Daß dein Glaube, den wir mit einan- der (gemein) haben, in dir kräftig werde durch die Erkenntniß alle des Guten, das ihr habt (und wir mit euch haben) in Christo JEsu.
Anmerckungen.
1. Die letztern Worte eis khrison Iesou~n, auf oder gegen Christum JEsum, sind zu construiren mit den erstern Worten kainonia tes piseos, Gemeinschaft des Glaubens an Christum JEsum, oder der auf ihn gehet. Sie können auch gar füglich construiret wer- den mit den Worten energes genetai, daß der Glaube kräftig werde, sich recht in seiner inner- lichen Wirckung und Kraft hervor thue eis khri- son Iesou~n gegen Christum. Da denn die ü- brigen Worte en epignosei pantos agathou~ tou~ en umin, anzeigen, was Philemonem und ande- re Gläubigen dazu bewegen soll, daß sie ihren Glauben so krästig werden lassen. Es können auch die letztern Worte tou~ a'gathou~ mit den Worten eis khrison construiret werden, in dem Verstande, daß alles Gute auf Christum ge- richtet sey, seinen Namen zu verherrlichen.
2. Hatte der Apostel Philemoni vorher das Zeugniß gegeben von seinem rechtschafnen Wesen in Ansehung seines Glaubens und seiner Liebe, so ermuntert er ihn darauf noch zum meh- rern Wachsthum im Guten; und zwar also, daß er anzeiget, es sey auch seine Dancksagungsvolle Fürbitte für ihn dahin gerichtet. Und solcher- gestalt konnte Philemon so viel weniger geden- cken, als dürfte er nicht mehr wachsen. Es muß beydes allemal bey einander seyn, ein recht- schafnes Wesen und ein Ernst um noch mehrern Wachsthum; als dadurch sich das rechtschafne Wesen am meisten erweiset.
3. Es kan ein Lehrer, ja ein Christ dem an- dern, wenn sie beyde rechtschaffen sind, wohl bezeugen, daß er ihn für rechtschaffen erkenne. Denn diß erwecket ein gutes Vertrauen gegen einander. Dem Mißbrauche aber zur Eigen- liebe kan damit schon vorgebeuget werden, wenn man den andern zugleich auf einen mehrern Wachsthum aufmuntert. Dazu der andere es sich auch ohne das, wo er eines lautern Sinnes ist, wird dienen lassen, wenn es auch gleich nicht so ausdrücklich erinnert würde.
4. Die Gemeinschaft des Sinnes kömmt bey wahren Christen her von der Gemeinschaft des Glaubens. Denn da der Glaube in der wahren Aenderung des Hertzens angezündet wird, und des Menschen Sinn auf Christum führet, so entstehet daher bey allen Gläubigen die Gemeinschaft des Sinnes; als der in allen bekehret und auf Christum in der Lauterkeit ge- richtet ist. Petrus nennet 2 Ep. c. 1, 1. diese Ge- meinschaft des Glaubens pistin isotimon, eben denselben theuren Glauben, welchen alle Gläu- bigen mit ihm überkommen hatten.
5. Da der Glaube ein Göttliches Werck in der Seele ist, so ist er auch immer energes, in- [Spaltenumbruch]
nerlich wircksam und geschäftig, und also auch, ausser dem Stande der Anfechtung, em- pfindlich, oder leichtlich zu empfinden. Paulus nennet ihn daher durch die Liebe energoumenen, thätig, oder recht geschäftig Gal. 5, 6.
6. Unter dem Philemone, der Appia, und Archippo, auch den übrigen Gläubigen, war zu Colossen viel gutes. Dieses war unter ih- nen, und zugleich auch in ihnen. Denn un- ter ihnen hatte sich GOTT bey der Bekehrung vieler Seelen mit vielen Wunder-Kräften gar herrlich erwiesen, und daß das Evangelium eine Kraft GOttes sey, zur Hertzens-Aenderung und Wiedergeburt, auch daß es so viele Heyls-Gü- ter zur wircklichen Besitzung und zum seligen Ge- nuß mit sich führe, das hatten sie in sich wirck- lich erfahren. Und also hatte ihr Glaube nicht allein die blossen Verheissungen vor sich, son- dern er genoß auch bereits der Erfüllung. Und dannenhero konte der Glaube durch die Er- kenntniße, das ist, durch die danckbarliche Be- trachtung ihres Gnaden-Standes und alle des guten, was sie darinnen schon wircklich empfan- gen hatten, und dero Wachsthum ihnen bevor- stunde, wol immer kräftiger und wircksamer in ihnen werden. Daß aber die Gläubigen zu Colossen wie die Gnaden-Kräfte, also auch unter sich die Wunder-Kräfte gehabt haben, daran, ob der Apostel derselben gleich nicht aus- drücklich gedencket, ist nicht zu zweifeln, weil die ersten Apostolischen Gemeinen überhaupt bey ihrer Pflantzung damit begnadiget wurden.
7. Die wahre Armuth des Geistes, oder das Gefühle davon, kan mit der Erkenntniß des guten, was man von GOTT schon wirck- lich empfangen hat, und in sich selbst besitzet, gar wohl zusammen stehen. Denn gleichwie diese Erkenntniß ist der Grund der schuldigen Danckbarkeit: also bleibet dabey auch das Gefüh- le von der noch übrigen geistlichen Armuth, oder von der grossen Unvollkommenheit des erkann- ten Guten, und von unserer noch übrigen grossen Schwachheit: durch welche wir denn zum Wachsthum im guten immer mehr angetrieben werden.
V. 7.
Wir haben aber grosse Freudigkeit und Trost an deiner Liebe (gegen alle Heili- gen v. 5. und zweifeln also nicht, du werdest sie auch gegen den verlaufenen Onesimum bewei- sen, da er aus einem unheiligen durch GOttes Gnade auch ein Heiliger worden ist:) Denn die Hertzen der Heiligen (wie wir mit besonderm Vergnügen gehöret haben v. 5.) sind erquicket durch dich, lieber Bruder.
Anmerckungen.
1. An statt des von Luthero gebrauchten Wörtleins aber stehet im Griechischen gar, denn, welches alhier in seiner gehörigen Bedeu- tung billig angenommen wird. Denn der A- postel erläutert alhier mit mehrern, was er für Ursache gehabt habe, seine Fürbitte für Phile- monem v. 4. mit einer Dancksagung zu verrich-
ten.
F f
v. 6. 7. an den Philemonem.
[Spaltenumbruch]
V. 6.
Daß dein Glaube, den wir mit einan- der (gemein) haben, in dir kraͤftig werde durch die Erkenntniß alle des Guten, das ihr habt (und wir mit euch haben) in Chriſto JEſu.
Anmerckungen.
1. Die letztern Worte ἐις χριςὸν Ιησου῀ν, auf oder gegen Chriſtum JEſum, ſind zu conſtruiren mit den erſtern Worten καινωνία τῆς πίςεως, Gemeinſchaft des Glaubens an Chriſtum JEſum, oder der auf ihn gehet. Sie koͤnnen auch gar fuͤglich conſtruiret wer- den mit den Worten ἐνεργὴς γένηται, daß der Glaube kraͤftig werde, ſich recht in ſeiner inner- lichen Wirckung und Kraft hervor thue ἐις χρι- ςον Ιησου῀ν gegen Chriſtum. Da denn die uͤ- brigen Worte ἐν ἐπιγνώσει παντὸς ἀγαθου῀ του῀ ἐν ὑμῖν, anzeigen, was Philemonem und ande- re Glaͤubigen dazu bewegen ſoll, daß ſie ihren Glauben ſo kraͤſtig werden laſſen. Es koͤnnen auch die letztern Worte του῀ α᾽γαθου῀ mit den Worten ἐις χριςὸν conſtruiret werden, in dem Verſtande, daß alles Gute auf Chriſtum ge- richtet ſey, ſeinen Namen zu verherrlichen.
2. Hatte der Apoſtel Philemoni vorher das Zeugniß gegeben von ſeinem rechtſchafnen Weſen in Anſehung ſeines Glaubens und ſeiner Liebe, ſo ermuntert er ihn darauf noch zum meh- rern Wachsthum im Guten; und zwar alſo, daß er anzeiget, es ſey auch ſeine Danckſagungsvolle Fuͤrbitte fuͤr ihn dahin gerichtet. Und ſolcher- geſtalt konnte Philemon ſo viel weniger geden- cken, als duͤrfte er nicht mehr wachſen. Es muß beydes allemal bey einander ſeyn, ein recht- ſchafnes Weſen und ein Ernſt um noch mehrern Wachsthum; als dadurch ſich das rechtſchafne Weſen am meiſten erweiſet.
3. Es kan ein Lehrer, ja ein Chriſt dem an- dern, wenn ſie beyde rechtſchaffen ſind, wohl bezeugen, daß er ihn fuͤr rechtſchaffen erkenne. Denn diß erwecket ein gutes Vertrauen gegen einander. Dem Mißbrauche aber zur Eigen- liebe kan damit ſchon vorgebeuget werden, wenn man den andern zugleich auf einen mehrern Wachsthum aufmuntert. Dazu der andere es ſich auch ohne das, wo er eines lautern Sinnes iſt, wird dienen laſſen, wenn es auch gleich nicht ſo ausdruͤcklich erinnert wuͤrde.
4. Die Gemeinſchaft des Sinnes koͤmmt bey wahren Chriſten her von der Gemeinſchaft des Glaubens. Denn da der Glaube in der wahren Aenderung des Hertzens angezuͤndet wird, und des Menſchen Sinn auf Chriſtum fuͤhret, ſo entſtehet daher bey allen Glaͤubigen die Gemeinſchaft des Sinnes; als der in allen bekehret und auf Chriſtum in der Lauterkeit ge- richtet iſt. Petrus nennet 2 Ep. c. 1, 1. dieſe Ge- meinſchaft des Glaubens πίστιν ἰσότιμον, eben denſelben theuren Glauben, welchen alle Glaͤu- bigen mit ihm uͤberkommen hatten.
5. Da der Glaube ein Goͤttliches Werck in der Seele iſt, ſo iſt er auch immer ἐνεργὴς, in- [Spaltenumbruch]
nerlich wirckſam und geſchaͤftig, und alſo auch, auſſer dem Stande der Anfechtung, em- pfindlich, oder leichtlich zu empfinden. Paulus nennet ihn daher durch die Liebe ἐνεργουμἐνην, thaͤtig, oder recht geſchaͤftig Gal. 5, 6.
6. Unter dem Philemone, der Appia, und Archippo, auch den uͤbrigen Glaͤubigen, war zu Coloſſen viel gutes. Dieſes war unter ih- nen, und zugleich auch in ihnen. Denn un- ter ihnen hatte ſich GOTT bey der Bekehrung vieler Seelen mit vielen Wunder-Kraͤften gar herrlich erwieſen, und daß das Evangelium eine Kraft GOttes ſey, zur Hertzens-Aenderung und Wiedergeburt, auch daß es ſo viele Heyls-Guͤ- ter zur wircklichen Beſitzung und zum ſeligen Ge- nuß mit ſich fuͤhre, das hatten ſie in ſich wirck- lich erfahren. Und alſo hatte ihr Glaube nicht allein die bloſſen Verheiſſungen vor ſich, ſon- dern er genoß auch bereits der Erfuͤllung. Und dannenhero konte der Glaube durch die Er- kenntniße, das iſt, durch die danckbarliche Be- trachtung ihres Gnaden-Standes und alle des guten, was ſie darinnen ſchon wircklich empfan- gen hatten, und dero Wachsthum ihnen bevor- ſtunde, wol immer kraͤftiger und wirckſamer in ihnen werden. Daß aber die Glaͤubigen zu Coloſſen wie die Gnaden-Kraͤfte, alſo auch unter ſich die Wunder-Kraͤfte gehabt haben, daran, ob der Apoſtel derſelben gleich nicht aus- druͤcklich gedencket, iſt nicht zu zweifeln, weil die erſten Apoſtoliſchen Gemeinen uͤberhaupt bey ihrer Pflantzung damit begnadiget wurden.
7. Die wahre Armuth des Geiſtes, oder das Gefuͤhle davon, kan mit der Erkenntniß des guten, was man von GOTT ſchon wirck- lich empfangen hat, und in ſich ſelbſt beſitzet, gar wohl zuſammen ſtehen. Denn gleichwie dieſe Erkenntniß iſt der Grund der ſchuldigen Danckbarkeit: alſo bleibet dabey auch das Gefuͤh- le von der noch uͤbrigen geiſtlichen Armuth, oder von der groſſen Unvollkommenheit des erkann- ten Guten, und von unſerer noch uͤbrigen groſſen Schwachheit: durch welche wir denn zum Wachsthum im guten immer mehr angetrieben werden.
V. 7.
Wir haben aber groſſe Freudigkeit und Troſt an deiner Liebe (gegen alle Heili- gen v. 5. und zweifeln alſo nicht, du werdeſt ſie auch gegen den verlaufenen Oneſimum bewei- ſen, da er aus einem unheiligen durch GOttes Gnade auch ein Heiliger worden iſt:) Denn die Hertzen der Heiligen (wie wir mit beſonderm Vergnuͤgen gehoͤret haben v. 5.) ſind erquicket durch dich, lieber Bruder.
Anmerckungen.
1. An ſtatt des von Luthero gebrauchten Woͤrtleins aber ſtehet im Griechiſchen γἀρ, denn, welches alhier in ſeiner gehoͤrigen Bedeu- tung billig angenommen wird. Denn der A- poſtel erlaͤutert alhier mit mehrern, was er fuͤr Urſache gehabt habe, ſeine Fuͤrbitte fuͤr Phile- monem v. 4. mit einer Danckſagung zu verrich-
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[225/0227]
v. 6. 7. an den Philemonem.
V. 6.
Daß dein Glaube, den wir mit einan-
der (gemein) haben, in dir kraͤftig werde
durch die Erkenntniß alle des Guten, das
ihr habt (und wir mit euch haben) in Chriſto
JEſu.
Anmerckungen.
1. Die letztern Worte ἐις χριςὸν Ιησου῀ν,
auf oder gegen Chriſtum JEſum, ſind zu
conſtruiren mit den erſtern Worten καινωνία
τῆς πίςεως, Gemeinſchaft des Glaubens an
Chriſtum JEſum, oder der auf ihn gehet.
Sie koͤnnen auch gar fuͤglich conſtruiret wer-
den mit den Worten ἐνεργὴς γένηται, daß der
Glaube kraͤftig werde, ſich recht in ſeiner inner-
lichen Wirckung und Kraft hervor thue ἐις χρι-
ςον Ιησου῀ν gegen Chriſtum. Da denn die uͤ-
brigen Worte ἐν ἐπιγνώσει παντὸς ἀγαθου῀ του῀
ἐν ὑμῖν, anzeigen, was Philemonem und ande-
re Glaͤubigen dazu bewegen ſoll, daß ſie ihren
Glauben ſo kraͤſtig werden laſſen. Es koͤnnen
auch die letztern Worte του῀ α᾽γαθου῀ mit den
Worten ἐις χριςὸν conſtruiret werden, in dem
Verſtande, daß alles Gute auf Chriſtum ge-
richtet ſey, ſeinen Namen zu verherrlichen.
2. Hatte der Apoſtel Philemoni vorher
das Zeugniß gegeben von ſeinem rechtſchafnen
Weſen in Anſehung ſeines Glaubens und ſeiner
Liebe, ſo ermuntert er ihn darauf noch zum meh-
rern Wachsthum im Guten; und zwar alſo, daß
er anzeiget, es ſey auch ſeine Danckſagungsvolle
Fuͤrbitte fuͤr ihn dahin gerichtet. Und ſolcher-
geſtalt konnte Philemon ſo viel weniger geden-
cken, als duͤrfte er nicht mehr wachſen. Es muß
beydes allemal bey einander ſeyn, ein recht-
ſchafnes Weſen und ein Ernſt um noch mehrern
Wachsthum; als dadurch ſich das rechtſchafne
Weſen am meiſten erweiſet.
3. Es kan ein Lehrer, ja ein Chriſt dem an-
dern, wenn ſie beyde rechtſchaffen ſind, wohl
bezeugen, daß er ihn fuͤr rechtſchaffen erkenne.
Denn diß erwecket ein gutes Vertrauen gegen
einander. Dem Mißbrauche aber zur Eigen-
liebe kan damit ſchon vorgebeuget werden, wenn
man den andern zugleich auf einen mehrern
Wachsthum aufmuntert. Dazu der andere es
ſich auch ohne das, wo er eines lautern Sinnes
iſt, wird dienen laſſen, wenn es auch gleich nicht
ſo ausdruͤcklich erinnert wuͤrde.
4. Die Gemeinſchaft des Sinnes koͤmmt
bey wahren Chriſten her von der Gemeinſchaft
des Glaubens. Denn da der Glaube in der
wahren Aenderung des Hertzens angezuͤndet
wird, und des Menſchen Sinn auf Chriſtum
fuͤhret, ſo entſtehet daher bey allen Glaͤubigen
die Gemeinſchaft des Sinnes; als der in allen
bekehret und auf Chriſtum in der Lauterkeit ge-
richtet iſt. Petrus nennet 2 Ep. c. 1, 1. dieſe Ge-
meinſchaft des Glaubens πίστιν ἰσότιμον, eben
denſelben theuren Glauben, welchen alle Glaͤu-
bigen mit ihm uͤberkommen hatten.
5. Da der Glaube ein Goͤttliches Werck
in der Seele iſt, ſo iſt er auch immer ἐνεργὴς, in-
nerlich wirckſam und geſchaͤftig, und alſo
auch, auſſer dem Stande der Anfechtung, em-
pfindlich, oder leichtlich zu empfinden. Paulus
nennet ihn daher durch die Liebe ἐνεργουμἐνην,
thaͤtig, oder recht geſchaͤftig Gal. 5, 6.
6. Unter dem Philemone, der Appia, und
Archippo, auch den uͤbrigen Glaͤubigen, war zu
Coloſſen viel gutes. Dieſes war unter ih-
nen, und zugleich auch in ihnen. Denn un-
ter ihnen hatte ſich GOTT bey der Bekehrung
vieler Seelen mit vielen Wunder-Kraͤften gar
herrlich erwieſen, und daß das Evangelium eine
Kraft GOttes ſey, zur Hertzens-Aenderung und
Wiedergeburt, auch daß es ſo viele Heyls-Guͤ-
ter zur wircklichen Beſitzung und zum ſeligen Ge-
nuß mit ſich fuͤhre, das hatten ſie in ſich wirck-
lich erfahren. Und alſo hatte ihr Glaube nicht
allein die bloſſen Verheiſſungen vor ſich, ſon-
dern er genoß auch bereits der Erfuͤllung. Und
dannenhero konte der Glaube durch die Er-
kenntniße, das iſt, durch die danckbarliche Be-
trachtung ihres Gnaden-Standes und alle des
guten, was ſie darinnen ſchon wircklich empfan-
gen hatten, und dero Wachsthum ihnen bevor-
ſtunde, wol immer kraͤftiger und wirckſamer
in ihnen werden. Daß aber die Glaͤubigen zu
Coloſſen wie die Gnaden-Kraͤfte, alſo auch
unter ſich die Wunder-Kraͤfte gehabt haben,
daran, ob der Apoſtel derſelben gleich nicht aus-
druͤcklich gedencket, iſt nicht zu zweifeln, weil
die erſten Apoſtoliſchen Gemeinen uͤberhaupt bey
ihrer Pflantzung damit begnadiget wurden.
7. Die wahre Armuth des Geiſtes, oder
das Gefuͤhle davon, kan mit der Erkenntniß
des guten, was man von GOTT ſchon wirck-
lich empfangen hat, und in ſich ſelbſt beſitzet,
gar wohl zuſammen ſtehen. Denn gleichwie
dieſe Erkenntniß iſt der Grund der ſchuldigen
Danckbarkeit: alſo bleibet dabey auch das Gefuͤh-
le von der noch uͤbrigen geiſtlichen Armuth, oder
von der groſſen Unvollkommenheit des erkann-
ten Guten, und von unſerer noch uͤbrigen groſſen
Schwachheit: durch welche wir denn zum
Wachsthum im guten immer mehr angetrieben
werden.
V. 7.
Wir haben aber groſſe Freudigkeit
und Troſt an deiner Liebe (gegen alle Heili-
gen v. 5. und zweifeln alſo nicht, du werdeſt ſie
auch gegen den verlaufenen Oneſimum bewei-
ſen, da er aus einem unheiligen durch GOttes
Gnade auch ein Heiliger worden iſt:) Denn die
Hertzen der Heiligen (wie wir mit beſonderm
Vergnuͤgen gehoͤret haben v. 5.) ſind erquicket
durch dich, lieber Bruder.
Anmerckungen.
1. An ſtatt des von Luthero gebrauchten
Woͤrtleins aber ſtehet im Griechiſchen γἀρ,
denn, welches alhier in ſeiner gehoͤrigen Bedeu-
tung billig angenommen wird. Denn der A-
poſtel erlaͤutert alhier mit mehrern, was er fuͤr
Urſache gehabt habe, ſeine Fuͤrbitte fuͤr Phile-
monem v. 4. mit einer Danckſagung zu verrich-
ten.
F f
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/227>, abgerufen am 10.05.2024.
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