Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Erklärung des Briefes Pauli Cap. 3. v. 9. 10. [Spaltenumbruch]
recht einzusehen und zu beurtheilen, viel zu hochsind) der Geschlecht-Register (darauf die Fragen unter den nicht recht bekehrten Juden guten Theils mit gingen) und des Zancks (der aus solchen unnützen Fragen und genealogi- schem Fürwitz gemeiniglich entstehet) und des Streits über dem Gesetz (wie viele der Gebo- te und Verbote seyn, wie sie einzutheilen, wel- che die grössesten und kleinesten, wie dieser und jener Ort nach den Meynungen und Aufsätzen der Aeltesten auszulegen, und ob nicht dieses und jenes von dem Ceremonial-Gesetze auch bey dem Christenthum, als nöthig zur Seligkeit, beyzubehalten sey?) entschlage dich (derge- stalt, daß du dich dessen nicht allein enthaltest, sondern auch es verhinderst, andere davor war- nest, und wenn sie von verführischen Menschen darüber irre gemacht sind, sie wieder zu rechte weisest.) Denn sie sind unnütz und eitel (im Gegensatz auf die vorhergedachte Lehren, welche gut und nützlich sind. v. 8. Denn sie ver- dunckeln und verkehren den zuvor angeführten Rath GOttes von dem Grunde und von der Ordnung des Heyls, und führen die Seelen davon ab: darüber sie denn gantz vereitelt und zerrüttet werden. Siehe dergleichen Warnun- gen 1 Tim. 1, 4. c. 4, 7. c. 6, 4. 20. 2 Tim. 2, 23. Tit. 1, 10. 14.) V. 10. Einen ketzerischen Menschen meide, Anmerckung. 1. Was ein ketzerischer Mensch sey, 2. Wir sehen alhier, wie man mit Ke- 3. Da man nun weiter wider wirckliche 4. Jst es nun unchristlich, Ketzer zu verfol- verfol-
Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 3. v. 9. 10. [Spaltenumbruch]
recht einzuſehen und zu beurtheilen, viel zu hochſind) der Geſchlecht-Regiſter (darauf die Fragen unter den nicht recht bekehrten Juden guten Theils mit gingen) und des Zancks (der aus ſolchen unnuͤtzen Fragen und genealogi- ſchem Fuͤrwitz gemeiniglich entſtehet) und des Streits uͤber dem Geſetz (wie viele der Gebo- te und Verbote ſeyn, wie ſie einzutheilen, wel- che die groͤſſeſten und kleineſten, wie dieſer und jener Ort nach den Meynungen und Aufſaͤtzen der Aelteſten auszulegen, und ob nicht dieſes und jenes von dem Ceremonial-Geſetze auch bey dem Chriſtenthum, als noͤthig zur Seligkeit, beyzubehalten ſey?) entſchlage dich (derge- ſtalt, daß du dich deſſen nicht allein enthalteſt, ſondern auch es verhinderſt, andere davor war- neſt, und wenn ſie von verfuͤhriſchen Menſchen daruͤber irre gemacht ſind, ſie wieder zu rechte weiſeſt.) Denn ſie ſind unnuͤtz und eitel (im Gegenſatz auf die vorhergedachte Lehren, welche gut und nuͤtzlich ſind. v. 8. Denn ſie ver- dunckeln und verkehren den zuvor angefuͤhrten Rath GOttes von dem Grunde und von der Ordnung des Heyls, und fuͤhren die Seelen davon ab: daruͤber ſie denn gantz vereitelt und zerruͤttet werden. Siehe dergleichen Warnun- gen 1 Tim. 1, 4. c. 4, 7. c. 6, 4. 20. 2 Tim. 2, 23. Tit. 1, 10. 14.) V. 10. Einen ketzeriſchen Menſchen meide, Anmerckung. 1. Was ein ketzeriſcher Menſch ſey, 2. Wir ſehen alhier, wie man mit Ke- 3. Da man nun weiter wider wirckliche 4. Jſt es nun unchriſtlich, Ketzer zu verfol- verfol-
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Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 3. v. 9. 10.
recht einzuſehen und zu beurtheilen, viel zu hoch
ſind) der Geſchlecht-Regiſter (darauf die
Fragen unter den nicht recht bekehrten Juden
guten Theils mit gingen) und des Zancks (der
aus ſolchen unnuͤtzen Fragen und genealogi-
ſchem Fuͤrwitz gemeiniglich entſtehet) und des
Streits uͤber dem Geſetz (wie viele der Gebo-
te und Verbote ſeyn, wie ſie einzutheilen, wel-
che die groͤſſeſten und kleineſten, wie dieſer und
jener Ort nach den Meynungen und Aufſaͤtzen
der Aelteſten auszulegen, und ob nicht dieſes
und jenes von dem Ceremonial-Geſetze auch
bey dem Chriſtenthum, als noͤthig zur Seligkeit,
beyzubehalten ſey?) entſchlage dich (derge-
ſtalt, daß du dich deſſen nicht allein enthalteſt,
ſondern auch es verhinderſt, andere davor war-
neſt, und wenn ſie von verfuͤhriſchen Menſchen
daruͤber irre gemacht ſind, ſie wieder zu rechte
weiſeſt.) Denn ſie ſind unnuͤtz und eitel
(im Gegenſatz auf die vorhergedachte Lehren,
welche gut und nuͤtzlich ſind. v. 8. Denn ſie ver-
dunckeln und verkehren den zuvor angefuͤhrten
Rath GOttes von dem Grunde und von der
Ordnung des Heyls, und fuͤhren die Seelen
davon ab: daruͤber ſie denn gantz vereitelt und
zerruͤttet werden. Siehe dergleichen Warnun-
gen 1 Tim. 1, 4. c. 4, 7. c. 6, 4. 20. 2 Tim. 2, 23.
Tit. 1, 10. 14.)
V. 10.
Einen ketzeriſchen Menſchen meide,
wenn er einmal und abermal ermahnet
iſt.
Anmerckung.
1. Was ein ketzeriſcher Menſch ſey,
iſt im Gegenſatze des vorhergehenden Contex-
tes leichtlich zu erkennen; nemlich der nicht haͤlt
an denjenigen Lehren, welche zum Grund und
zu der Ordnung des Heyls gehoͤren, ſondern
ſolche theils leugnet, theils beſtreitet, und alſo
damit verurſachet, daß weder er ſelbſt, noch die
ihm folgen, ſelig werden. Die Griechiſche Be-
nennung haben ſolche Leute von der Erwehlung
gewiſſer irrigen und ſchaͤdlichen Lehren, die ſie
alſo fortzupflantzen ſuchen, daß ſie ſich darin-
nen einen Anhang machen. Daß es ſolche Leu-
te geben wuͤrde, hat unſer Heyland deutlich vor-
her geſaget, ſonderlich Matth. 13, 24. u. f. in
dem Gleichniſſe von dem unter den guten Sa-
men des Weitzens von dem Feinde geſaͤeten
Unkraute. Und daß leider eine ſolche unſelige
Saat hin und wieder ſo fort auf den Apoſtoli-
ſchen Kirchen-Acker gefallen, und darinnen
zum groſſen Schaden des Weitzens ſtarck auf-
gegangen ſey, erſiehet man faſt aus allen ihren
Briefen. Und daß nachhero uͤbel noch aͤrger wor-
den, lehret die Kirchen-Hiſtorie.
2. Wir ſehen alhier, wie man mit Ke-
tzeren umzugehen hat: nemlich man hat zu-
vorderſt in Liebe mit der Wahrheit an ihnen zu
arbeiten, ob man ſie eines beſſern uͤberzeugen
moͤge; auch muß man darinnen nicht ſo gleich
muͤde werden, ſondern damit anhalten. Wenn
denn dieſes nichts fruchtet, ſo hat man ſie zu
meiden, und mit ihnen gar keine Gemeinſchaft
zu haben 2 Joh. v. 10. 11. Wenn ſie in der er-
ſten Kirche nicht ſelbſt aus der Gemeine ſchieden
und ſich davon, mit Suchung eines beſondern
Anhangs, trenneten, wie gemeiniglich geſchahe;
ſo war dieſes meiden mit einer Ausſchlieſſung
verknuͤpfet.
3. Da man nun weiter wider wirckliche
Ketzer in der Apoſtoliſchen Kirche nicht gegan-
gen, noch dißfals eine andere Verordnung vor-
handen iſt; ſo iſt es ſehr unchriſtlich gehandelt,
wenn man ſolche Leute auf mancherley Art ver-
folget, und mit weltlicher Strafe, ja wol gar
mit der Todes-Strafe, beleget. Welches viel-
mehr unſer Heyland gar nachdruͤcklich verbie-
tet Matth. 13, 28. u. f. Denn da in dem hieſelbſt
gedachten Gleichniſſe von dem Unkraute zwi-
ſchen den Weitzen, die Knechte ſprachen:
Wilt du, daß wir hingehen, und es aus-
gaͤten? ſo ſpricht unſer Heyland unter der Per-
ſon des Haus-Vaters: Nein, auf daß ihr
nicht zugleich den Weitzen mit ausraufet,
ſo ihr das Unkraut ausgaͤtet. Laſſet bey-
des mit einander wachſen bis zur Erndte.
u. ſ. w. Da das mit einander wachſen nicht
von einer kirchlichen Erduldung, vielweniger
Ubereinſtimmung zu verſtehen iſt, ſondern nur
dem gewaltſamen ausreiſſen, welches durch welt-
liche Stafen geſchiehet, entgegen geſetzet iſt.
Und gleich wie jenes unchriſtlich iſt, ſo iſt es auch
dabey ſehr unvernuͤnſtig. Denn es iſt keine
Gleichheit zwiſchen einem, ob gleich groſſen
Jrrthum des Verſtandes, (als welcher ein in-
nerliches in der Seelen liegendes Ubel iſt) und
einer weltlichen Leibes- und Todes-Straſe.
Und obgleich der Jrrthum des Verſtandes mit
einer Bosheit des Willens verknuͤpfet iſt; ſo
kan doch dieſe nicht mit weltlicher Strafe bele-
get werden, wenn ſie nicht in aͤuſſerliche gro-
be Verbrechen, darauf ſolche Strafen geſetzet
ſind, ausbricht. Geſchiehet aber dieſes, ſo
wird ein Ketzer nicht als ein Ketzer, ſondern als
ein anderer Ubelthaͤter billig zur aͤuſſerlichen
Strafe gezogen. Zu dem wird durch ein ge-
waltſames Verfahren bey ſolchen Leuten Ubel
nur noch viel aͤrger gemacht. Denn weil ſie wiſ-
ſen, daß ſie, ſo fern ſie ſich aͤuſſerlich ſtille, ehrbar
und ordentlich halten, durch ihre Saͤtze, die
ſie hegen, auch wol nach ihrer Erkenntniß ver-
theidigen, keine leibliche Strafen verdienet ha-
ben; ſo werden ſie dadurch nur in einen
Grimm gebracht, werden immer hartnaͤckiger
und halten ſich wol gar fuͤr Maͤrtyrer. Oder
aber, wenn ſie aus Furcht der Strafe revo-
ciren, ſo werden ſie Heuchler; damit hernach
der Kirchen auch mehr geſchadet, als gedienet
wird.
4. Jſt es nun unchriſtlich, Ketzer zu verfol-
gen; ſo iſt es gewißlich noch viel unchriſtlicher, ja
recht antichriſtiſch, theils gewiſſe unrichtige Mey-
nungen, welche den Grund des Glaubens nicht um-
reiſſen, theils gar die theuerſten Wahrheiten fuͤr
Ketzerey auszurufen, und dero aufrichtige Zeugen
als Ketzer zu beſchuldigen, zu verdammen und zu
verfol-
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