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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefes Pauli Cap. 5. v. 7.
[Spaltenumbruch] de lesen, daß er Thränen vergossen bey dem
Begräbniß Lazari Joh. 11, 35. und über Je-
rusalem Luc. 19, 43. so ist leichtlich zu erach-
ten, daß es auch zur letzten Zeit seiner Leiden ge-
schehen ist, sonderlich am Oelberge: sintemal,
da die Bluts-Tropfen von seinem Leibe gefallen,
nach Luc. 22, 44. sie auch wol insonderheit aus
seinen Augen geflossen sind: daß er also nicht al-
lein geweinet, sondern auch vor Heftigkeit der
Empfindung Blut geweinet hat. Und solcher
gestalt ist an Christo im eigentlichen Verstande
wahr worden, was wir im Sprichworte sagen:
Man möchte diß und das mit blutigen
Thränen beweinen.

8. Es fraget sich aber nun billig alhier,
für wen unser Heyland also nachdrücklich gebetet
habe? für sich selbst, oder für uns Menschen?
Allerdinge für uns Menschen. Denn ob-
gleich das Gebet guten Theils auf ihn selbst ge-
gangen ist; so geschahe es doch nicht seinetwegen,
sondern unsertwegen, und ging auf sein Mittler-
Amt, welches unsere Erlösung und unser Heyl
zum Zweck hatte.

9. Es ist aber bey der Heftigkeit des Ge-
bets und der Empfindung der Angst, woraus
jene entstanden, wohl zu mercken, daß sie eigent-
lich in dem Gefühle des ewigen Todes und der
Verdammniß, welche der Sünde wegen über
uns Menschen lieget, bestanden. Denn hätte
unser Heyland dieses nicht in sich empfunden,
sondern nur vor dem blossen leiblichen Tode am
Creutze eine so grosse und angstvolle Furcht, wel-
che in ein grosses Geschrey und Thränen, auch
blutigen Schweiß ausgebrochen, gehabt; so
hätte er vor und in seinem Leiden wenigern Muth
und wenigere Standhaftigkeit erwiesen, als die
gemeinen Märtyrer: als von welchen wir sol-
ches nicht lesen. Es ist demnach schon oben c. 2,
9. mit grossem Nachdruck gesaget, daß er für
alle den Tod geschmecket habe,
nemlich den
ewigen;
als von welchem alle, die an ihn glau-
ben, und durch den Glauben vom geistlichen To-
de zum geistlichen Leben gelangen, durch ihn be-
freyet werden; da sie hingegen dem zeitlichen
Tode unterworfen bleiben; und sich damit, als
mit einer unschätzbaren Wohlthat, begnügen
lassen, daß ihnen durch den Versöhnungs-Tod
Christi auch der leibliche Tod zum Heyl gerei-
chet, nemlich zum Durchgang aus dem geistlichen
in das ewige Leben.

10. Es ist auch bey dem Gebet und Flehen
unsers Heylandes des Vorbildes am Leviti-
schen Hohenpriester
nicht zu vergessen. Denn
desselben Amt bestunde unter andern auch mit
darinnen, daß er für das Volck betete, son-
derlich am hohen Versöhnungs-Feste: und
ist es eine uralte Tradition unter den Juden
(davon man insonderheit in ihrem Talmud den
Tractat Tamid c. 3. §. 8. nachlesen kan,) daß
das Gebet des Hohenpriesters für das Volck an
diesem Tage mit sehr starcker Stimme geschehen
sey.

11. Wenn es nun heißt, daß unser Heyland
Gebet und Fiehen geopfert habe, so wird da-
[Spaltenumbruch] mit nicht allein das Gebet Christi versöhnlich
und verdienstlich gemachet, sondern damit auch
zugleich angezeiget, daß Christus sich selbst
zum Opfer für uns habe dahin gegeben: wie
hernach in diesem Briefe, und auch anderwär-
tig so gar nachdrücklich bezeuget wird. Denn
gleichwie Christus selbst nicht ohne Hohesprie-
sterliches Gebet war; also war auch dieses, da
das Gebet von ihm, in Ansehung seines Opfers,
geschahe, ja ein Stück seines Opfers war, nicht
ohne ihn selbst und sein völliges Versöhnopfer.

12. Und da unser Heyland das verdienstli-
che Gebet nebst dem völligen Opfer zu seinem
Vater, der in dem Wercke unserer Selig-
keit nach dem richterlichen Amte vorgestellet
wird, gerichtet hat; so wird derselbe alhier
genennet o dunamenos sozein auton ek thanatou,
der ihm konte vom Tode aushelfen: Gleich-
wie er vorher v. 5. beschrieben war, als der,
welcher zu ihm gesaget: Du bist mein
Sohn, heute habe ich dich gezeuget.
Gleich-
wie aber der Vater konte, also wolte er ihm
auch aushelfen vom Tode; wie es denn auch
wircklich geschehen ist.

13. Der alhier gemeinte Tod ist eigentlich
der ewige; der doch aber mit auf den zeitli-
chen
gehet. Die Errettung vom Tode ge-
het auf die abgekürtzte Zeit des Todes-
Kampfes
und der göttlichen Verlassung am
Creutze, da unser Heyland den ewigen Tod für
das menschliche Geschlecht geschmecket hat. Und
daß solches Schmecken, oder Empfinden des To-
des, der an sich selbst ewig ist, bey Christo nur eine
kleine Zeit gedauret hat, und er bald daraus ist
errettet worden, das machet die Würdigkeit
seiner Person und die daher entstehende Gültig-
keit und Kraft seines Leidens; als dadurch er
eine ewige Erlösung zu wege gebracht hat. Und
da der Vater, als Richter, dieses Lösegeld ange-
nommen, so hat er daher auch den Bürgen, da
er sich nebst der Ubernehmung des ewigen Todes
auch in den zeitlichen Tod für uns dahin gegeben
hatte, im zeitlichen Tode nicht gelassen, sondern
ihn auch daraus durch die Auferweckung errettet.

14. Und diese Errettung ist eben die wirck-
liche Erhörung: wie denn uns GOTT also
erhöret, wenn er unser Gebet und unsern Wunsch
in der That erfüllet: Gleichwie wir ihn hören,
wenn wir seinem Willen und Geboten gehorsam
sind.

15. Die Worte apo tes eulabeias, wer-
den am besten übersetzet von der Furcht, nem-
lich vor der Empfindung des ewigen und des da-
her entstehenden zeitlichen Todes. Da denn in
der gantzen Redens-Art von der Furcht des To-
des erhöret werden der Verstand mit auf die
Errettung gehet; also daß erhöret werden so
viel ist, als erhöret und errettet werden.
Wie denn öfters ein Wort also gesetzet wird,
daß es an statt zweyer stehet, wenn es der Ver-
stand an sich selbst also mit sich bringet. Daß
man aber das Wort eulabeia von der Furcht,
und diese nach den vorhergehenden Worten von
dem Tode verstehet, bringet nebst der Sache

selbst

Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 5. v. 7.
[Spaltenumbruch] de leſen, daß er Thraͤnen vergoſſen bey dem
Begraͤbniß Lazari Joh. 11, 35. und uͤber Je-
ruſalem Luc. 19, 43. ſo iſt leichtlich zu erach-
ten, daß es auch zur letzten Zeit ſeiner Leiden ge-
ſchehen iſt, ſonderlich am Oelberge: ſintemal,
da die Bluts-Tropfen von ſeinem Leibe gefallen,
nach Luc. 22, 44. ſie auch wol inſonderheit aus
ſeinen Augen gefloſſen ſind: daß er alſo nicht al-
lein geweinet, ſondern auch vor Heftigkeit der
Empfindung Blut geweinet hat. Und ſolcher
geſtalt iſt an Chriſto im eigentlichen Verſtande
wahr worden, was wir im Sprichworte ſagen:
Man moͤchte diß und das mit blutigen
Thraͤnen beweinen.

8. Es fraget ſich aber nun billig alhier,
fuͤr wen unſer Heyland alſo nachdruͤcklich gebetet
habe? fuͤr ſich ſelbſt, oder fuͤr uns Menſchen?
Allerdinge fuͤr uns Menſchen. Denn ob-
gleich das Gebet guten Theils auf ihn ſelbſt ge-
gangen iſt; ſo geſchahe es doch nicht ſeinetwegen,
ſondern unſertwegen, und ging auf ſein Mittler-
Amt, welches unſere Erloͤſung und unſer Heyl
zum Zweck hatte.

9. Es iſt aber bey der Heftigkeit des Ge-
bets und der Empfindung der Angſt, woraus
jene entſtanden, wohl zu mercken, daß ſie eigent-
lich in dem Gefuͤhle des ewigen Todes und der
Verdammniß, welche der Suͤnde wegen uͤber
uns Menſchen lieget, beſtanden. Denn haͤtte
unſer Heyland dieſes nicht in ſich empfunden,
ſondern nur vor dem bloſſen leiblichen Tode am
Creutze eine ſo groſſe und angſtvolle Furcht, wel-
che in ein groſſes Geſchrey und Thraͤnen, auch
blutigen Schweiß ausgebrochen, gehabt; ſo
haͤtte er vor und in ſeinem Leiden wenigern Muth
und wenigere Standhaftigkeit erwieſen, als die
gemeinen Maͤrtyrer: als von welchen wir ſol-
ches nicht leſen. Es iſt demnach ſchon oben c. 2,
9. mit groſſem Nachdruck geſaget, daß er fuͤr
alle den Tod geſchmecket habe,
nemlich den
ewigen;
als von welchem alle, die an ihn glau-
ben, und durch den Glauben vom geiſtlichen To-
de zum geiſtlichen Leben gelangen, durch ihn be-
freyet werden; da ſie hingegen dem zeitlichen
Tode unterworfen bleiben; und ſich damit, als
mit einer unſchaͤtzbaren Wohlthat, begnuͤgen
laſſen, daß ihnen durch den Verſoͤhnungs-Tod
Chriſti auch der leibliche Tod zum Heyl gerei-
chet, nemlich zum Durchgang aus dem geiſtlichen
in das ewige Leben.

10. Es iſt auch bey dem Gebet und Flehen
unſers Heylandes des Vorbildes am Leviti-
ſchen Hohenprieſter
nicht zu vergeſſen. Denn
deſſelben Amt beſtunde unter andern auch mit
darinnen, daß er fuͤr das Volck betete, ſon-
derlich am hohen Verſoͤhnungs-Feſte: und
iſt es eine uralte Tradition unter den Juden
(davon man inſonderheit in ihrem Talmud den
Tractat Tamid c. 3. §. 8. nachleſen kan,) daß
das Gebet des Hohenprieſters fuͤr das Volck an
dieſem Tage mit ſehr ſtarcker Stimme geſchehen
ſey.

11. Wenn es nun heißt, daß unſer Heyland
Gebet und Fiehen geopfert habe, ſo wird da-
[Spaltenumbruch] mit nicht allein das Gebet Chriſti verſoͤhnlich
und verdienſtlich gemachet, ſondern damit auch
zugleich angezeiget, daß Chriſtus ſich ſelbſt
zum Opfer fuͤr uns habe dahin gegeben: wie
hernach in dieſem Briefe, und auch anderwaͤr-
tig ſo gar nachdruͤcklich bezeuget wird. Denn
gleichwie Chriſtus ſelbſt nicht ohne Hohesprie-
ſterliches Gebet war; alſo war auch dieſes, da
das Gebet von ihm, in Anſehung ſeines Opfers,
geſchahe, ja ein Stuͤck ſeines Opfers war, nicht
ohne ihn ſelbſt und ſein voͤlliges Verſoͤhnopfer.

12. Und da unſer Heyland das verdienſtli-
che Gebet nebſt dem voͤlligen Opfer zu ſeinem
Vater, der in dem Wercke unſerer Selig-
keit nach dem richterlichen Amte vorgeſtellet
wird, gerichtet hat; ſo wird derſelbe alhier
genennet ὁ δυνάμενος σώζειν ἀυτὸν ἐκ θανάτου,
der ihm konte vom Tode aushelfen: Gleich-
wie er vorher v. 5. beſchrieben war, als der,
welcher zu ihm geſaget: Du biſt mein
Sohn, heute habe ich dich gezeuget.
Gleich-
wie aber der Vater konte, alſo wolte er ihm
auch aushelfen vom Tode; wie es denn auch
wircklich geſchehen iſt.

13. Der alhier gemeinte Tod iſt eigentlich
der ewige; der doch aber mit auf den zeitli-
chen
gehet. Die Errettung vom Tode ge-
het auf die abgekuͤrtzte Zeit des Todes-
Kampfes
und der goͤttlichen Verlaſſung am
Creutze, da unſer Heyland den ewigen Tod fuͤr
das menſchliche Geſchlecht geſchmecket hat. Und
daß ſolches Schmecken, oder Empfinden des To-
des, der an ſich ſelbſt ewig iſt, bey Chriſto nur eine
kleine Zeit gedauret hat, und er bald daraus iſt
errettet worden, das machet die Wuͤrdigkeit
ſeiner Perſon und die daher entſtehende Guͤltig-
keit und Kraft ſeines Leidens; als dadurch er
eine ewige Erloͤſung zu wege gebracht hat. Und
da der Vater, als Richter, dieſes Loͤſegeld ange-
nommen, ſo hat er daher auch den Buͤrgen, da
er ſich nebſt der Ubernehmung des ewigen Todes
auch in den zeitlichen Tod fuͤr uns dahin gegeben
hatte, im zeitlichen Tode nicht gelaſſen, ſondern
ihn auch daraus durch die Auferweckung errettet.

14. Und dieſe Errettung iſt eben die wirck-
liche Erhoͤrung: wie denn uns GOTT alſo
erhoͤret, wenn er unſer Gebet und unſern Wunſch
in der That erfuͤllet: Gleichwie wir ihn hoͤren,
wenn wir ſeinem Willen und Geboten gehorſam
ſind.

15. Die Worte ἀπὸ τῆς ἐυλαβείας, wer-
den am beſten uͤberſetzet von der Furcht, nem-
lich vor der Empfindung des ewigen und des da-
her entſtehenden zeitlichen Todes. Da denn in
der gantzen Redens-Art von der Furcht des To-
des erhoͤret werden der Verſtand mit auf die
Errettung gehet; alſo daß erhoͤret werden ſo
viel iſt, als erhoͤret und errettet werden.
Wie denn oͤfters ein Wort alſo geſetzet wird,
daß es an ſtatt zweyer ſtehet, wenn es der Ver-
ſtand an ſich ſelbſt alſo mit ſich bringet. Daß
man aber das Wort ἐυλάβεια von der Furcht,
und dieſe nach den vorhergehenden Worten von
dem Tode verſtehet, bringet nebſt der Sache

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[300/0302] Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 5. v. 7. de leſen, daß er Thraͤnen vergoſſen bey dem Begraͤbniß Lazari Joh. 11, 35. und uͤber Je- ruſalem Luc. 19, 43. ſo iſt leichtlich zu erach- ten, daß es auch zur letzten Zeit ſeiner Leiden ge- ſchehen iſt, ſonderlich am Oelberge: ſintemal, da die Bluts-Tropfen von ſeinem Leibe gefallen, nach Luc. 22, 44. ſie auch wol inſonderheit aus ſeinen Augen gefloſſen ſind: daß er alſo nicht al- lein geweinet, ſondern auch vor Heftigkeit der Empfindung Blut geweinet hat. Und ſolcher geſtalt iſt an Chriſto im eigentlichen Verſtande wahr worden, was wir im Sprichworte ſagen: Man moͤchte diß und das mit blutigen Thraͤnen beweinen. 8. Es fraget ſich aber nun billig alhier, fuͤr wen unſer Heyland alſo nachdruͤcklich gebetet habe? fuͤr ſich ſelbſt, oder fuͤr uns Menſchen? Allerdinge fuͤr uns Menſchen. Denn ob- gleich das Gebet guten Theils auf ihn ſelbſt ge- gangen iſt; ſo geſchahe es doch nicht ſeinetwegen, ſondern unſertwegen, und ging auf ſein Mittler- Amt, welches unſere Erloͤſung und unſer Heyl zum Zweck hatte. 9. Es iſt aber bey der Heftigkeit des Ge- bets und der Empfindung der Angſt, woraus jene entſtanden, wohl zu mercken, daß ſie eigent- lich in dem Gefuͤhle des ewigen Todes und der Verdammniß, welche der Suͤnde wegen uͤber uns Menſchen lieget, beſtanden. Denn haͤtte unſer Heyland dieſes nicht in ſich empfunden, ſondern nur vor dem bloſſen leiblichen Tode am Creutze eine ſo groſſe und angſtvolle Furcht, wel- che in ein groſſes Geſchrey und Thraͤnen, auch blutigen Schweiß ausgebrochen, gehabt; ſo haͤtte er vor und in ſeinem Leiden wenigern Muth und wenigere Standhaftigkeit erwieſen, als die gemeinen Maͤrtyrer: als von welchen wir ſol- ches nicht leſen. Es iſt demnach ſchon oben c. 2, 9. mit groſſem Nachdruck geſaget, daß er fuͤr alle den Tod geſchmecket habe, nemlich den ewigen; als von welchem alle, die an ihn glau- ben, und durch den Glauben vom geiſtlichen To- de zum geiſtlichen Leben gelangen, durch ihn be- freyet werden; da ſie hingegen dem zeitlichen Tode unterworfen bleiben; und ſich damit, als mit einer unſchaͤtzbaren Wohlthat, begnuͤgen laſſen, daß ihnen durch den Verſoͤhnungs-Tod Chriſti auch der leibliche Tod zum Heyl gerei- chet, nemlich zum Durchgang aus dem geiſtlichen in das ewige Leben. 10. Es iſt auch bey dem Gebet und Flehen unſers Heylandes des Vorbildes am Leviti- ſchen Hohenprieſter nicht zu vergeſſen. Denn deſſelben Amt beſtunde unter andern auch mit darinnen, daß er fuͤr das Volck betete, ſon- derlich am hohen Verſoͤhnungs-Feſte: und iſt es eine uralte Tradition unter den Juden (davon man inſonderheit in ihrem Talmud den Tractat Tamid c. 3. §. 8. nachleſen kan,) daß das Gebet des Hohenprieſters fuͤr das Volck an dieſem Tage mit ſehr ſtarcker Stimme geſchehen ſey. 11. Wenn es nun heißt, daß unſer Heyland Gebet und Fiehen geopfert habe, ſo wird da- mit nicht allein das Gebet Chriſti verſoͤhnlich und verdienſtlich gemachet, ſondern damit auch zugleich angezeiget, daß Chriſtus ſich ſelbſt zum Opfer fuͤr uns habe dahin gegeben: wie hernach in dieſem Briefe, und auch anderwaͤr- tig ſo gar nachdruͤcklich bezeuget wird. Denn gleichwie Chriſtus ſelbſt nicht ohne Hohesprie- ſterliches Gebet war; alſo war auch dieſes, da das Gebet von ihm, in Anſehung ſeines Opfers, geſchahe, ja ein Stuͤck ſeines Opfers war, nicht ohne ihn ſelbſt und ſein voͤlliges Verſoͤhnopfer. 12. Und da unſer Heyland das verdienſtli- che Gebet nebſt dem voͤlligen Opfer zu ſeinem Vater, der in dem Wercke unſerer Selig- keit nach dem richterlichen Amte vorgeſtellet wird, gerichtet hat; ſo wird derſelbe alhier genennet ὁ δυνάμενος σώζειν ἀυτὸν ἐκ θανάτου, der ihm konte vom Tode aushelfen: Gleich- wie er vorher v. 5. beſchrieben war, als der, welcher zu ihm geſaget: Du biſt mein Sohn, heute habe ich dich gezeuget. Gleich- wie aber der Vater konte, alſo wolte er ihm auch aushelfen vom Tode; wie es denn auch wircklich geſchehen iſt. 13. Der alhier gemeinte Tod iſt eigentlich der ewige; der doch aber mit auf den zeitli- chen gehet. Die Errettung vom Tode ge- het auf die abgekuͤrtzte Zeit des Todes- Kampfes und der goͤttlichen Verlaſſung am Creutze, da unſer Heyland den ewigen Tod fuͤr das menſchliche Geſchlecht geſchmecket hat. Und daß ſolches Schmecken, oder Empfinden des To- des, der an ſich ſelbſt ewig iſt, bey Chriſto nur eine kleine Zeit gedauret hat, und er bald daraus iſt errettet worden, das machet die Wuͤrdigkeit ſeiner Perſon und die daher entſtehende Guͤltig- keit und Kraft ſeines Leidens; als dadurch er eine ewige Erloͤſung zu wege gebracht hat. Und da der Vater, als Richter, dieſes Loͤſegeld ange- nommen, ſo hat er daher auch den Buͤrgen, da er ſich nebſt der Ubernehmung des ewigen Todes auch in den zeitlichen Tod fuͤr uns dahin gegeben hatte, im zeitlichen Tode nicht gelaſſen, ſondern ihn auch daraus durch die Auferweckung errettet. 14. Und dieſe Errettung iſt eben die wirck- liche Erhoͤrung: wie denn uns GOTT alſo erhoͤret, wenn er unſer Gebet und unſern Wunſch in der That erfuͤllet: Gleichwie wir ihn hoͤren, wenn wir ſeinem Willen und Geboten gehorſam ſind. 15. Die Worte ἀπὸ τῆς ἐυλαβείας, wer- den am beſten uͤberſetzet von der Furcht, nem- lich vor der Empfindung des ewigen und des da- her entſtehenden zeitlichen Todes. Da denn in der gantzen Redens-Art von der Furcht des To- des erhoͤret werden der Verſtand mit auf die Errettung gehet; alſo daß erhoͤret werden ſo viel iſt, als erhoͤret und errettet werden. Wie denn oͤfters ein Wort alſo geſetzet wird, daß es an ſtatt zweyer ſtehet, wenn es der Ver- ſtand an ſich ſelbſt alſo mit ſich bringet. Daß man aber das Wort ἐυλάβεια von der Furcht, und dieſe nach den vorhergehenden Worten von dem Tode verſtehet, bringet nebſt der Sache ſelbſt

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/302>, abgerufen am 23.11.2024.