[Spaltenumbruch]
den könne, sehen wir an Jacob, da er die erfreu- liche Nachricht von seinem schon längst für ver- lohren gehaltenen Sohn Joseph bekam. Denn da heißt es 1 B. Mos. 45, 27. Da sagten sie (die übrigen Brüder) ihm alle Worte Jo- sephs, die er zu ihnen gesaget hatte. Und da er sahe die Wagen, die ihm Joseph ge- sandt hatte ihn zu führen, ward der Geist Jacobs, ihres Vaters, lebendig. u. s. w.
2. Ein anders ist stille stehen, ein anders stehen, und zwar im HErrn. Jenes stehet dem Wachsthum entgegen, und muß sich im Christenthum nicht finden: und wo es sich fin- det, und dazu nicht erkannt wird, da ziehet es ge- meiniglich einen Zurückgang nach sich; und un- terwirft den Menschen auch vieler Gefahr, wel- cher er nicht gewachsen ist. Dieses aber, das stehen im HErrn, ist nicht allein dem fallen, sondern auch dem Wancken entgegen gesetzet, und zeiget eine rechte Vestigkeit an, welche eine Beständigkeit mit sich führet. Dazu ermahnet Paulus unter andern 1 Cor. 15, 58. Meine lie- ben Brüder, seyd veste und unbeweglich u. s. w. c. 16, 13. Wachet, stehet im Glauben, seyd männlich und seyd starck.
3. Durch den Beysatz im HErrn, im HErrn, (dadurch Christus verstanden wird,) stehen, wird der veste Grund angezeiget, darinn und darauf man unbeweglich bleibet. Denn was ein gutes steinernes Fundament ist einem Gebäude, ein guter fruchtbarer Boden einem Baume, das ist Christus einer gläubigen Seele. Darum Paulus den Ephesern wünschet, daß sie durch den Glauben und durch die Liebe möchten immer mehr eingewurtzelt und gegründet werden in und auf Christum c. 3, 17. 18. Siehe auch Col. 4, 12.
V. 9.
Denn was für einen Danck können wir GOtt vergelten für alle diese Freude, die wir haben von euch (di umas, eurenthalben) vor unserm GOtt?
Anmerckungen.
1. Die Eigenschaft und Pflicht eines recht- schafnen Lehrers ist, daß er von den Früchten seines Amts sich selbst nichts, sondern durch eine demüthige Dancksagung alles eintzig und allein GOtt zuschreibet, und für sich es genug seyn lasse, daß er Freude und Erquickung davon hat.
2. Die wahre geistliche Freudechara- cterisiret und unterscheidet sich von der irdi- schen durch eine dreyfache Eigenschaft. Denn sie entstehet über eine geistliche und zur Ehre Got- tes gereichende Sache: und sie gereichet zum Lobe GOttes, wird auch vor GOtt, in dessen Gegenwart mit gutem Gewissen, in aller Lau- terkeit genossen. Dieses finden wir alhie an der Freude Pauli. Denn er freuete sich über den geistlichen Wohlstand der Thessalonicher vor GOtt, und zwar also, daß er daher GOtt danckete. Hingegen wird bey einer irdischen Welt-Freude GOtt aus den Augen gesetzet und sein Name verunehret.
[Spaltenumbruch]
V. 10.
Wir bitten Tag und Nacht fast sehr (uper` ek perissou~, über die maßen sehre) daß wir sehen mögen euer Angesicht, und erstatten, so etwas mangelt an eurem Glau- ben (Gr. Die Mängel eures Glaubens zu er- gäntzen, nemlich durch unsern Unterricht, auch durch unsere Aufmunterung in allem dem, was zum Glauben und rechtschafnen Wesen ge- höret.)
Anmerckungen.
1. Paulus zeiget an, daß seine Dancksa- gung mit der Bitte, daß GOtt doch seinen Weg bald wieder zu den Thessalonicensern richten möchte, sey verknüpfet gewesen: wie denn Bitte und Dancksagung gemeiniglich im Gebete mit einander verbunden zu seyn pflegen.
2. Weil Paulus nicht allein den Tag hin- durch zum öftern gebetet, sondern auch das Ge- bet in den nach der Hebräischen Mund-Art zur Nacht gerechneten Abend-und Morgen-Stun- den geübet hat, auch wohl, wenn er schlaflose Nächte, oder doch darinn manche schlaflose Stunden gehabt hat, dieselbe gleichfals guten theils im Gebete zugebracht; so spricht er mit Recht, er habe Tag und Nacht gebetet.
3. Man siehet hieraus, wie man nicht mü- de werden soll, um eine zur Ehre GOttes und zu vielem Heil der Seelen gereichende Sache, bey GOtt im Gebet anzuhalten. Und gesetzet auch, daß die gewünschte Sache nicht erbeten werde, oder nicht erfolge, so ist das Gebet selbst doch in Christo ein angenehmes Opfer, und wird in andern Stücken nicht unerhöret blei- ben. So viel man aus der Historie des Lebens und der Verrichtung Pauli sehen kan, ist er sei- nes Wunsches, die Thessalonicher zu sehen und zu stärcken, erst im fünften Jahr darauf geweh- ret worden, nemlich im Jahr Christi 57. da er den Brief im Jahr 52. geschrieben batte. Denn da ist er nach Macedonien, und also wol ohne Zweifel darinn nach der Haupt-Stadt Thessa- lonich gekommen, Ap. Gesch. 20, 2. 1 Cor. 16, 5. u. f.
4. So weit ein Christ im Glauben und in der Liebe auch immermehr gekommen seyn mag, so findet sich doch noch immer ein solcher Man- gel, daß er noch mehr zu wachsen hat. Denn was können wir uns wol für einen gesegnetern Zustand vorstellen, als den, welchen der Apostel an den Thessalonichern in Ansehung ihres Glau- bens und ihrer Liebe, auch Hoffnung und Ge- duld, so hoch rühmet c. 1, 3. 4. 5. u. s. w. c. 2, 13. 14. 19. 20. c. 3, 6. 7. nichts destoweniger aber hält er dafür, daß bey ihnen noch mancher Man- gel, obgleich bey dem einen mehr, als bey dem andern, zu finden und zu ergäntzen sey: wie er denn auch daher c. 4. und 5. manche gute Erin- nerung hinzu thut. Dergleichen schreibet er auch an die gleichfals sonst sehr gerühmte gläubi- gen Römer c. 1, 10. u. s. w. c. 15, 22. 23.
V. 11.
1. Er aber GOtt (autos de o Theos, GOtt
selbst
Cap. 3. v. 8. 9. 10. 11. an die Theſſalonicher.
[Spaltenumbruch]
den koͤnne, ſehen wir an Jacob, da er die erfreu- liche Nachricht von ſeinem ſchon laͤngſt fuͤr ver- lohren gehaltenen Sohn Joſeph bekam. Denn da heißt es 1 B. Moſ. 45, 27. Da ſagten ſie (die uͤbrigen Bruͤder) ihm alle Worte Jo- ſephs, die er zu ihnen geſaget hatte. Und da er ſahe die Wagen, die ihm Joſeph ge- ſandt hatte ihn zu fuͤhren, ward der Geiſt Jacobs, ihres Vaters, lebendig. u. ſ. w.
2. Ein anders iſt ſtille ſtehen, ein anders ſtehen, und zwar im HErrn. Jenes ſtehet dem Wachsthum entgegen, und muß ſich im Chriſtenthum nicht finden: und wo es ſich fin- det, und dazu nicht erkannt wird, da ziehet es ge- meiniglich einen Zuruͤckgang nach ſich; und un- terwirft den Menſchen auch vieler Gefahr, wel- cher er nicht gewachſen iſt. Dieſes aber, das ſtehen im HErrn, iſt nicht allein dem fallen, ſondern auch dem Wancken entgegen geſetzet, und zeiget eine rechte Veſtigkeit an, welche eine Beſtaͤndigkeit mit ſich fuͤhret. Dazu ermahnet Paulus unter andern 1 Cor. 15, 58. Meine lie- ben Bruͤder, ſeyd veſte und unbeweglich u. ſ. w. c. 16, 13. Wachet, ſtehet im Glauben, ſeyd maͤnnlich und ſeyd ſtarck.
3. Durch den Beyſatz im HErrn, im HErrn, (dadurch Chriſtus verſtanden wird,) ſtehen, wird der veſte Grund angezeiget, darinn und darauf man unbeweglich bleibet. Denn was ein gutes ſteinernes Fundament iſt einem Gebaͤude, ein guter fruchtbarer Boden einem Baume, das iſt Chriſtus einer glaͤubigen Seele. Darum Paulus den Epheſern wuͤnſchet, daß ſie durch den Glauben und durch die Liebe moͤchten immer mehr eingewurtzelt und gegruͤndet werden in und auf Chriſtum c. 3, 17. 18. Siehe auch Col. 4, 12.
V. 9.
Denn was fuͤr einen Danck koͤnnen wir GOtt vergelten fuͤr alle dieſe Freude, die wir haben von euch (δὶ ὑμᾶς, eurenthalben) vor unſerm GOtt?
Anmerckungen.
1. Die Eigenſchaft und Pflicht eines recht- ſchafnen Lehrers iſt, daß er von den Fruͤchten ſeines Amts ſich ſelbſt nichts, ſondern durch eine demuͤthige Danckſagung alles eintzig und allein GOtt zuſchreibet, und fuͤr ſich es genug ſeyn laſſe, daß er Freude und Erquickung davon hat.
2. Die wahre geiſtliche Freudechara- cteriſiret und unterſcheidet ſich von der irdi- ſchen durch eine dreyfache Eigenſchaft. Denn ſie entſtehet uͤber eine geiſtliche und zur Ehre Got- tes gereichende Sache: und ſie gereichet zum Lobe GOttes, wird auch vor GOtt, in deſſen Gegenwart mit gutem Gewiſſen, in aller Lau- terkeit genoſſen. Dieſes finden wir alhie an der Freude Pauli. Denn er freuete ſich uͤber den geiſtlichen Wohlſtand der Theſſalonicher vor GOtt, und zwar alſo, daß er daher GOtt danckete. Hingegen wird bey einer irdiſchen Welt-Freude GOtt aus den Augen geſetzet und ſein Name verunehret.
[Spaltenumbruch]
V. 10.
Wir bitten Tag und Nacht faſt ſehr (ὑπερ` ἐκ περισσου῀, uͤber die maßen ſehre) daß wir ſehen moͤgen euer Angeſicht, und erſtatten, ſo etwas mangelt an eurem Glau- ben (Gr. Die Maͤngel eures Glaubens zu er- gaͤntzen, nemlich durch unſern Unterricht, auch durch unſere Aufmunterung in allem dem, was zum Glauben und rechtſchafnen Weſen ge- hoͤret.)
Anmerckungen.
1. Paulus zeiget an, daß ſeine Danckſa- gung mit der Bitte, daß GOtt doch ſeinen Weg bald wieder zu den Theſſalonicenſern richten moͤchte, ſey verknuͤpfet geweſen: wie denn Bitte und Danckſagung gemeiniglich im Gebete mit einander verbunden zu ſeyn pflegen.
2. Weil Paulus nicht allein den Tag hin- durch zum oͤftern gebetet, ſondern auch das Ge- bet in den nach der Hebraͤiſchen Mund-Art zur Nacht gerechneten Abend-und Morgen-Stun- den geuͤbet hat, auch wohl, wenn er ſchlafloſe Naͤchte, oder doch darinn manche ſchlafloſe Stunden gehabt hat, dieſelbe gleichfals guten theils im Gebete zugebracht; ſo ſpricht er mit Recht, er habe Tag und Nacht gebetet.
3. Man ſiehet hieraus, wie man nicht muͤ- de werden ſoll, um eine zur Ehre GOttes und zu vielem Heil der Seelen gereichende Sache, bey GOtt im Gebet anzuhalten. Und geſetzet auch, daß die gewuͤnſchte Sache nicht erbeten werde, oder nicht erfolge, ſo iſt das Gebet ſelbſt doch in Chriſto ein angenehmes Opfer, und wird in andern Stuͤcken nicht unerhoͤret blei- ben. So viel man aus der Hiſtorie des Lebens und der Verrichtung Pauli ſehen kan, iſt er ſei- nes Wunſches, die Theſſalonicher zu ſehen und zu ſtaͤrcken, erſt im fuͤnften Jahr darauf geweh- ret worden, nemlich im Jahr Chriſti 57. da er den Brief im Jahr 52. geſchrieben batte. Denn da iſt er nach Macedonien, und alſo wol ohne Zweifel darinn nach der Haupt-Stadt Theſſa- lonich gekommen, Ap. Geſch. 20, 2. 1 Cor. 16, 5. u. f.
4. So weit ein Chriſt im Glauben und in der Liebe auch immermehr gekommen ſeyn mag, ſo findet ſich doch noch immer ein ſolcher Man- gel, daß er noch mehr zu wachſen hat. Denn was koͤnnen wir uns wol fuͤr einen geſegnetern Zuſtand vorſtellen, als den, welchen der Apoſtel an den Theſſalonichern in Anſehung ihres Glau- bens und ihrer Liebe, auch Hoffnung und Ge- duld, ſo hoch ruͤhmet c. 1, 3. 4. 5. u. ſ. w. c. 2, 13. 14. 19. 20. c. 3, 6. 7. nichts deſtoweniger aber haͤlt er dafuͤr, daß bey ihnen noch mancher Man- gel, obgleich bey dem einen mehr, als bey dem andern, zu finden und zu ergaͤntzen ſey: wie er denn auch daher c. 4. und 5. manche gute Erin- nerung hinzu thut. Dergleichen ſchreibet er auch an die gleichfals ſonſt ſehr geruͤhmte glaͤubi- gen Roͤmer c. 1, 10. u. ſ. w. c. 15, 22. 23.
V. 11.
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[23/0025]
Cap. 3. v. 8. 9. 10. 11. an die Theſſalonicher.
den koͤnne, ſehen wir an Jacob, da er die erfreu-
liche Nachricht von ſeinem ſchon laͤngſt fuͤr ver-
lohren gehaltenen Sohn Joſeph bekam. Denn
da heißt es 1 B. Moſ. 45, 27. Da ſagten ſie
(die uͤbrigen Bruͤder) ihm alle Worte Jo-
ſephs, die er zu ihnen geſaget hatte. Und
da er ſahe die Wagen, die ihm Joſeph ge-
ſandt hatte ihn zu fuͤhren, ward der Geiſt
Jacobs, ihres Vaters, lebendig. u. ſ. w.
2. Ein anders iſt ſtille ſtehen, ein anders
ſtehen, und zwar im HErrn. Jenes ſtehet
dem Wachsthum entgegen, und muß ſich im
Chriſtenthum nicht finden: und wo es ſich fin-
det, und dazu nicht erkannt wird, da ziehet es ge-
meiniglich einen Zuruͤckgang nach ſich; und un-
terwirft den Menſchen auch vieler Gefahr, wel-
cher er nicht gewachſen iſt. Dieſes aber, das
ſtehen im HErrn, iſt nicht allein dem fallen,
ſondern auch dem Wancken entgegen geſetzet,
und zeiget eine rechte Veſtigkeit an, welche eine
Beſtaͤndigkeit mit ſich fuͤhret. Dazu ermahnet
Paulus unter andern 1 Cor. 15, 58. Meine lie-
ben Bruͤder, ſeyd veſte und unbeweglich u.
ſ. w. c. 16, 13. Wachet, ſtehet im Glauben,
ſeyd maͤnnlich und ſeyd ſtarck.
3. Durch den Beyſatz im HErrn, im
HErrn, (dadurch Chriſtus verſtanden wird,)
ſtehen, wird der veſte Grund angezeiget, darinn
und darauf man unbeweglich bleibet. Denn
was ein gutes ſteinernes Fundament iſt einem
Gebaͤude, ein guter fruchtbarer Boden einem
Baume, das iſt Chriſtus einer glaͤubigen Seele.
Darum Paulus den Epheſern wuͤnſchet, daß ſie
durch den Glauben und durch die Liebe moͤchten
immer mehr eingewurtzelt und gegruͤndet werden
in und auf Chriſtum c. 3, 17. 18. Siehe auch
Col. 4, 12.
V. 9.
Denn was fuͤr einen Danck koͤnnen wir
GOtt vergelten fuͤr alle dieſe Freude, die
wir haben von euch (δὶ ὑμᾶς, eurenthalben)
vor unſerm GOtt?
Anmerckungen.
1. Die Eigenſchaft und Pflicht eines recht-
ſchafnen Lehrers iſt, daß er von den Fruͤchten
ſeines Amts ſich ſelbſt nichts, ſondern durch eine
demuͤthige Danckſagung alles eintzig und allein
GOtt zuſchreibet, und fuͤr ſich es genug ſeyn laſſe,
daß er Freude und Erquickung davon hat.
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ſchen durch eine dreyfache Eigenſchaft. Denn
ſie entſtehet uͤber eine geiſtliche und zur Ehre Got-
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Lobe GOttes, wird auch vor GOtt, in deſſen
Gegenwart mit gutem Gewiſſen, in aller Lau-
terkeit genoſſen. Dieſes finden wir alhie an der
Freude Pauli. Denn er freuete ſich uͤber den
geiſtlichen Wohlſtand der Theſſalonicher
vor GOtt, und zwar alſo, daß er daher GOtt
danckete. Hingegen wird bey einer irdiſchen
Welt-Freude GOtt aus den Augen geſetzet und
ſein Name verunehret.
V. 10.
Wir bitten Tag und Nacht faſt
ſehr (ὑπερ` ἐκ περισσου῀, uͤber die maßen ſehre)
daß wir ſehen moͤgen euer Angeſicht, und
erſtatten, ſo etwas mangelt an eurem Glau-
ben (Gr. Die Maͤngel eures Glaubens zu er-
gaͤntzen, nemlich durch unſern Unterricht, auch
durch unſere Aufmunterung in allem dem, was
zum Glauben und rechtſchafnen Weſen ge-
hoͤret.)
Anmerckungen.
1. Paulus zeiget an, daß ſeine Danckſa-
gung mit der Bitte, daß GOtt doch ſeinen Weg
bald wieder zu den Theſſalonicenſern richten
moͤchte, ſey verknuͤpfet geweſen: wie denn Bitte
und Danckſagung gemeiniglich im Gebete mit
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2. Weil Paulus nicht allein den Tag hin-
durch zum oͤftern gebetet, ſondern auch das Ge-
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Nacht gerechneten Abend-und Morgen-Stun-
den geuͤbet hat, auch wohl, wenn er ſchlafloſe
Naͤchte, oder doch darinn manche ſchlafloſe
Stunden gehabt hat, dieſelbe gleichfals guten
theils im Gebete zugebracht; ſo ſpricht er mit
Recht, er habe Tag und Nacht gebetet.
3. Man ſiehet hieraus, wie man nicht muͤ-
de werden ſoll, um eine zur Ehre GOttes und
zu vielem Heil der Seelen gereichende Sache,
bey GOtt im Gebet anzuhalten. Und geſetzet
auch, daß die gewuͤnſchte Sache nicht erbeten
werde, oder nicht erfolge, ſo iſt das Gebet
ſelbſt doch in Chriſto ein angenehmes Opfer, und
wird in andern Stuͤcken nicht unerhoͤret blei-
ben. So viel man aus der Hiſtorie des Lebens
und der Verrichtung Pauli ſehen kan, iſt er ſei-
nes Wunſches, die Theſſalonicher zu ſehen und
zu ſtaͤrcken, erſt im fuͤnften Jahr darauf geweh-
ret worden, nemlich im Jahr Chriſti 57. da er
den Brief im Jahr 52. geſchrieben batte. Denn
da iſt er nach Macedonien, und alſo wol ohne
Zweifel darinn nach der Haupt-Stadt Theſſa-
lonich gekommen, Ap. Geſch. 20, 2. 1 Cor. 16,
5. u. f.
4. So weit ein Chriſt im Glauben und in
der Liebe auch immermehr gekommen ſeyn mag,
ſo findet ſich doch noch immer ein ſolcher Man-
gel, daß er noch mehr zu wachſen hat. Denn
was koͤnnen wir uns wol fuͤr einen geſegnetern
Zuſtand vorſtellen, als den, welchen der Apoſtel
an den Theſſalonichern in Anſehung ihres Glau-
bens und ihrer Liebe, auch Hoffnung und Ge-
duld, ſo hoch ruͤhmet c. 1, 3. 4. 5. u. ſ. w. c. 2, 13.
14. 19. 20. c. 3, 6. 7. nichts deſtoweniger aber
haͤlt er dafuͤr, daß bey ihnen noch mancher Man-
gel, obgleich bey dem einen mehr, als bey dem
andern, zu finden und zu ergaͤntzen ſey: wie er
denn auch daher c. 4. und 5. manche gute Erin-
nerung hinzu thut. Dergleichen ſchreibet er
auch an die gleichfals ſonſt ſehr geruͤhmte glaͤubi-
gen Roͤmer c. 1, 10. u. ſ. w. c. 15, 22. 23.
V. 11.
1. Er aber GOtt (ἀυτὸς δὲ ὁ Θεὸς, GOtt
ſelbſt
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/25>, abgerufen am 27.07.2024.
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