iſt
(nach vollendetem Lauf) geſeſſen (oder hat ſich
geſetzet) zur rechten auf den Stul (oder
Thron) GOttes (und iſt alſo damit zu der ihm
vorgelegten Freude und Herrlichkeit gelan-
get.)
Anmerckungen.
1. Die Verbindung dieſes Verſes mit dem
vorhergehenden ſiehet leichtlich ein iedeꝛ. Denn der
Apoſtel weiſet uns von dem Exempel, der Glaͤu-
bigen des alten Teſtaments, die er vorher gleich-
ſam wie eine Wolcke, das iſt, in groſſer Menge
vorgeſtellet hatte, und die noch viele Unvollkom-
menheit an ſich haben, auf das allervollkommneſte,
welches iſt Chriſti JEſu: als nach welchem und
deſſen Worte alles zu pruͤfen iſt. Daher Pau-
lus ſelbſt ſpricht: Seyd meine Nachfolger,
gleichwie ich Chriſti (Nachfolger bin.) 1 Cor.
10, 1.
2. Chriſtus iſt der Anfaͤnger des Glau-
bens mit dieſem gedoppelten Nachdruck, daß er
den Glaubens-Grund durch ſein in dieſem
Briefe den Glaͤubigen ſo hoch angeprieſenes Ver-
ſoͤhnopfer geleget hat; und denn auch, daß er durch
ſeinen Geiſt aus ſeiner Fuͤlle uns die Gnade und
die Kraft zum Glauben mittheilet, und ihn, als
ein geiſtliches Leben und ein geiſtliches Licht, in
uns wircket.
3. Der Vollender des Glaubens iſt er
mit gleichſam gedoppelten Nachdrucke, zuvor-
derſt damit, daß er den Glauben in uns bis an un-
ſer ſeliges Ende erhaͤlt und vermehret: und denn
auch damit, daß er denſelben mit der ewigen Herr-
lichkeit Croͤnet: da wir denn das Ende unſers
Glaubens, der Seelen Seligkeit, in vollem Maſ-
ſe erlangen nach 1 Pet. 1. 9. Da ſind ſie denn δί-
καιοι τετελειωμένοι. c. 12, 23. die vollendeten
Gerechten.
4. Jſt nun aber JEſus der Anfaͤnger und
Vollender unſers Glaubens, ſo iſt er wahrer
ewiger GOtt: ſintemal den Glauben gruͤnden,
anfangen und zur Seligkeit hinaus fuͤhren, das
groͤſſeſte Werck GOttes iſt: zumal da er auch
der iſt, auf welchen unſer Glaube ſich gruͤndet,
und von dem er die Seligkeit empfaͤhet.
5. Jſt Chriſtus der Anfaͤnger und Vollen-
der des Glaubens; ſo gereichet es ihm zur groſſen
Unehre, wenn man nicht im Glauben wircklich
verharret, ſondern ſich aus ſeiner gnaͤdigen und
maͤchtigen Hand, darinnen er die Glaͤubigen
haͤlt und gerne bewahret, daß ſie niemand ihm
entreiſſen kan Joh. 10, 28. 29. ſelbſt muthwillig
losreiſſet. Zu noch mehrern Verunehrung des
Namens JEſu gereichet es, wenn man ſich nicht
ſcheuet, vorzugeben, es ſey unmoͤglich, im Gott-
ſeligen Leben bis an ſein Ende alſo zu verharren,
daß man nicht durch muthwillige Suͤnden aus
dem Stande der Gnaden verfalle: als welches
eben ſoviel iſt, als auch den Glauben verlieren,
ſintemal dieſer mit vorſetzlichen Suͤnden nicht be-
ſtehen kan. Nun kan es zwar geſchehen, daß ein
geſallener wieder aufſtehet, und wenn er am Glau-
ben Schiffbruch gelitten, wieder dazu gelanget:
Allein nicht ſowol davon, als von der Gnade der
beſtaͤndigen Bewahrung heißt Chriſtus ein
Vollender des Glaubens, wie denn auch die
Ruͤckkehr ungewiß und der Aufſchub ſehr gefaͤhr-
lich iſt. Siehe auch Phil. 1, 6. c. 2, 13. und oben
Hebr. 2, 10. da Chriſtus heißt ἀρχηγὸς, der Her-
tzog der Seligkeit.
6. Wir haben bey dem Worte Vollender
τελειωτὴς, auch zuruͤck zu ſehen auf diejenigen Oer-
ter dieſes Briefes, da von Chriſto geſaget wird,
theils daß er ſeiner eigenen Perſon nach durch Lei-
den ſey vollendet worden, das iſt zur Herrlichkeit
eingegangen, nemlich c. 2, 10. c. 5, 9. c. 7, 28. theils
daß er durch die neue Oeconomie die der alten
unmoͤgliche Vollendung zu wege gebracht habe
c. 7, 11. 19. c. 9, 9. c. 11, 40.
7. Die Worte ἀντὶ τῆς προκειμένης ἀυτῷ
χαρᾶς, laſſen ſich zwar wol alſo verſtehen, wie ſie
der ſelige Lutherus uͤherſetzet hat: da er wol
haͤtte moͤgen Freude haben; alſo daß der
Verſtand dieſer ſey: Chriſtus habe des Mittler-
Amts, und folglich der deswegen uͤbernommenen
Leiden, in welchen er bis in den Tod, ſonderlich
da er den ewigen Tod ſchmeckete, betruͤbet war,
koͤnnen uͤberhoben ſeyn und dafuͤr in der Freude
ſeiner goͤttlichen Herrlichkeit bleiben. Doch laſ-
ſen ſich die Worte fuͤglicher alſo uͤberſetzen: wel-
cher in Anſehung der ihm vorgelegten,
oder vor Augen ſchwebenden, Freude erdulder
hat u. f. alſo daß der Verſtand dieſer ſey: Chri-
ſtus habe ſoviel weniger ſich den groſſen und
ſchweren Leiden fuͤr uns entziehen wollen, ſoviel
gewiſſer er verſichert geweſen von derſelben Kuͤrtze
und von dem bevorſtehenden Wechſel der Freude,
welche er daruͤber haben wuͤrde, wenn er ſich ſei-
ner menſchlichen Natur nach, in welcher er ſie ei-
gentlich empfunden habe, dergeſtalt zur Herrlich-
keit erhaben ſehe, daß er ſo denn ſolcher ſeiner ver-
herrlichten Freude koͤnne alle Glieder ſeines geiſt-
lichen Leibes theilhaftig machen.
8. Dieſer Verſtand ſchicket ſich nicht allein
beſſer zu dem Worte προκειμένης, vorgeleget,
vorgeſtellet; ſondern auch zu den folgenden
Worten, da die vorgelegte Freude durch das Si-
tzen zur rechten GOttes erklaͤret wird: wie
auch
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/398>, abgerufen am 25.11.2024.
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